Protocol of the Session on April 22, 2004

Der Bund hat heute täglich allein 100 Millionen Euro an Zinsen zu bezahlen. Man kann es den Bürgern nicht zumuten, dass wir weiterhin alles über Schulden finanzieren. Sie werden sehen, wie uns der nächste Doppelhaushalt zu schaffen machen wird. Da wird es nicht nur darum gehen, den jetzigen Status zu halten, sondern es wird sich die Frage stellen, wie wir die Einnahmeausfälle weiterhin kompensieren können. Ich meine, in dieser Situation ist das, was jetzt vorgeschlagen ist, ein wirklich akzeptabler Weg. Wir werden in Stufen dorthin gehen, wohin auch

andere Länder kommen werden, nämlich zur 42-StundenWoche. Wenn es wieder besser geht, kann man auch zu anderen Ergebnissen kommen.

Als Fazit bleibt einmal mehr festzustellen: Die auf der Hand liegenden Antworten sind immer wieder das Unglück der von den GRÜNEN zur Aktuellen Stunde erhobenen Themen.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weise darauf hin, dass aufgrund der immerwährenden Güte des Präsidiums bis jetzt jeder Redner seine Redezeit um mindestens eine Minute überzogen hat. Ich bitte die nachfolgenden Redner, genau auf die Blinksignale zu achten. Als Nächster hat Herr Kollege Wörner das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Man muss sich hier viel anhören, was eigentlich nicht zum Antrag und zur Aktuellen Stunde gehört; trotzdem sollte man einiges klarstellen. Herr Prof. Waschler, wenn Sie von einem Wahlerfolg sprechen, muss ich Ihnen sagen: Hätten Sie die Wähler nicht getäuscht, hätten Sie den Erfolg nicht gehabt. So einfach ist das.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben den Leuten vor der Wahl etwas anderes erzählt als das, was Sie nach der Wahl getan haben. Sie sollten über alle Reden des Ministerpräsidenten und der Minister nicht schreiben „Es gilt das gesprochene Wort“, sondern „Es gilt das gebrochene Wort“. Das wäre dann die einzige richtige Aussage.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wer vor der Wahl fabuliert, muss sich nicht wundern, wenn er nach der Wahl Prügel bekommt. Wer vor der Wahl verspricht und nach der Wahl wie der Finanzminister zum tarifpolitischen Brandstifter wird, muss sich nicht wundern, wenn sich selbst in der staatstreuen Beamtenschaft Widerstand regt. Man kann das auch nicht unterdrücken mit der Aussage, die Beamten dürfen das nicht. Man muss vielmehr darüber nachdenken, warum die Leute sauer sind, und man sollte nicht darüber nachdenken, ob sie sauer sein dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, wer Sicherheit groß plakatiert, wie man es in Bayern gern tut, und zeitgleich den Polizeibeamten noch mehr zumutet, als sie bereits jetzt leisten, der muss sich nicht wundern, wenn auch dort die Motivation zurückgeht. Herr Prof. Waschler, gerade Sie müssen doch wissen, dass es zwischen Motivation und Bezahlung einen gewissen Zusammenhang gibt. Zwischen den Versprechen eines Staates und seiner Verlässlichkeit bei der Einhaltung von Zusagen auf der einen Seite und der Motivation auf der anderen Seite ist der Zusammenhang noch größer. Warum soll ein Staatsdiener staatstreu sein, wenn

der Staat, der ihm etwas verspricht, dies nicht hält und ihn im Gegenteil betrügt?

(Zuruf von der CSU)

„Betrügt“ sage ich deshalb, weil die seinerzeitige Einführung der 38,5-Stunden-Woche mit Lohn- und Gehaltsverzicht bezahlt wurde. Das vergessen Sie immer. Darüber decken Sie das Mäntelchen des Schweigens. Es wurden den Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst Minderungen im Einkommen abverlangt für die 38,5Stunden-Woche. Danach hat man sich sofort daran gemacht, die Stundenzahl für die Beamten zu erhöhen. Das heißt, man hat sie doppelt betrogen, nicht nur einfach, sondern doppelt.

Jetzt sattelt man auf das Ganze noch etwas drauf. Das kann es ja wohl nicht sein. Im Übrigen sage ich Ihnen, wenn Sie jetzt den Oberbürgermeister von München beschimpfen, weil er selbst bei den Tarifen der U-Bahn-, Straßenbahn- und Busfahrern zuschlägt: Gehen Sie zu Herrn Minister Wiesheu, der ist eine der Ursachen dafür, dass man in den Tarifverträgen der Fahrer rumwurschteln muss, was aber gar nicht so notwendig wäre.

Im Zusammenhang mit diesem Haushalt wird immer die Zukunft unserer Kinder angesprochen. Wir zerstören diesen Staat mit Sparmaßnahmen – schlanker Staat ist Zerstörung dieses Staates. Auf diesem Weg sind Sie und damit auf dem besten Weg, ein gut ausgebildetes Staatsgefüge, in dem nicht Briefträger spazieren gehen, sondern in dem hochmotiviert gearbeitet wird, dadurch zu zerstören, dass Sie demotivieren und immer schlechter bezahlen. Stellen Sie sich vor, dass ein Beamter in A 8 – wahrlich kein Spitzenverdiener; er arbeitet zum Beispiel an einer Berufsschule –durch Ihre Sparorgie, ausgebrochen durch den Wahn eines Ministerpräsidenten, der mehr werden wollte und es nicht geworden ist, in Zukunft um über 300 Euro weniger als bisher verdient. Wie können Sie so etwas überhaupt verantworten? Wie wollen Sie Leistungsträger in den Großstädten und Ballungsräumen, die eine solche Arbeit machen sollen, in Zukunft überhaupt noch bekommen? – Sie wollen Sie ja gleich gar nicht mehr einstellen.

Noch einmal zurück: Sie zerstören die Zukunft durch diesen Haushalt, durch die Demotivation der Beamtinnen und Beamten. Sie zerstören diesen Staat ganz gezielt. Sie wollen einen anderen Staat, Sie wollen ein privates Unternehmen, eine Aktiengesellschaft mit einem Vorstandsvorsitzenden. Dagegen werden wir uns wehren; das ist nämlich nicht die Zukunft Bayerns, die wir meinen. Wir meinen eine Zukunft Bayerns für Menschen, und diese Menschen brauchen diesen Staat. Sie brauchen ihn in vielfältiger Weise, und dazu gehören hochmotivierte Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst. Dafür kämpfen wir, und deswegen sind wir für die 38,5-Stunden-Woche. Sie versuchen, Herr Minister, wieder einmal Angestellte und Arbeiter gegen Beamte auszuspielen. Sie tricksen sie gegeneinander aus, indem Sie die Arbeitszeit der Beamten erhöhen und anschließend sagen, im Rahmen der Gleichbehandlung müssten auch die Angestellten und Arbeiter mehr arbeiten. Auf diesen Leim gehen Ihnen Gott sei Dank Verbände und Gewerkschaften nicht. Ich meine, Sie pro

vozieren einen heißen Sommer, wenn Sie so weitermachen.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Pschierer das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur in einer kurzen Vorbemerkung auf zwei Redner der Opposition eingehen. Das gilt einmal für die Kollegin Naaß: Frau Kollegin Naaß, wir sind hier nicht im Hauptpersonalrat, sondern im Bayerischen Landtag. Zum Kollegen Wörner: Herr Kollege Wörner, Ihr Satz, wir zerstörten diesen Staat durch Sparen, war so ziemlich das Dümmste, das ich seit langem gehört habe.

(Beifall bei der CSU)

Sie zerstören auf Bundesebene diesen Staat und diese Republik durch ein Schuldengebaren, das seinesgleichen in der Europäischen Gemeinschaft sucht.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Sie waren in den letzten Jahren nicht in der Lage, die Kriterien von Maastricht zu erfüllen. Das ist Ihre miserable Politik.

(Christa Naaß (SPD): Zum Thema, Herr Kollege!)

Wenn wir uns heute im Freistaat Bayern über die Erhöhung der Arbeitszeit im öffentlichen Dienst unterhalten, dann hat das seine Ursache auch in der miserablen Haushaltssituation, die wir bei Bund, Ländern und Kommunen vorfinden. Dafür gibt es eine Ursache. Es sind die miserablen Rahmenbedingungen, die Sie in Berlin im Steuer-, Sozialversicherungs- und Abgabenrecht sowie in der Wirtschaftspolitik setzen. Das ist die Ursache.

(Beifall bei der CSU)

Zum Thema: Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, eines zu sehen: Der öffentliche Dienst ist Teil der Gesellschaft. Wenn diese Gesellschaft und damit auch die Wirtschaft – ich spreche hier als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses – mit Änderungen konfrontiert ist, dann kann das nicht ohne Auswirkung auf den öffentlichen Dienst bleiben. Wir erhöhen die Arbeitszeit auf 42 Stunden nicht aus Spaß an der Freude. Ich freue mich genauso wenig wie Sie über die E-Mails, Faxe und Anrufe, die ich von Betroffenen erhalte. Ich sage Ihnen auch als jemand aus der Wirtschaft: Ich bin stolz auf einen öffentlichen Dienst, den ich in vielen Bereichen auch als positiven Wirtschaftsstandortfaktor der Bundesrepublik werten und sehen möchte. Wir haben einen leistungsfähigen und gut ausgebildeten öffentlichen Dienst.

(Christa Naaß (SPD): Dann machen Sie ihn doch nicht kaputt! Sie zerstören ihn!)

Ich bitte die Opposition aber, von einem endlich Abstand zu nehmen, nämlich von diesem Fetisch Wochenarbeitszeit. Frau Kollegin Naaß: Selbst wenn wir auf 42 Stunden gehen, dann sind wir nach wie vor Spitzenreiter, was den Negativrekord bei den Jahresarbeitsstunden und bei den Feiertagen angeht. Ich nenne Ihnen einmal ein paar Zahlen: Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in den letzten Jahren zu einem Land entwickelt, in dem die Jahresarbeitszeit noch bei knapp 1500 Jahresarbeitsstunden liegt. Wir sind ein Land mit 30 Urlaubstagen und 13 bezahlten Feiertagen. Das gibt in der Summe 43 Tage. Schauen Sie mal nach Österreich, Frankreich, Italien, in die Vereinigten Staaten oder in andere Länder. Deshalb geht es nicht darum, die Arbeitszeit weiter zu verkürzen oder gar auf einem Niveau zu halten, auf das wir sie in den letzten Jahren heruntergefahren haben, sondern wir müssen im öffentlichen Dienst – um der Haushaltssituation gerecht zu werden – und in der freien Wirtschaft – um wieder Wachstumschancen zu haben – die Arbeitszeit erhöhen.

(Christa Naaß (SPD): Sie müsste flexibler werden!)

Ich bitte Kollegen Sprinkart, Frau Kollegin Naaß und Kollegen Wörner, einmal kurz zuzuhören, auch wenn es schwer fällt, Ihnen volkswirtschaftlichen Sachverstand beizubringen. Aber wir versuchen es einmal.

(Ludwig Wörner (SPD): Da brauchen wir Sie dazu!)

Sie können an den Löhnen nicht drehen, Herr Kollege Wörner. Sie können in einem Hochlohnland die Löhne nicht senken. Sie haben es auf Bundesebene nie geschafft, die Abgabenquote bei Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung zu senken.

(Karin Radermacher (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

Es geht nur darum: Die einzige Möglichkeit der Kostenentlastung in der Wirtschaft besteht nur darin, den Leuten mehr Arbeit zuzumuten.

(Christa Naaß (SPD): Wir machen doch schon genug Mehrarbeit!)

Jetzt bitte ich Sie, Frau Kollegin Naaß, hören Sie einmal zu: Sie dürfen als Abgeordnete nicht nur Interessenvertreterin des öffentlichen Dienstes sein, schauen Sie einmal in die freie Wirtschaft. Sie finden in mittelständischen Betrieben Betriebsvereinbarungen, die eine freiwillige Mehrarbeit ohne Lohnausgleich ermöglichen. Sie finden in vielen Firmen die Bereitschaft von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Urlaub mit einzubringen, um den eigenen Arbeitsplatz zu sichern.

(Zurufe von der SPD)

Hören Sie zu und antworten Sie dann, dann können Sie vielleicht noch ein kleines bisschen aus meinem Beitrag lernen.

Ganz konkret: Wenn Sie in den öffentlichen Kassen einen Spielraum gewinnen wollen – es bestreitet doch keiner, dass wir die konsumtiven Bereiche zurückfahren müssen, um wieder Raum für investive Maßnahmen zu gewinnen –, dann wird der öffentliche Dienst einen Beitrag leisten müssen. Er kann diesen nur durch eine Arbeitszeiterhöhung leisten.

Zum Schluss, weil Sie uns gerne vorhalten, unsere eigenen Bürgermeister würden auf kommunaler Ebene bei der Arbeitszeiterhöhung gar nicht mitmachen: Ich erwarte von den Bürgermeistern und Landräten, dass sie nicht einerseits das hehre Lied der Privatisierung singen und sich auf der anderen Seite weigern, die Arbeitszeit für Arbeiter und Angestellte zu erhöhen. Das nenne ich Doppelmoral und Scheinheiligkeit. Wenn sie bereit sind, die Arbeitszeiterhöhung mitzumachen, dann kann man auf die eine oder andere Privatisierung verzichten, alles andere ist scheinheilig.

Der letzte Punkt, Frau Kollegin Naaß und Herr Kollege Wörner: Selbstverständlich haben wir Nachholbedarf in Teilen der freien Wirtschaft. Ich bin froh, dass Herr von Pierer bei Siemens, wie viele andere Konzernchefs, inzwischen das Thema Arbeitszeiterhöhung ebenfalls auf seine Fahnen geschrieben hat.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gebe zwischendurch bekannt, dass im Anschluss an die Aktuelle Stunde zwei namentliche Abstimmungen folgen. Als Nächste hat Frau Kollegin Schmitt-Bussinger das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Pschierer, wenn Sie glauben, dass die katastrophale Finanzsituation der öffentlichen Haushalte durch die 42–Stunden-Woche zu beheben ist, werden Sie damit nicht weit kommen. Wenn Sie das glauben, ist Ihr volkswirtschaftlicher Sachverstand nicht als besonders hoch einzuschätzen.

(Beifall bei der SPD)

Ein Trauerspiel in besonderer Weise, das hier dargestellt werden soll, haben Sie vonseiten der CSU-Landtagsfraktion und vonseiten der Bayerischen Staatsregierung bei Ihrem Versuch abgegeben, die bayerischen Kommunen mit ins Boot der Streiter für die 42-Stunden-Woche zu holen. Sie sind kläglich damit gescheitert. Die bayerischen Kommunen haben Ihnen die Zähne gezeigt, und zwar zu Recht, wie ich meine. Zu Recht wehren sich die bayerischen Kommunalpolitiker gegen die eindeutigen Erpressungsversuche des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Stoiber, assistiert von Herrn Söder, aber auch vom CSUFraktionsvorsitzenden Herrmann, von Ministerin Hohlmeier und Herrn Minister Faltlhauser.

Hier kann nur von Erpressung gesprochen werden. Wie sonst würden Sie es nennen, wenn Herr Ministerpräsident Stoiber den kommunalen Spitzenverbänden damit droht, sie beim kommunalen Finanzausgleich künftig schlechter zu behandeln, falls sie nicht die 42-Stunden-Woche ein