Protocol of the Session on April 22, 2004

Hier kann nur von Erpressung gesprochen werden. Wie sonst würden Sie es nennen, wenn Herr Ministerpräsident Stoiber den kommunalen Spitzenverbänden damit droht, sie beim kommunalen Finanzausgleich künftig schlechter zu behandeln, falls sie nicht die 42-Stunden-Woche ein

führen? Wie sonst würden Sie es nennen, wenn Kultusministerin Hohlmeier die Kommunen darauf hinweist, dass diese ab dem 1. September für Mehrkosten für das kommunale Erziehungspersonal aufzukommen hätten, falls diese nicht die 42-Stunden-Woche einführen?

(Christa Naaß (SPD): Das ist Erpressung!)

Von den unqualifizierten Angriffen des CSU-Generalsekretärs, die an Respektlosigkeit und Anmaßung nicht zu überbieten sind, will ich gar nicht erst reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Karin Rader- macher (SPD): Der kann nicht anders! Das ist ein intellektuelles Problem!)

Der kann nicht anders, ja. –

Kolleginnen und Kollegen der CSU, Sie sind auf dem Holzweg. Sie machen sich etwas vor, wenn Sie glauben, dass die kommunale Finanznot durch die Einführung der 42-Stunden-Woche beseitigt würde. Sie wissen wahrscheinlich gar nicht, dass in den Kommunalverwaltungen nur etwa 15 bis 20 % der dort Beschäftigten Beamte sind und dass diese dort in Führungspositionen tätig sind, wo sie ohnehin mehr als 42 Stunden in der Woche arbeiten. Hier ist der Einspareffekt also gleich null. Die anderen 75 bis 80 % der Beschäftigten sind Angestellte und Arbeiter. Auch wenn Sie deren Tarifverträge kündigen, können Sie diese zu keiner einzigen Stunde Mehrarbeit verpflichten. Auch hier ist der Einspareffekt gleich null. Neueinstellungen gibt es in Kommunalverwaltungen schon lange kaum mehr. Wo soll da der Spareffekt sein?

Im Übrigen – das dürfte Ihnen nicht entgangen sein – haben die Kommunen in den letzten Jahren bereits massive Einschnitte beim Personal vorgenommen. Ich kenne jedenfalls keine Kommune, bei welcher der Personkostenanteil bei 43 % – diese Zahl wurde heute wieder genannt – liegen würde. In der Realität liegt der Personalkostenanteil eher bei 35 % oder darunter. Ich bitte Sie, dass Sie sich in Ihren Kommunen vor Ort darüber informieren, wie hoch tatsächlich der Personalkostenanteil ist. Nach den Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik liegt der Personalkostenanteil bei den kreisfreien Städten bei 34,8 %, bei den kreisangehörigen Gemeinden bei 22,7 % und bei den Landkreisen nur bei 18,6 %. Das sind schon die bereinigten Ausgaben. In absoluten Zahlen ist der Anteil am tatsächlichen Haushaltsvolumen noch niedriger.

Die Bayerische Staatsregierung und auch Sie von der CSU-Fraktion nehmen es leichtfertig in Kauf, dass die vertrauensvolle Zusammenarbeit der Tarifpartner aufs Spiel gesetzt wird. Es widerspricht den Interessen der Städte und Gemeinden, wenn der Tarifvertrag einseitig aufgekündigt wird. Wollen Sie tatsächlich den guten Weg, den die kommunalen Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaften gemeinsam beschritten haben, zunichte machen? Diese haben bei so schwierigen Fragen wie der Flexibilisierung der Arbeitszeit, der Umstellung von Dienstaltersstufen auf Leistungsstufen, der Unkündbarkeit und bei vielem anderen mehr einen guten Weg beschritten, der auch zu Kosteneinsparungen führen wird. Das geschieht – das macht den kleinen Unterschied aus

im Einvernehmen und im vertrauensvollen, partnerschaftlichen Dialog. Was Sie tun, bewirkt das Gegenteil.

(Joachim Herrmann (CSU): Warum hat der KAV die Verträge mit den U-Bahn-Fahrern gekündigt, wenn das alles so geht? – Ludwig Wörner (SPD): Das hat der Kommunale Arbeitgeberverband gemacht, nicht der Ude!)

Herr Kollege Herrmann, ich denke, dass es dafür Gründe gibt; hier wird eine einvernehmliche Lösung gefunden werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass ein Ministerpräsident, ein Finanzminister und eine Kultusministerin den Kommunen so unverhohlen drohen, wenn sie den Vorgaben aus der Staatskanzlei nicht Folge leisten, halte ich für unglaublich und für unlauter. Das ist der höchsten Repräsentanten unseres Staates unwürdig. Ich darf Sie daran erinnern, dass das kommunale Selbstverwaltungsrecht ein im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung garantiertes Rechtsgut darstellt. Eine angemessene Finanzausstattung ist demnach kein Gnadenakt, sondern darauf besteht ein einklagbarer Rechtsanspruch. Nicht zuletzt haben die Kommunen Aufgaben für die Bürger und Bürgerinnen zu erfüllen, Aufgaben, die auch für den Freistaat wahrgenommen werden. Das hat eine Partei, die mit einer Zweidrittelmehrheit ausgestattet ist, zu respektieren. Sparen ist das Gebot der Stunde. Die erzwungene 42Stunden-Woche ist dabei das falsche Mittel.

(Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Goderbauer das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sprechen von Mehrbelastung, Überlastung und Betrug. Ich komme aus der Landwirtschaft. Sie kennen vielleicht die Wochenarbeitszeit und das durchschnittliche Einkommen der Landwirte. Für mich ist das, was ich von Ihnen über die 42-Stunden-Wochenarbeitszeit zu hören bekomme, überhaupt nicht mehr nachvollziehbar. Das sage ich Ihnen jetzt einmal ganz im Ernst.

Sie sprechen von Betrug und Arbeitsplatzabbau. Ich darf nur daran erinnern, dass Sie bei den Haushaltsberatungen zum Nachtragshaushalt der Staatsregierung vorgeworfen haben, sie würde zwar von Stellenabbau sprechen, aber nach wie vor dieselbe Anzahl an Stellen im Haushalt ausweisen. Daher frage ich Sie ganz ernsthaft: Wissen Sie eigentlich, was Sie wollen?

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Genau, Sie haben das gefordert. Wenn es aber einmal geschieht, beklagen Sie das. – Tatsächlich geht es um mehr Arbeitszeit bei gleichem Lohn bei einem, wie wir gehört haben, sicheren Arbeitsplatz.

(Susann Biedefeld (SPD): Wie war die Aussage vor der Wahl?)

Von der Jahresarbeitszeit in Deutschland will ich nicht sprechen; das wurde schon ausgeführt. Davon sind natürlich die nicht begeistert, die es betrifft. Von allen Vorredner wurde schon angedeutet, dass der öffentliche Dienst in aller Regel sehr engagiert ist und auf hohem Niveau arbeitet

(Zuruf von der SPD: Noch!)

und auch in der Vergangenheit seinen Beitrag geleistet hat.

Eine Erhöhung der Arbeitszeit ist also keine Reaktion auf eine mindere Leistung, ganz im Gegenteil. Ein dermaßen dramatischer Rückgang der Steuereinnahmen über Jahre hinweg – alle Anzeichen deuten darauf hin, dass der Rückgang noch längst nicht beendet ist – erfordert aber Kürzungen bei den Ausgaben. Darin waren wir uns mit der Vorrednerin einig. Es kann nicht sein, dass wir zwar überall kürzen – Sie haben das bei den Haushaltsberatungen laut beklagt – und im größten Bereich, bei den Personalausgaben nicht kürzen würden.

Ich möchte an dieser Stelle aber ausdrücklich etwas Positives darstellen. Ich möchte nämlich auf die Stellenmehrungen und Stellenhebungen hinweisen, die auch für dieses Jahr vorgesehen sind. Der Doppelhaushalt sieht ein Hebungskonzept mit insgesamt über 8700 neuen Beförderungsmöglichkeiten vor. Das gilt auch für die Innere Sicherheit, die wir stärken wollen. Für die Jahre 2003 und 2004 sind 2378 Beförderungsmöglichkeiten neu vorgesehen. Auf die Polizei entfallen 2342 Stellen, auf den Verfassungsschutz 36. Beim Justizvollzugsdienst wollen wir zur Sicherung und Stärkung eines leistungsfähigen und effektiven Strafvollzugs als einer Säule der Inneren Sicherheit – da sind wir uns einig – 334 Stellenhebungen ermöglichen.

Für den übrigen Bereich sieht das Hebungskonzept für die Jahre 2003 und 2004 rund 4150 Beförderungsmöglichkeiten vor. Das geschieht zur einen durch die prozentual gestaffelte Ausschöpfung der bisher im Rahmen der Stellenobergrenzen noch möglichen Stellenhebung für Beamte nach sozialer Staffelung und für alle Bereiche,

ferner durch die pauschale Stellenhebung und die neue Stellenzulage für Lehrer, beim akademischen Mittelbau, bei Angestellten und Arbeitern zur Durchführung von Hebungen, die durch Änderung des Tarifvertrags bedingt und gesetzlich zwingend sind. Aus den kostenneutralen Stellenhebungen ergeben sich auch für den Doppelhaushalt 1850 Beförderungsmöglichkeiten. Insgesamt ergeben sich für diesen Doppelhaushalt über 8700, genau genommen 8728 neue Beförderungsmöglichkeiten.

Der Doppelhaushalt und auch der Haushalt 2004 sehen aber nicht nur Stellenhebungen, sondern auch Personalmehrungen vor. Im Bereich des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus haben wir durch die Umsetzung der Lehrerstellenbeschlüsse für den Doppelhaushalt 2098 neue Lehrerstellen und für dieses Jahr – das muss deut

lich gesagt werden – 714 neue Lehrerstellen. Im Bereich des Staatsministeriums des Innern, der allgemeinen Verwaltung haben wir im Zusammenhang mit dem Sicherheitskonzept Bayern für die Jahre 2003 und 2004 zusammen 350, in diesem Jahr 1500 neue Stellen. Im Staatsministerium der Justiz haben wir 13 neue Stellen. Für das Haushaltsjahr 2004 haben wir insgesamt also 877 neue Stellen. Daher ist es sicher nicht angebracht, nur von Stellenabbau zu sprechen. Trotz Verlängerung der Wochenarbeitszeit gibt es auch Positives zu berichten. Sie sprechen immer nur von Allmachtsgehabe und von Zweidrittelmehrheit. Diese Mehrheit hat der Wähler geschaffen. Bedenken Sie bitte: Mit jeder solchen Aussage strafen Sie den Wähler.

(Zurufe von der SPD)

Beklagen Sie doch Ihre Lage.

Angesichts der schwierigen Lage der deutschen Wirtschaft und ihren unmittelbaren Folgen für die öffentlichen Haushalte bitte ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Verantwortung zu zeigen und zwingend notwendige Anpassungen mitzutragen. Normalerweise meistert man schwierige Zeiten gemeinsam – so kenne ich das von drei kommunalpolitischen Ebenen. Schließlich und letztlich, meine Damen und Herren: Was für Ihre grünen und roten Brüder und Schwestern in NRW richtig ist, nämlich die 41-Stunden-Woche ab Februar, kann für Bayern nicht unbedingt falsch sein. Darum bitte ich Sie, Ihre Stellung dazu nochmals zu überdenken.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Rabenstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir bitten natürlich auch die Mehrheitsfraktion, ihre Haltung zu überdenken.

(Beifall bei der SPD)

Dass die Betroffenen bei Arbeitszeitverlängerungen aufjaulen, ist klar. Eine Arbeitszeitverlängerung bei Beamten, speziell bei Lehrern kommt natürlich an. Ich möchte vor allem auf die Lehrer eingehen; denn immerhin 53 % der Beamten sind Lehrerinnen und Lehrer. Über die Lehrerinnen und Lehrer wird ja immer gesprochen: gut bezahlter Halbtagsjob, ein halbes Jahr Ferien, unkündbare Arbeitsplätze usw. Der Hauptverursacher, Herr Minister Huber – vorhin saß er noch da – , hat dazu einmal gesagt – ich zitiere – : Es muss eine Zeit kommen, in der nicht erst nach drei Wochen mit dem Unterricht begonnen wird und nicht schon Anfang Juli die Bücher wieder eingesammelt werden. Herr Freller, aufgepasst! Eine Frage an Frau Hohlmeier: Ist das wirklich so? Ist das die Situation an den bayerischen Schulen in Ihrer Verantwortung? Ich frage mich, ob die Situation so extrem ist, dass Minister Huber so etwas behaupten kann. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall.

Was Sie von der Mehrheitsfraktion und von der Regierung mit der Arbeitszeitverlängerung gerade bei Beamten ma

chen, ist reiner Populismus in einer schwierigen Situation.

(Beifall bei der SPD)

Diese Maßnahmen – das ist für mich das Entscheidende – werden auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen, sie werden brutal auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer ausgetragen, die zum größten Teil – ich sage ausdrücklich „zum größten Teil“; denn wir wissen alle, dass es in jedem Bereich Abseiler gibt; das ist so – gute und hervorragende Arbeit leisten und – das möchte ich auch sagen – jetzt schon in vielen Bereichen an ihrem Limit arbeiten. Ich nenne die Stichworte Burn-out-Syndrom und die Frühpensionierung von Lehrern. Weiß jemand, was das den Freistaat Bayern pro Jahr kostet? – Allein die Frühpensionierungen von Lehrern kosten pro Jahr 250 Millionen Euro.

Natürlich geht die Arbeitszeitverlängerung auch zulasten der Schülerinnen und Schüler sowie der Eltern; denn eines ist klar: Die erhöhte Arbeitszeit führt zwangsläufig dazu, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer weniger um die Kinder kümmern können, vor allem was den außerschulischen Bereich, also die freiwilligen Leistungen betrifft. Verhängnisvoll ist, dass dadurch jene Kinder, die eigentlich mehr Erziehung bräuchten, die zusätzlich zum Unterricht betreut werden müssen, weniger betreut werden können. Das ist das Fatale an der Arbeitszeitverlängerung.

Meine Damen und Herren, durch die Arbeitszeitverlängerung – das ist ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte – sollen Fehlentwicklungen im Bildungsbereich kaschiert werden. Angesprochen sei hier nur die überstürzte Einführung des G 8, die nachweislich mehr Lehrer erfordert. Das soll nun nicht durch Neueinstellungen, sondern durch Mehrarbeit der jetzt schon belasteten Gymnasiallehrer ausgeglichen werden. Es kann nicht Sinn der Arbeitszeitverlängerung sein, Fehlentwicklungen auszugleichen.

(Beifall bei der SPD)

Damit komme ich zum entscheidenden Punkt. Ich möchte Herrn Kollegen Pschierer antworten, der uns eine Lektion in Volkswirtschaftslehre erteilen wollte. Arbeitszeitverlängerung führt dazu, dass die Arbeitslosigkeit eher zunimmt statt abnimmt.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Das ist Schwachsinn!)

Das ist kein Schwachsinn. Sie müssen zwischen betriebswirtschaftlicher und volkswirtschaftlicher Betrachtungsweise unterscheiden. Betriebswirtschaftlich haben Sie vielleicht Recht, dass dadurch Einsparungen erzielt werden. Volkswirtschaftlich steigt die Arbeitslosigkeit natürlich.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ja klar und ganz logisch. Das ist in jedem Betrieb so. Ein Beispiel ist die Frühpensionierung. Den großen Betrieben hat sie natürlich etwas gebracht. Das ist auf Kosten der Gesellschaft gegangen. Das ist der volkswirtschaftliche Aspekt; diesen müssen wir sehen. Betriebswirtschaftlich mag Arbeitszeitverlängerung vielleicht irgendeinen Sinn machen; volkswirtschaftlich macht sie überhaupt keinen Sinn. Dadurch wird die Arbeitslosigkeit erhöht, nicht aber reduziert. Das müssen Sie unterscheiden.

(Joachim Herrmann (CSU): Die Frühpensionierung war volkswirtschaftlich falsch?)

Ja, genau. Frühpensionierung in Betrieben, in denen die Betriebe dann Leute mit 55 Jahren haben gehen lassen, war volkswirtschaftlich verhängnisvoll.