Protocol of the Session on July 18, 2007

Frau Kollegin Ackermann, Sie haben gefragt, welche Personengruppen in Privatwohnungen leben. Ich kann Ihnen dazu sagen, dass dafür besondere Kriterien vorliegen müssen. Die Menschen müssen nicht aus ihren Privatwohnungen in Gemeinschaftsunterkünfte umziehen. Die Menschen können in Privatwohnungen wohnen, wenn sie erwerbstätig sind. Auch die so genannten Altfälle können, sobald sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, sofort in eine eigene Wohnung umziehen, weil sie dann von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Sie können auch in einer Privatwohnung leben, wenn eine Krankheit vorliegt, sodass ihnen die Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft nicht zuzumuten ist. Dies gilt auch für alte oder gebrechliche Menschen.

Auch dann können sie in einer Privatwohnung wohnen; sie müssen keineswegs umziehen. Die Voraussetzungen können auch beim Vorhandensein vieler Kinder gegeben sein. Auch die Zahl der Kinder gehört zu den besonderen Gründen. Es gibt also bestimmte soziale Gründe, die den Bezug einer Privatwohnung rechtfertigen. Keineswegs ist daran gedacht, dass diese Menschen wieder in Gemeinschaftsunterkünfte ziehen müssen.

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Ackermann?

Bitte schön.

Frau Staatsministerin, können Sie mir bitte die Frage beantworten, wo im Gesetz oder in welchen Ausführungsbestimmungen geregelt ist, dass sie nicht umziehen müssen, wenn sie schon eine Privatwohnung haben? Das war eben Ihre Aussage.

Frau Staatsministerin.

Ich meine, die sozialen Gründe, aus denen Asylbewerber Privatwohnungen beziehen können, sind im Aufnahmegesetz geregelt. Ich werde Ihnen aber noch schriftlich

geben, wo das tatsächlich geregelt ist. In Ihrem vorherigen Redebeitrag haben Sie nach Fällen gefragt. Wir werden Ihnen Einzelfälle liefern. Wir werden sie Ihnen nicht alle aufgelistet liefern, sondern beispielhaft einige Fälle nennen, da Sie diesbezüglich von Natur aus misstrauisch sind.

Ich meine, dass wir hiermit ein ganz vernünftiges und gutes Gesetz auf den Weg gebracht haben, das übrigens auch dem Geist des Kompromisses entspricht. Dieser Kompromiss wurde insgesamt auch von der SPD mitgetragen und im Bundestag so beschlossen. Ich meine deswegen, dass man der Bevölkerung signalisieren muss, dass diejenigen, die lange erwerbstätig waren und lange in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, bei uns letztendlich nicht dieselben Leistungen bekommen sollen wie die geduldeten Asylbewerber, die sozusagen das kleine Asyl haben. Ihnen wird jetzt ermöglicht, einer entsprechenden Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Wenn sie eine Arbeit, eine Erwerbstätigkeit gefunden haben, können sie in unserer Gesellschaft auch ganz normal leben. Ich meine, dies dient der Gerechtigkeit in unserem Volk.

(Beifall bei der CSU)

Zu einer Zwischenintervention darf ich Kollegen Volkmann das Wort erteilen.

Frau Minister Stewens, erstens darf ich Sie in aller Klarheit darauf hinweisen, da Sie eingangs gesagt haben, die Integration würden Sie auf die Gemeinden herunterbrechen: Die Gemeinden haben Integration betrieben, schon lange bevor die Mehrheit dieses Hauses diese Notwendigkeit erkannt hat. Ich erinnere nur an den Kurs „Mama lernt Deutsch“. Das ist von dort aus gekommen und von Vereinen, Verbänden und Kirchen betrieben worden. Von hier aus ist das damals leider überhaupt noch nicht betrieben worden.

Zweitens fi nde ich es schade und auch inhaltlich falsch, dass Sie sagen: 10 % der Bevölkerung seien besser zu integrieren. Die knapp 10 % Ausländer, die wir in Deutschland haben, sind in ihrer überwiegenden Zahl bestens integriert, sind vielfach Steuerzahler. Sie wissen, dass es sehr viele Selbstständige gibt, aber auch Beschäftigte, die in Deutschland Steuern und Sozialabgaben zahlen. Das ist überhaupt keine Frage.

Drittens – das ist ein Appell an Sie –: Warum müssen Sie eigentlich immer so tun, als würden diese Menschen, um die es jetzt geht, auf Dauer arbeitslos bleiben? Sie behindern Sie bei der Arbeitsaufnahme. Diese Menschen lechzen in ihrer ganz großen Mehrzahl danach, in dieser Republik endlich Beschäftigung aufnehmen zu können. Sie werden Steuern und Sozialabgaben zahlen. Diesen positiven Aspekt lassen Sie völlig außen vor und betonen nur das Negative. Das fi nde ich einfach unerträglich. Sie würden eine bessere Stimmung im Lande erzeugen und die Ausländerfeindlichkeit reduzieren, wenn Sie diese positiven Aspekte auch einmal herausstellen würden, statt

immer nur das Negative darzustellen, um den Deutschen sagen zu können: Schaut her, wie schlecht wir mit diesen Menschen umgehen, damit sie ja nicht kommen und ja nicht hierbleiben. Das ist einfach unerträglich.

(Beifall bei der SPD)

Frau Staatsministerin, möchten Sie darauf eingehen?

Herr Kollege Volkmann, hier zu sagen, Integration erfolgt überall bestens, und wir brauchen uns darum gar nicht mehr zu kümmern, halte ich, mit Verlaub gesagt, für nicht besonders klug – ich drücke das vorsichtig aus.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD))

Dass sich Vereine und Verbände in Bayern und in Deutschland in die Integration einbringen, ist klar und richtig. Wir wollen sie in den Integrationsforen unterstützen. Sie sollten aber auch einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir in Deutschland und in Bayern Parallelgesellschaften haben, dass unter den gerade einmal 8,7 % der Hauptschüler, die keinen Hauptschulabschluss machen, 40 % Ausländerkinder sind und dass die Ausländerkinder in der zweiten Generation nicht so gut Deutsch sprechen können wie die Ausländerkinder in der ersten Generation. Deswegen bemühen wir uns gerade hinsichtlich der hier lebenden Ausländer, die Integration ein Stück weit zu verbessern. Ich meine, dass wir in Bayern und in Deutschland gerade auch mit unseren Integrationsforen, mit dem Integrationsgipfel und mit dem Länderbeitrag sowie mit dem Integrationsgipfel von Kanzlerin Merkel auf Bundesebene auf einem hervorragenden Weg sind. Auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Sie sollten das als eine gute Leistung der Bundesregierung, aber auch der Länder anerkennen, statt zu sagen: Tut uns leid, das braucht es eigentlich gar nicht.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Ich halte das für eine saloppe Bemerkung. Ich meine schon, dass wir auf der einen Seite mit unserer Aussage, dass das Land im Bereich des Asylbewerberleistungsgesetzes bereit ist, weiterhin die Kosten zu übernehmen, die Kommunen entlasten. Auf der anderen Seite sagen wir bei der Bleiberechtsregelung denjenigen, die eine Erwerbstätigkeit suchen, dass sie die zusätzlichen Leistungen im Bereich der Eingliederung auch bekommen und dass sie genauso behandelt werden wie jeder Arbeitslose in Deutschland.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Das ist eine gewaltige Verbesserung. Das sollten Sie auch anerkennen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat noch Frau Kollegin Weikert um das Wort gebeten. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Frau Stewens, ich will konkret auf den Gesetzentwurf eingehen und sagen, warum wir als SPDLandtagsfraktion klar gegen diesen Gesetzentwurf sind.

Erstens. Nur Bayern – das ist zumindest mein Wissensstand; das kann sich in den letzten zwei, drei Wochen geändert haben – macht von der Länderöffnungsklausel Gebrauch, und nur Bayern hat bei der Suche nach einem Kompromiss in Berlin für diese Länderöffnungsklausel gekämpft.

(Engelbert Kupka (CSU): Das muss ja nicht falsch sein!)

Frau Stewens, Hintergrund ist, dass man bei der gesamten gesellschaftspolitischen Diskussion über die Zuwanderung, über Menschen, die ihr Heimatland, aus welchen Gründen auch immer, verlassen, um in Deutschland, in Europa Schutz und Hilfe zu suchen, und über das Zuwanderungsgesetz – ich muss das etwas verkürzen, da ich nur wenig Redezeit habe –, gewusst hat, dass man die sogenannten Altfälle, nämlich jene mit den Kettenduldungen, mit dem Zuwanderungsgesetz nicht lösen kann. Man konnte sich nicht auf eine Linie verständigen. Man wusste: Es ist ein Problem, dass man Menschen, die schon fünf oder zehn, zum Teil sogar 15 Jahre in der Bundesrepublik leben und hier – in Anführungszeichen – mehr oder weniger integriert sind, nicht einfach morgen wieder des Landes verweisen kann. Darum geht es.

Frau Stewens, Sie sagen – darauf beziehe ich mich –, dass schätzungsweise circa 2000 Fälle von diesem Gesetz mit der Länderöffnungsklausel betroffen sind. Das ist genau der Personenkreis – ich will ihn skizzieren –, der seit sechs bzw. acht Jahren in Deutschland lebt, im Februar dieses Jahres in Sammelunterkünften untergebracht war und jetzt mit der Bleiberechtsregelung die Möglichkeit bekommt, bis zum Januar 2009 – das ist nämlich auch begrenzt; das gilt nicht dauerhaft – eine Arbeit aufzunehmen, um dann einen anderen Status zu erhalten.

Es ist also ein ganz begrenzter Personenkreis. Ihre erste Erklärung, Frau Ministerin, bzw. die Erklärung von Innenminister Beckstein – das ist das, was uns bei dieser Frage so erzürnt – war, Sie müssten die Sozialversicherungssysteme der Bundesrepublik schützen, indem Sie Angehörige dieses Personenkreises in den Sammelunterkünften belassen. Das war Ihre gesellschaftspolitische Aussage. Ich werfe Ihnen und dem Herrn Innenminister vor, dass Sie solche Worte in den Mund nehmen und damit über eine gesellschaftliche Problematik in einer Art und Weise diskutieren, die eher dazu beiträgt, sozialen Neid und Rechtsradikalismus in Deutschland zu schüren, als die Diskussion auf eine sachliche Grundlage zu stellen.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe, Frau Ministerin, zwei Anfragen dazu gestellt. Ich wollte wissen: Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen betroffen sind, wissen Sie eigentlich, welche Kosten dadurch in den Sozialversicherungssystemen verursacht werden, und wissen Sie, wie viele Menschen durch die Bleiberechtsregelung in den letzten Jahren in der Folge der Innenministerkonferenz, die in Nürnberg stattgefunden hat, Arbeit aufgenommen haben und dadurch aus den Zuleistungssystemen des Staates herausgefallen sind?

(Rainer Volkmann (SPD): Die zahlen ein!)

Ich weiß es allein von einer ganzen Gruppe von Äthiopiern.

Frau Kollegin Weikert, Ihre Redezeit – –

Ich komme gleich zum Schluss.

Ich weiß von einer ganzen Gruppe von Äthiopiern, die keine Arbeitserlaubnis hatten, aber durch die Bleiberechtsregelung Gott sei Dank eine Arbeitserlaubnis bekommen haben und jetzt – leider zu Mindestlöhnen; aber das ist eine andere Diskussion – bei McDonald’s ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie müssten eine ehrliche Bilanz ziehen. Sie müssen über dieses Thema so diskutieren, dass kein Schaden für die Gesellschaft entsteht, dass wir nicht Rechtsradikalismus vorantreiben, sondern dass wir mit dieser durchaus schwierigen Problematik sachgerecht und menschengerecht umgehen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, ich habe Sie ganz vorsichtig auf die Redezeit hingewiesen und bitte Sie, angemessen zu reagieren. Sie waren 1 Minute und 43 Sekunden darüber. Ich bitte Sie, in Zukunft anders zu reagieren. Ich habe Sie nicht unterbrochen.

Herr Kollege Kreuzer hat sich noch einmal gemeldet. Bitte schön.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! In aller Kürze: Man kann nicht hören, was da gesagt wird. Sie erwecken einen völlig falschen Eindruck. Sie müssen sagen, dass es sich nicht um politisch Verfolgte handelt, dass da Menschen in unserem Land sind, deren Anträge abgelehnt worden sind, dass Menschen seit Jahren und Jahrzehnten in unserem Land sind, die hier kein Bleiberecht genießen, dass Menschen in diesem Land sind, die über die ganze Zeit Leistungen der öffentlichen Hand bekommen haben. Um diese Personengruppe geht es, Frau Kollegin.

Was wollen Sie? – Wir sagen, wir verlängern die Duldung, damit diese Arbeit aufnehmen können und was wollen Sie? Sie wollen sie mit Menschen gleichstellen, die jahrzehntelang gearbeitet, Sozialversicherungsbei

träge bezahlt haben und unter Hartz IV fallen. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der CSU)

Das ist der springende Punkt. Sie wollen diese Menschen, die sich seit Jahren weigern, das Land zu verlassen, obwohl sie keine anerkannten Asylbewerber sind, die sich seit Jahren weigern, in ihre Heimat zurückzukehren, mit Leuten gleichstellen, die jahrzehntelang gearbeitet haben und unter Hartz IV fallen.

Sie wollen den Kommunen die Kosten hierfür aufbürden. Das, was Sie machen, ist kommunalfeindlich. Städte müssten für diese Menschen die Unterkunftskosten tragen, für Menschen, die ihre Arbeitsaufnahme genauso von einer Gemeinschaftsunterkunft aus durchführen können. So sind die Fakten. Sie verlieren bei dieser Angelegenheit jedes Maß und Ziel und deswegen ist dieser Gesetzentwurf richtig.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Ackermann, bitte.