Protocol of the Session on June 26, 2002

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium) : Eigentlich hatte ich erwartet, dass Sie sagen, dass der Anwerbestop doch bestehen bleibt. Ich stelle hier offensichtlich ohne jeden Widerspruch fest, was den Fachleuten auch klar ist, dass der Anwerbestopp aufgehoben wird.

(Frau Naaß (SPD): Antworten!)

Ich werde auf die Frage zurückkommen. Ich stelle zunächst aber fest, dass die Behauptung von Herrn

Schindler, der Anwerbestopp werde nicht aufgehoben, offensichtlich schlichtweg falsch ist.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Hahnzog?

Staatsminister Dr. Beckstein (Innenministerium) Ja.

Herr Beckstein, es ist doch nicht zu bezweifeln – Sie stellen das immer heraus –, dass trotz des Anwerbestopps eine sehr starke Zuwanderung stattgefunden hat. Schauen Sie sich doch die Arbeitsaufenthaltsverordnung an, in der Spezialitätenköche, Pfarrer, Geistliche, leitende Angestellte, Fußballer und viele andere genannt sind. Der Sinn der Sache im neuen Gesetz ist, dass das Ganze nicht so zerfleddert, sondern einheitliche Maßstäbe zur Steuerung angelegt werden. Sie sagen selber die Unwahrheit.

Wir erwarten noch Ihre Frage.

Ich stelle die Frage, ob er sich überhaupt in dem diffizilen Bereich des Ausländerrechts auskennt.

(Lachen bei der SPD – Zehetmair (CSU): Si tacuisses, hättest du geschwiegen!)

Der Anwerbestopp wird selbstverständlich oft durchbrochen. Wir haben intensiv darüber diskutiert, auf welcher Ebene entschieden werden soll, ob ein Ausländer trotz Anwerbestopp zu uns kommen kann. Der jetzige Gesetzestext, der in diesen Tagen veröffentlicht wird, sieht vor, dass der Anwerbestopp aufgehoben wird und eine Prüfung durch das örtliche Arbeitsamt erfolgt, und zwar im Benehmen mit dem Landesarbeitsamt.

(Dr. Hahnzog (SPD): Das ist doch keine Freigabe!)

Das halten wir für verantwortungslos.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist doch keine Freigabe!)

Ich halte es für verantwortungslos, wenn beispielsweise das örtliche Arbeitsamt in Nürnberg entscheidet, nur weil es in Nürnberg einen Mangel an Pflegekräften gibt, und gleichzeitig ignoriert wird, dass beispielsweise im Arbeitsamtsbezirk Plauen in Sachsen eine hohe Anzahl von Pflegekräften arbeitslos gemeldet ist. Früher war die Bundesanstalt für Arbeit zuständig. Ich räume ein, dass die Regelung mit der Bundesanstalt für Arbeit viel zu kompliziert und bürokratisch war. Es ist aber falsch, die Entscheidung allein dem örtlichen Arbeitsamt zu überlassen.

Wir sind dafür, dass Höchstqualifizierte zu uns kommen können, sehen aber, dass die Integration von durchschnittlich Qualifizierten ein großes Problem ist. Es ist

nicht richtig zu glauben, die Menschen würden sich gleichmäßig über das ganze Land verteilen. Das schafft Probleme, die wiederum verstärkte Integrationsbemühungen erfordern. Es ist gerade ein Mangel dieses Gesetzes, dass in punkto Integration nicht viel geschieht. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass nach der Pisa-Studie die Kinder mit Migrationshintergrund in Bayern bessere Ergebnisse erzielen als deutsche Kinder in Niedersachsen. Das werden Sie sich noch oft anhören müssen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abg. Dr. Hahnzog (SPD))

Derjenige, der für sich als Bundeskanzler Kompetenz reklamiert, hat zu verantworten, dass die Deutschen in Niedersachsen zu der Zeit, als er Ministerpräsident war, weniger Bildung erlangt haben als in Bayern die Migrantenkinder.

(Beifall bei der CSU)

Darum glaube ich, dass wir auch unter ethischen Aspekten sehr wohl bestehen können. Wir dürfen nicht billige Sklaven hereinholen und damit das Proletariat der Zukunft schaffen, sondern wir müssen uns selbstverständlich überlegen, wie das Ganze auf Dauer sozial verträglich zu gestalten ist. Dass das ein Thema ist, über das man sich streiten kann, wissen wir alle.

(Dr. Hahnzog (SPD): Aber nicht wie Herr Welnhofer!)

Es ist auch richtig, dass es sinnvoll ist, sich jenseits der Aktualität darüber einmal zu unterhalten. Das muss aber auf einem erträglichen Niveau geschehen, nicht auf dem, welches Herr Kollege Schindler gezeigt hat.

(Beifall bei der CSU – Schindler (SPD): Und was hat Herr Welnhofer gemacht?)

Der nächste Redner ist Herr Staatssekretär Schmid.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Schindler, Sie haben den Vorwurf erhoben, die CSU verhalte sich schäbig. Diesen Vorwurf muss ich an Sie zurückgeben, obwohl ich die Lage nicht verschärfen will, weil es eine ernste Angelegenheit ist. In allen drei Anträgen, die heute zur Debatte stehen, ist auch von Integration die Rede gewesen. Es entsteht der Eindruck, als ob man sich diesem Thema überhaupt nicht zuwenden würde. Das entspricht nicht der Wahrheit. Man muss die ganze Wahrheit auf den Tisch legen.

Lassen Sie mich dazu zwei oder drei Bemerkungen machen. Wir haben 1999 einen Integrationsbericht erstellt. Sie kennen ihn. Man hat sich sehr um dieses Thema bemüht.

(Dr. Hahnzog (SPD): Verbal!)

Ich komme noch zu Herrn Kollegen Dr. Hahnzog. Dieses Thema ist so ernst, dass man es auch in der jetzigen Situation nicht so behandeln sollte, wie Sie es getan haben.

(Schindler (SPD): Wie es Herr Welnhofer gemacht hat!)

Lassen Sie mich das ausführen, weil es ein ernstes Anliegen ist. Wir haben heute früh ausführlich unsere intensiven Bemühungen in der Schule und in den Kindergärten dargestellt. Das kostet sehr viel Geld. Wenn angesichts dieser Bemühungen Frau Kollegin Köhler behauptet, alle Ergebnisse seien schlecht und wir täten nichts für die Integration, dann zeigt das, dass sie nicht zuhören will, nicht begreifen will und keine faire Politik machen will.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo haben Sie denn zugehört?)

Sie haben nur laut geschrieen, aber ich habe heute Vormittag und die letzten beiden Stunden zugehört.

Weil mir das Thema Integration so wichtig ist, lieber Herr Kollege Hahnzog, haben wir im Sozialministerium jetzt ein eigenes Referat dafür geschaffen, das sich ab 1. Juli dieser Aufgabe noch stärker widmen wird.

(Dr. Hahnzog (SPD): Zweieinhalb Leute!)

Wenn man bei diesem wichtigen und essenziellen Thema eine faire Politik machen will, dann darf man sich nicht gegenseitig Schäbigkeit vorwerfen. Man sollte vielmehr beachten, dass es hierbei um ein wichtiges Thema in unserem Lande geht.

Wenn man es wirklich ernst nimmt, soll man es auch ernst diskutieren. Wenn Fortschritte erzielt worden sind, soll man sie auch anerkennen. Mir geht es darum, dass wir eine faire und offene Diskussion führen. Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns vonseiten der Staatsregierung und vonseiten des Sozialministeriums um das Thema Integration weiterhin intensiv kümmern werden.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/9790 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Das sind die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Der Antrag ist angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/9815 – das ist der Antrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE

GRÜNEN. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Der Antrag ist abgelehnt.

Dann rufe ich den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/9816 – das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – auf. Wer ihm seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD-Fraktion. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dieser Antrag ist somit ebenfalls abgelehnt.

Bevor jetzt alle hinauslaufen, um das Ergebnis zu hören, teile ich mit: Brasilien hat 1 : 0 gewonnen und das Endspiel heißt dann Deutschland – Brasilien. Und wie heißt es dann? Dann schau’n wir mal!

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Biedefeld, Werner-Muggendorfer und anderer und Fraktion (SPD)

Umweltskandal in Neuendettelsau: Soforthilfe und Transparenz (Drucksache 14/9791)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Schamann, Paulig, Dr. Runge und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Konsequenzen aus dem Giftmüll-Skandal in Neuendettelsau ziehen – Transparenz in der Abfallentsorgung (Drucksache 14/9798)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Gartzke.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Dringlichkeitsantrag müssen wir wieder einmal – ich betone das – auf einen Umweltskandal in Bayern aufmerksam machen. Es wird hier ja immer das Hohe Lied gesungen, dass in Bayern alles anders und alles besser sei. Aber auch in Bayern ist nicht alles gut. Dies wollen und müssen wir aufzeigen, und zwar nicht deshalb, um anzuklagen, sondern Ziel muss sein, die verseuchten Flächen zu sanieren und auch langfristig aus den Vorkommnissen zu lernen, um diese Dinge besser in den Griff zu bekommen.