Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Dringlichkeitsantrag müssen wir wieder einmal – ich betone das – auf einen Umweltskandal in Bayern aufmerksam machen. Es wird hier ja immer das Hohe Lied gesungen, dass in Bayern alles anders und alles besser sei. Aber auch in Bayern ist nicht alles gut. Dies wollen und müssen wir aufzeigen, und zwar nicht deshalb, um anzuklagen, sondern Ziel muss sein, die verseuchten Flächen zu sanieren und auch langfristig aus den Vorkommnissen zu lernen, um diese Dinge besser in den Griff zu bekommen.
Damit wir uns die Dimensionen vorstellen können: Ein Nebenerwerbslandwirt – ich betone: Nebenerwerbslandwirt; ich könnte auch sagen, ein Beschäftigter des öffentlichen Dienstes, weil beides der Fall ist – hat auf etwa 60 Parzellen rund um die Gemeinde Neuendettelsau im Landkreis Ansbach Stoffe ausgebracht, giftige Stoffe, weniger giftige Stoffe, alles Mögliche. Genaues ist nicht bekannt. Betroffen sind nach derzeitigem Kenntnisstand 50 Hektar. Erst in den letzten 14 Tagen wurden noch zwei zusätzliche Parzellen gefunden.
Dieses Unwesen – man darf es und man muss es so bezeichnen – dieses Nebenerwerbslandwirtes geht seit
etwa zwei Jahren. Es gibt neue Erkenntnisse, die belegen, dass das etwa seit zwei Jahren so geht. Er bringt also irgendwelche Stoffe aus, erhält sie aus irgendwelchen Kanälen, aus irgendwelchen Ecken usw. usf. Seit etwa zwei Jahren erfolgt die Entsorgung von Chemikalien aus der Landwirtschaft, also Insektizide, Pflanzenschutzmittel usw.. Es hat auch Schäden in Wäldern gegeben.
Das Ganze lief über eine Biogasanlage. Man höre und staune! Es war eine Altanlage aus dem Jahre 1996, die damals noch baugenehmigungsrechtlich behandelt wurde. Auf dem Hof ist ein so genannter Fermenter mit insgesamt 1000 Kubikmetern vorhanden, in den die Abfälle und die Giftstoffe hineingekippt wurden. 1000 Kubikmeter, das ist in der Tat ein kleines Schwimmbad und hat mit einer Biogasanlage überhaupt nichts zu tun. Dem Betrieb mit seinem Viehbestand hätte man, selbst wenn man alle Hühneraugen zugedrückt hätte – das macht man manchmal beim Amt für Landwirtschaft – vielleicht 30 oder 40 Kubikmeter genehmigen können, nach dem aktuellen Viehbestand vielleicht 20 Kubikmeter. Noch einmal: Er hatte 1000 Kubikmeter. So etwas wäre natürlich nie genehmigt worden.
Die Abfälle und die Giftstoffe wurden zum Teil bei Nacht, aber auch am Tage von etwa 220 LKWs angefahren, 220 LKWs in einem kleinen Dorf, in einem Ortsteil von Neuendettelsau, in Autobahnnähe. Darunter waren auch LKWs, die eindeutig das Kennzeichen „Gefahrengutstoffe“ trugen. Es war also ersichtlich, dass es sich um solche Tankzüge handelte. Um eine solche Dimension geht es dort.
Es gibt erste Kostenschätzungen. Auch diese Zahlen möchte ich nennen. Der Rest, der noch in dem Fermenter war, ist bereits teilweise entsorgt. Das Fett ist noch gar nicht weg. Allein das Abpumpen der Reste, die der Landwirt nicht mehr ausbringen konnte, verursachte Kosten in Höhe von 280000 e. Diese Summe steht fest. Es ist aber noch nicht einmal alles entsorgt, was auf der Betriebsstätte lagert. Von den 60 Parzellen sind acht sauber untersucht, eine ganz genau. Hierbei sind auch schon Kosten ermittelt worden. Die Entsorgung des einen Ackers kostet 2,3 Millionen e. Ein einziger Acker! Es ist zu vermuten, dass die Kosten bei den anderen niedriger liegen. Ich will hier keine Horrorszenarien aufbauen. Ich sage das nur, damit man sich das vorstellen kann. Unter Berücksichtigung der Kosten, die bis jetzt bekannt sind, kommen wir auf Sanierungskosten in diesem Umweltskandal von etwa 3 Millionen e.
Dahinter steckt ganz klar und eindeutig eine kriminelle Energie. Der Verursacher ist klar. Die Staatsanwaltschaft hat gehandelt. Der Verursacher sitzt in U-Haft. Erschwerend kommt hinzu – das ist leider eine Tatsache –, dass der Verdächtigte überhaupt nicht kooperativ ist. Er arbeitet mit der Staatsanwaltschaft in keiner Weise zusammen. Das erschwert die Aufklärung sehr, weil niemand weiß, welche Stoffe er tatsächlich in die Umwelt gebracht hat.
Ich hoffe nur – ich sage das an dieser Stelle; der Justizminister ist zwar nicht hier, es gibt ohnehin keine Weisung an die Justiz, aber er kann das ja einmal nachlesen
, dass insbesondere diese mangelnde Kooperation des Schädigers auch Auswirkungen auf das Strafmaß hat. Das möchte ich doch feststellen; denn es kommt wirklich zu Verzögerungen von Tagen und Wochen, die zusätzliche Kosten verursachen, die Verunsicherung in der Bevölkerung schaffen und eine zusätzliche Gefahr bei befürchteten Verunreinigungen von Grundwasserströmen bedeuten. Das muss man in diesem Zusammenhang ganz klar und deutlich herausstellen. Man kann diese Dinge nicht so hin- und herschieben.
Das Tragische an dem Fall ist allerdings, dass das Ganze hätte wahrscheinlich verhindert werden können, weil es seit zwei Jahren Hinweise auf diese Tätigkeiten gibt. Das ist das Tragische daran.
Von Interesse ist auch die Rolle des Landesamtes für Umweltfragen. Diese Behörde, die unter der direkten Aufsicht des Staatsministeriums steht, hat aktive Beihilfe geleistet, indem sie diesen Nebenerwerbslandwirt im öffentlichen Dienst in eine Verwerterkartei aufgenommen hat. Mit der Verwerternummer kann er alles Mögliche verwerten und sich im gesamten Gewerbemüllbereich tummeln. Er kann dort akquirieren, obwohl er nicht einmal eine genehmigte Biogasanlage hat. Das ist der Aufhänger. Das hat ja mit einer Biogasanlage gar nichts zu tun. Diese Dinge sind zum größten Teil nie durch die Anlage gegangen, sondern die Biogasanlage war nur der Aufhänger, damit er in die Verwerterkartei aufgenommen werden konnte. Es handelte sich um eine Biogasanlage, die nicht nach Bundesemissionsschutzgesetz genehmigt war, aber eine Genehmigung nach Baurecht hatte. Das ist die Darstellung, die wir uns, glaube ich, zu Gemüte führen müssen.
So, jetzt darf ich aber doch einmal fragen, ob Kollege Hofmann eine Chance hat für eine Zwischenfrage. – Die hat er. Bitte schön.
Ich bedanke mich. – Herr Kollege Gartzke, nachdem Sie ausgeführt haben, dass es seit zwei Jahren Hinweise gibt und dies alles hätte verhindert werden können: Können Sie uns erklären, weshalb – wenn es Hinweise gegeben hat – weder der dortige Bürgermeister noch der Gemeinderat irgendeinen Versuch unternommen haben, um diesen Umweltskandal rechtzeitig zu verhindern?
Herr Hofmann, ich kann Ihnen Folgendes sagen: Die Rechtslage ist eineindeutig. Dazu wäre ich jetzt gekommen; ich war zunächst bei der Mittäterschaft. Sie ist im Landesamt zu suchen unter der Aufsicht des Staatsministeriums. Aber die sonstige Zuständigkeit besteht da in keinster Weise bei der Gemeinde Neuendettelsau, obwohl die auch geschlampert haben. Ich kann jedem Bürgermeister nur raten – das muss sich in Bayern mittlerweile jeder Bürgermeister sagen lassen –: Wenn einer anruft, bitte schreibt alles auf, macht einen Aktenvermerk, schickt es ans Landratsamt und lasst euch den Eingang bestätigen!
Denn eines ist klar: In Bayern ist das Landratsamt mittlerweile für alles zuständig. Sie wollten es ja so haben, Sie haben sich vielleicht auch überfressen: vom Veterinärwesen über das Katastrophenwesen zu Biogasanlagen, BImsch-Anlagen und was man da alles noch so machen kann.
Ich kann jedem Bürgermeister nur sagen: Zu melden hast du eh nix! Schick‚ deine Aktenvermerke stapelweise – ich sage es ehrlich: er hat ja ein Fax – jeden Tag ans Landratsamt! Die sind Gott sei Dank für alles zuständig, für alles haftbar, und da weiß man, was Sache ist. – Ich bin mir nicht sicher, ob in sechs Jahren die Leute überhaupt noch zum Landrat kandidieren wollen; da habe ich meine Zweifel. Wir hatten da in Ansbach durchaus schon unsere Probleme.
Tatsache ist – ich muss das jetzt leider wiederholen –, dass seit zwei Jahren Erkenntnisse vorhanden sind. Die Hinweise waren in der Tat zuerst anonym. Man wollte niemandem wehtun, wie es in der Dorfgemeinschaft so ist. Der Fahrer vom Landrat ist verständigt worden – auch eine interessante Konstellation: Man ruft nicht den Landrat an, sondern sagt es dem Fahrer vom Landrat.
Ich bezweifle, ob das Sinn macht auf dem bayerischen Behördenweg. Aber es gibt da so ganz interessante Geschichten, die eben nur aus der bayerischen Lebensart verständlich oder erklärbar sind.
Tatsache ist: Das hätte verhindert werden können, und es ist ein strukturelles Problem, das ich beim Landratsamt sehen muss. Wir wollen heute nicht all das diskutieren, aber wir müssen uns darüber klar werden: Wir brauchen draußen mehr Kontrollen, und die Landratsämter brauchen Personal. Sie brauchen nicht unbedingt akademisches Personal, sondern sie brauchen Personal in der Fläche, Leute, die vor Ort tätig sind und die nicht ins Landratsamt einbestellen und Verpflichtungserklärungen abnehmen, auf denen steht: Wenn du böser Bube irgendetwas machst, bist du in Zukunft dran! – Das unterschreibt der Betreffende dann auch noch, weil der, der kriminelle Energie hat, sich damit sogar noch weißwaschen kann.
Ich will jetzt auf die Geschichte nicht weiter eingehen. Wir brauchen da eine offene Debatte. Die Themen sind: Biogasanlagen, Vollzug der Biomasseverordnung – ein ganz großes Thema. Wir hatten bereits vor einem Dreivierteljahr einen Antrag gestellt, als die Biomasseverordnung verabschiedet wurde: Was machen wir damit jetzt in Bayern? Da ist eine Vielzahl von Stoffen einbezogen, da sind klare Abgrenzungen gefunden worden, da sind auch nicht klare Abgrenzungen gefunden worden – durchaus ein Problem. Aber wir wollen ja den Spielraum der Länder, und dieses muss hier endlich laufen. Wir brauchen auch in Bayern einen sauberen und ordentlichen Vollzug.
Jetzt aber zu den eigentlichen Antragsbegehren, dazu, was im Antrag steht. Ich habe es genannt: Es fallen nach jetziger Schätzung drei Millionen e an Kosten an. Drei Millionen, das sind gigantische Kosten, das ist ein großer Betrag. Da gilt natürlich das Verursacherprinzip, überhaupt keine Frage: Erstens einmal muss für den Schaden der Schädiger aufkommen. Da habe ich zum Beispiel eine schriftliche Anfrage gestellt: Ich will einmal wissen, was da gemacht wird. – Das ist außerordentlich kompliziert. Der ist Pächter. Kann man dessen Eltern heranziehen? – Vielleicht, weil sie zum Beispiel den Antrag für die Biogasanlage gestellt haben?
Es gibt Gerüchte, er hätte Geld ins Ausland transferiert. Das muss man doch klarstellen. Ist es transferiert nach Südafrika? Tatsache ist, dass er sich da mehrfach aufgehalten hat. Das muss man jetzt endlich einmal klarstellen, und es ist auch Aufgabe des Parlaments oder des Ausschusses, dass man sagt: Man versucht auf der einen Ebene, Schaden zu begrenzen und bei diesem möglichen Verursacher zumindest vorübergehend – und das ist ja möglich – das vorhandene Vermögen zu beschlagnahmen, um zu sehen, ob man noch an verschobenes Vermögen herankommt. Das ist die erste Zielsetzung auf der klaren Grundlage des Verursacherprinzips.
Die zweite Zielsetzung und der zweite Ansatzpunkt: Es gibt natürlich jede Menge Firmen, die angeliefert haben, und darunter sind illustre Namen. Es sollen dabei sein – ich sage das jetzt vorsichtig, weil es nur die „Fränkische Landeszeitung“ und andere Presseorgane recherchiert haben – der Flughafen Frankfurt als Abgeber dieser Abfälle, es soll dabei sein die Firma Aqua, es soll dabei sein BASF usw. und so fort. Jetzt stellt sich die ganz entscheidende Frage nach dem Verursacherprinzip mit Schadensbegrenzung und Übernahme von Schadenskosten: Können wir diese Firmen heranziehen oder ihre Versicherungen oder ihre Haftungsfonds – oder was sie haben – zur Sanierung dieser Schäden? Eine zentrale und entscheidende Frage.
Es wird schwierig werden, im Schadensersatzprozess diese Frage zu klären. Warum wohl? – Weil eben in der offiziellen Verwerterdatei des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen dieser Betrieb als anerkannter Betrieb enthalten war. Es ist zwar nur ein Online-Dienst oder was weiß ich, wie es dargestellt war, aber dargestellt war er als Verwerter. Deswegen werden diese Firmen natürlich vor Gericht argumentieren: Ja, wir haben dem halt geglaubt, das sind ja offizielle Behörden, und denen müssen wir doch glauben!
Das wird ein großes Problem werden. Wir werden sehen, wie es ausgeht. Es wird längere Prozesse geben. Ich kann auch hier nur sagen: Wenn wir solche OnlineDienste betreiben, müssen wir halt darunter schreiben – wie im Fernsehen bei den Lottozahlen –: Alles ohne Gewähr! Wir geben Lottozahlen bekannt, wir geben Verwerter bekannt, die das machen können, und immer muss darunter stehen: Ohne Gewähr, ohne Gewähr, ohne Gewähr! – Das wird wahrscheinlich die Konsequenz aus diesen Dingen sein: Wenn wir informieren
Das ist das Finanzproblem, weswegen wir heute diesen Antrag gestellt haben. Ich meine, dass der Freistaat Bayern hier in Vorleistung gehen muss; denn jetzt bleiben diese Kosten vollständig, samt und sonders hängen beim Landratsamt und damit beim Kreistag.
Das ist alles gesetzlich geregelt. Das weiß ich. Das ist bedauerlich. Aber stellen Sie sich einmal vor, – –
Wir haben zum Beispiel einmal hier im Bayerischen Landtag einen Antrag eingebracht auf Einrichtung eines Altlastenfonds, gespeist aus Abgaben, beispielsweise Deponieabgaben usw. Das haben andere Länder gemacht.
Aber stellen Sie sich doch einmal vor, wie die Lage ist: Wir haben bei uns im Landkreis 70 Kreisräte, die jetzt vom Landrat klar und deutlich wissen wollen, was da in Neuendettelsau passiert ist, wie gefährlich es ist, ob das Grundwasser in Gefahr ist, ob es Auswirkungen für ihre Trinkwasserversorgung hat – in Windsbach oder auf die Rechenberggruppe oder wer da alles betroffen sein kann. Die Auskunft vom Landrat ist: Ich brauche da nichts zu sagen; das ist Zuständigkeit des staatlichen Landesamtes, es geht uns nichts an! Aber dann muss derselbe Kreistag die Hände heben und sagen: Wir bezahlen, und zwar unbeschränkt.
Da muss man sich bewegen. Es gibt ja auch klare und deutliche Bezugspunkte, Stichwort: Marktredwitz oder die Zellstofffabrik in Kelheim. Das Entscheidende wäre, dass wir jetzt in Vorleistung gehen. – Ich kann jetzt nicht mehr auf alle Detailpunkte eingehen.
Der nächste große Punkt ist das Thema Transparenz. Dazu könnte ich viel sagen. Ich habe eine schriftliche Anfrage gestellt, deren Beantwortung wieder verlängert worden ist usw. und so fort. Wir müssen da draußen vor allem sagen: Was ist betroffen, welcher Kenntnisstand ist vorhanden, wie wird das entsorgt? Vielleicht wäre auch eine Modellzeichnung anzufertigen. Vor allem ist entscheidend: Die Werte in den Grundwasserpegeln müssen bekannt gegeben werden, die von der Staatsanwaltschaft gesetzt worden sind.
Die Staatsanwaltschaft hat sofort gehandelt. Das Entscheidende ist jetzt der Schaden für das Grundwasser.
Diese Daten muss man doch öffentlich bekannt geben. Damit kann man auch hier wieder einiges in der öffentlichen Wahrnehmung reparieren. Deswegen unser Antrag: zum einen in Bezug auf die Vorfinanzierung, zum anderen in Bezug auf die Transparenz.
Schammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (vom Red- ner nicht autorisiert): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Giftäcker-Skandal in Neuendettelsau tun sich Abgründe bayerischer Umweltpolitik auf.
Man muss sich schon sehr überlegen, ob man dem Minister – weil jetzt gerade Fußballzeit ist –, nur die gelbe Karte zeigt oder sogar die rote Karte zeigen sollte, so wie hier geschlampt wurde und wie hier die Behörden bis hinunter zum Landratsamt massiv versagt haben.
Was ist passiert? Nicht alle Kolleginnen und Kollegen wissen darüber Bescheid. 1996 hat Landwirt Kraft – der Name ist ja bekannt – eine ganz normale Baugenehmigung für eine landwirtschaftliche Biogasanlage verlangt und auch bekommen.