Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist, dass die jungen Leute von Anfang an qualifiziert ausgebildet werden. Beginnend ab den Kindergartenjahren werden die Chancen für den künftigen Lebensweg vergeben. Dies setzt sich in der beruflichen Bildung fort. Je niedriger der berufliche Bildungsabschluss, desto größer ist die Gefahr der Arbeitslosigkeit. Fazit: Fehlende schulische und berufliche Qualifikationen tragen insbesondere bei jungen Menschen zu einem erhöhten Armutsrisiko bei.
Im SPD-Antrag, auf den ich kurz eingehen möchte, ist unter anderem vom KJHG die Rede. In Bayern wird hier so viel wie in keinem anderen Bundesland geleistet. Die SPD hat sich mit diesem Antrag einen schlechten Dienst erwiesen. Ich möchte hier für die CSU-Fraktion signalisieren, dass wir den SPD-Antrag ablehnen und dem Antrag der GRÜNEN zustimmen werden, weil dieser Antrag nichts Umwerfendes enthält. Außerdem bitte ich um Zustimmung zum CSU-Antrag.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Beim Thema „Kinder in Armut“ denkt man zunächst einmal an Entwicklungshilfeländer, also an die Länder der Dritten Welt. Natürlich ist dies auch kein Thema für den Kanzlerkandidaten, weil man dabei keine Erfolge vermelden kann. Andernfalls würde er sich mit Sicherheit zu diesem Thema äußern.
Ich möchte in diesem Zusammenhang klarstellen, dass für dieses Thema die einzelnen Bundesländer verantwortlich sind. Deshalb sollten Sie nicht mit dem Finger
auf den Bund zeigen. Kaum jemand käme auf die Idee, dass vom Thema „Kinderarmut“ auch Deutschland und Bayern betroffen sind. Die Zahlen sprechen jedoch für sich: 39 von insgesamt 1000 Einwohnern, die auf Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen sind, sind Kinder zwischen 0 und 14 Jahren. Die Kinder stellen die stärkste Gruppe der Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Herr Kollege Kobler, die Kinder haben nichts davon, wenn Sie ständig auf andere Bundesländer verweisen und betonen, dass dort die Lage noch ein bisschen schlechter sei.
In Bayern sind 74000 Menschen auf Sozialhilfe angewiesen. Welche Wertschätzung erfahren diese Kinder? Ich spreche dabei gar nicht von der Dunkelziffer, also denjenigen, die keine Sozialhilfe bekommen. Das reiche Deutschland und das reiche Bayern leisten sich arme Kinder. Das ist in unseren Augen untragbar.
Ich erinnere daran, wie lange es gedauert hat, bis der Sozialbericht veröffentlicht wurde. Der DGB und die Wohlfahrtsverbände haben großen Druck ausgeübt, damit der Sozialbericht noch vor der Landtags- und Bundestagswahl veröffentlicht wird. In diesem Zusammenhang möchte ich den Wohlfahrtsverbänden meinen Dank dafür aussprechen, dass sie dieses Thema damals aufgegriffen haben und jetzt mit der Armutskonferenz die Kinder in den Mittelpunkt stellen.
Zur Rehabilitation von Frau Kollegin Schopper möchte ich darauf hinweisen, dass sie zur Armutskonferenz nicht eingeladen war. Deshalb sollten Sie nicht solche Vorwürfe erheben. Ich möchte noch einmal auf den Sozialbericht zurückkommen: Wir waren sehr zufrieden mit der ersten Fassung des Sozialberichts. Diese Fassung enthielt klare Aussagen. Was haben Sie jedoch mit diesem Bericht gemacht? – Aus den Erkenntnissen dieses Berichts werden keine Schlüsse gezogen. Die Rechte der Kinder sind im Grundgesetz, in der Verfassung und im Kinder- und Jugendhilfegesetz festgeschrieben. Leider werden diese Bestimmungen jedoch nicht umgesetzt. Was nützt es den Kindern, wenn ihre Rechte auf dem Papier stehen und nicht umgesetzt werden?
Interessant ist auch die Diskussion über die Fragen, wer arm ist und was Armut ist. In der Theorie ist die Definition klar. Ich würde Ihnen jedoch empfehlen, wenn wir heute über Kinderarmut reden, die Kinderperspektive einzunehmen. Sie sollten einmal die Augenhöhe von 1,80 Metern verlassen und eine Augenhöhe von einem Meter einnehmen. Sie sollten sich einmal ansehen, wie es den Kindern in dieser Situation wirklich geht. Die Arbeiterwohlfahrt hat im Jahre 1997 dankenswerterweise erst
mals die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen untersucht und sich darum bemüht, herauszufinden, wie es den Kindern geht. Bis dahin wurden Kinder in dieser Diskussion nicht gesondert betrachtet.
Wir wissen natürlich alle, dass Kinder immer von Erwachsenen abhängig sind. Es erschüttert uns, dass mit der Armut der Kinder die Armut der Mütter einhergeht. Wir wissen, dass Frauen, die sich um Kinder kümmern, dem Armutsrisiko sehr stark ausgesetzt sind, und dass die Diskriminierung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt gerade aufgrund der fehlenden Vereinbarkeit von Familie, Kindern und Beruf in Bayern ein Grund dafür ist, dass sie in die Armut abrutschen.
Bei einer Umfrage darüber, wie Kinder, etwa arbeitsloser Eltern, Armut auffassen, kamen Begriffe wie: kein Geld haben, Gewalt und Missbrauch, nicht zur Schule gehen können, nichts zu essen haben, als Kind arbeiten müssen, keine Freunde und kein eigenes Zimmer haben und so weiter. Diese Umfrage macht deutlich, dass es bei Armut nicht nur eine materielle Dimension, sondern dass es eine kulturelle, soziale und gesundheitliche Armut und eine Bildungsarmut gibt.
Herr Kobler, Sie haben selbst gesagt, Armut sei schon sehr früh spürbar. Ein Kind merkt im Grunde schon mit der Geburt – vielleicht wird sogar schon mit der Schwangerschaft deutlich –, dass die Eltern nicht über die materiellen Voraussetzungen verfügen. Die Armut zeigt sich beispielsweise dann, wenn ein Kind hungrig in den Kindergarten kommt, wenn es bei Geburtstagsfeiern und bestimmten Dingen, die andere machen können, aber es selbst nicht, ausgegrenzt ist. Armut zeigt sich beim Spiel-, Sprach- und Arbeitsverhalten. Gott sei Dank gibt es dazu jetzt Untersuchungen. In der Schule setzt sich dies fort; denn die Kinder können in der Schule nicht mithalten, wollen, aber können nicht „in“ sein und müssen Ausflüge absagen und schieben Krankheiten vor. Sie haben natürlich weder Computer noch Computerspiele und Bücher. Daher frage ich mich schon, ob wir uns damit zufrieden geben können und wo da die Chancengerechtigkeit bleibt, die wir doch alle für unsere Kinder wollen.
Herr Kobler, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, die Bildungsarmut ist ein sehr wichtiges landespolitisches Thema. Da kann man nicht wieder mit dem Finger auf den Bund zeigen und sagen, er solle doch erst einmal tätig werden.
Die Chance für einen Ausstieg aus der Armut liegt in der Bildung. Wir müssen unseren Kindern Bildung ermöglichen. Wenn wir dies nicht tun, haben wir alle versagt. Insofern ist Handeln angesagt.
Zu den regionalen Daten wird noch eine Kollegin Stellung nehmen. Ich will nur ein paar ursächliche Aspekte nennen. Übertritte in Regelschulen sind bei armen Kin
dern eher unwahrscheinlich. Mehr arme Kinder gehen sofort in Förderschulen und werden eher vom Schulbesuch zurückgestellt, Bildungsabschlüsse werden nicht gemacht. Die Pisa-Studie hat bestätigt, dass es durch die Bildung kein Ausbrechen aus einer Bildungsschicht gibt, weil man in dieser Schicht haften bleibt und es kein Herauskommen gibt. Dieser Teufelskreis kann nicht durchbrochen werden, wenn wir – und vor allem Sie, die Sie das Heft des Handelns in der Hand haben – politisch nicht handeln. Neue Orientierungsarbeiten in der dritten oder vierten Klasse nützen nichts, diese Chancengerechtigkeit stärker zu verankern.
Leider sind Kinder auch bei der fehlenden Gesundheit Opfer. Die Säuglingssterblichkeit bei armen Kindern ist höher als bei nicht armen Kindern. Kinder aus armen Familien sterben doppelt so häufig bei Unfällen als wohlhabende Kinder. Arme Kinder werden öfter krank. Dies hat eine Untersuchung ergeben.
Herr Kobler, wenn Sie es nicht glauben, dürfen Sie nicht bloß die Überschrift, sondern müssen Sie die Untersuchung zu Ende lesen.
Eine sehr gute Untersuchung der Arbeiterwohlfahrt über Kinder im Vorschulalter bringt diese Tatsachen zutage. Dass Sie diese Tatsachen nicht glauben wollen und sich diesen Erkenntnissen verweigern, ist schlimm.
Uns Politikern und Politikerinnen kann der Aspekt der gesundheitlichen Benachteiligung nicht kalt lassen; es gibt noch viel mehr Aspekte. Wir alle müssen dafür sorgen, dass Kinder chancengleich aufwachsen können und Zugang zur Kultur haben; auch dies ist wichtig. Wie wir alle wissen, kostet es Geld, ein Instrument zu erlernen. Diese Möglichkeit ist zum Beispiel, wenn wir sie nicht in Ganztagsschulen anbieten und dadurch Abhilfe schaffen, Kindern, die in armen Familien aufwachsen, verwehrt,
Der Zugang zur Bildung wird armen Kindern verweigert, weil weiterführende Schulen weniger besucht werden können. Der Zugang zur Gesundheit sollte nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Es sollte quasi nicht per Geburt schon festgeschrieben sein, dass Kinder gesundheitlich schlechter versorgt sind.
Geld ist nicht alles, aber sehr viel. Wir wissen, dass bei uns viele Türen nur mit Geld geöffnet werden. Aber wenn die Lebensgrundlage stimmt, und da ist sicherlich Geldtransfer notwendig, ist es vor allen Dingen wichtig, dass die Kinder eine sehr gute Versorgung erfahren.
Es nützt nichts, wenn wir sie wegdefinieren und sagen, wer Sozialhilfe bekomme, sei aus der Armut draussen. Vielmehr müssen wir vernünftige Grundlagen schaffen und Schlüsse aus den zur Genüge vorliegenden Berichten ziehen. Wir haben von dem, was zu tun ist, einiges aufgelistet. In Ihrem Dringlichkeitsantrag beginnt es schon beim Begriff. Es reicht mir schon, wenn wieder auf den Bund verwiesen wird. Wollen wir doch selbst in Bayern etwas tun; da sind wir zuständig. Es ist unsere Aufgabe, hier im bayerischen Parlament etwas für die in Armut lebenden Kindern zu tun und nicht mit dem Finger auf den Bund zu zeigen. Ich habe schon immer gewusst: Die Ökosteuer ist an allem schuld; etwa so kommt es bei Ihnen rüber.
Bayern hat einiges zu tun. Die Bayerische Staatsregierung hätte viele Aufgaben, die sie wahrnehmen könnte, angefangen von der Unterstützung der Schuldnerberatung bis zu den Migrationsberatungen, zu denen wir heute oder morgen vielleicht noch kommen, zu mehr Ganztagsbetreuungsplätzen und zu den Hilfen für die Eltern. Auch ich denke wie Frau Schopper, dass in diesem Zusammenhang für die Eltern der Kindergarten als Kompetenzzentrum eine wesentlich größere Rolle übernehmen muss.
Lesen Sie unseren Dringlichkeitsantrag einmal genau durch. Wenn wir uns Armut bei Kindern leisten, ist es ein Armutszeugnis, und das wollten wir uns nicht ausstellen lassen.
Ich bin sehr wohlwollend und war es auch bei Herrn Kollegen Kobler. Aber ich bitte, mein Wohlwollen nicht zu strapazieren. Man kann nicht gleich in die Rede einbauen, dass ich geduldig warte. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Matschl.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Kinder sind unsere Zukunft; das wissen wir alle. Wir sind alle nicht glücklich darüber, dass Kindersegen oft mit materiellen Nachteilen verbunden ist. Wir sind auch nicht glücklich darüber, dass viele Kinder in materiell benachteiligten Verhältnissen aufwachsen müssen.
Armut muss nicht immer nur materiell sein. Arm sind auch Kinder, die unter ungünstigen Familienbedingun
gen aufwachsen. Nicht immer bedeutet ein geringes Einkommen der Erziehungsberechtigten auch eine soziale Benachteiligung für das Kind. Ein hohes Armutsrisiko haben Kinder von allein erziehenden Frauen. Armut von Kindern ist oft die Folge geminderter Erwerbs- und Einkommenschancen ihrer Eltern. Arbeitslosigkeit, Probleme des Konsum- und Marktverhaltens sowie besondere Lebensereignisse, wie etwa Scheidung, Gewalt in der Familie können dazu führen, dass Familien in Not geraten. Die Armut hat viele Gesichter. Viele Kinder leiden auch unter dem Verschwinden der Kindheit.
Der Freistaat Bayern gewährt seit 1989 ein eigenes Landeserziehungsgeld. Hiermit besteht die Möglichkeit, das Kind in den ersten drei Lebensjahren selbst zu betreuen. Das Landeserziehungsgeld beträgt monatlich maximal 256 Euro. Für dritte und weitere Kinder, die ab 2001 geboren sind, erhöht es sich auf monatlich bis zu 307 Euro.