Protocol of the Session on December 11, 2001

Bei Ihren Ansätzen bleiben allzu viele Fragen offen. Es handelt sich doch hier um eine spezifische Nachfrage, welche die Hochschulen im Wettbewerb mit den außeruniversitären Einrichtungen bedienen sollen. Dann fragen wir uns: Woher kommen denn in Ihrem Konzept die finanziellen Mittel, die Hochschulen brauchen, um Markterkundung zu betreiben und Marktstrategien zu entwickeln? Wo bleiben die Freiräume in der Lehre? Wo sind die Spielräume für anrechenbare Lehrverpflichtung, um unternehmensähnliches Verhalten der Hochschullehrer und der Fachbereiche entstehen zu lassen? Wie soll mit Ihrem Ansatz das tradierte Selbstverständnis an den Hochschulen aufgebrochen werden, wie soll erreicht werden, dass weiterbildungsorientierte Entwicklungsplanung möglich ist und Weiterbildung mehr wird als ein Zufallsprodukt des Lehrbetriebs? Wie wollen Sie vermeiden, dass die Ausbildung der Studierenden weiter in den viel zu schwach ausgebauten Mittelbau verdrängt wird, wenn die nebenamtlichen Anreize bei den Hochschulehrerinnen und Hochschullehrern tatsächlich greifen? Wo haben unsere Hochschulen die adäquate Infrastruktur, um den hohen organisatorischen und kaufmännischen Anforderungen des Wettbewerbs am Weiterbildungsmarkt gerecht zu werden? Für die Markterschließung, für die Entwicklung marktkonformer Studienangebote, für Marketing, Abrechnung, Raumorganisation usw. benötigen die agierenden Personen gleichermaßen betriebswirtschaftliche Kenntnisse und hochschulspezifische Einblicke. Glauben Sie, dass das alles im Nebenamt möglich ist, oder welche Stellen sehen Sie dafür vor?

Mit diesen offenen Fragen hat man uns beim Fachgespräch konfrontiert, und wir geben diese Fragen immer wieder an Sie weiter. Herr Prof. Stockinger, Herr Dr. Wilhelm, die Beratung im federführenden Ausschuss brachte auf diese Fragen eben keine befriedigende Antwort. Man hat uns bei unserem Fachgespräch sogar dringend davor gewarnt, hier zuzustimmen. Man befürchtet, dass Ihr Gesetzentwurf weitere zielführende Diskussion verhindert, weil er vorgaukelt, dort Lösungen anzubieten, wo die Problemanalyse schon äußerst unzureichend ist. Deswegen sagen wir Nein zu Ihrer Weiterbildungsreform.

Ich komme nun zum zweiten Einwand und zum Versuch, über das bisher vorhandene Maß hinaus den Hochschul

zugang über hochschulinterne Verfahren zur Eignungsfeststellung zu ermöglichen. Ihr Gesetzentwurf bezieht sich lediglich auf eine Erweiterung der Experimentierklausel und auf Modellversuche in nicht zulassungsbeschränkten Studiengängen. Durch Ihren Beitrag, Herr Prof. Stockinger, wurde deutlich, dass die CSU generell in diese Richtung gehen will, um einen Paradigmenwechsel beim Hochschulzugang einzuleiten. Die Bedeutung des Abiturs soll relativiert werden. Der Brief, den wir heute vom Philologenverband und von der Landeselternvertretung bekommen haben, nimmt genau diese Befürchtung auf. Es besteht zwar Konsens in der Benennung eines Ausgangsproblems. Wir haben zu viele Studienabbrecherinnen und -abbrecher. Sie müssten im gleichen Atemzug aber auf ein zweites Ausgangsproblem hinweisen: Wir haben nicht nur für heute, sondern auch in der Erwartung starker Jahrgänge in der Zukunft nicht die erforderlichen Studienplätze. Um dieses zweite Problem drücken Sie sich, indem Sie die viel zu kleine Torte in andere Stücke aufteilen, anstatt mehrere Torten zu backen.

Wenn die SPD nun auch diese neue Regelung ablehnt, dann nicht deswegen, weil wir ein für allemal Studieneingangstests die rote Karte zeigen wollen, sondern weil der CSU-Entwurf lediglich darauf abzielt, die beklagenswerte Mangelverwaltung bei hoch frequentierten Studienfächern neu zu sortieren. Gleichzeitig verweigern Sie jede Diskussion darüber, ob angesichts der ökonomischen Notwendigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland im internationalen Wettbewerb auch Kriterien in Erwägung gezogen werden sollten, die einen Hochschulzugang ohne Abitur ermöglichen.

(Signal des Präsidenten)

Ist die Redezeit schon zu Ende?

Herr Kollege, es entspricht dem Wunsch Ihrer Fraktion, dass ich Ihnen nach zehn Minuten ein Signal gebe.

Herr Präsident, nicht nach zehn Minuten, sondern nach fünfzehn. Fünfzehn Minuten spreche ich, fünf Minuten spricht Herr Kollege Odenbach. Wir teilen uns das gerecht auf.

(Herrmann (CSU): Wir wollen das noch vor 18 Uhr beschließen!)

Wenn Kollege Stockinger nicht so lange gesprochen hätte, wären wir schon längst fertig.

Auch hier gibt es eine Reihe von Fragen, deren Beantwortung offen bleibt. Sie sehen den Grund für die hohen Abbruchzahlen vorrangig in den individuellen Defiziten der Studierenden, in mangelnden Fähigkeiten und irregeleiteten Erwartungen. Sie ignorieren dabei aber, dass erstens in verschiedenen Fächern, zum Beispiel in der Informatik, hohe Abbruchquoten auch auf das Phänomen verweisen, dass viele Studierende schon vor Ende ihres Studiums von der Wirtschaft abgeworben werden. Zweitens vernachlässigen Sie eine zentrale Begründung für Studienabbruch und Misserfolg, dass nämlich die

tagtägliche Arbeits- und Betreuungssituation für viele Studierende durch die Kapazitätsengpässe, durch hohe finanzielle Belastungen und mangelnde Betreuung gekennzeichnet ist. Sie verschließen drittens die Augen vor den Defiziten in der Gymnasialausbildung.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Wenn die Studienanfängerinnen und -anfänger wirklich solche Mängel aufweisen, darf man sie doch nicht aus dem Studium herausprüfen, sondern die Schulausbildung muss verbessert werden.

(Beifall bei der SPD)

Das ist somit ein untauglicher Versuch, vom eigenen Versagen bei der Reform der gymnasialen Oberstufe abzulenken. Wenn die bisherige Form der Studienberatung nicht die tatsächlich erforderlichen Informationen für die Studienwahl transportiert, müssen die jungen Menschen doch nicht durch Eingangstests für diese missliche Lage bestraft werden, sondern die Studienberatung ist zu reformieren.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben noch weitere Bedenken. Kann ein halbstündiger Test wirklich mehr Aufschluss geben als zwei Jahre gymnasialer Oberstufe? Wie sollen die Hochschulen den unübersehbaren Bürokratieaufwand meistern? Herr Dr. Wilhelm, Sie haben die Veranstaltung in Erlangen durchgeführt. Die „Nürnberger Zeitung“ hat darüber berichtet, dass Ihnen ein Medizinprofessor entgegengehalten hat: zu viel Arbeit, zu wenig Nutzen. Er hat weiter angeführt, man solle erst einmal mit Hilfe einer Studie herausfinden, ob man durch dieses Konzept überhaupt in der Lage sei, die besser geeigneten Studenten herauszufiltern. So hat die „Nürnberger Zeitung“ berichtet. Das ist wohl Ihre Art, mit fachkompetenten Leuten umzugehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was sagen Sie zu den Befürchtungen, dass kommerzielle Paukstudios aus dem Boden schießen werden? Wie wollen Sie den Bewerbungstourismus vermeiden? Wie berücksichtigen Sie den zeitlichen Ablauf der Abiturprüfungen in verschiedenen Bundesländern? Wie erreichen Sie die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Auswahlkriterien? Wir haben sehr wohl versucht, all diese Aspekte einzubringen, damit wir vielleicht doch noch Ihrer Vorlage zustimmen können. Die CSU-Mehrheit hat sich dem aber verweigert. Deswegen sagen wir nein, solange keine angemessenen Lösungsansätze entwickelt sind.

Meine Kolleginnen und Kollegen der CSU, es wird Ihnen nicht gelingen, mit der SPD zusammen die Abiturientinnen und Abiturienten beim Übergang zur Hochschule zu fragwürdigen Experimenten zu missbrauchen. Wenn es stimmt, dass in unserem Land Bildung ein zentrales Bürgerrecht ist, wenn es stimmt, dass Bildung unsere wichtigste Ressource ist, dann sind sehr wohl Reformen nötig. Ihre Reformen gehen aber von lückenhaften Ana

lysen aus und zielen in die falsche Richtung. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf deshalb ab.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Münzel, bitte.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir sehen bei diesem Gesetzentwurf vor allem eine Regelung sehr kritisch, dass nämlich neue Modelle des Hochschulzugangs erprobt werden sollen – die so genannte Eignungsfeststellung. Kollege Dr. Stockinger hat in seinen Ausführungen gesagt, dass das Ziel der Eignungsfeststellung sein solle, die Zahl der Studienabbrecher und Studienabbrecherinnen zu reduzieren. Kollege Vogel hat auf ein Schreiben des Bayerischen Philologenverbandes und der Landeselternvereinigung der Gymnasien in Bayern hingewiesen. Sie schreiben – ich zitiere:

Weder die Bayerische Staatsregierung noch die zuständigen Ministerien anderer Länder können auf Untersuchungen verweisen, die Studienabbrüche auch nur quantitativ erfassen, geschweige denn Informationen liefern, die eine Auseinandersetzung mit den möglichen Gründen zuließe.

Mich würde die Stellungnahme von Staatsminister Zehetmair oder anderen von der CSU interessieren. Es ist wichtig zu wissen, ob wir wirklich im internationalen Vergleich eine so hohe Rate an Studienabbrechern und -abbrecherinnen haben, wie Sie gesagt haben.

(Dr. Spaenle (CSU): Schon einer ist zuviel!)

Richtig, jeder ist einer zuviel.

Unabhängig von den Zahlen sind wir der Meinung, dass das Abitur dadurch abgewertet wird. Herr Kollege Stockinger, Sie haben das bestritten. Das Abitur wird dann aber nur noch die Zulassungsvoraussetzung für die Eignungsprüfung sein. Insofern ist es eine Abwertung.

Der Philologenverband weist auf eine weitere Problematik hin. Ich zitiere:

An den Gymnasien würden aber auch Lehrinhalte reduziert werden mit der Folge, dass die Kollegstufe nur noch auf Vorbereitungskurse für ein erfolgreiches Absolvieren von Hochschuleingangsprüfungen reduziert würde.

Ich glaube, dass das ein ganz realistisches Szenario ist. In dem Moment, wo es Eingangsprüfungen gibt, wird sofort dahin gehend gepaukt. Es wird Unterlagen geben, wie man sich darauf vorbereitet, und es werden entsprechende Institutionen aus dem Boden schießen, um die Leute vorzubereiten.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Amerika ist voll davon!)

Ich zitiere weiter:

Beispiele aus dem angelsächsischen Ausland zeigen, dass neben einem geschwächten staatlichen Bildungssystem sich privatwirtschaftliche Bildungseinrichtungen entwickeln und etablieren werden. Ob damit die immer beschworene begabungsgerechte Förderung unserer Jugend gesichert werden kann, scheint den Unterzeichnern im höchsten Maße zweifelhaft.

Ich nehme die Bedenken des bayerischen Philologenverbandes und der Landeselternvereinigung sehr ernst. Ich möchte die Abwertung des Abiturs nicht haben, und ich weise auch darauf hin, dass die Hochschuleingangsprüfungen richtig vorbereitet werden müssen.

Wir setzen auf eine verbesserte Beratung, weil wir der Meinung sind, dass viele Studierende keine richtige Vorstellung davon haben, was auf sie zukommt und welche Qualifikationen sie für das Studium mitbringen müssen.

Die anderen Punkte des Gesetzentwurfes können wir mittragen. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

Nächste Wortmeldung: Herr Dr. Spaenle. Bitte schön.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Der heute vorliegende Gesetzentwurf dient der Fortschreibung der erfolgreichen Novelle des Bayerischen Hochschulgesetzes von 1998. Diese Reform war nicht, wie Kollege Vogel zu bemerken beliebte, kurzatmig angelegt, sondern sie war im Gegenteil sehr weitsichtig, in vielen Teilen mutig und wird in einigen Punkten mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf weiter entwickelt.

Wie Sie aus Ihrer Anhördung und den Fachgesprächen Ihre Schlüsse zur Weiterbildung ziehen, Herr Kollege Vogel und Kollegen der SPD, können wir nach der Debatte im Fachausschuss nicht nachvollziehen. 1998 wurde von uns die Weiterbildung – im Übrigen mit Ihrer Zustimmung, so glaube ich – als Pflichtaufgabe der Hochschulen ins Hochschulgesetz aufgenommen und unterstrichen. Jetzt ziehen wir die Konsequenzen aus der Entwicklung. Es ist festzuhalten, dass Professorinnen und Professoren unserer Hochschulen ihr Fachwissen, ihr Können und ihr Wissen um die Spitze des wissenschaftlichen Fortschrittes einsetzen – was nicht schlecht, sondern sehr erfreulich ist – und im großen Umfang Weiterbildung betreiben – allerdings außerhalb der Hochschulen.

Außerdem werden erhebliche Mittel der Privatwirtschaft in der Fort- und Weiterbildung, der Manpower und der Personalentwicklung eingesetzt. Wir wollen beides zusammenführen. Die Weiterbildung gehört zum Pflichtaufgabenkatalog der Professorenschaft. Wir wollen aber erreichen, dass sie in den Hochschulen stattfindet. Deshalb sind unsere Erkenntnisse und die Schlüsse, die wir ziehen, den Ihrigen diametral entgegengesetzt. Wir wollen es dem Fachpersonal, den Professoren und Professorinnen ermöglichen, die Weiterbildung, die sich zu deren Gunsten finanziell auswirken soll, im Rahmen der

Hochschule, im Rahmen ihres Dienstauftrages durchzuführen bzw. eine entsprechende Nebentätigkeitserlaubnis zu erhalten. Insofern befürchten wir in keiner Weise weder die personelle Ausblutung noch eine materielle Schwächung der Hochschulen. Im Gegenteil, wir erreichen zusätzlichen Mittelfluss, nicht nur für den einzelnen Lehrenden, sondern auch für die Institution Hochschule.

Nun zur Eignungsfeststellung: Es freut mich, dass wir zumindest in vielen Punkten der Analyse vom gleichen Istzustand ausgehen. Die Analyse lautet schlicht und einfach, dass wir bei einer relativ großen Zahl von Studiengängen über genaues Zahlenmaterial zu Studienabbrechern verfügen. Die Abbruchquoten belaufen sich in einem Studiengang durchweg auf 20 bis 30%.

Trotz guter Fachberatung muss es jedem jungen Menschen unbenommen bleiben, einen Studienfachwechsel durchführen zu können. Es kann sich herausstellen, dass er nicht Mathematik, sondern Geschichte studieren will. Das ist nicht das Problem. Vielmehr liegt das Problem darin, dass es zu viele Studierende gibt, die im Verlauf ihrer Ausbildungsbiografie zu spät bemerken, dass die den falschen Studiengang gewählt haben. Die späte Erkenntnis wird oft erst bei und durch Zwischenprüfungen gewonnen. Wir nehmen diesen jungen Menschen durchschnittlich zwei Jahre ihres akademischen Werdegangs, bis sie nach einer endgültig nicht bestandenen Zwischenprüfung nach bis zu sechs Semestern bemerken, dass sie für ihre akademische Ausbildung nicht den richtigen Studiengang gewählt haben.

Es ist weder im Interesse der jungen Menschen noch im Interesse unseres akademischen Systems, wenn wir sorglos mit dieser Ressource umgehen. Unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist es, unser Hochschulwesen dahin gehend auszurichten, dass den jungen Menschen, die den akademischen Ausbildungsweg gehen wollen, zum frühestmöglichen Zeitpunkt der richtige Hinweis gegeben wird, wie sie ihren akademischen Ausbildungsweg erfolgreich absolvieren können.

In diesem Zusammenhang haben wir einen sehr intensiven Abwägungsprozess vorgenommen. Einerseits musste die Bedeutung des Abiturs als generelles Reifezeugnis zum Hochschulzugang, also als Voraussetzung zum Studium erhalten bleiben, und andererseits mussten Zugangsvoraussetzungsmodelle geschaffen werden, damit eine bessere Studienverlaufsprognose möglich wird. Man soll zwar nicht jede Form der Ausgestaltung der Hochschulen in anderen Ländern kritiklos übernehmen, aber es gibt in einer Fülle von europäischen und außereuropäischen Ländern Zugangsvoraussetzungsprüfungsmodelle, die den Schluss zulassen, dass eine verbesserte Studienverlaufsprognose möglich ist.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Aus diesen beiden politischen Erkenntnissen, der starken Aussagekraft des Abiturdurchschnitts einerseits und der Erkenntnis, dass wir mit zielgenauem Eignungsfeststellungsverfahren in der Lage sind, bessere Studienverlaufsprognosen abzugeben, ziehen wir in Bayern die Konsequenz. Sie klagen und fragen auf poetisch hohem