Wolfgang Vogel

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Last Statements

Herr Präsident, vielen Dank. Wenigstens auf einer Seite hören die Gespräche auf; auf der anderen Seite wird schon noch weiter gesprochen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Thomas Kreuzer, vielleicht wäre es wirklich sinnvoll gewesen, wenn Sie den Fragebogen gelesen hätten, bevor Sie darüber sprechen; denn dann hätten wir vielleicht auch inhaltlich einiges hören können. Bei all dem Schaum vor dem Mund, mit dem hier gesprochen worden ist, können die Äußerungen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es ein kräftiges innen- und auch außenpolitisches Eigentor war, das sich die Bayerische Staatsregierung als sicherheitspolitischer Musterschüler hier geschossen hat, und zwar in einer kuriosen Mischung aus Wadlbeißer und Spürhund-Übereifer.
Was steckt denn dahinter? – Hinter jedem Ausländer und jeder Ausländerin aus einer nicht näher definierten Problemregion wird ein Terrorist vermutet. Deshalb fragt man ihn oder sie, ob er oder sie wirklich ein Terrorist sei.
Ich habe mich in meinem Studium durchaus mit Empirie auseinander gesetzt, aber die inhaltlich-methodische Logik dieses Vorgehens ist mir bis heute verschlossen.
Dann überwirft sich die CSU bei der ganzen Sache schon auch schnell einmal mit den türkischen Freundinnen und Freunden. Manch einer in einer CSU-befreundeten Organisation fühlt sich durch den Fragebogen verleumdet, sodass das Rauschen im türkischen Blätterwald eine rasche Korrektur des Fragebogens bewirkt. Frau Kollegin Köhler hat darauf hingewiesen, die AKP musste beispielsweise aus dem Fragebogen herausgenommen werden, nachdem das türkische Parlament heftig dazu diskutiert hat. Der Gipfel ist aber, dass man den Oppositionsabgeordneten, die dieses Vorgehen nicht für richtig halten, allzu schnell vorwirft – das war auch heute wieder die Unterstellung von Herrn Kollegen Kreuzer –, dass man die Terrorismusgefahr nicht sehen und nicht bekämpfen will. Es gehört schon immer zu den verantwortungslosen Spielchen der politischen Rechten in diesem Hause, alles, was sich links von der CSU bewegt, in die Nähe des Extremismus und Terrorismus zu rücken.
So ist es. Als wir die Diskussion über den Fragebogen geführt haben, war es Wurscht – ob demokratisch gewählt oder nicht – man darf diesen Fragebogen überhaupt nicht einsehen, weil man damit etwas Falsches anstellen könnte. Aber in der Zwischenzeit sind die Fragebögen so bekannt, dass man damit in manchen Gremien Papiersegelwettbewerbe veranstalten könnte. Ich glaube, das wäre eine sinnvollere Verwendung als die vom Ministerium geplante.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion stimmt dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu, obwohl sich einige Punkte durch Zeitablauf erledigt haben. Wir stimmen dem Antrag zu, weil die Intention der CSU, die hinter dem Fragebogen steckt, allein von unverantwortlicher Einschüchterung und böswilliger Unterstellung geprägt ist.
Der Fragebogen ist in unseren Augen nicht geeignet, den Terrorismus zu bekämpfen. Er hat nur die Aufgabe, hier lebende Ausländerinnen und Ausländer zu verunsichern. Damit wird der Integration in Bayern wieder einmal ein Bärendienst erwiesen.
Gerade weil wir wissen, dass Terrorismusbekämpfung dort anzusetzen hat, wo sich perspektivloser, idealistischer Fanatismus in menschenverachtende Gewalt verwandelt, befürchten wir – –
Herr Klinger, das ist doch so. Oder sind wir uns darin nicht mehr einig, dass wir überall dort, wo Fanatismus Gefahr läuft, sich in Gewalt umzuwandeln, mit unseren bekämpfenden Maßnahmen anzusetzen haben? Aber das sehen Sie gar nicht. Sie wollen diese Art von Terrorismus gar nicht bekämpfen. Sie wollen durch das Säen von Misstrauen in unserer Bevölkerung gegen die Integration arbeiten.
Weil wir die Terrorbekämpfung ernst nehmen, verwahren wir uns gegen Ihre lächerlichen und beunruhigenden Unterstellungen. Viele Erfahrungen, die unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger mit bundesdeutschen Ausländerbehörden machen, sind aufgrund der restriktiven Gesetzeslage leider Gottes nicht gerade positiv. Deswegen ist der Fragebogen nicht isoliert zu betrachten, sondern es ist mit einzubeziehen, in welchem Kontext er vorgelegt wird, nämlich bei der Beantragung der Aufenthaltsverlängerung. Es ist auch mit einzubeziehen, wem er vorgelegt wird, nämlich Menschen, die in ihren Herkunftsregionen oftmals gerade unter den terroristischen Organisationen gelitten haben, in deren Nähe man sie jetzt vermutet. Ihnen eine fragwürdige Perspektive gebend, fragt man sie dann noch, ob sie gewillt seien, mit deutschen Geheimdienstorganisationen zusammenzuarbeiten.
Meine Kolleginnen und Kollegen, wir stimmen dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu, weil wir diese Art der staatsbayerischen Fragebogentechnik nicht nur für empirischen Widersinn, sondern auch für menschenverunsichernden Unsinn halten. Ich kann nur noch einmal meinen Ratschlag von den Beratungen im Rechts- und Verfassungsausschuss wiederholen. Wenn Sie schon der Auffassung sind, dass so eine Art von Fragebogen erfolgreich ist, dann würde ich Ihnen, Herr Regensburger, auch vorschlagen, machen Sie doch eine flächendeckende Befragung in ganz Bayern, wer beabsichtigt, demnächst eine Straftat zu begehen, und wir könnten uns angesichts knapper Kassen viel Geld für Polizei, Gerichte, Justizvollzug und Resozialisierungsarbeit sparen.
Wir stimmen dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auch deshalb zu, weil uns über lange Zeit hinweg das Recht der parlamentarischen Kontrolle durch die Legislative verweigert wurde. Auch das ist ein unmöglicher Vorgang. Alle Nachfragen von Abgeordneten, um bei den Behörden Informationen zu erhalten, waren vergeblich, bis wir endlich durch die Beratungen im Rechtsausschuss eine Tür öffnen konnten. Es wurde uns schon vorher von verschiedenen Stellen bestätigt, man kann auch nicht verstehen, warum Abgeordnete keine Einsicht in den Fragebogen haben dürfen, aber man konnte die Einsicht nicht gewähren, weil es nicht erlaubt war. Das lässt Rückschlüsse auf das autoritäre Selbstverständnis eines selbstherrlichen Ministeriums zu, das meilenweit vom demokratischen Verständnis von Gewaltenteilung entfernt ist.
Lassen Sie mich ein Letztes sagen. Gerade jetzt im Wahlkampf und auch gestern im Plenum wurde und wird viel vom Bürokratieabbau gesprochen. Dieser ausführliche und inhaltlich unsinnige Fragebogen ist so schwierig auszufüllen, zu übersetzen und auszuwerten – mit den Daten ist außerdem datenschutzrechtlich verantwortlich umzugehen –, dass man nur sagen kann: Das ist Entbürokratisierung auf bayerische Art. Außerdem kostet die Papierflut noch einiges an Personal und Verwaltung. Frau Kollegin Köhler hat darauf hingewiesen. Ich bin gespannt, wie hier die Staatsregierung angesichts ihrer jüngst entwickelten Konnexitätsvorliebe mit den Gemeinden umgeht, denen diese Gelder erstattet werden müssen.
Also: Inhaltlich falsch, integrationsschädlich, sicherheitspolitisch fragwürdig, außenpolitisch irritierend, dem parlamentarischen Selbstverständnis widersprechend, im Vorgehen bereits mehrfach korrigiert – das sollte doch ausreichen, um auch Zweifel bei Ihnen aufkommen zu lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Im Zweifelsfall kann man immer noch die Hoffnung haben, Sie entscheiden sich für das Richtige und stellen diese unnütze Befragung ein; aber auch heute, wo wir das letzte Mal über diese Fragen sprechen, können wir diese Hoffnung nicht haben. Trotzdem bedanke ich mich bei denen, die aufgepasst haben, für ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen! „Universitas semper reformanda“, Herr Dr. Wilhelm, so haben Sie vor mehreren Monaten bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs mit unüberhörbarem Selbstbewusstsein die Beratungen eingeleitet. Jetzt, am Ende der Beratungen, hat sich dieser Wahlspruch in einer Art und Weise bewahrheitet, wie es leider Gottes seit etlichen Jahren für die bayerische Hochschulpolitik charakteristisch ist.
Was am Ende eines lange – zugegebenermaßen weitgehend sachlich orientierten – Beratungsprozesses herauskommt, ist wieder einmal gesetzlich fixierter Beweis für bayerische Reformunfähigkeit in der CSUHochschulpolitik. Ihr eingangs in Erinnerung gerufenes Zitat ist richtig; denn Sie produzieren die Reformnotwendigkeit der Hochschulen stets aufs Neue. Ihre Hochschulpolitik müsste aber selbst einem umfassenden Reformprozess unterzogen werden.
Dazu – das haben die Beratungen gezeigt – sind Sie nicht in der Lage. Anfang des Jahres haben Sie einen großen Schritt nach vorne angekündigt. Herausgekommen ist ein tänzelndes Hüpfen auf der Stelle mit konzeptionslosen Ausfallschritten in unterschiedliche Richtungen, nach arhythmischen unkoordinierten Vorgaben, einmal vom Ministerium, dann von der CSU-Fraktion, dann vom Ausschussvorsitzenden, mal mit, mal ohne
Fraktionsrückhalt. Ein Gesamtkonzept wird dabei kaum erkennbar.
Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie verspielen eine wichtige Chance, indem Sie in einer nicht enden wollenden Reihe eine vermeintliche Topreform der nächsten hinterherschicken, während die anderen Bundesländer den bayerischen Reformzug schon längst abgehängt haben.
In der Bewertung Ihrer Politik fällt mir aus den Erzählungen von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer die Geschichte vom Scheinriesen TurTur ein. Aus der Ferne betrachtet erscheint dieser TurTur riesengroß. Je näher man ihm kommt, desto kleiner wird er. In diesem Sinne haben wir es bei der CSU-Hochschulpolitik mit dem Phänomen des Scheinriesen zu tun: Aus der Nähe betrachtet bleibt nicht mehr viel übrig. CSU-Hochschulpolitik ist TurTur-Politik, und das wissen Sie selbst auch.
Da vergleicht der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft die Landeshochschulgesetze im Spätsommer 2002 unter der Überschrift „Qualität durch Wettbewerb und Autonomie“ und konstatiert, Bayern rangiere lediglich auf einem sehr mittelmäßigen Platz.
Da versucht die Bayerische Hochschulrektorenkonferenz noch in letzter Minute, über eine Petition den Hochschulleitungen auch wirklich den versprochenen Einfluss bei den Berufungen zu sichern – eine der Ankündigungen bei der Einbringung –, aber ohne Erfolg. Wissenschaftsministerium und CSU-Fraktion können sich nicht einigen. Sie reden von mehr Selbstständigkeit für die Hochschulleitungen, verankern aber die „Lex Oberreuther“ im Hochschulgesetz, um auch wirklich und sicher den Ministerien den Durchgriff bei Berufungen zu gewährleisten.
Da führen Sie immer wieder das Wort Frauenförderung im Mund, es ist Ihnen aber nicht gelungen, aus gleichstellungspolitischen Lippenbekenntnissen verlässliche und notfalls auch einklagbare Rechtsregelungen zu formen.
Sie reden von Förderung und Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses, haben sich aber beharrlich allen Versuchen widersetzt, dem Mittelbau an den Hochschulen mehr Mitsprache und Selbstständigkeit sowie Eigenverantwortung zu gewähren. Damit schwächen Sie auf Dauer die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit der akademischen Berufe an den Hochschulen.
Wo man hinschaut TurTur-Politik: große Ankündigungen und kleinste, zum Teil widersprüchliche Maßnähmchen. Immer, wenn wir dazu Änderungsanträge einbringen, heißt es: „Jetzt ist nicht die Zeit“, „Das werden wir bei der nächsten Änderung berücksichtigen“, „Das bedarf einer umfassenden Umstrukturierung“, „Das ist noch nicht diskutiert“, „Da haben wir noch Beratungsbedarf“ oder „Das ist heute nicht unser Thema“. Universitas semper reformanda – zum Teil eine Satire über das Reformverständnis bayerischer Hochschulpolitik.
Natürlich will ich nicht verhehlen, dass wir mit den hinter uns liegenden Gesetzesberatungen, von denen Sie auf
fallend wenig hier zitiert haben, Herr Dr. Wilhelm, auch Wichtiges und Richtiges auf den Weg gebracht haben. So unterstützt meine Fraktion die vorgeschlagenen Regelungen zur Drittmitteleinwerbung. Wenn wir aber hören, welcher Änderungsantrag heute kommen soll, dann befürchten wir, dass Sie anscheinend Angst vor der eigenen Courage haben. Wir begrüßen außerdem die vorgeschlagenen Verbesserungen zur Internationalisierung der Hochschulen. All diese Änderungen finden unsere Unterstützung.
Weil wir aber in vielen anderen Fragen nicht mit der CSU-Vorlage einverstanden sind, lehnen wir den Gesetzentwurf, so wie er im federführenden Ausschuss verabschiedet und im Rechtsausschuss endberaten wurde, ab. Wir lehnen ihn ab, weil die hier vorgeschlagenen Änderungen des Bayerischen Hochschulgesetzes und des Hochschullehrergesetzes bei weitem nicht den Anforderungen an eine fortschrittliche Politik für die Hochschulen der Zukunft entsprechen.
Ich darf dies genauer erläutern und dabei auf Gedanken zurückgreifen, die an anderer Stelle vom Wissenschaftsund Hochschulminister aus Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Jürgen Zöllner, entwickelt wurden – es wäre ganz schön, wenn Sie ein bisschen ruhiger sein könnten, wenn Sie schon nicht zuhören; meine Kollegen hören zu, und dann könnte ich wenigstens konzentriert reden –: Vor den explosionsartig zunehmenden Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie über die Entwicklung der Gentechnologie bis hin zur Analyse und zum Verständnis von Informationsspeicherung im Gehirn, von der Untersuchung globaler ökologischer Verflechtungen und Abhängigkeiten bis hin zur Analyse weltweiter ökologischer Zusammenhänge – unsere Gesellschaft muss sich in einem Ausmaße mit veränderten Rahmenbedingungen auseinander setzen, wie dies wohl kaum je vorher der Fall war. Nahezu alle diese Veränderungen sind durch Wissenschaft geprägt und beeinflusst. Wissenschaft hat dabei auch zugleich die Aufgabe und die Verpflichtung, die skizzierten Prozesse für Menschen begleitbar und gestaltbar zu machen, Wege zur Problembewältigung aufzuzeigen und zur positiven Weiterentwicklung der existenziellen Grundverhältnisse Mensch-Mensch, Mensch-Natur beizutragen. Dies kann angesichts der Komplexität der Informationen und der Prozesse nicht mehr mit den klassischen Mechanismen der zentralen dirigistischen Detailsteuerung erreicht werden. Problembewältigung und positive Weiterentwicklung sind nur erreichbar, wenn Menschen, die diese Entwicklungen optimal beurteilen können, selbst in lernfähigen Organisationseinheiten arbeiten und Organisationseinheiten hier alle Möglichkeiten besitzen, Fehler zu vermeiden und zu korrigieren.
Hochschulen, staatliche Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen sind solche lernfähigen Organisationseinheiten. Daher ist es eine erste wichtige Aufgabe der Politik, Systeme zu schaffen, die in solch schwierigen Feldern unter Wahrnehmung eigener Verantwortung reaktionsfähig, also lernfähig und damit zukunftsfähig bleiben.
Eine zweite und damit nicht minder wichtige Aufgabe der Politik ist es, interessenorientiert – das kann in einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft nur am Wohle der Gesellschaft orientiert bedeuten –, demokratisch legitimiert und kontrolliert Wissenschaft zu begleiten und als zentralen Bestandteil der Gesellschaft zu fördern, somit also den Förderrahmen für Forschung und Lehre zu setzen und die Einhaltung eben dieser Rahmenbedingungen kontinuierlich zu überwachen und gegebenenfalls auch zu sanktionieren. Freiheit und Verantwortung sind hier für die Wissenschaft und die Politik auf das Engste miteinander verbunden.
Ein Mehr an Eigenverantwortung und Selbstständigkeit für die Hochschulen ist also nicht mit einem Weniger an staatlicher und parlamentarischer Verantwortung für Hochschulpolitik gleichzusetzen. Viel zu wenig ist es der Staatsregierung und der sie tragenden Mehrheitsfraktion in der Vergangenheit gelungen, auf dem Feld der Hochschul- und Wissenschaftspolitik diese Entwicklungsprozesse zu thematisieren. Die CSU und die von ihr getragene Staatsregierung verschlafen zukunftsweisende parlamentarisch zu bestimmende, weil parlamentarisch zu verantwortende Entwicklungsprozesse in Wissenschafts- und Forschungsorganisationen.
Zwischen einem neo-liberalen stoiberschen Verständnis von Hochschulpolitik als reiner Standortpolitik und einer antiquiert hierarchisch organisierten Bürokratie, die nicht in kontrollierte Eigenverantwortung entlassen kann, dümpelt das bayerische Hochschulschiff auf der Stelle vor sich hin, im Visier des Fernrohrs utopische Eilande mit Eliteförderung, auf dem Deck überladen und überlastet, und unter Deck gefährliche Wassereinbrüche aufgrund fehlender Reparaturen und chronischer Unterfinanzierung.
Von Bayern, Herr Dr. Wilhelm. Dieser Gesetzentwurf ist hierfür ein beredtes Beispiel.
Hochschulen sind als Knotenpunkte der Wissensgesellschaft, der Qualität in Forschung und Lehre entscheidend für die Lebensqualität und die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit in unserem Land und im internationalen Wettbewerb – so hat es meine Fraktion schon vor etlichen Jahren formuliert. Solche Hochschulen benötigen Rahmenbedingungen, Organisations- und Finanzierungssysteme, die ein eigenständiges und selbstverantwortliches Handeln, orientiert an gemeinsamen gesellschaftlich-politischen Wert- und Zielvorstellungen, ermöglichen. Überprüft man den zur Abstimmung stehenden CSU-Gesetzentwurf an diesen Zielen, so macht sich sehr schnell Ernüchterung breit. Ich will dies an vier Punkten beispielhaft erläutern:
Erstens. Keine Aussagen zu einer eigenverantwortlichen Haushaltswirtschaft der Hochschulen.
Der Gesetzentwurf spart systematisch die Entwicklung von Finanz- und Steuerungssystemen zur Finanzierung von Hochschulen und Wissenschaft aus. Das bedeutet doch im Klartext, dass den im Hause verantwortlichen politischen Mehrheiten das Vertrauen in die inhaltliche und finanzielle Selbststeuerungskompetenz der Hochschulen, das Vertrauen auf ihre Eigenverantwortlichkeit völlig fehlt.
Globale Mittelzuschüsse auf der Basis verbesserter und damit ausreichender Zuweisungen, mehrjährige Planungssicherheit für die Hochschulen, Zielvereinbarungen als partnerschaftliche Koordinationsinstrumente zwischen den Hochschulen und dem Staat, umfassende gegenseitige Deckungsfähigkeit zwischen allen Ausgabenarten, unbeschränkt gesetzlich verankerte Übertragbarkeit und Rücklagenbildung, leistungsbezogene Mittelverteilung – an Belastungs-, Leistungs- und Innovationskriterien orientiert und auf der Basis von Ziel- und Leistungsvereinbarungen ermittelt –, ein gesetzlich vorgeschriebenes Rechnungswesen, das Information zur Kontrolle und Steuerung bietet und das im Controlling durch eine Kosten- und Leistungsrechnung sowie eine Vermögensrechnung unterstützt wird: Alle diese Themen sind in der bundesdeutschen und europäischen Hochschulpolitik und darüber hinaus längst alltäglicher Standard in der Hochschulgesetzgebung; in Bayern werden sie kaum diskutiert, geschweige denn in Angriff genommen.
Ich gebe zu, dass man sehr wohl aufpassen muss, dass das Haushaltsrecht als wichtigstes parlamentarisches Recht dadurch in seiner letzten demokratischen Verantwortlichkeit nicht ausgehebelt werden darf. Ich gebe zu, dass im Blick nach Österreich, wo wir uns vor einigen Wochen die dortige konservative Gesetzgebung angeschaut haben, für mich noch einige Fragen nach dem Selbstverständnis des Parlaments und des zuständigen Fachausschusses offen bleiben. Ich gebe auch zu, dass die Gefahr sehr groß ist, Globalhaushalte und Budgetierung als Sparinstrumente zu missbrauchen. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Lassen Sie uns im demokratischen Streit endlich nach den richtigen vorwärts weisenden Strukturen suchen; Sie stecken bisher den Kopf weitgehend in den Sand und halten an althergebrachten und überholten Finanzinstrumenten fest.
Lassen Sie mich noch eines aus aktuellem Grund anfügen: Wenn Sie jetzt glauben, sich mit einem Aufleben der Diskussion um Studiengebühren über Ihre haushalts- und finanzpolitischen Schwächen und Fehler im Hochschulbereich hinwegmogeln zu können, dann befinden Sie sich auf dem Holzweg. Partei und Fraktion der Bayern-SPD lehnen diesen Weg der Bildungsfinanzierung ab. Bildung, auch Hochschulbildung, ist und bleibt verpflichtende Aufgabe des Staates und muss gebührenfrei bleiben. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn Sie schon dabei nicht auf unsere oft vorgetragenen Gründe hören, dann hören Sie doch wenigstens auf Ihren eigenen Staatsminister, der Ihnen in diesem Bereich alle Argumente detailliert und richtig auflis
ten kann. Wir können gern über Studienkonten und andere Anreizsysteme diskutieren; aber stopfen Sie schleunigst Ihre Vorstellungen von Studiengebühren in die bildungspolitische Mottenkiste, wo sie hingehören.
Zweitens. Die halbherzige Autonomie für die Hochschulleitungen bei den Berufungen: In der Neufassung des Artikels 56 wird die Stellung der Hochschulleitung im Berufungsverfahren gestärkt. Wir haben dies begrüßt und wollten von vornherein noch einen Schritt weitergehen, dass die Hochschulleitung und nicht der Senat für jedes Berufungsverfahren auch einen Berichterstatter bestellt, um diese gestärkte Position im Sinne eines übergreifenden Interesses zu untermauern. Dazu konnte sich die Mehrheit erst nach einer Petition durch die Bayerische Rektorenkonferenz durchringen. Es ist schon kindisch und spricht für die fragwürdige Souveränität der CSU Bände, wenn man sieht, wie SPD-Vorschläge erst einmal generell abgelehnt werden. Kommen sie dann von einer anderen Seite, mit der man sich nicht überwerfen will, dann folgt die Kehrtwende stehenden Fußes.
Wie halbherzig aber generell der Gedanke einer stärkeren Autonomie der Hochschulleitung vertreten wird, das zeigt sich an anderer Stelle: Die Bayerische Rektorenkonferenz wünscht zur Durchsetzung fakultätsübergreifender Aspekte ein substanzielles Mitspracherecht bei den Wahlvorschlägen im Berufungsverfahren selbst. Uns erschien dies sinnvoll, gibt es doch eine Reihe von Fragen und Problemkreisen, die es rechtfertigen, der Hochschulleitung aus einem übergeordneten Interesse heraus ein größeres Mitspracherecht im Einvernehmen mit dem Senat einzuräumen: die Profilbildung der Hochschulen, die Umsetzung der Hochschulentwicklungspläne, die Umsetzung des Gleichstellungsauftrags. Diese Beispiele mögen genügen. Sie rechtfertigen ein größeres Mitspracherecht für die Hochschulleitung, gerade auch im Sinne der oben angeführten selbstständigen und lernfähigen Organisationseinheiten für einen zukunftsfähigen Wissenschaftsbetrieb.
Das Misstrauen aus dem Ministerium und von großen Teilen der CSU-Fraktion gegenüber der Verantwortungsfähigkeit der Hochschulleitungen war so groß, dass sich leider Gottes nicht einmal der Ausschussvorsitzende dagegen wehren konnte. Also bleibt es weiterhin beim Klein-klein bei der Entwicklung von Vorschlägen für die Berufungen.
Wir wollten außerdem Berufungen auf Antrag generell den Hochschulen übertragen, wenn sie es denn wollen. Unisono erklärt die CSU-Fraktion und die Ministerialbürokratie, dass das doch nun wirklich nicht ginge. Sie haben zwar gerade von der Experimentierklausel gesprochen, aber da war Ihre Experimentierfreude zu Ende. Trotz aller schönen Begründungen, die Sie sich zurechtgelegt haben: Im Kern, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wollen Sie das nicht, weil dann der CSU-Einfluss verloren geht. Ihr Verständnis von eigenverantwortlicher und selbstverantworteter und selbstverwalteter Hochschulorganisation endet dort, wo Freiheit und Selbstständigkeit der Forschung und Lehre
der CSU politischen Einfluss wegzunehmen drohen. Gänzlich entlarvt sich dieses CSU-Vorgehen bei der Neufassung des Artikels 56 Absatz 6. Da wird nun ein Satz 4 angefügt. Weil es gar so schön ist, darf ich zitieren:
Aufgrund eines Sondervotums kann der Staatsminister auch einen Bewerber berufen, der in der vom Senat beschlossenen Vorschlagsliste nicht aufgeführt ist.
Nachtigall, ick hör dir trapsen: Gab es da nicht Vorkommnisse am Geschwister-Scholl-Institut der LMU, über die der „Spiegel“ in seiner Uni-Sondernummer vom 15. 11. 2002 unter der Überschrift „Bayerischer Intrigantenstadl – akademische Amigos“ berichtet hat? Gestützt auf ein Sondervotum hat eine ministerielle Entscheidung zugunsten eines sechzigjährigen Hoffnungsträgers, der natürlich die in der Ausschreibung verlangte Voraussetzung der Einhaltung der Altersgrenze von 52 Jahren nicht erfüllen muss, die Wogen hochschlagen lassen. Ich will nicht in die Detailerörterung dieser Berufungsvorgänge am Geschwister-Scholl-Institut einsteigen.
Es steht mir auch nicht zu, mich über die Qualifikation der Betroffenen auszulassen. Aber es war schon aufschlussreich, wie man im Ausschuss teils mit Schmunzeln, teils mit halbherzigem Kopfschütteln jeder Diskussion um diese neu gefasste Lex Oberreuter aus dem Weg ging. Es ist gelinde gesagt ein Skandal, –
wie Sie von der CSU mit der Hochschulautonomie umgehen, wenn es um die Durchsetzung parteitaktischer Motive geht. Das hat viel mit althergebrachter feudaler Vettern- und Pfründewirtschaft und wenig mit moderner Hochschulpolitik zu tun. Jetzt wollen Sie Ihr vorgestriges hochschulpolitisches Verständnis auch noch in Gesetzesnorm fassen. Arme bayerische Hochschulen, kann ich da nur sagen, angesichts der Befürchtungen, was da noch alles an Berufungen auf sie zukommen kann.
Drittens: Habilitation contra Juniorprofessur und fehlende selbstverantwortliche gleichberechtigte Einbindung des akademischen Mittelbaus. Bis vor einigen Monaten war ich eigentlich immer noch der Auffassung, dass wir uns inhaltlich im Streit um Habilitation und Juniorprofessur gar nicht so weit voneinander entfernt haben. Ich glaubte uns einig in den Bedenken über die Habilitation als zeitraubende Hürde auf dem Weg zur Professur. Ich sah uns in Übereinstimmung über die wichtigsten Vorteile der Juniorprofessur, die das Recht auf selbstständige und eigenverantwortliche Forschung und Lehre sichert, ein eigenes Budget und eine drittmittelfähige Grundausstattung gewährleistet, das Recht zur Betreuung von Promotionen verleiht, die kooperationsrechtliche Zugehörigkeit der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer herstellt und die vor allem auch für Frauen bessere berufliche Perspektiven im Hochschulbereich eröffnet.
Nun kann man darüber streiten, ob es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, Habilitation und Juniorprofessur nicht nur in der Übergangsphase nebeneinander existieren zu lassen und auf den Wettbewerbsvorteil der Juniorprofessur zu setzen. Wie sich aber nun die CSU in dieser Frage verhält, das ist überhaupt nicht mehr nachvollziehbar: nach außen ein „Ja“ oder ein „Jein„ zur Juniorprofessur, begleitet von einem „Na ja“ zur Habilitation, dann der Gang nach Karlsruhe, angeblich wegen des vermeintlich unzulässigen Bundeseingriffs in den Zuständigkeitsbereich der Länder, öfters jetzt aber auch mit dem entschiedenen Nein zur faktischen Abschaffung der Habilitation und zum Verbot von Studiengebühren begründet, um dann hier in Bayern ein Gesetz vorzulegen, das die Juniorprofessur gänzlich negiert und an der Habilitation etwas herumdoktert.
Es hätte zwei sinnvolle Alternativen gegeben. Wenn Sie die Juniorprofessur grundsätzlich als gleichwertiges Pendant neben der Habilitation verstehen, warum fügen Sie dann nicht entsprechende Regelungen in Ihren Gesetzentwurf ein? Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. Die andere Alternative: Wenn Sie davon ausgehen, dass das Karlsruher Urteil zu Konsequenzen in der Ländergesetzgebung führt, warum warten Sie es dann nicht ab? So, wie Sie es gemacht haben, ist Ihr Gesetz auf jeden Fall im Herbst korrekturbedürftig. Das haben Sie auch selbst eingestanden. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, die Legislative ist doch keine Spielwiese für ungeduldig wartende Profilierungssüchtige im Landtagswahlkampf.
Gesetze sollten auf eine zuverlässige Dauer angelegt sein und durch ihre Beständigkeit Rechtssicherheit vermitteln.
Ihre wahlkampforientierte Instrumentalisierung des Gesetzgebungsprozesses ist rechtspolitisch unverantwortlich und verunsichert den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Doch nicht allein Ihr fragwürdiges Verständnis von Gesetzgebung als Ausdruck kurzfristiger Meinungsäußerungen verunsichert. Viele Ihrer Vorschläge zur so genannten Reform der Habil, die wir aus den oben angeführten Gründen ablehnen, mögen zwar gut gemeint sein, werden aber die von Ihnen gesteckten Ziele kaum erreichen. So müssen Sie sich erstens fragen lassen: Erreichen Sie wirklich eine Beschleunigung der Habilitationsverfahren? Gerade aus dem Bereich der Geisteswissenschaften, deretwegen Sie hauptsächlich vorgeben, die Habilitation beibehalten zu wollen, wurden uns immer wieder Bedenken vorgetragen, dass die angestrebte Frist von vier Jahren unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen kaum einzuhalten sei.
Mir erschienen die Argumente einleuchtend, die wir im Fachausschuss erörtert haben. Sie äußerten zwar Verständnis für unseren Versuch, zum Beispiel durch die
gesetzlich verankerte Gewährung von Forschungsfreisemestern unter bestimmten Voraussetzungen eine Entlastung zu schaffen, aber letztendlich haben Sie das doch abgelehnt. Ähnlich haben Sie auf Bemühungen reagiert, das Habilitandenverhältnis per Gesetz rechtzeitig begründen zu lassen. Dies erscheint erforderlich, will man dem weit verbreiteten Missbrauch entgegenwirken, Kandidatinnen und Kandidaten möglichst lange als wissenschaftliche Mitarbeiter für Dienstleistungen zu erhalten.
Sie müssen sich zweitens fragen lassen: Glauben Sie wirklich, durch Ihren Gesetzentwurf die frühe Selbstständigkeit der Qualifikandinnen und Qualifikanden zu fördern, gerade wenn Sie dadurch die Habilitation im Wettbewerb gegen die Juniorprofessur stärken wollen? Die Erweiterung der Prüfungsbefugnis, die Sicherung der Drittmitteleinwerbung für Qualifikandinnen und Qualifikanden, die im Gesetz erforderliche Verankerung der Selbstständigkeit in Forschung und Lehre und die Einbindung von Habilitationsstipendiaten in die Hochschule als juristisch-organisatorische Einheit – allen diesen Vorstößen haben Sie Ihre Zustimmung versagt. Alle Beispiele belegen hinreichend und klar, dass die gleichberechtigte und verantwortliche Selbstständigkeit im Habilitationsverfahren in Bayern weiterhin kaum realisiert ist, ganz zu schweigen von der Rechtsunsicherheit, die durch die auch von Ihnen eingestandene Inkompatibilität zwischen der Gesetzesnovelle und dem Hochschulrahmengesetz auftritt.
Damit komme ich zum letzten Grund, warum wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. Die von Ihnen vorgelegten Formulierungen und vor allem weite Teile der Diskussion um Frauenfördermaßnahmen im Ausschuss sind Beleg für die Reduzierung der Gleichstellungs- und Frauenförderpolitik an unseren Hochschulen auf bloße Lippenbekenntnisse. Oft genug wurde uns berichtet, dass der Frauenanteil an den Professorenstellen an Bayerns Universitäten und Fachhochschulen mit ungefähr 7,5% der ohnehin schwachen bundesdeutschen Quote von 11% weit hinterherhinkt. Oft genug haben wir von verantwortlicher Seite das Lamento gehört, dass alle Bemühungen aus Ihrem Hause, Herr Staatsminister Zehetmair, viel zu wenig fruchten, weil die Sensibilität in den Hochschulen selbst fehlt. Oft genug haben wir darauf hingewiesen, dass ausgelobte Preise, sicherlich sinnvolle, aber nicht ausreichende Stipendien und eine nur oberflächliche Gesetzesänderung viel zu wenig bewirken und vor allen Dingen viel zu langsam wirken.
Wenn auch aktuelle Formen der Benachteiligung viel subtiler als in der Vergangenheit sind, so gilt dennoch nach wie vor: Frauen haben geringere Chancen auf eine Stelle im Mittelbau als Männer. Frauen müssen zum Teil höher qualifiziert sein als Männer, um vergleichbare Positionen zu erhalten. Ihre fehlende und schlechte Integration in Wissenschaftlernetzwerke führt zu weiteren Benachteiligungen. Ihre akademischen Karriereverläufe sind stärker von externen Faktoren, zum Beispiel durch ihre Rolle als Mutter bestimmt, als dies bei Männern der Fall ist. Ich darf aus dem jüngsten „Uni-Kurier“ der Universität Erlangen-Nürnberg zitieren:
Es stellt sich der wissenschaftliche Werdegang von Frauen oft als Prozess der Entmutigung dar, der oft in einem freiwilligen Verzicht endet. Solch ein freiwilliger Verzicht kann in dem Entscheidungskonflikt zwischen Beruf und Familie gründen. Entmutigung können junge Akademikerinnen respektive Wissenschaftlerinnen auch durch mangelnde soziale Unterstützung während des Studiums bzw. während der Promotion oder fehlende Rollenmodelle erfahren. In der Konsequenz stellt man fest, dass Frauen eigentlich nicht gefördert, sondern enthindert werden müssen.
Meine Kolleginnen und Kollegen, diese Enthinderung kennt zwei Erfolg versprechende Strategien: erstens die am Gleichstellungserfolg orientierte Mittelzuweisung an die Hochschulen und zweitens festverankerte, an der angestrebten Quote ausgerichtete Zielvorgaben. Erst dann, wenn wir diese Strategien noch flankieren, zum Beispiel mit entsprechenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten, haben wir den richtigen Weg eingeschlagen. Nichts davon findet man in Ihrem Gesetzentwurf. Sie verspielen zum wiederholten Male eine Gelegenheit, gleichstellungsorientierte Pflöcke in die bayerische Hochschulgesetzgebung einzurammen. Wann wollen Sie denn handeln, wenn nicht jetzt? Liegt nicht vor uns ein Zeitraum von circa zehn Jahren, in dem aus Altersgründen etwa die Hälfte der Professoren ausgetauscht werden müssen? Warum nützen Sie denn nicht jetzt die Chancen für die Frauen an den Hochschulen?
Mit weitgehend unpräzisen Absichtserklärungen wie Ihre in Artikel 56 vorgeschlagene Formulierung, dass die Hochschule auf die Erhöhung des Frauenanteils in der Wissenschaft hinwirkt, ist es längst nicht mehr getan. Wir nehmen Ihnen Ihr gleichstellungspolitisches Credo nicht mehr ab. Das vorgeschobene Glaubensbekenntnis entlarvt sich als reines Lippenbekenntnis, wenn man die Eiertänze beobachtet, mit denen Sie jede konkrete von uns vorgeschlagene Maßnahme ablehnen: Ihr Nein zu einer Erweiterung leistungsbezogener Kriterien bei der Finanzierung um den Passus „Erfolge bei der Erfüllung des Gleichstellungsauftrages“, Ihr Nein zur Aufnahme einer ständigen Kommission für Frauenförderung und Gleichstellungsfragen, Ihr Nein zu einer exakt definierten Zielvorgabe von Geschlechterparität bei Berufungen, Ihr Nein zu geschlechtsparitätisch besetzten Berufungskommissionen. Ich nenne auch die erheblichen Diskussionen um ein Anhörungs-Muss der Frauenbeauftragten durch das Leitungsgremium. Darin ist dann das ganz tolle Argument gefallen, dass Frauen vielleicht gar nicht wissen, wann Themen spezifisch Frauen betreffen, und es wäre doch sehr gefährlich, wenn man eine generelle Anhörungsmöglichkeit schaffen würde.
All diese Diskussionen und Ablehnungen zeigen: Wenn es mit der Gleichstellung konkret wird, kneift die CSU. Wenn Ihnen dann – das ist in den letzten Monaten passiert – das öffentliche Problembewusstsein zu sehr auf
die Pelle rückt, berufen Sie schnell eine Pressekonferenz ein, zeigen sich furchtbar betrübt und verabschieden einen Antrag mit wohlklingenden Absichtserklärungen ohne jede Einforderungsmöglichkeit. Da würde ich am liebsten frei nach Michael Holm singen: Ihre Krokodilstränen lügen doch.
Meine Kolleginnen und Kollegen, damit fasse ich zusammen: Der heute zur Abstimmung stehende CSU-Gesetzentwurf lässt jeden Mut zu wirklich tiefgehenden und zukunftsweisenden Reformen vermissen – ja im Gegenteil: Er ruft geradezu nach einer Reform der Reform, um durchgehend demokratische Strukturen an den Hochschulen zu verankern, um die Voraussetzungen für eine ökonomische und verwaltungstechnisch sinnvolle Autonomie zu entwickeln, um den wissenschaftlichen Nachwuchs nachhaltig zu fördern und um mit der Gleichstellung in Forschung und Lehre endlich einmal ernst zu machen.
Das Positive an diesem Gesetzentwurf – das sage ich persönlich auch an Ihre Adresse, Herr Dr. Wilhelm – war die sachliche und kollegiale Atmosphäre, in der wir beraten konnten. Für diesen guten Stil möchte ich mich ausdrücklich bei Ihnen, bei Frau Dr. Baumann, und auch beim Ministerium bedanken.
Allein: Die Qualität des Arbeitsstils hat sich leider nicht auf die Arbeitsergebnisse übertragen lassen. Deshalb gilt frei nach Bertolt Brecht: Und wieder einmal sehen wir betroffen eine Pseudoreform und alle Fragen offen. Ja, Sie haben Recht, Herr Dr. Wilhelm: Universitas semper reformanda.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Gote.
Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Wohl noch vor unserer nächsten Plenarsitzung wird der Bundesrat das Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern, das so genannte Zuwanderungsgesetz, beraten. Trotz aller bisherigen Erfahrungen mit CSU-Polemik und der manchmal auch zynischen, ja menschen
verachtenden Härte in der bayerischen Ausländerpolitik appellieren wir mit unserem heutigen Dringlichkeitsantrag vor dieser wichtigen Entscheidung noch einmal an Ihre Vernunft, Herr Kollege Herrmann, an Ihre Politikfähigkeit und an Ihre christliche Einsicht, damit dieses für die Zukunft unseres Landes wichtige Vorhaben nicht zum Scheitern gebracht wird.
Herr Kollege von Rotenhan, hier kann ich nur mit Karl Kraus sagen: Herr vergib Ihnen, denn sie wissen, was sie tun.
Wir appellieren an die Staatsregierung, angesichts der nach wie vor notwendigen Weichenstellung für eine menschliche und zukunftsfähige Migrations- und Integrationsgesetzgebung zum sachlichen und konstruktiven Diskurs zurückzukehren. Wir erwarten Lösungsvorschläge für die Menschen, die hier leben, und für die, die noch zu uns kommen werden, auch wenn sich die CSU auf den Kopf stellt. Wir erwarten Lösungsvorschläge für diejenigen, die zu integrieren sind, ebenso wie für diejenigen, die integrieren müssen und dies meist auch wollen. Wir fordern die Staatsregierung auf, ihre bisherige Obstruktionspolitik aufzugeben, eine Politik, die aus wahltaktischen Gründen und wider besseren Wissens selbst eigene Einsichten ignoriert.
Für das 21. Jahrhundert brauchen wir ein modernes Zuwanderungsrecht, das der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung, der Globalisierung, dem Wegfall von Grenzen und der immer höheren Mobilität von Menschen Rechnung trägt. Dazu hat eine, wie ich meine, in Deutschland allseits anerkannte Institution schon vor sechs Jahren das Passende gesagt:
Die in Deutschland geltenden legislativen und administrativen Regeln über Einreise und Aufenthalt von Zuwanderern werden den Anforderungen nicht mehr gerecht. Die gewandelte Stellung Deutschlands in der Staatenwelt verlangt eine Neubestimmung der Einstellung gegenüber Angehörigen anderer Staaten. Zur Sicherung der notwendigen Bedingungen für den Wirtschaftsstandort gehört es, Konsequenzen aus seiner Rolle als Mittelpunkt des Lebens und Arbeitens vieler Nichtdeutscher zu ziehen.
Zitat Ende. Dieses Zitat stammt aus dem gemeinsamen Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht. Das ist, glaube ich, für uns alle eine objektive Quelle der Erkenntnis. Deswegen können wir ein defensives Ausländerrecht, welches die gesetzlichen Regelungen als Abwehrbollwerk gegen Zuwanderung versteht und missbraucht, nicht brauchen.
Internationale Erfahrungen zeigen, dass dieser Defensivansatz auch nicht die erhoffte Wirkung zeigt. Die Migration nimmt dadurch nicht ab. Die Vorstellungen der Union, die aus ihren 128 Änderungsanträgen hervorgehen, entsprechen genau diesem falschen Definitivan
satz. Das ist nicht der Weg für eine moderne Zuwanderungsgesetzgebung. Er wird uns nicht in eine geregelte, gesteuerte und begrenzte Zuwanderung führen. Wir sehen nun, dass diese 128 Änderungsanträge noch nicht einmal in den unionsgeführten Bundesländern mehrheitsfähig sind. Das kommt also einer Fundamentalopposition gleich. Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, signalisieren damit, dass Sie keine Einigung wollen, weil Sie Ihr parteitaktisches Süppchen mit der Zuwanderung kochen.
Sie wollen an einem verstaubten Ausländerrecht festhalten. Es geht Ihnen um Abschottung und um die Behinderung von Zuwanderung. Wer Arbeitsmigration de facto gar nicht will, dem geht es auch nicht wirklich um das wirtschaftliche Wohl unseres Landes. Wer soll denn nachvollziehen, warum Sie hochqualifizierten Arbeitskräften, die Sie hier brauchen können, wieder nur einen befristeten Aufenthalt gestatten? Das war ja der Kritikpunkt bei der Green-Card-Regelung. Das ist doch wider jede ökonomische Vernunft.
Wer soll nachvollziehen, warum Migrantenkinder wieder Schwierigkeiten bei der Einbürgerung bekommen sollen? Das ist Familienpolitik à la CSU. Warum sollen ausländische Ehefrauen wieder vier statt zwei Jahre auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht warten müssen und etwa bei einer gescheiterten Beziehung Prügel und Schikanen einstecken müssen?
Warum um alles in der Welt wollen Sie Frauen und Mädchen, die zum Beispiel aus Angst vor der Beschneidung hierher geflüchtet sind, nicht wenigstens befristet eine verlässliche Lebensperspektive gewähren?
Über diese zutiefst unchristliche und unmenschliche Art des Umgangs mit der geschlechtsspezifischen Verfolgung schütteln fast alle europäischen Partnerstaaten den Kopf. Sie erweisen sich in der Asyl- und Flüchtlingspolitik als europauntauglich.
Es tut gut zu sehen, dass wenigstens einer aus Ihrer Fraktion zuhört, Herr von Rotenhan.
Herr Hofmann, jetzt sind Sie wach. Grüß Gott.
Die Änderungsanträge sind eine Kampfansage. Ihnen liegt überhaupt nichts an der Integration. Sie leisten mit Ihrem Vorgehen in der Zuwanderungsdebatte zudem noch einen Beitrag zur Desintegration, wenn Sie Ausländer meist in einen Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen oder mit Abzocken von Sozialkassen in Verbindung bringen. In Ihrem Denk- und Sprachstil muss sich noch einiges gravierend ändern.
Wir alle wissen: Die Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Die Frage lautet daher nicht, ob Zuwanderung nach Deutschland stattfinden soll, sondern wie Zuwanderung aktiv gestaltet werden kann, damit sich alle – diejenigen, die schon bisher hier leben und diejenigen, die zu uns kommen –hier miteinander zu Hause fühlen.
Das neue Zuwanderungsgesetz hatte erstmals die gesetzlichen Grundlagen für eine zukunftsorientierte, verantwortliche Gestaltung von Zuwanderung geschaffen und Integration als zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe ins Bewusstsein gerückt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung berücksichtigt ausgewogen die unterschiedlichen Interessen, wie der im vergangenen Jahr erreichte Konsens zwischen allen großen gesellschaftlichen Gruppen – Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Kirchen seien beispielhaft genannt – beweist. Lediglich die Union hat wider besseren Wissens aus rein wahltaktischen Gründen ihre Zustimmung verweigert und konstruktive Gespräche abgelehnt. Mit dieser Haltung wird die dringend erforderliche Verbesserung der Integration von Migrantinnen und Migranten deutlich erschwert und die Chance vertan, die erstmalig auf einer Rechtsgrundlage basierende Konzeption des Forderns und Förderns, einschließlich deren Finanzierung möglichst bald umzusetzen.
Nun soll nach Unionswillen – darauf bezieht sich der CSU-Antrag – ein eigenes Integrationsgesetz erarbeitet werden, da die Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz zum Scheitern verurteilt seien. Diese Unionsalternative sollte vor der Sommerpause fertig sein. Da beißt sich doch der Hund in den Schwanz und dreht sich auf der Stelle im Kreis. Saarlands Müller kritisiert, ein eigenes Integrationsgesetz könne als falsches Signal verstanden werden. Ein falsches Signal? Wofür eigentlich? Dafür, dass mehr als einmal klar wird, worin die eigentlichen Interessen der Union und vor allem Bayerns liegen? Es ist offensichtlich, dass mit der angekündigten niedersächsischen Initiative lediglich nach Auswegen aus der selbst verursachten Blockade gesucht wird.
Immerhin hat sich auch in der Union die Einsicht durchgesetzt, dass angesichts der Versäumnisse der letzten 40 Jahre integrationspolitischer Handlungsbedarf besteht. Doch die aktuelle migrationspolitische Aufgabe umfasst mehr als Integration. Integration wiederum ist mehr als bloße Sprachförderung. Sie umfasst alle Aspekte schulischer, beruflicher, sozialer und rechtlicher Integration. Das Integrationsgesetz der Union reduziert politisches Handeln einseitig auf einen schmalen Anteil auf der einen Seite der Medaille, nämlich auf die sprachliche Eingliederung, ohne die Grundlagen für die Zuwanderung, den Arbeitsmarktzugang und die rechtliche Integration mitzuregeln. Es fällt somit meilenweit hinter das Anliegen des rot-grünen Gesetzes zurück.
Der Eindruck, dass hier Propaganda und Augenwischerei betrieben werden, verstärkt sich, wenn man die jüngsten Publikationen des Bayerischen Arbeits- und Sozialministeriums genauer unter die Lupe nimmt. Es genügt eben nicht – wie man jetzt im Folgebericht Aus
länderintegration der interministeriellen Arbeitsgruppe vom April 2003 nachlesen kann –, diese selbst geschaffene Situation nur zu beklagen und zu dokumentieren. Das verbessert die Ausländerintegration nicht, sondern ist Zeichen eines reines Verwaltens, statt eines Gestaltens.
In dem Bericht heißt es zum Beispiel:
Die von der Bundesseite ursprünglich zu Jahresbeginn 2002 beabsichtigte Neukonzeption der Sprachförderung wurde mit Rücksicht auf die Beratung des Zuwanderungsgesetzes zurückgestellt. Deshalb konnten weitere Überlegungen auf Landesebene zur zielgruppenspezifischeren Ausrichtung der Sprachkurse nicht in Angriff genommen werden.
Was heißt denn das im Klartext? Sie machen auf Landesebene nichts, weil Sie auf Bundesebene blockieren. Die Kommunen baden das dann aus. Schon deswegen muss schnellstens gehandelt werden.
Generell müssen bei der Integrationsförderung – vor allem auch hier in Bayern – deutlich mehr Anstrengungen unternommen werden, um den Kreislauf „sprachlos, bildungslos, arbeitslos“ zu unterbrechen. Unser Dringlichkeitsantrag gibt hierzu entscheidende Impulse. Die Beherrschung der deutschen Sprache, die schulische und berufliche Förderung, die Wertevermittlung, die gleichberechtigte Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben sowie die soziale Beratung und Begleitung von Migrantinnen und Migranten sind die Hauptfelder, in denen die Integrationsarbeit stattfinden muss. Deswegen haben wir vier Säulen definiert, die wir auch schon in unseren Anträgen des letzten Jahres ausführlich erläutert haben: Sprachkompetenz und Bildung, berufliche Ausbildung und Arbeit, Teilhabe am öffentlichen und staatlichen Leben sowie soziale Integration.
Vor diesem Hintergrund fordern wir die Staatsregierung auf, einen umfassenden und ganzheitlichen bayerischen Integrationsplan zu entwickeln und in Gang zu setzen, um die Integration intensiv zu fördern. Der Folgebericht, den ich vorhin schon zitiert habe, zeigt hier deutliche Mängel. So schlägt er zum Beispiel einen Schwerpunkt hinsichtlich von Änderungen im Jugendstrafrecht vor, die dessen Erziehungscharakter völlig ins Gegenteil verkehren.
Unter Integration verstehen wir die gleichberechtigte Teilhabe am sozialen, kulturellen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben für alle Menschen, und zwar für Migrantinnen und Migranten ebenso wie für hier lebende Deutsche. Integration bedeutet somit nicht Anpassung oder sogar Assimilation. Integration erwartet nicht die Aufgabe der eigenen Identität und die Unterordnung unter eine Leitkultur. Dieses Verständnis, das sich gleichermaßen an die zu Integrierenden wie an die Integrierenden selbst richtet, orientiert sich am Ziel, eine Kultur der Toleranz, der Akzeptanz, der Anerkennung und des gleichberechtigten Miteinanders auf der Basis der in unserer Verfassung festgelegten Grundwerte, Rechte und Pflichten zu fördern.
Dabei bilden die Beherrschung der deutschen Sprache als Hauptschlüssel der Integration, die schulische und berufliche Qualifikation, die Wertevermittlung und das Miteinander im gesellschaftlichen Leben, die soziale Beratung und Begleitung von Migrantinnen und Migranten die Kernbereiche der Arbeit. Es geht uns sozusagen um eine Integrationslandschaft, die mehr ist als die Aneinanderreihung einzelner Maßnahmen, weil sie den Menschen Orientierung gibt, ihnen Rechte gewährt, aber auch Pflichten abverlangt. Der Staat, der Integrationspolitik betreibt, ist kein autoritärer, befehlender Staat, er wird vielmehr zu einem sozialverantwortlichen Vertragspartner.
In den Punkten 3 und 4 unseres Antrags haben wir dementsprechende Vorschläge aufgenommen und im Detail ausformuliert, die wir gestern im Rahmen eines Fachgesprächs mit Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen, der Ausländerbeiräte und integrativ arbeitender Einrichtungen vorgebracht haben. Mit dieser Argumentation sehen wir uns ganz nahe beim Antrag der GRÜNEN, dem wir ebenfalls zustimmen.
Ich darf mit Ephraim Kishon schließen:
Der Mensch bringt sogar Wüsten zum Blühen. Die einzige Wüste, die ihm noch Widerstand leistet, befindet sich in seinem Kopf.
Lassen Sie sich doch dabei helfen, die christsoziale Integrations- und Zuwanderungswüste in Ihrem Kopf zu bewässern und stimmen Sie unserem Antrag zu. Danke für die teilweise Aufmerksamkeit.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Kreuzer.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, in dem arabischen Sprichwort, das Sie Ihrer Regierungserklärung vorangestellt haben, war von Unbeweglichkeit, Beweglichkeit und dem Sich-Bewegen die Rede. Sie haben als Adressaten Ihrer Politik die Menschen genannt, die sich und generell etwas bewegen. Damit suggerieren Sie sprachlich geschickt, dass auch Ihre Politik und Ihr Handeln der von Ihnen positiv bewerteten Handlungskategorie des SichBewegens zugeordnet werden müssen. Wenn wir uns aber damit nicht zufrieden geben wollen, dass Bewegung an sich schon etwas Positives sei, dürfen wir uns der Frage nach dem Ziel des Bewegens nicht verschließen. Herr Staatsminister Zehetmair, ich habe Ihre Politik niemals als hochschulpolitische Spielart der Bewegungstherapie verstanden. Und hier sind Sie, Herr Staatsminister, in Ihren Ausführungen heute enttäuschend vage und unverbindlich geblieben.
Sie haben das Problem des „brain drain“ angesprochen, also des Abwanderns hochqualifizierter Wissenschaftler, und setzen diesem Problem Ihre Politik des „brain gain“ entgegen. Daraus haben Sie dann die politische Notwendigkeit abgeleitet, eine neue Führungs- und Verantwortungselite auf Leistungsbasis zu fördern, gerade vor dem Hintergrund aktueller ökonomischer und sozialer Strukturprobleme. Da Sie dazu inhaltlich nicht sehr viel mehr ausgeführt haben, frage ich mich, ob Ihr Elite- und Leistungsbegriff lediglich an den aktuellen sozioökonomischen Notwendigkeiten orientiert ist. Sind bei Ihnen Elite und Leistung zu hochschulpolitischen Termini degradiert worden, die allein im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verwertbarkeit stehen?
Wurden wir nicht gestern im Rahmen der Gedenkfeier des Parlament daran erinnert, dass gerade die Eliten – auch die ökonomischen und wissenschaftlichen Eliten – versagt haben, als es 1933 darum ging, Menschenrechte und Demokratie zu verteidigen?
Nach 1933 wurde übrigens der Elitebegriff kräftig missbraucht. Das ist auch eine der Ursachen, warum es in Deutschland bis heute so schwierig ist, über Eliten und Eliteförderung zu sprechen.
Sie definieren aber auch den Leistungsbegriff nicht genauer. Ihr kurzer Rückgriff auf Marcuse und 1968 übersieht, dass meist nicht Leistung als solche in Frage
gestellt wurde. Die Kritik bezog und bezieht sich weitgehend auf ein Verständnis, wonach nur die Leistung zählt, die über den Markt den entsprechenden monetären Gegenwert erlöst.
Können wir somit eine Leistungsdiskussion führen, ohne auch eine Wertediskussion zu führen?
Um welche Eliten geht es uns? Welche Leistungen sollen an den Hochschulen speziell gefördert werden, wenn sich wirklich etwas bewegen soll? Herr Staatsminister, mir fehlt bei Ihren Ausführungen der politische Überbau, der das Ziel Ihrer Bewegung und Ihrer Maßnahmen vorgibt. Dieses Ziel interessegeleitet zu definieren und sich nicht in weitgehend nebulösen Hinweisen auf sozioökonomische Strukturprobleme zu verlieren, das ist die eigentliche Aufgabe der Politik.
Meine Kolleginnen und Kollegen, jede Gesellschaft besitzt ihre Eliten. Wir müssen also nicht fragen, ob wir, sondern welche Eliten wir benötigen. Ich darf an dieser Stelle zitieren:
Jede Gesellschaft braucht Menschen, die Alternativen zum Bestehenden denken und leben können... Wer einer solchen Elite angehören will, muss sich nicht nur durch herausragende fachliche, wissenschaftliche, praktische und schöpferische Fähigkeiten auszeichnen, sondern auch in hohem Maße Verantwortungsgefühl, Einsatzbereitschaft und ethisches Bewusstsein besitzen.
Herr Staatsminister Zehetmair, das kommt Ihnen vielleicht bekannt vor. Dieses Zitat aus dem Jahre 1998 stammt von Ihnen und hat heute meiner Ansicht nach gefehlt. Leistungs- und Eliteförderung dürfen nicht allein mit aktuellen arbeitsmarktpolitischen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten begründet werden.
Wenn ich für meine Fraktion von Elite und Eliteförderung spreche, dann gehe ich von folgenden drei Punkten aus:
Erstens. Eliten definieren sich in erster Linie als Werteund Verantwortungseliten, deren Leistung vor allem darin besteht, für fachliche und gesellschaftliche Problemlösungen entsprechend qualifiziert zu sein und die dabei eine hohe Sensibilität für soziale Realitäten entwickeln. Daraus legitimiert sich unter Umständen auch ihre herausragende Funktion und Position.
Zweitens. Chancengleichheit ist elementare Voraussetzung für Eliteförderung.
Unter Chancengleichheit verstehe ich den Anspruch aller auf gleiche Bildungschancen, nicht den Anspruch auf das gleiche Bildungsergebnis. Nur unter dieser Voraussetzung kann jeder Mensch, unabhängig von seiner ethnischen, kulturellen, sozialen oder ökonomischen
Herkunft und unabhängig von jeglicher personeller Beeinträchtigung oder Behinderung die von ihm angestrebten und von ihm realisierbaren Bildungsziele erreichen.
Drittens. Elite und Demokratie dürfen nicht im Gegensatz zueinander stehen. Eliteförderung muss an demokratischen Prinzipien orientiert sein. Das beinhaltet neben dem chancengleichen Zugang die Transparenz, die Durchlässigkeit und die plurale Struktur der Eliteförderung. Gerade weil sich zwischen Wissenschaft und Werteorientierung einerseits und dem Markt andererseits konfliktäre Zielbeziehungen ergeben können, darf Eliteförderung nicht vorrangig an vorherrschenden Marktbedürfnissen orientiert sein.
Herr Staatsminister Zehetmair, vermutlich sind wir bei der abstrakten Formulierung des Verständnisses von Eliten gar nicht so weit voneinander entfernt. Die Kontroverse setzt wahrscheinlich dort an, wo wir mit dieser Messlatte die vorgestellten Maßnahmen beurteilen. Das wird vor allem dort deutlich, wo Sie manches oder vieles nicht gesagt haben.
Wer in diesem Hause mag die Sinnhaftigkeit von Elitestudiengängen in Zweifel ziehen, wenn grundsätzlich alle Studierenden an bayerischen Hochschulen in den normal qualifizierenden Studiengängen zufriedenstellende Voraussetzungen für ihren Studiengang vorfinden und wenn ihnen bei entsprechenden Qualifikationen, unabhängig von ihrer Herkunft, Lage etc. der Zugang hierzu ermöglicht ist?
Wer in diesem Hause wollte grundsätzlich an der Sinnhaftigkeit von Internationalen Doktorandenkollegs zweifeln, wenn für den gesamten Hochschulbereich die Internationalität gegeben ist und wenn auch alle anderen Promovierenden und Studierenden adäquate Arbeitsbedingungen vorfinden?
Wer mag die Sinnhaftigkeit von Elitenetzwerken bezweifeln, wenn die Kooperation zwischen den Hochschulen generell so gut klappt, dass Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ohne große Schwierigkeiten auf vernetzte Strukturen im Studium und bei der Forschung zurückgreifen können?
Wer mag sich gegen einen Ausbau der Hochbegabtenförderung aussprechen, wenn es gelingt, grundsätzlich eine Ausbildungsförderung zu etablieren, die den jungen Menschen unabhängig vom Einkommen der Eltern und vom eigenen Zuverdienst ein Studium ermöglicht?
Das beginnt mit dem elternunabhängigen Bafög und endet bei ausreichenden Plätzen in bezahlbaren Studentenwohnheimen.
Allein, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses „Wenn“ hat es in sich. Dazu habe ich außer einigen beschönigenden und beruhigenden Formulierungen wenig gehört. Ihre Maßnahmen sind richtig, ja überfällig, und
dennoch – befürchte ich – kaum realisierbar, weil wichtige Hausaufgaben nicht gemacht wurden. Ich darf an einigen Punkten verdeutlichen, was ich meine:
Die Relation Studierende/Lehrende an den bayerischen Hochschulen liegt im Allgemeinen bei 1 : über 100. Auf der CSU-Homepage, Herr Dr. Wilhelm, sind eine Reihe von Massenfächern aufgelistet, in denen die Relation Studierende/Professoren zwischen 1 : 100 und knapp 1 : 300 schwankt. In den USA, die nicht voll vergleichbar sind, liegt das Verhältnis weit, weit darunter.
Was bedeutet es für die normal Studierenden unter diesen Voraussetzungen, wenn Eliteförderung betrieben wird? – In einem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“ vom Oktober 2002 hat Prof. Dr. Weder, der Rektor der Universität Zürich, das hochschulpolitische Credo für jegliche Eliteförderung formuliert: Eliteförderung kann nicht geschehen, wenn nicht eine sehr gute Grundlagenbildung vermittelt wird. Daran mangelt es zum Teil an bayerischen Universitäten.
Die meisten der bayerischen Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen geben sich wie viele Studierende alle erdenkliche Mühe, dies zu gewährleisten. Ihnen ist Dank, Respekt und Anerkennung zu zollen für das relativ hohe Niveau der Hochschulbildung, weil sie vieles leisten, obwohl die Staatsregierung sie manchmal alleine lässt.
Sind die vorgestellten Maßnahmen nicht nur wahlkampfbedingte Wolkenkuckucksheime angesichts bestehender Defizite im gesamten alltäglichen Hochschulbetrieb? – Ich habe die Relation Studierende/Professoren angesprochen. Weiter: Die so genannten alten Fachhochschulen verzeichnen Überlastquoten von 150 bis 220%. Vor knapp drei Wochen berechnete die Bayerische Rektorenkonferenz, dass alleine im Bewirtschaftungshaushalt 2002 ein Loch von über 12,4 Millionen e klafft, das in den nächsten Jahren auf jeweils 16 Millionen e jährlich ansteigen wird. Die Kanzler warnen vor Kürzungen bei Berufungszusagen, vor Streichung von frei werdenden Stellen, Lehrstühlen, Professuren sowie vor der Einstellung wichtiger Dienstleistungen für Studierende. Allein für notwendige Gebäudesanierungen fehlen 40 Millionen e. Wo ist denn hier das Hightech-Image, das Sie als Fundament für die Eliteförderung preisen?
Sitzen die Elite-Studierenden mit ihren normalen Kolleginnen und Kollegen in Räumen, in denen es von der Decke tropft? Geniert man sich, wenn man bei Internationalen Doktorandenkollegs die Toilette aufsucht, weil jeder Bahnhof besser ausgestattet ist?
Noch im Herbst 2002 haben Sie selbst, Herr Zehetmair, bei den Haushaltsberatungen zu Recht bedauert, dass in der Titelgruppe für Lehre und Forschung 4 Millionen e weniger stehen.
Die bayerischen Bibliotheken sind unterfinanziert, obwohl Hochschul- und Haushaltsausschuss einstimmige Beschlüsse zur Verbesserung der Lage gefasst haben. Bei den Haushaltsberatungen hat meine Fraktionskollegin Dr. Baumann darauf hingewiesen, dass der Säurefraß die Bücher vernichte. Die elektronische Katalogisierung steht an. Aufgrund von BSE- und Sicherheitspakt-Finanzierung, von Haushaltssperren und fehlender Planungssicherheit stellen dann Elite- und andere Studierende fest, dass sie letzten Endes nur dann an Bücher kommen, wenn sie sie selbst kaufen.
Mir fehlt vor diesem Hintergrund, Herr Zehetmair, der Glaube an die Machbarkeit und an die Umsetzbarkeit Ihres Vorhabens. Sie verweisen darauf, dass im Nachtragshaushalt 2004 zusätzliche Stellen und Mittel in erheblichem Umfang bereitgestellt werden. 2004!, meine Kolleginnen und Kollegen, nach den Wahlen und in einer finanzpolitisch unsicheren Zukunft. Man könnte fragen, warum dann diese Regierungserklärung heute vorgetragen wurde.
Ich erinnere noch einmal an die aktuelle Haushaltssituation: Die Gesamtausgaben für Hochschule und Forschung stagnieren. Die Mittel aus den Privatisierungserlösen sind weitgehend aufgebraucht. Die staatlichen Gelder für außeruniversitäre Forschung und Entwicklung sinken von 647 Millionen e im Jahr 2003 auf 599 Millionen e im Jahr 2004. Die November-Streichliste schmälert den Haushalt im kommenden Jahr um weitere 34,7 Millionen e. Davon werden alleine 8,7 Millionen e der Lehre und Forschung abgezwackt. Ist der Kapazitätsgewinn durch den Wegfall der AZV-Tage der Beamten nicht schon im Herbst verplant gewesen? Gibt man das Geld nicht doppelt aus? Und wie ist es politisch zu rechtfertigen, dass die bestehende Mängelverwaltung in vielen Bereichen unserer Verwaltung verschärft wird, um Mittel zur Eliteförderung umzuleiten? – Unterstelle ich einmal, Herr Zehetmair, dass Ihr Haus trotz aller Widrigkeiten an dem Vorhaben festhält: Führt dies dann nicht unweigerlich zu einer Verschärfung der Defizite in der breiten Hochschulbildung, weil Sie bedeutend weniger finanzielle Mittel mobilisieren, als zur Beseitigung von jetzt schon vorhandenen Defiziten nötig wären? – Und das in einer Zeit, in der wir dringend aus bildungspolitischen, arbeitsmarktpolitischen und aus Wettbewerbsgründen darauf angewiesen wären, die Quote an Hochschulabsolventen und -absolventinnen erheblich zu vergrößern.
Für mich bleiben nur zwei alternative Konsequenzen. Alternative 1: Wir hören heute wohl formulierte Wahlkampfabsichten. Weitgehend bleibt aber vorerst alles beim Alten. Alternative 2: Elitestudiengänge, Doktorandenkollegs und Netzwerke drängen die normal Studierenden und Promovierenden an den Rand. Bedeutet dies nicht letztendlich direkte und indirekte Studienzugangsbeschränkungen? Wie steht es dann um die erforderliche fundierte Breitenbildung als Basis für die Eliteförderung? Wie steht es um die Chancengleichheit? Wie steht es um Transparenz, Durchlässigkeit und Pluralismus? – Sie kennen, Herr Minister, sicherlich genauso wie ich die Forschungsergebnisse von Michael Hart
mann und anderen, dass derzeit Eliten immer noch bestimmt werden durch die soziale Herkunft, durch ein wohl situiertes gesellschaftlich arriviertes Elternhaus.
Ich befürchte, dass in Zeiten knapper Kassen, wegen der aufgezeigten Voraussetzungen und bei Maßnahmen ohne fundierte Breitenbildung sich dieser Trend noch verstärken wird. Das gilt auch für Kombinationen aus beiden Alternativen, die ich vorgestellt habe. Werden dann noch universitäre Auswahlverfahren bei den Studierenden einbezogen und wird die geplante ZVS-Abschaffung Wirklichkeit, dann wird – ich betone es noch einmal – durch die Hintertür der generelle Studienzugang beschränkt, und gleichzeitig werden sozial ausgewählte, womöglich nur marktvermittelbare Eliten gefördert.
Ich will Ihnen, Herr Staatsminister, diese Absicht nicht unterstellen, aber dann bestünde die Gefahr, dass nicht die Förderung aller mit dem Ziel, einer möglichst breiten Bildungsbeteiligung erreicht wird, sondern die Umverteilung zugunsten ökonomisch kompetenter, marktvermittelbarer, bisher schon bestehender Positions- und Funktionseliten. Die Chancengleichheit hätte ausgedient. Wenn Sie dann noch darauf zielen, dass die private Wirtschaft zur Finanzierung aufgefordert wird, fördert dies eher diesen Prozess als dass es ihm entgegenwirkt.
Ich wiederhole es noch einmal: Die Schlussfolgerungen wenden sich nicht gegen die geplanten Maßnahmen im Einzelnen. Sie wenden sich gegen die Maßnahmen im bestehenden Umfeld von Hochschuldefiziten und finanzpolitischer Mängelverwaltung. Die Ansätze hätten in meinen Augen nur dann für alle Studierenden und Promovierenden – Elite oder nicht – Aussicht auf Erfolg, wenn sie durch eine an der Breitenbildung orientierten Hochschulausbauinitiative begleitet werden würden, die längst überfällig ist.
Ein Aspekt, Herr Staatsminister, fehlt bei Ihren Ausführungen völlig: die Frauenförderung. Frauenförderung ist Eliteförderung. Denn Frauen, die es unter den gegenwärtigen Voraussetzungen bis zur Habilitation oder gar bis zur Professur schaffen, stellen eindrucksvoll unter Beweis, dass sie zur Elite gehören. Sie alle kennen die Zahlen. Während 51% aller Studierenden im letzten Wintersemester Frauen waren, sind es bei den Habilitationen gerade noch 15%. Der Professorinnenanteil liegt immer noch bei mageren 7,5% im Verhältnis zu 11% im Bundesdurchschnitt. An den medizinischen Lehrstühlen haben wir einen Frauenanteil von gar nur 2,3%.
Sie müssen sich an dieser Stelle schon die Frage gefallen lassen, inwiefern Ihre Maßnahmen geeignet sind, diese Misere zu beheben. Das heißt, inwieweit wird den Ergebnissen der Gender- und Gleichstellungsforschung Rechnung getragen, indem ein spezielles Augenmerk auf die Identifikation und die Begabungsschwerpunkte und auf die Förderung von Studentinnen und junge Wissenschaftlerinnen gelegt wird, die sich im männerdominierten Hochschul- und Wissenschaftsbetrieb immer noch nicht auf eine volle Gleichstellung verlassen können.
Ist die Voraussetzung für die Förderung weiblicher Eliten nicht eine grundsätzliche Umorientierung in der bayerischen Gleichstellungspolitik an den Hochschulen, die endlich weg von wohlfeilen Absichtserklärungen zu handfesten Vorgaben kommt? – Darüber werden wir bei der Novellierung des Hochschulgesetzes noch reden müssen, Herr Dr. Wilhelm.
Sie sehen, meine Kolleginnen und Kollegen, der politische Konflikt entzündet sich nicht an den jeweils für sich gesehenen sinnvollen Einzelmaßnahmen, sondern an all dem, was bewusst oder unbewusst nicht berücksichtigt wurde. Ich habe nur einige wenige Aspekte anreißen können. Ich habe nicht davon gesprochen, dass die haushaltsrechtlichen Rahmenbedingungen stimmen müssen. Untersuchungen zeigen, dass ein Mehr an Finanzautonomie, dass Globalhaushalte mit entsprechenden Zielvereinbarungen bei gleichzeitig gesicherter Finanzausstattung grundsätzliche Voraussetzungen für profilbildende Eliten und Leistungsförderung sind. Ich habe nicht über den Zusammenhang zwischen Eliteförderung und Juniorprofessur gesprochen. Ich habe auch nicht über den Stellenwert der Fachhochschulen bei der Eliteförderung gesprochen, der im vorgestellten Denkansatz überhaupt fehlt. Ich habe nicht davon gesprochen, dass diese Maßnahmen auch geeignet sein müssen, die Selbstständigkeit der Studierenden und der Lehrenden zu gewährleisten. Die Freiheit des Lehrens und des Lernens muss gerade bei der Eliteförderung gestärkt werden.
Ich habe nicht davon gesprochen, dass Eliteförderung und Internationalisierung eng miteinander verbunden sind. Es reicht nicht aus, attraktive internationale Doktorandenkollegs zu kreieren, wenn sich die CSU hartnäckig einer zukunftsweisenden Ausländer- und Integrationspolitik verschließt. Uns als Opposition bleibt deshalb nur -- erstens – weiterhin konstruktiv, aber unnachgiebig und konsequent auf die Behebung all der Defizite zu drängen, die in der Breitenbildung an den Hochschulen auftreten. So können die Quoten der Absolvierenden erhöht und die Chancengleichheit gewährleistet werden. Zweitens. Wir werden immer wieder durch Berichts- und Korrekturanträge den Weg begleiten, der heute eingeschlagen wird.
Franz Weinert, der ehemalige Direktor des Max-PlanckInstituts für psychologische Forschung hat einmal gesagt: „Die Welt ist voller Spielräume für die geistige Entwicklung unterschiedlich begabter Individuen.“ Die SPD-Fraktion will diese Spielräume gleichermaßen für alle Begabungen nutzen, denn dies wird dem Einzelnen gerecht. So kann er sich seinen Möglichkeiten entsprechend entfalten, und auch die Welt kann sich durch Begabungen entfalten, die eine Chance erhielten.
Herr Staatsminister, wir sind auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, diese Aufgabe als Staatsaufgabe anzugehen. Bildung für alle – also auch Elitebildung –, Pflege und Förderung des akademischen Nachwuchses – also auch der Eliten –, sind Staatsaufgaben. Sie dürfen nicht
Privaten überlassen bleiben, die sich an Partikularinteressen orientieren. Herr Staatsminister, wir haben aber große Bedenken, ob der hier eingeschlagene Weg ohne die notwendige Einbettung und Fundierung die beabsichtigten Ergebnisse zeigt.
Herr Kollege Dr. Spaenle, wie passt es zu Ihrem Wortschwall, der rechtfertigen soll, dass es in Bayern dieses zarte Pflänzchen zu hegen gilt, die Erfahrung, dass das Unterrichtspraktikum in Erlangen gestoppt wurde, weil viele der Voraussetzungen, die Sie jetzt aufzählen, genau erfüllt wurden? Haben Sie sich bei Ihrem Parteikollegen Dr. Balleis informiert, der dieses zarte Pflänzchen ebenso gepflanzt hat wie alle anderen Parteien im Erlanger Stadtrat, die jetzt sehr frustriert sind, dass nun konkrete Arbeitsmöglichkeiten abgegraben wurden?
Frau Kollegin, stimmen Sie mir in der Ansicht zu, dass bei Grundsicherungsfragen die Bundesregierung erheblich weiter ist als die Bayerische Staatsregierung? Als es bei der Änderung des Schulfinanzierungsgesetzes und des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes um Angelegenheiten der schulischen Integration von Kindern mit Behinderungen gegangen ist, hat sich die Bayerische Staatsregierung nicht einmal in der Lage gesehen, die Kosten zu berechnen, geschweige denn einen Vorschlag zu machen, wie die Kosten den Kommunen erstattet werden sollen.
Herr Staatsminister, sind Sie mit mir einer Meinung, dass die CSU, wenn Ihre Argumentation so stimmt, vorhin ihren Pisa-Studie-Dringlichkeitsantrag nicht hätte bringen dürfen, weil in diesem Rechtschreibfehler enthalten sind, die Ihre fehlenden Fähigkeiten dokumentieren?
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Klinger hat mich dazu gereizt, mich zu Wort zu melden. Ich war 20 Jahre lang Oberstufenbetreuer an einem Gymnasium. Herr Klinger, wenn sich ein Schüler so verhält, wie Sie es soeben dargestellt haben, dann brauche ich mit dem Elternhaus nicht mehr zu reden.
Dann hat es schon vorher im Elternhaus nicht geklappt. Wenn ein solcher Schüler sein Fehlverhalten nicht einsieht, dann braucht man auch nicht mit den Eltern zu reden.
Ihre Beispiele machen deutlich, auf welch tönernen pädagogischen Füßen Ihre Argumentation steht.
Ihre Rede hat auch deutlich gemacht – das möchte ich mit allem Nachdruck betonen –, was die CSU in Bezug auf innere Schulreformen in den letzten 10 bis 20 Jahren versäumt hat. Sie haben nichts gemacht. Es fehlt der pädagogische Freiraum, um sich der geschilderten Probleme anzunehmen, und jetzt glauben Sie, durch diese äußerst fragwürdige, datenschutzrechtlich und verfassungsrechtlich problematische Lösung das kompensieren zu können, was Sie im pädagogischen Bereich zu tun versäumt haben. Darin besteht in meinen Augen das Problematische und Schäbige.
Sie haben kein einziges gutes Argument für Ihre Maßnahmen, sondern nehmen in populistischer Weise das äußerst traurige Ereignis von Erfurt zum Anlass, um pädagogische Rundumschläge durchzuführen. Sie sind im Übrigen auf die Frage von Herrn Kollegen Dr. Hahnzog, warum man das Alter ausgerechnet auf 21 Jahre festlegt, mit keinem Wort eingegangen. Was machen Sie denn mit einem Schüler, der 22 Jahre alt ist?
Warum darf ich dann die Eltern nicht informieren? Dann lassen Sie uns die Altersgrenze doch gleich bis zum 50. Lebensjahr ausdehnen. Es wäre sinnvoll, die Eltern manches Kollegen hier im Parlament über sein Verhalten zu informieren.
Warum kann der Arbeitgeber nicht informieren? Warum kann an der Universität nicht der Professor oder der Institutsleiter informieren? – Es gibt dafür gute Gründe. Die jungen Menschen sind mit 18 volljährig. Setzen wir uns mit unserem pädagogischen Rüstzeug mit diesen jungen Menschen auseinander. Damit sind wir gut bedient, und deshalb bedürfen wir nicht Ihrer merkwürdigen rechtlichen Vorschläge.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Fickler hat schon darauf hingewiesen, aus welchen Gründen diese Änderungen des Gesetzentwurfes zum Landeswahlgesetz notwendig waren. Wir haben den Gesetzentwurf im federführenden Ausschuss intensiv beraten und diskutiert.
Die SPD begrüßt die notwendigen Konkretisierungen. Vieles ist jetzt transparenter und überprüfbarer geworden. Ohne auf die Gemeinsamkeiten weiter einzugehen, möchte ich auf einige Punkte hinweisen, die uns besonders am Herzen lagen, weil bei den Beratungen doch Klärungen von Punkten erfolgt sind, die der Gesetzentwurf auf Anhieb vielleicht nicht so deutlich macht.
So ging das Innenministerium auf eine Anregung des Bayerischen Städtetages vom 5. April ein. Er hat in seiner Stellungnahme gewünscht, dass mehrere Stimmkreise bei der Bestellung von Stimmkreisausschüssen oder Abstimmungsausschüssen zusammengefasst werden können. Bei der Ausschussberatung wurde klargestellt, dass dieser sinnvolle Vorschlag in der Landeswahlordnung geregelt werde.
Weiterhin begrüßen wir die Zusicherung durch das Innenministerium, dass die Kommunen für die neu auf sie zukommenden Akte ebenfalls eine Kostenerstattung nach Artikel 19 des Landeswahlgesetzes bekommen. Es wurde erläutert, dass diese Kostenerstattung in den Pauschalbetrag eingerechnet wird, der durch repräsentative Erhebungen ermittelt wird. Dabei berücksichtigt man jetzt auch die Anrechnungen für die neu zu bildenden Organe. Ich bitte aber in diesem Zusammenhang das Ministerium darum, die Erwägungen einzubeziehen, die der Bayerische Städtetag unter Punkt II seines Schreibens vom 5. April aufgeführt hat.
Wir begrüßen auch die Änderungen der Bestimmungen für Volksbegehren und Volksentscheid. Wenn auch nach dem neuen Artikel 82 a des Landeswahlgesetzes der Verfassungsgerichtshof den Beauftragten eines Volksbegehrens lediglich die Gelegenheit zur Äußerung geben soll, so wird doch an anderer Stelle deutlich, dass diese Soll-Vorschrift als zwingende Vorschrift zu interpretieren ist. In Teil B des Gesetzentwurfes im Abschnitt Lösung heißt es nämlich in Ziffer 8, dritter Spiegelstrich: „Der Beauftragte eines Volksbegehrens erhält Gelegenheit zur Äußerung...“ Diese Formulierung der Staatsregierung weist jeder Interpretation der Soll-Vorschrift den Weg.
Allein diese drei Aspekte mögen verdeutlichen, dass sich die SPD-Fraktion intensiv mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt hat. Wir stimmen heute wie schon in der Ausschussberatung zu. Wir tun dies aber nicht ohne unser Bedauern darüber auszudrücken, dass sich die CSU-Mehrheit in der Frage der Eintragungsfrist beim
Volksbegehren leider nicht bewegen konnte. Unser Antrag, Artikel 66 Absatz 3 so zu ändern, dass die Eintragungsfrist von 14 Tagen auf 3 Monate verlängert wird, wurde von Ihnen, der Mehrheit weitgehend ohne Begründung unter Verweis auf Ihre eigene Unbeweglichkeit abgelehnt.
Damit bleibt Bayern bei den Eintragungsfristen im bundesweiten Vergleich das Schlusslicht. Wo andere Bundesländer ähnlich knappe Fristen festgelegt haben, kommen jedoch die weiteren Rahmenbedingungen, zum Beispiel bei Unterschriftensammlungen, den Initiatoren von Volksbegehren entgegen. Teilweise sind in anderen Ländern auch niedrigere Quoren festgelegt. Wir werden diesem Gesetzentwurf dennoch zustimmen.
Lassen Sie mich abschließend auf einen Aspekt hinweisen, den mein Kollege Dr. Hahnzog bei der Beratung im federführenden Ausschuss eingebracht hat. Auf seine Frage, ob durch die Einführung zusätzlicher Gremien auf unterer Ebene, nämlich des Stimmkreisleiters und des Stimmkreisausschusses, möglicherweise Auseinandersetzungen ausgelöst werden könnten, wie sie derzeit bei den Kommunalwahlen in Dachau stattfinden, stellte das Ministerium fest, dass durch die Einrichtung unabhängiger Wahlorgane auf Stimmkreisebene die ordnungsgemäße Feststellung des Wahlergebnisses noch besser gewährleistet werden könnte.
Wir konstatieren mit Genugtuung, dass heute ein Gesetzentwurf verabschiedet wird, der die Wahlen in Bayern noch überprüfbarer macht. Die Wahlen werden damit noch deutlicher demokratisch legitimiert. Mit Blick auf Dachau müssen wir aber feststellen, dass auch noch so gute Gesetze eine Verfälschung des Wählerwillens durch Manipulationen und kriminelles Handeln nicht verhindern können. In dieser Angelegenheit sind nicht nur rechtliche Schritte notwendig. Um der Glaubwürdigkeit dieses Hohen Hauses Willen sind auch die politisch Verantwortlichen gefordert. Franz Maget hat dazu festgestellt: Wahlbetrug ist Chefsache. Hier geht es nicht um die Angelegenheiten Einzelner.
Sie können nicht behaupten, dass ein des Agierens unwilliger Generalsekretär für diese Dinge zuständig sei. Der Vorsitzende der CSU, der gleichzeitig als Ministerpräsident oberster Chef der bayerischen Verwaltung ist, muss in seiner Parteifunktion „aufräumen“.
Herr Prof. Dr. Stockinger, ich komme zum Thema. Manche Dinge muss ich jedoch begründen, damit sie auch die CSU kapiert.
Wir alle wollen nämlich, dass Gesetze, wie wir sie heute verabschieden, nicht durch kriminelle Machenschaften untergraben werden.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Merkl, wenn in der Zwischenzeit seitens der CSU einiges passiert wäre, hätten wir den Gesetzentwurf vielleicht gar nicht nötig, und dann würden wir auch anders darüber diskutieren.
Aber das Problem, vor dem wir stehen, ist doch, dass wir in dieser Wahlperiode schon häufig die Gelegenheit hatten, über Integrationsfragen zu diskutieren, darüber, welche Maßnahmen die geeigneten sind, um die bei uns lebenden Ausländer rechtlich, politisch, ökonomisch und sozial in unsere Gesellschaft zu integrieren – aber passiert ist faktisch sehr wenig.
Ich erinnere daran, dass die SPD-Fraktion mit einem sehr umfangreichen Antragspaket zur Integration von Ausländerinnen und Ausländern wichtige Akzente gesetzt hat; die Einbringung dieser Anträge jährt sich im kommenden Februar zum zweiten Mal. Im Februar 2000 hatten wir 38 Anträge eingebracht, die alle Bereiche der Integrationspolitik umfassten: von der Bildungs- bis zur Gesundheitspolitik, vom öffentlichen Dienst und der Innenpolitik bis zur Kultur- und Medienpolitik. Vieles, vieles wurde daraufhin von Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, beteuert, Wenigem wurde aber im Endeffekt zugestimmt. Und so warten wir bis heute darauf, dass von Seiten der Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion im Landtag die angemessenen Schritte unternommen werden, um den hehren Worten auch wirklich Taten folgen zu lassen.
Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegn, begrüßt es die SPD, dass die Integrationspolitik wieder einmal neue Anstöße erhält. Wir freuen uns, dass viele unserer Initiativen, die wir mit unserem Antragspaket zur Integrationspolitik ausgelöst hatten, hier aufgegriffen werden.
Damit sind wir beim Hauptproblem der Diskussion, einer Diskussion um eine längst überfällige, den tatsächlichen Erfordernissen entsprechende Integrationspolitik. In Sonntagsreden und bei Podiumsdiskussionen vor einem sensibilisierten Publikum propagieren CSU und Staatsregierung Verständnis und Integrationsbereitschaft. Dann aber, wenn es um konkrete politische Maßnahmen geht, fallen sie in eine integrationspolitische Eiszeit
zurück. Ja, manchmal, wie in der November-Plenarsitzung bei Herrn Kollegen Welnhofer, gewinnen bedenkliche, ja diffamierende Töne die Überhand, über die man nur den Kopf schütteln kann,
weil Sie sich selber aufgrund Ihrer plumpen Aggression und deutschtümelnden Selbstgefälligkeit außerhalb jeglicher ernst zu nehmenden Diskussionszusammenhänge stellen. Ich hatte den Eindruck, dass sich damals nicht nur die Opposition, sondern auch manche aus den Reihen der CSU gewundert, ja geschämt haben über das, was gesagt worden ist. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich kann nur hoffen, dass die immerwährenden Versuche von Seiten der Opposition, endlich in der Integrationspolitik einmal einen Schritt weiter zu kommen, nicht ohne Erfolg bleiben.
Es vergeht doch kein Kirchentag, keine Synode, auf denen nicht an Ihr christliches Selbstverständnis appelliert wird. Es verstreicht keine Woche – die Presseberichte aus Wildbad Kreuth sind noch warm –, in der nicht mindestens ein Vertreter der deutschen Wirtschaft die CSU dazu auffordert, zur wirtschaftspolitischen Vernunft zurückzukehren.
Drastische Worte werden da zum Teil gefunden, wenn es darum geht, die CSU davor zu warnen, Zuwanderung und Integration um kurzfristiger Wahlkampfinteressen willlen zu boykottieren. Insofern empfinde ich es als absurd, Herr Kollege Merkl, dass Sie jetzt den GRÜNEN vorwerfen, sie würden eine Klientel bedienen. Sie machen das die ganze Zeit!
Allerdings – und diese Frage müssen sich auch die GRÜNEN stellen – ist es trotz des Einschubs der Kollegin Köhler für uns nicht ganz nachvollziehbar, warum man im Endeffekt nicht doch die Diskussionen in Berlin abgewartet hat, in der Hoffnung, dass sie auch wirklich im März zu einem sinnvollen Ende kommen. Uns erschiene es viel einleuchtender, das Bundesgesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung, zur Regelung des Aufenthalts und der Integration in seinen ausformulierten Vorgaben erst abzuwarten, um im Anschluss daran herauszufiltern, worin die landesspezifischen Aufgaben bestehen.
Ich will auch nicht verhehlen, dass meine Fraktion an der einen oder anderen Stelle eine inhaltliche Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf anzubringen hat. So sehe ich zum Beispiel einen inhaltlichen Widerspruch zwischen der Integrationsdefinition in § 1 Artikel 1 und der Aufgabenbeschreibung eines Landesintegrationsbeirats. Das bezieht sich in ähnlicher Weise auf die in § 11 postulierten Integrationsbeiräte auf Gemeindeebene. Meines Wissens geht hier auch die Diskussion bei den Ausländerbeiräten nicht unbedingt in die Richtung, die dieser Gesetzentwurf weist.
In unseren Reihen gibt es ebenfalls einen Diskussionsbedarf zu der in § 6 vorgeschlagenen Änderung des Feiertagsgesetzes.
Die von mir dargestellten Aspekte mögen genügen, um insgesamt zu verdeutlichen: Wir von der SPD werden einen intensiven inhaltlichen und integrationsorientierten Beitrag in die Beratung des Gesetzentwurfs einbringen. Wir sehen uns natürlich heute noch nicht in der Lage, uns endgültig zu positionieren, wollen auch unserer Diskussion nicht vorgreifen, aber an unserer konstruktiven, am Integrationsinteresse ausgerichteten parlamentarischen Begleitung lassen wir keinen Zweifel aufkommen.
Herr Präsident, das Gewicht bleibt gleich.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! „Gut gemeint ist noch lange nicht gut gelungen“, so könnte man die Bemühungen der CSU-Kollegen überschreiben, die mit ihrer Initiative versuchen, bestehende Missstände im bayerischen Hochschulwesen zu beseitigen. Ich muss an dieser Stelle wiederholen, was wir in den letzten Jahren schon oft bei hochschulpolitischen Beratungen feststellen konnten: Die Hochschulreform von 1998 war viel zu kurzatmig angelegt, sodass permanente Nachbesserungen nötig sind. Die vorgelegten Ansätze sind entweder zu kurze Sprünge in die richtige Richtung oder zu weite Sprünge in die falsche Richtung. Mit diesem Maßnahmenpaket wird es Ihnen lediglich gelingen, die Missstände teilweise zu verschleiern. Sie können damit die Probleme aber nicht an der Wurzel packen.
In meinem Beitrag werde ich mich auf zwei wesentliche Kritikpunkte am vorliegenden Gesetzentwurf beschränken. Die ablehnende Haltung der SPD zu Studiengebühren ist bekannt. Dieses Thema muss hier nicht weiter vertieft werden. Die kleinen Änderungen, die Herr Prof. Dr. Stockinger soeben angesprochen hat, haben wir im Ausschuss eingehend erörtert.
Nun zu unseren zentralen Einwänden: Der erste Einwand bezieht sich auf die Initiativen zur Weiterbildung an den Universitäten und Fachhochschulen. Bei der intensiven Diskussion im federführenden Hochschulausschuss bestand Einigkeit, dass die Weiterbildung neben Forschung, Lehre und Studium zu den Kernaufgaben der Hochschule gehört, wie es im Hochschulgesetz festgelegt ist. Wir waren uns auch einig, dass die Hochschulen diesem Weiterbildungsauftrag nicht im gewünschten Maße nachkommen bzw. nachkommen können. Die tatsächlichen Weiterbildungsangebote der Universitäten und Fachhochschulen reichen nicht aus. Diese Aufgabe wird in beträchtlichem Umfang auf außeruniversitäre Weiterbildungseinrichtungen verlagert.
Nach Ansicht der CSU kann dieses Dilemma nur gelöst werden, wenn es genügend monetäre Anreize gibt. Durch beamtenrechtliche Regelungen soll die Weiterbildungsaufgabe im Nebenamt erfüllt werden, besser gesagt, auf das Nebenamt konzentriert werden und dort voll verbleiben. Das Problem besteht nicht darin, dass
wir Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern keine Einnahmen aus dem Nebenamt gönnen würden. Wir befürworten auch die größere Finanzausstattung der Hochschulen und halten es für sinnvoll, wenn diese Einnahmen bei den Hochschulen verbleiben. Selbst nach intensivsten Diskussionen ist es für uns aber nicht nachvollziehbar, warum sich dieser Gesetzentwurf nicht mit den hochschulinternen Problemen beschäftigt, die gerade dafür verantwortlich sind, dass die Weiterbildungsaufgabe derzeit nur unzureichend erfüllt wird.
Ich darf aus dem Protokoll des Hochschulausschusses vom 24. Oktober zitieren. Das Ministerium stellt dort fest:
Trotz des gesetzlichen Auftrags zur Weiterbildung führe die starke Belastung der Professoren in der grundständigen Lehre dazu, dass die Weiterbildung im Hauptamt nur in relativ geringem Umfang erbracht werden könne. Deshalb werde Weiterbildung in beträchtlichem Umfang in außeruniversitären Weiterbildungseinrichtungen durchgeführt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, wenn dem so ist, sollten Sie ausreichend Planstellen schaffen, damit die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer ihre Aufgabe im Hauptamt erfüllen können.
Mit Ihrer Initiative stiehlt sich der Freistaat aus der personalpolitischen Verantwortung an den Hochschulen und hofft darauf, dass Geld-Anreize im Nebenamt das Problem lösen oder, besser gesagt, übertünchen können.
Mein Kollege Fritz Odenbach wird anschließend auf diesen Aspekt noch intensiver eingehen.
Ich darf auf den zweiten Punkt eingehen, der vor allem bei dem Fachgespräch, das meine Fraktion zur Weiterbildung vor einem Monat mit Vertretern der Fachhochschulen und Universitäten führen konnte, eine große Rolle gespielt hat. Die Hochschulen können ihre Weiterbildungsaufgabe allein schon deswegen nur unzureichend erfüllen, weil ihre infrastrukturelle und personelle Ausstattung auch und gerade im Mittelbau und bei den nichtwissenschaftlichen Mitarbeitern dies eben nicht erlaubt. Das ist umso bedauerlicher, als gerade die Hochschulen besonders gute, spezifische Voraussetzungen bieten, um auf dem Weiterbildungsmarkt bestehen zu können.