Protocol of the Session on December 11, 2001

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hören Sie nur zu. – Das heißt, der Staat bietet die Möglichkeit zur Integration. Der Zuwanderer muss die Möglichkeiten ergreifen und seinen Teil dazu beitragen. Ich sage: Das ist der Hauptteil, was die Integration angeht.

Was aber in diesem Gesetzentwurf gefordert wird, ist eine äußerst breite Einbahnstraße, und ich sage: ein Weg ins Schlaraffenland.

Frau Köhler, Sie haben Ihren Gesetzentwurf zum Teil ja gar nicht richtig wiedergegeben. Sie haben beispielsweise gesagt, wer fünf Jahre hier ist, hat Anspruch auf diese Integrationsleistungen. Im Gesetz jedoch steht: Wer neu kommt, hat ihn für die ersten fünf Jahre, und wer schon da ist, hat ihn für fünf Jahre ab In-Kraft-Treten des Gesetzes. Meine Damen und Herren, das wäre eine derartige Bevorzugung der Zuwanderer gegenüber der einheimischen Bevölkerung,

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass dies letztlich zwangsläufig zu einer ernsten Auseinandersetzung in unserem Lande führen würde.

Das zeigen allein die in Artikel 3 aufgelisteten so genannten Integrationsfördermaßnahmen, an der Spitze ein so genanntes Willkommen-Integrationsscheckheft, das ausgehändigt wird. Dann müssen weitere Informationen gegeben werden, wo man welche Leistungen bekommt. Es müssen bei den Landratsämtern besondere Einrichtungen geschaffen werden, die dann für jeden Zuwanderer einen individuellen Lernplan erstellen. Dann muss das Landratsamt in Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen und dem Arbeitsamt einen individuellen Integrationsplan erstellen.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das alles machen sie in Holland!)

Dann kommt die Teilnahme an einem modularisierten Sprach- und Integrationskurs, der dort vereinbart wird und der mindestens 600 Stunden umfassen muss. Dieses Programm dauert dann fünf Jahre.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es gibt noch weitere Wohltaten, die Sie nicht genannt haben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Der Landesintegrationsbeirat muss geschaffen und immer rechtzeitig von der Staatsregierung gehört werden; es sind ausreichend Mittel für diesen Beirat zur Verfügung zu stellen. Das EUG wird dahin gehend geändert, dass interreligiöser Unterricht Pflichtfach wird. Das Feiertagsgesetz wird dahin gehend geändert, dass an den islamischen Feiertagen kein Unterricht stattfindet für die der Religion zugehörigen Schüler, und derjenige, der dieser Religion zugehört, kann an diesen Tagen der Arbeit fernbleiben. Für ausländische Studenten wird ein viersemestriger, dem eigentlichen Studium vorgeschalteter Deutschkurs angeboten.

Die Gemeindeordnung und die Landkreisordnung werden dahin gehend geändert, dass proportional der Zahl der Zuwanderer Stellen für diese geschaffen werden müssen.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Was heißt Stellen? Eine Stelle!)

Also, Frau Köhler, Sie sollten das vortragen, was in diesem Gesetz wichtig ist, und nicht einige nebensächliche Dinge. Unabhängig vom Inhalt des Gesetzentwurfs ist das, was Sie hier fordern, personell, finanziell und organisatorisch nicht zu leisten.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) )

Frau Köhler, Sie wissen – und das ist mein Schlusssatz –, dass ich alles andere als ausländerfeindlich bin. Wer aber diesen Gesetzentwurf liest – er kann noch so ausländerfreundlich sein, kann noch so sehr für Zuwanderung sein – muss sagen: Wenn das durchgesetzt würde, was Sie hier fordern, würde es eine enorme Diskussion in unserem Lande geben, deren Ergebnis genau

das Gegenteil dessen sein wird, was Sie wollen, nämlich nicht, wie es im Gesetzentwurf steht: Werben für eine Integration nach Bayern. Wissen Sie, was Sie erreichen werden? Letztlich Ausländerfeindlichkeit. Deshalb hat dieser Gesetzentwurf bei uns keine Chance.

(Beifall bei der CSU – Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir wollen gleiche Rechte für alle, die hier leben und arbeiten! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Kollege Vogel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Merkl, wenn in der Zwischenzeit seitens der CSU einiges passiert wäre, hätten wir den Gesetzentwurf vielleicht gar nicht nötig, und dann würden wir auch anders darüber diskutieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber das Problem, vor dem wir stehen, ist doch, dass wir in dieser Wahlperiode schon häufig die Gelegenheit hatten, über Integrationsfragen zu diskutieren, darüber, welche Maßnahmen die geeigneten sind, um die bei uns lebenden Ausländer rechtlich, politisch, ökonomisch und sozial in unsere Gesellschaft zu integrieren – aber passiert ist faktisch sehr wenig.

Ich erinnere daran, dass die SPD-Fraktion mit einem sehr umfangreichen Antragspaket zur Integration von Ausländerinnen und Ausländern wichtige Akzente gesetzt hat; die Einbringung dieser Anträge jährt sich im kommenden Februar zum zweiten Mal. Im Februar 2000 hatten wir 38 Anträge eingebracht, die alle Bereiche der Integrationspolitik umfassten: von der Bildungs- bis zur Gesundheitspolitik, vom öffentlichen Dienst und der Innenpolitik bis zur Kultur- und Medienpolitik. Vieles, vieles wurde daraufhin von Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, beteuert, Wenigem wurde aber im Endeffekt zugestimmt. Und so warten wir bis heute darauf, dass von Seiten der Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion im Landtag die angemessenen Schritte unternommen werden, um den hehren Worten auch wirklich Taten folgen zu lassen.

Insofern, liebe Kolleginnen und Kollegn, begrüßt es die SPD, dass die Integrationspolitik wieder einmal neue Anstöße erhält. Wir freuen uns, dass viele unserer Initiativen, die wir mit unserem Antragspaket zur Integrationspolitik ausgelöst hatten, hier aufgegriffen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit sind wir beim Hauptproblem der Diskussion, einer Diskussion um eine längst überfällige, den tatsächlichen Erfordernissen entsprechende Integrationspolitik. In Sonntagsreden und bei Podiumsdiskussionen vor einem sensibilisierten Publikum propagieren CSU und Staatsregierung Verständnis und Integrationsbereitschaft. Dann aber, wenn es um konkrete politische Maßnahmen geht, fallen sie in eine integrationspolitische Eiszeit

zurück. Ja, manchmal, wie in der November-Plenarsitzung bei Herrn Kollegen Welnhofer, gewinnen bedenkliche, ja diffamierende Töne die Überhand, über die man nur den Kopf schütteln kann,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

weil Sie sich selber aufgrund Ihrer plumpen Aggression und deutschtümelnden Selbstgefälligkeit außerhalb jeglicher ernst zu nehmenden Diskussionszusammenhänge stellen. Ich hatte den Eindruck, dass sich damals nicht nur die Opposition, sondern auch manche aus den Reihen der CSU gewundert, ja geschämt haben über das, was gesagt worden ist. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich kann nur hoffen, dass die immerwährenden Versuche von Seiten der Opposition, endlich in der Integrationspolitik einmal einen Schritt weiter zu kommen, nicht ohne Erfolg bleiben.

Es vergeht doch kein Kirchentag, keine Synode, auf denen nicht an Ihr christliches Selbstverständnis appelliert wird. Es verstreicht keine Woche – die Presseberichte aus Wildbad Kreuth sind noch warm –, in der nicht mindestens ein Vertreter der deutschen Wirtschaft die CSU dazu auffordert, zur wirtschaftspolitischen Vernunft zurückzukehren.

Drastische Worte werden da zum Teil gefunden, wenn es darum geht, die CSU davor zu warnen, Zuwanderung und Integration um kurzfristiger Wahlkampfinteressen willlen zu boykottieren. Insofern empfinde ich es als absurd, Herr Kollege Merkl, dass Sie jetzt den GRÜNEN vorwerfen, sie würden eine Klientel bedienen. Sie machen das die ganze Zeit!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Allerdings – und diese Frage müssen sich auch die GRÜNEN stellen – ist es trotz des Einschubs der Kollegin Köhler für uns nicht ganz nachvollziehbar, warum man im Endeffekt nicht doch die Diskussionen in Berlin abgewartet hat, in der Hoffnung, dass sie auch wirklich im März zu einem sinnvollen Ende kommen. Uns erschiene es viel einleuchtender, das Bundesgesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung, zur Regelung des Aufenthalts und der Integration in seinen ausformulierten Vorgaben erst abzuwarten, um im Anschluss daran herauszufiltern, worin die landesspezifischen Aufgaben bestehen.

Ich will auch nicht verhehlen, dass meine Fraktion an der einen oder anderen Stelle eine inhaltliche Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf anzubringen hat. So sehe ich zum Beispiel einen inhaltlichen Widerspruch zwischen der Integrationsdefinition in § 1 Artikel 1 und der Aufgabenbeschreibung eines Landesintegrationsbeirats. Das bezieht sich in ähnlicher Weise auf die in § 11 postulierten Integrationsbeiräte auf Gemeindeebene. Meines Wissens geht hier auch die Diskussion bei den Ausländerbeiräten nicht unbedingt in die Richtung, die dieser Gesetzentwurf weist.

In unseren Reihen gibt es ebenfalls einen Diskussionsbedarf zu der in § 6 vorgeschlagenen Änderung des Feiertagsgesetzes.

Die von mir dargestellten Aspekte mögen genügen, um insgesamt zu verdeutlichen: Wir von der SPD werden einen intensiven inhaltlichen und integrationsorientierten Beitrag in die Beratung des Gesetzentwurfs einbringen. Wir sehen uns natürlich heute noch nicht in der Lage, uns endgültig zu positionieren, wollen auch unserer Diskussion nicht vorgreifen, aber an unserer konstruktiven, am Integrationsinteresse ausgerichteten parlamentarischen Begleitung lassen wir keinen Zweifel aufkommen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Staatsministerin Stewens.

Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN legt ein Integrationsgesetz zu einem verfehlten Zeitpunkt vor. Zurzeit berät der Bundesrat, und der Bundestag hat mit seinen Beratungen noch nicht einmal begonnen. Ob und wie Zuwanderung geregelt und ein Grundangebot an sprachlicher Integration ausgestaltet wird, ist noch offen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Solange der bundesgesetzliche Rahmen nicht steht,

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ist es völlig abwegig, über ein Integrationsgesetz auf Landesebene zu beraten. Schon der Gesetzentwurf der rot-grünen Bundesregierung belastet ja die Länder überproportional mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe.

Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN setzt nun mit ihrem Entwurf für ein Landesintegrationsgesetz noch eins drauf. Vernebelnd wird lediglich davon gesprochen, dass kurz- und mittelfristig ein erhöhter Finanzierungsbedarf entsteht. Konkrete Zahlen werden wohlweislich nicht genannt. Auch deshalb erscheint mir die Vorlage nicht reif für eine Beratung. Abgesehen von den Kosten ist der Gesetzentwurf der GRÜNEN auch inhaltlich fehlerhaft. Wir haben gemerkt, Frau Kollegin Köhler – Herr Kollege Merkl hat dies sehr deutlich gesagt –, dass Sie den Inhalt so genau gar nicht kennen. Seine Anwendung bezieht sich allein auf die Ausländerinnen und Ausländer, die nicht Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind. Damit verweigert er einer ganzen Gruppe von Menschen Integrationsleistungen, nämlich den Spätaussiedlerinnen und -aussiedlern. Dies ist eine klare Diskriminierung unserer Spätaussiedlerinnen und -aussiedler.

Meine Kolleginnen und Kollegen, nach dem Gesetzentwurf soll der Staat, als wäre er eine allzuständige Instanz, für die Integration sorgen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies ist ein Irrweg. Selbstverständ

lich braucht Integration Angebote und auch Förderung. Integration ist aber nicht nur eine Bringschuld des Staates, sondern auch eine Holschuld unserer Ausländerinnen und Ausländer sowie der Spätaussiedlerinnen und – aussiedler.

Im Bericht „Ausländerintegration in Bayern“ vom Dezember 1999 hat die Staatsregierung ganz ausführlich dargelegt, was von verschiedenster Seite von Bayern aus für die Integration zur Zeit verwirklicht wird. Wir haben sehr viel erreicht. Dennoch sind im Bericht auch neue Vorschläge enthalten, die auf eine bessere Integration zielen. Der Landtag hat sich am 2. Februar 2000 umfassend mit diesem Bericht auseinander gesetzt. Er hat unter anderem auch festgestellt, dass nicht alles Wünschenswerte tatsächlich geleistet werden kann. Der Grundsatz des Förderns und Forderns wurde betont. Ihr Gesetzentwurf hat leider Gottes nur das Fordern im Auge.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber von beiden Seiten!)

Im Übrigen kommt es auch bei der Integration nicht in erster Linie darauf an, wie viel Geld der Staat ausgibt. Entscheidend ist, dass eine Ausländer- und Integrationspolitik mit Vernunft und Augenmaß betrieben wird, eine Politik, die durch eine gerechte Lastenverteilung auch die Akzeptanz der Mehrheit der Bevölkerung findet.