Protocol of the Session on November 14, 2001

Herr Knauer hat nachher noch Gelegenheit, sich zu Wort zu melden. Die Argumentationslinie der CSU-Fraktion zu unseren Anträgen zum ÖPNV lautet wie folgt: Alles ist schön und gut, richtig und wichtig, allerdings wirtschaftlich nicht darstellbar. Das haben wir bei Nürnberg auch erlebt. Wir sind in dieser Frage anderer Meinung. Dies ist eine Frage des politischen Willens und der Prioritäten. Ich beziehe mich hier gar nicht auf unsere Paradebeispiele, etwa die milliardenschwere Förderung des Flugverkehrs oder des Transrapids. Wir finden es gut, dass die S-Bahn von Nürnberg nach Roth mit eigenem Gleiskörper gebaut wurde. Wir begrüßen auch, dass eine S-Bahn nach Forchheim geplant ist und dass in München der U-Bahnbau mit Mitteln in Millionenhöhe aus der Staatskasse gefördert wird. Aus diesem Grunde halten wir es aber auch nicht für einsehbar, dass für Augsburg nicht einmal Mittel für ergänzende Verdichtungen oder den Bau zusätzlicher Haltepunkte zur Verfügung gestellt werden sollen.

Besonders interessant ist das Anliegen der CSU, die S-Bahn von München über Nannhofen nach Augsburg weiterzuführen. Wir halten dies für ein plumpes Ablenkungsmanöver und für Aktionismus. Die Leute müssen dann eine Stunde von München nach Augsburg bummeln. Nach Nannhofen kommen schließlich auch noch einige Haltepunkte dazu. Das ist keine Alternative zur Abwendung einer drohenden Ausdünnung im Fernverkehr.

Wir verstehen das schlechte Gewissen und die Nöte der CSU. Das Abkoppeln von Augsburg haben die CSU und die Staatsregierung maßgeblich mit verursacht. Die Strecke über Ingolstadt ist schöngerechnet worden. Jetzt sind weitere Lasten in Milliardenhöhe offenkundig

geworden: Mit der privaten Vorfinanzierung dürfte das ganze Abenteuer den Steuerzahler zwischen 13 Milliarden DM und 15 Milliarden DM kosten – und das alles für nur wenige Minuten Fahrzeitverkürzung. Das ist eine Fehlleistung sondergleichen.

Mit unserem Antrag wollen wir nur einen kleinen Bruchteil der Gelder in die Hand nehmen. Wir bitten Sie deshalb um Unterstützung unseres Antrags im Interesse der Bürgerinnen und Bürger im Großraum Augsburg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nutze die Pause aufgrund des Rednerwechsels, um Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu den Anträgen der Abgeordneten Radermacher, Pfaffmann, Irlinger und anderer (SPD) betreffend Betreuung der Informations- und Kommunikationstechnologie an bayerischen Schulen auf den Drucksachen 14/4091 mit 14/4094 bekannt zu geben. Mit Ja haben 66 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 91. Der Stimme enthalten hat sich 1 Kollege. Damit sind die Anträge abgelehnt. Die Tagesordnungspunkte 9 bis 13 sind damit erledigt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Wir fahren in der Aussprache fort. Als nächster Redner hat Herr Kollege Rotter das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Schienenpersonennahverkehr im Großraum Augsburg ist bis dato bedarfsgerecht und ausreichend ausgebaut. Es ist nicht erforderlich, auch in Augsburg ein S-Bahn-System einzuführen. Natürlich kann man das fordern und sagen: München hat eine S-Bahn; Nürnberg hat eine S-Bahn; also braucht auch Augsburg eine S-Bahn. Nächstes Jahr braucht Regensbug eine S-Bahn und dann Würzburg; darauf gebe ich Ihnen Brief und Siegel. Das sind wohlfeile Forderungen.

Uns allen muss es aber darum gehen, den Schienenpersonennahverkehr insgesamt bedarfsgerecht flächendeckend über das ganze Land auszubauen. Wenn ich das Kursbuch ansehe, stelle ich fest, es gibt einen Halbstundentakt nach Donauwörth und einen Halbstundentakt nach Buchloe, der bis Bobingen und Schwabmünchen weiter verdichtet ist, sodass die Züge zeitweise im Abstand von einer Viertelstunde fahren. Es gibt einen Stundentakt nach Ulm, der bis Dinkelscherben verdichtet ist, und einen Stundentakt nach München, der erfreulicherweise mit neuen Doppelstockzügen durchgeführt wird und bis Mering verdichtet ist. Hier ist im Übrigen die Kapazitätsgrenze erreicht. Mehr Züge können nicht fahren, bis der vierspurige Ausbau, der bereits seit längerer Zeit zugesagt und jetzt wieder in Frage gestellt ist, durchgeführt wird.

(Güller (SPD): Das stimmt nicht!)

Schließlich gibt es den Stundentakt nach Aichach, der mit neuen Fahrzeugen des Typs VT 642 durchgeführt wird. Natürlich ist es sinnvoll, vor allem in der Innenstadt weitere Haltestellen für den Schienenpersonennahver

kehr zu schaffen. Es wäre sinnvoll, zu überlegen, wie die Züge zum Beispiel von Dinkelscherben bis Mering mit neuen, attraktiven Fahrzeugen ausgestattet und durchgebunden werden können. Es wäre überhaupt sinnvoll, das vorhandene alte Fahrzeugmaterial auszutauschen, aber dafür bedarf es keines S-Bahn-Systems in Augsburg.

(Güller (SPD): Die Staatsregierung muss endlich bestellen!)

Herr Kollege Güller, was die Staatsregierung alles bestellt, habe ich Ihnen soeben deutlich gesagt. Vor lauter Krakeelen haben Sie leider nicht zuhören können.

(Güller (SPD): Im Gegensatz zu Ihnen kenne ich die Fahrstrecken auswendig!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sicher kann es noch weitere Verbesserungen geben. Aus diesem Grund ist von den Verantwortlichen für den Nahverkehr in Stadt und Land Augsburg ein Gutachten in Auftrag gegeben worden. Dieses Gutachten, das im Januar vorgestellt werden soll, wäre erst einmal abzuwarten, bevor man über weitere Verbesserungen spricht.

Was die Interessen der Region anbelangt – die Zulaufstrecken reichen von Füssen, Bad Wörishofen, Donauwörth und Nördlingen nach Augsburg hinein –, ist festzustellen, bei Existenz eines S-Bahn-Systems müsste vielfach umgestiegen werden, weil gar nicht die Streckenkapazitäten vorhanden sind, um parallel zur S-Bahn die Regionalzüge fahren zu lassen. Das kann nicht im Interesse der weit entfernt wohnenden Pendler liegen. Auch aus diesem Grund halte ich in Augsburg eine S-Bahn vergleichbar der Münchner S-Bahn für nicht sinnvoll.

Nur aus diesen Gründen lehnen wir den Antrag ab. Wir haben im Übrigen im Ausschuss empfohlen, eine Umformulierung dahin gehend vorzunehmen, dass die Staatsregierung gebeten wird, den Bedarf und die Möglichkeiten für die Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs im Großraum Augsburg zu ermitteln sowie wirtschaftlich und verkehrlich sinnvolle bedarfsgerechte Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Schienenpersonennahverkehrs zu unterstützen. Diese Formulierung ist damals abgelehnt worden. Einem solchen Antrag hätten wir zugestimmt.

(Güller (SPD): Geprüft worden ist schon, jetzt muss man handeln!)

Schließlich will ich Ihnen noch sagen: Die Gelder, die wir seitens des Freistaates Bayern für den Schienenpersonennahverkehr bereitstellen, sind nicht beliebig vermehrbar. All das was ein sinnvolles, weniger sinnvolles oder gar sinnloses S-Bahn-System in Augsburg an zusätzlichem Geld kosten würde, würde anderen Regionen fehlen, sprich, es würde dem flachen Land an Bestellkapazität fehlen. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Von daher ist der Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Mir ist soeben signalisiert worden, dass die Fraktionen wünschen, dass der Antrag in den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie zurückverwiesen wird. Zur Geschäftsordnung: Herr Kollege Knauer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN signalisiert hat, dass sie einer Umformulierung zustimmen würde – statt „S-Bahn Augsburg“ wird es heißen „S-Bahnähnlicher Verkehr“, was ein grundlegender Unterschied ist, zu dem es auch Landtagsbeschlüsse aus der Vergangenheit gibt –, bitten wir darum, den Antrag in den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie zurückzuverweisen und vor Weihnachten darüber im Plenum abzustimmen.

Wenn allgemeines Einverständnis besteht, verweise ich den Antrag in den Ausschuss zurück. Ich muss dann nicht formal abstimmen lassen. Der Antrag wird in den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie verwiesen.

Ich unterbreche die Sitzung für eine Mittagspause bis 13.00 Uhr.

(Unterbrechung von 11.58 bis 13.04 Uhr)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 8

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Zunächst werden die beiden folgenden Anträge zur gemeinsamen Beratung aufgerufen:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Dr. Kaiser, Strasser und Fraktion (SPD)

Deutscher Orden – Aktuelle wirtschaftliche Lage (Drucksache 14/7900)

Antrag der Abgeordneten Christine Stahl, Dr. Dürr, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Nichtigkeit der Anerkennung des Status Körperschaft des öffentlichen Rechts beim Deutschen Orden (Drucksache 14/6514)

Der letztgenannte Antrag ist die Listennummer 20 des Tagesordnungspunktes 7. Das ist wohl mit den GRÜNEN so abgesprochen. – Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Kaiser.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Beschäftigte, Patienten, Heimbewohner und Geschäftspartner des Deutschen Ordens können in diesen Tagen ein trauriges Jubiläum begehen, nämlich ein Jahr Hängepartie, Unsicherheit, Sorge um

Arbeitsplätze sowie Angst um den Fortbestand der Einrichtungen des Deutschen Ordens. Frau Ministerin, meine Damen und Herren, dieser Zustand ist ein Armutszeugnis für die Handlungsfähigkeit der Bayerischen Staatsregierung.

(Beifall bei der SPD)

Ich erinnere daran: Am 30. November letzten Jahres konnte der Deutsche Orden die Dezembergehälter und die Weihnachtsgelder nicht auszahlen. Innerhalb von 48 Stunden musste das Sozialministerium eine Liquiditätsspritze von 48 Millionen DM organisieren. An diesem Zuschuss waren die Kirche und auch die staatlichen Banken beteiligt.

Im Sommer 2001 hatte der Deutsche Orden offensichtlich Schwierigkeiten, das Urlaubsgeld auszubezahlen. Hilfe kam durch eine Bürgschaft – die mittlerweile in Anspruch genommen worden ist – durch die bayerischen Bistümer ohne die Diözese Augsburg. Jetzt, im November, wird bekannt, dass die Weihnachtsgelder Anfang nächsten Monats nur zu 50% ausbezahlt werden können. Ende Februar sollen angeblich die zweiten 50% ausbezahlt werden.

Wir müssen also feststellen: Der Deutsche Orden ist offensichtlich ein Fass ohne Boden, in das staatliche Gelder und auch Kirchensteuern hineinfließen. Wir müssen nach vielen Verhandlungen, in denen die Beteiligten immer wieder vertröstet wurden, feststellen: Frau Ministerin, das war ein Jahr Stillstand, ein Jahr Unvermögen, ein Jahr Unfähigkeit der Staatsregierung und vor allem des Ministerpräsidenten, ein dringendes Problem zu lösen.

(Beifall bei der SPD)

Freuen können sich alleine die Rechtsanwälte – einer aus dem Landtag ist dabei, der sehr viel Geld damit verdient –,

(Strasser (SPD): Wer ist das?)

die Gutachter und die Sanierer, die im Laufe der langen Zeit einen Reibach machen.

Frau Staatsministerin, als wir zuletzt am 3. Juli dieses Jahres im Haushaltsausschuss über den Deutschen Orden beraten haben, haben Sie immer wieder auf das Gutachten von KPMG verwiesen, das angeblich eine Million Mark gekostet hat und unmittelbar danach vorgelegt worden ist. Es ist zwar unter Verschluss, aber gewisse Dinge dringen doch durch. Ich habe hier das Blatt mit der Szenarioanalyse zur Fortführung ausgewählter Segmente; Sie kennen das, Frau Staatsministerin. Was hier drin steht, erschreckt uns schon sehr. Die Gutachter gehen von einem Schuldenstand von 354,4 Millionen DM aus. Sie haben damals im Haushaltsausschuss noch von 219 Millionen DM gesprochen und dabei die „Süddeutsche Zeitung“ zitiert. Nun sind es 354,4 Millionen DM. Dazu kommen erhebliche Prozessrisiken. Ein Prozess nach dem anderen, die geschädigte Geschäftspartner anstrengen, geht für den Deutschen Orden verloren; Sie wissen das. Dieses Gutachten sieht

nun vor, dass die Schulden in Höhe von rund 354 Millionen DM durch Asset-Verkäufe – so nennt man das neudeutsch, also durch Verkäufe von Krankenhäusern des Deutschen Ordens – vermindert werden sollen. Es sind jeweils 25 Millionen DM Verkaufserlöse für ein Krankenhaus vorgesehen. Da wird auch von einem Verkaufserlös von 25 Millionen DM für das Krankenhaus in Köln gesprochen. Dieses Haus befindet sich aber nicht mehr im Besitz des Deutschen Ordens; das haben sich die Aachener Franziskanerinnen wieder zurückgeholt. Da läuft ein Prozess, den der Deutsche Orden in erster Instanz verloren hat. Frau Ministerin, wie können Sie denn im Sanierungsausschuss einem Gutachten zustimmen, das als Sanierungsmaßnahme den Verkauf eines Krankenhauses vorsieht, das gar nicht mehr im Besitz des Deutschen Ordens ist? Ich habe noch nie gehört, dass sich jemand dadurch sanieren kann, dass er etwas verkauft, das ihm nicht mehr gehört.

(Zuruf des Abgeordneten Strasser (SPD))

Weiter ist im Gutachten ein Forderungsverzicht von Banken in Höhe von 83 Millionen DM enthalten. Da heißt es, die Bedienbarkeit sei gegeben für Schulden von 196,4 Millionen DM. Laut dem Gutachten sollen folgende Segmente weitergeführt werden: die Suchthilfe, die Behinderteneinrichtungen und die Altenheime. Jetzt wird gesagt, von den rund 196 Millionen DM Schulden sind 95,9 Millionen DM in diesen drei Segmenten entstanden; jene 100,4 Millionen DM, die beim Deutschen Orden durch Misswirtschaft allgemein entstanden seien, könnten von den verbleibenden Segmenten bedient werden.