Protocol of the Session on November 14, 2001

Weiter ist im Gutachten ein Forderungsverzicht von Banken in Höhe von 83 Millionen DM enthalten. Da heißt es, die Bedienbarkeit sei gegeben für Schulden von 196,4 Millionen DM. Laut dem Gutachten sollen folgende Segmente weitergeführt werden: die Suchthilfe, die Behinderteneinrichtungen und die Altenheime. Jetzt wird gesagt, von den rund 196 Millionen DM Schulden sind 95,9 Millionen DM in diesen drei Segmenten entstanden; jene 100,4 Millionen DM, die beim Deutschen Orden durch Misswirtschaft allgemein entstanden seien, könnten von den verbleibenden Segmenten bedient werden.

Dabei geht man von völlig unrealistischen Ergebnissen aus. Von 13,8 Millionen DM gehen 7,8 Millionen DM für den Overhead weg und es bleiben 6 Millionen DM übrig. Dann sollen noch Investitionen bedient und die ungeförderten AfA-Beträge erwirtschaftet werden. Wir haben eine Zinsbelastung von 6%. Das Hauptproblem ist, Suchthilfe, Behinderteneinrichtungen und Altenheime müssen ein Darlehen in Höhe von 100 Millionen Mark tilgen – und die Zinsen bedienen –, das nicht in ihren Einrichtungen entstanden ist. Ich halte es für verantwortungslos und zynisch, Behinderteneinrichtungen, Altenheime und Suchthilfe jahrzehntelang mit einem Darlehen zu belasten, das nicht in diesen Einrichtungen entstand. Diese Einrichtungen werden für das, was vom Deutschen Orden und von der Staatsregierung angerichtet wurde, mit in die Verantwortung gezogen. Dies ist ein untragbarer Zustand.

(Beifall bei der SPD)

Frau Ministerin, das Ergebnis wird ein allmähliches Siechtum und weiterer Investitionsstau sein. Es fehlt an Betriebsmitteln. In Suchthilfeeinrichtungen erzählte man mir zum Beispiel, sie hätten für die Arbeitstherapie nicht einmal einen Sack Zement, um die Patienten zu beschäftigen. Es fehlt also an allen Ecken und Enden. Diese Einrichtungen sollen dann noch die Darlehen abtragen helfen und die Zinsen dafür übernehmen. Eine solche Belastung ist nicht tragbar. Dies ist nach Aussage aller Träger der freien und öffentlichen Wohlfahrtsverbände – das müssten Sie eigentlich wissen – nach den heutigen Kalkulationen der Tagessätze von Altenheimen

und Suchthilfe- und Behinderteneinrichtungen nicht zu erwirtschaften. Frau Staatsministerin, ich frage Sie und erbitte eine Antwort dazu – deshalb fordern wir im Dringlichkeitsantrag einen Bericht –, wie Sie im Sanierungsausschuss einem solch untragbaren Konzept zustimmen können.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen natürlich die Antwort darauf, warum Sie nicht zustimmen: Sie wollen Zeit gewinnen, die Banken beruhigen und vernebeln und verschleiern, um den Ministerpräsidenten, der das Problem aussitzen will, aus der Schusslinie zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Weil das nicht sein kann, haben wir den Dringlichkeitsantrag gestellt, im Bayerischen Landtag zu berichten.

Ich habe hohen Respekt vor den Beschäftigten, die mir Leid tun. In der Suchthilfe, in den Einrichtungen der Krankenhäuser usw. wird mit viel Idealismus und Einsatz eine hervorragende Arbeit geleistet. Die SPD-Fraktion dankt den Bediensteten in den Einrichtungen des Deutschen Ordens ausdrücklich. Sie haben, auch durch das Verhandeln der Bayerischen Staatsregierung, etwas anderes verdient.

(Beifall bei der SPD)

Was geschieht mit den Krankenhäusern in Dillingen und Buchloe? Hierüber sagt das Gutachten, soweit mir bekannt ist, nichts aus. Ein Verkauf ist rechtlich nicht möglich; es gibt eine einstweilige Verfügung der Gerichte. Ein Verkauf der beiden Krankenhäuser in Dillingen und Buchloe ist aber auch praktisch nicht möglich, weil bei einem Verkauf an private Tträger, die das Geld hätten, um das zu bezahlen, hohe Ausgleichszahlungen in zweistelliger Millionenhöhe für die kommunale Zusatzversorgungskasse für den Deutschen Orden fällig würden, um die angesparten Alterversorgungsbeträge abzulösen. Außerdem gibt es eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit, dass das Krankenhaus nur als Akutkrankenhaus weiter geführt werden darf, die auf mein Betreiben in das Grundbuch eingetragen wurde.

(Zuruf von der CSU)

Ein großes Problem besteht darin, dass sich der Deutsche Orden am 28.02.2001 in beiden Krankenhäusern eine Briefgrundschuld in Höhe von 130 Millionen DM hat sich eintragen lassen, die gleichzeitig an die Banken ging. Vorher hat der Freistaat Bayern seine Grundschulden in Höhe von 33,9 Millionen DM in Buchloe und von 90 Millionen DM in Dillingen, die zur Absicherung der Krankenhausförderungsmittel eingetragen waren, löschen lassen, damit für die Grundschulden des Deutschen Ordens und der Banken Platz ist. Diese Schlafmützigkeit des Finanzministeriums – der Herr Finanzminister ist leider nicht da – schreit zum Himmel. Aufgrund einer Richtlinie aus dem Jahr 1981 hat man gesagt, es sei eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Grundschulden würden gelöscht.

In der „Donau-Zeitung“ und vor allem in der „Augsburger Allgemeinen“ stünden in jeder Woche zwei Artikel darüber, die Übertragung der Krankenhäuser in Dillingen und Buchloe stünde unmittelbar bevor, neuer Träger, die Kreise stiegen hier ein. Hier wird die Öffentlichkeit bereits seit Wochen und Monaten irregeführt. Es geht darum, dass wir hierüber einen Bericht bekommen, um Näheres zu erfahren. Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, verhandelt ist genug geworden, nach einem Jahr wollen wir endlich Ergebnisse sehen. Soweit zur Situation.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu den Ursache der Misere beim Deutschen Orden. Diese liegt zum einen im Verhalten der Geschäftsführung der Ordensleitung, an katastrophalen Managementfehlern und an Großmannssucht, möglicherweise auch an persönlicher Bereicherung. Aber die Hauptquelle des heutigen Übels und der Grund dafür, dass man nicht weiterkommt, ist die Verleihung der Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an den Deutschen Orden. Damit ist eine aggressive Expansionspolitik abgesegnet und der Weg in eine weitere Verschuldung eröffnet worden.

(Beifall bei der SPD)

Die Verantwortung für diese Verleihung gegen Vorbehalte auch beim damaligen Bundesminister Zehetmair trägt der heutige Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber, der mit seinem Brief vom 19. Januar massiv dafür Druck gemacht hat, dass der Deutsche Orden diese Körperschaftseigenschaft bekommt. Er trägt die Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Er sollte sich dieser Verantwortung endlich einmal stellen. Seit einem Jahr hat sich die Staatskanzlei zu diesem Thema überhaupt nicht geäußert; es sei denn, Erwin Huber, der vor diesem Rednerpult gepoltert hat. Aber der Ministerpräsident hat sich als Familiare, als Laienmitglied des Ordens und als Hauptverantwortlicher für die Verleihung der Körperschaftseigenschaft überhaupt nicht geäußert. Wenn Probleme auftauchen, taucht Herr Stoiber unter und lässt anderen die Suppe auslöffeln.

(Beifall bei der SPD)

Frau Stewens, Sie haben das Problem geerbt.

(Zuruf von der CSU)

Herr Kollege, offensichtlich doch, Feigheit vor der Opposition. – Ich begrüße den Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ausdrücklich zu sagen – wir werden ihn unterstützen –, die Verleihung der Körperschaftseigenschaft sei von Anfang an nichtig. Das ist aufgrund der vorhandenen Angaben konsequent und richtig. Erstens stimmte die personelle Kontinuität nicht; denn damals hatte man nicht 27 sondern nur 18 Ordensbrüdern die Körperschaftseigenschaft verliehen, es sei denn, man bezieht die Familiare mit ein, wie es der Kultusminister Ende des letzten Jahres getan hat. Damit hat

er auch den Ministerpräsidenten in die Verantwortung voll einbezogen. Wenn ich die 500 Familiare und das Laienmitglied Stoiber einbeziehe, stimmt die personelle Kontinuität. Aber das Kultusministerium bestreitet immer wieder, dass die Familiare irgendeine Verantwortung haben.

Viel entscheidender ist der zweite Punkt, wonach die finanziellen Voraussetzungen für die Verleihung nicht gegeben waren. Der Deutsche Orden hat bewusst unvollständige Angaben gemacht. Der ganze gewerbliche Bereich wurde nicht erwähnt. Auch im Brief des Ministerpräsidenten und in den Antworten auf die Anfragen der GRÜNEN und der SPD wird immer nur auf die Deutsche Ordenshospitalwerk GmbH abgestellt. Von dem großen Konglomerat der gewerblichen Bereiche wird überhaupt nicht gesprochen. Ich habe diese dem Finanzminister in einem Brief im Zusammenhang mit der Debatte um die Gemeinnützigkeit, worauf ich nicht näher eingehen will, mitgeteilt. Dabei geht es um die Dressler GmbH mit acht Tochtergesellschaften und ferner um neun sonstige Betriebe, um ein Konglomerat von 18 gewerblichen Unternehmungen, die damals bei der Antragsstellung nicht angegeben wurden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Zimmermann (CSU))

Herr Kollege Zimmermann, das sind ganz unsolide Zwischenrufe. Hier hat die Staatsregierung einer Institution den Segen als Körperschaft des öffentlichen Rechts aufgrund unvollständiger Unterlagen, die überhaupt nicht geprüft worden sind, gegeben. Man hat das einfach hingenommen, weil der Ministerpräsident die Beamten unter Druck gesetzt hat.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich habe Verständnis dafür. Welcher Ministerialrat stellt sich denn gegen den Ministerpräsidenten, gegen den ausdrücklichen Wunsch von Herrn Stoiber und sagt: Nein, wir verleihen diesen Status nicht!

(Mehrlich (SPD): Man hat sich betrügen lassen!)

Jawohl, Herr Kollege Mehrlich, man hat sich betrügen lassen.

Dabei geht es um Firmen, meine Damen und Herren. Es beginnt mit einem Hotel in Jericho neben der Spielbank von Jasir Arafat und setzt sich fort über Managementunternehmungen, über Logistikunternehmungen, über eine Krankenhausbetriebsgesellschaft, die im arabischen Raum jedes Jahr zehn Krankenhäuser bauen und betreiben wollte, und es geht um Internetfirmen, Cateringfirmen, Reinigungsbetriebe, alles nicht im gemeinnützigen Bereich. Es sind Unternehmungen gewerblicher Art, die nicht angegeben worden sind.

(Schläger (SPD): Das ist ja unglaublich!)

Das Entscheidende ist aber, dass die Dressler GmbH bereits im Jahre 1997 überschuldet war, eine bilanzielle Überschuldung hatte. Das geht auch aus dem Geschäftsbericht hervor. Der Ministerpräsident aber teilt

in einem Brief mit, der Orden stehe finanziell hervorragend dar. Dabei hatte eine seiner Firmen bereits eine bilanzielle Überschuldung zu verzeichnen.

Sie hätten eigentlich damals schon zum Konkursrichter gehen müssen, aber sie haben dann nach der Verleihung der Körperschaftseigenschaft Patronatserklärungen abgegeben. Das sind also Erklärungen, in denen man zusagt, für die jetzigen und die kommenden Schulden aufzukommen. Das hat man getan. Das hat man machen können, weil der Deutsche Orden als Körperschaft insolvenzunfähig ist. Also ein schöner Trick, dass man die gewerblichen Bereiche absichert, indem man mit der Körperschaft bürgt und Patronatserklärungen abgibt, obwohl man nicht bezahlen und die Schulden tilgen kann, wie sich jetzt herausstellt. Also, das ist mit Sicherheit ein wichtiger Grund, um die Körperschaftseigenschaft von Anfang an für nichtig zu erklären.

Wir bitten Sie, meine Damen und Herren von der CSU, diesem traurigen Spiel ein Ende zu bereiten, dem Antrag der GRÜNEN zuzustimmen und innerhalb von wenigen Tagen eine Erklärung vom Kultusministerium herauszugeben, wenn der Deutsche Orden selber nicht bereit ist, diese Körperschaftseigenschaft zurückzugeben.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, am 21. August 2001 hat der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz im Kloster Himmelpforten in Würzburg getagt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Zimmermann (CSU))

Ich habe sehr gute Informationen, Herr Kollege Zimmermann. Sie können das nachprüfen. Ich will dem Hohen Hause und auch Ihnen, Herr Kollege Zimmermann, Folgendes mitteilen: Am 21. August 2001 tagte der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz in Würzburg. Bei diesen Beratungen zog Bischof Kamphaus aus Limburg – dazu gehörten früher Frankfurt und auch der Deutsche Orden – einen Brief der damaligen Stadtcaritasdirektorin von Wiesbaden, die heute im Ordinariat von Limburg arbeitet, an das Bischöfliche Ordinariat in München heraus. Dieser Brief aus dem Jahre 1997 enthält eine Warnung vor dem Deutschen Orden. Leider ist dieser Brief nicht in Kopien verteilt worden, aber dieser Brief von Herrn Kamphaus ist vorgelesen worden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Zimmermann (CSU))

Herr Zimmermann, Sie können das ins Lächerliche ziehen, aber Sie finden dafür in der Öffentlichkeit mit Sicherheit kein Verständnis.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bischof Kamphaus hat eine Bemerkung gemacht. In Richtung Kardinal Wetter hat er gesagt: Das Problem ist in München zu lösen; wir deutschen Bischöfe stehen nicht für das gerade, was der Deutsche Orden angerichtet hat. – Er hat also gesagt, dass das Problem in Mün

chen zu lösen ist, wobei er offen gelassen hat, ob die Kirche allein dies lösen sollte oder auch der Freistaat Bayern. Das Problem wird aber seit einem Jahr nicht gelöst, obwohl auch die Bischöfe sagen, dass das Problem in München gelöst werden muss. Frau Ministerin, tun Sie endlich etwas!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine letzte Bemerkung betrifft eine persönliche Auskunft an mich. Dafür kann ich also geradestehen, Herr Kollege Zimmermann. Die Bank im Bistum Essen – das ist eine kirchliche Bank, bei der nur Kirchenmitglieder Kunde sein können – hat mir gesagt: Wir haben seit dem Umzug nach Bayern, also seit 1997, an den Deutschen Orden keine Kredite mehr gegeben. – Ich habe gefragt, warum nicht. Die Antwort lautete: Das können Sie sich eigentlich selber denken. – Der Grund ist der, dass die wirtschaftliche Situation damals schon angespannt war und dass die Verleihung der Körperschaftseigenschaft der Rettungsanker für den Deutschen Orden war, um damals zu überleben. Der Ministerpräsident hat das massiv unterstützt. Er steht hier in der Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)