Heinz Kaiser
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Last Statements
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Welnhofer, ich beginne mit der Gemeinsamkeit. Auch wir, die SPD-Fraktion, bedanken uns bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Untersuchungsausschusses „Deutscher Orden“. Insbesondere gilt unser Dank den Fraktionsmitarbeitern Alexandra Hiersemann und Roland von Seggern. Bedanken möchte ich mich auch ausdrücklich bei meinem Mitstreiter, dem Kollegen Heiko Schultz.
Herr Kollege Welnhofer, ich kündige keine humorvolle Rede an. Der Humor kann auch danebengehen, wie Ihr Beispiel gezeigt hat. Die Feststellung, ein sozialdemokratischer Bürgermeister und „dennoch“ ehrenwert, ist schwarzer Humor – aber nicht von der besten Sorte.
Es kann nicht überraschen, dass die CSU am Ende des Untersuchungsausschusses „Deutscher Orden“ exakt zu den Ergebnissen gelangt, die sie schon vor Beginn des Untersuchungsausschusses lautstark vertreten hat. Die Mehrheitsfraktion ist offensichtlich nicht fähig und auch nicht willens, das Verhalten ihrer Staatsregierung, insbesondere das des Ministerpräsidenten Dr. Edmund Stoiber einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Sie lassen sich auch durch Sachkenntnis nicht von Ihrer vorgefassten Meinung abbringen.
Herr Kollege Welnhofer, immer wieder den BundestagsWahlkampf heranzuziehen, ist falsch. Die Opposition, sowohl die SPD als auch die GRÜNEN, hat sich bereits seit September 2000 in vielen Anfragen und Debatten im Landtag um Aufklärung über den Deutschen Orden bemüht. Das hat immerhin eineinhalb Jahre gedauert. Weil wir keine Antworten erhalten haben, ist uns gar nichts anderes übrig geblieben, als den Untersuchungsausschuss zu beantragen. Der Ministerpräsident hat zweieinhalb Jahre lang zu der ganzen Problematik geschwiegen. Bis er als Zeuge aussagen musste, kam keine einzige Äußerung von ihm oder aus der Staatskanzlei. Da stimmt doch etwas nicht, wenn man sich in dieser Form verhält. Das weiß doch jeder, Herr Kollege Welnhofer.
Der vorauseilende und im Falle des Deutschen Ordens auch nacheilende Gehorsam gegenüber allem, was in Bayern die Staatsmacht symbolisiert, ist einer der Gründe, warum die von der Opposition geforderten Untersuchungsausschüsse immer und immer wieder notwendig werden. Leider ist der CSU nicht bewusst, dass das herausragende Merkmal von Untersuchungsausschüssen die Kontrolle der Staatsregierung darstellt
und nicht die gebetsmühlenartig wiederholte Bestätigung, wie unfehlbar die Staatsregierung ist.
Dieses unkritische Denken und das Vertrauen in die Allmacht und Allwissenheit des Ministerpräsidenten hat im Falle des Deutschen Ordens dazu geführt, dass ein Sozialkonzern mit fast 6000 Arbeitsplätzen, davon circa 2000 in Bayern, in eine Finanzmisere größten Ausmaßes schlittern konnte. Die SPD-Fraktion ist davon überzeugt: Wesentliche Ursache dieser Katastrophe, an der die verbliebenen Sozialeinrichtungen der Suchthilfe im Deutschen Orden noch lange leiden werden, war das selbstherrliche Verhalten des Ministerpräsidenten. Herr Dr. Stoiber hat offensichtlich seine Familiaren-Eigenschaft für den Deutschen Orden über seine Pflichten als Ministerpräsident für alle Bürgerinnen und Bürger Bayerns gestellt.
Das ist nicht das Gegenteil. Das sind unsere Erkenntnisse aus dem Untersuchungsausschuss. Ich glaube nicht, Herr stellvertretender Vorsitzender, dass Sie die Dinge gelesen und sich in die Akten vertieft haben.
Sie plappern mit Ihrem Zwischenruf das nach, was Ihnen Ihre Kollegen vorplappern.
Ministerpräsident Dr. Stoiber hat für die Anerkennung des Ordens als öffentlich-rechtliche Körperschaft, die einzig in Bayern aufgrund des bayerischen Konkordats von 1924 erfolgen kann, gesorgt. Herr Dr. Stoiber ließ sich vom Auftreten der Deutschen Orden-Glücksritter blenden, die das soziale Engagement im Munde führten, in Gedanken aber an ihre exorbitanten Jahresgehälter, Privatflugzeuge und aufwändige Treffen in Luxushotels dachten. Die vielgerühmte Wirtschaftskompetenz des Ministerpräsidenten schmolz dahin, als die geistliche Oberen des Ordens und dessen größenwahnsinniger Geschäftsführer Conrad um die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Bayern baten.
Unterlagen, die wirtschaftliche Zahlen des Unternehmens belegt hätten, waren nicht bzw. nur unvollständig vorhanden. Wenn sich jetzt die CSU darauf zurückzieht, wie es Kollege Welnhofer gerade getan hat, dass nur die geistliche Ordensgemeinschaft Objekt der Anerkennung sein sollte, so übersieht sie dabei die eindeutige Aussage ihres Ministerpräsidenten vor dem Untersuchungsausschuss, in der dieser Wert darauf legte, dass es sein Ziel gewesen sei, die zahlreichen Arbeitsplätze des Konzerns nach Bayern zu verlagern bzw. in Bayern zu halten. Geschäftsführer Conrad hat gesagt, der Ministerpräsident habe bei einem Gespräch in der Staatskanzlei erklärt, ein solch tolles Unternehmen wie der Deutschen Orden gehöre nicht nach Hessen, sondern nach Bayern. – Jetzt haben wir den Salat hier in Bayern, meine Damen und Herren!
Soweit Unterlagen vor der Anerkennung vorlagen, wurden diese von keiner Seite geprüft. Das Kultusministerium als zuständige Stelle für die Anerkennung übernahm ungeprüft das Wirtschaftstestat zweier Wirtschaftsprüfer, die in den darauffolgenden Jahren als Berater des Ordens tätig waren. Niemand hat sich beschäftigt mit dem Geschäftsmodell und dem exorbitanten Wachstum des Ordens. Kardinal Lehmann, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, hat in einem Brief ausdrücklich festgehalten, er habe von Anfang an kein Vertrauen zu diesem Orden gehabt. Der Ministerpräsident hätte sich besser bei der deutschen Bischofskonferenz erkundigt, als den Deutschen Orden nach Bayern zu holen und ihn mit der Körperschaftseigenschaft auszustatten.
Das Sozialministerium, vertreten durch die damalige Ministerin Stamm, wäscht seine Hände noch heute in Unschuld und gab alleine eine dürre Stellungnahme über die inhaltliche Arbeit der bayerischen Einrichtungen ab. Die katholische Kirche wurde zwar halbherzig befragt, zog aber allenfalls Erkundigungen über die seelsorgerische Arbeit des Ordens im Bistum Limburg ein. Der mit dem inneren Kirchenkreis befasste Zeuge hat vor dem Untersuchungsausschuss sehr deutlich gemacht, dass die Stellung des Ordens als exemter Orden, der einzig dem Heiligen Stuhl unterstellt ist, eine Wirtschaftsprüfung durch zuständige Stellen der Erzdiözese verbiete. Niemand prüfte demnach die wirtschaftlichen Grundlagen des Ordens und seiner gigantischen Unternehmungen, die von Hilfstransplantatherstellern über Stutenmilchprodukte bis hin zu Catering-Leistungen reichten.
Jeder der beteiligten Beamten in den Ministerien hatte Kenntnis von der Familiaren-Eigenschaft des Ministerpräsidenten und von seinem Einsatz für den Orden gegenüber dem zuständigen Staatsminister Zehetmair.
Dies hat sich eindeutig aus den zahlreichen Dokumenten der dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten ergeben. Aktenvermerke der Ministerialbürokraten weisen größtenteils im Fettdruck auf die Mitgliedschaft des Ministerpräsidenten in der Familiarengemeinschaft hin. Weitere Vermerke machen offenkundig, dass sich niemand in der Staatskanzlei oder in den befassten Ministerien sachkundig machte, was es denn mit einem sogenannten exemten Orden auf sich hat und welche wesentlichen Unterschiede zu einem bischöflichen Orden bestehen.
Bester Beweis ist ein Beamtenvermerk nach Bekanntwerden des Finanzdesasters mit der naiven Frage: Die Kirche muss doch wohl haften? – Nein, das muss sie bei einem exemten Orden eben genau nicht. Mit ein wenig kirchenrechtlichem Verstand, der im Kultusministerium durchaus vorhanden ist, hätte sich diese Problematik schon vor der Anerkennung feststellen lassen. Weder die verfasste Kirche noch der Freistaat übernimmt für derartige kirchliche Körperschaften irgendeine Haftung. Dies hätte aber vor der Verleihung der Körperschafts
rechte einer Prüfung bedurft. Leidtragende sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso wie alle Geschäftspartner des Ordens. Hieraus können Sie ersehen, mit welch heißen Nadeln die Verleihung des begehrten Körperschaftsstatus vonseiten der Staatsregierung gestrickt wurde.
Niemand hat die Einzelfragen, die sich aus der angestrebten Anerkennung des Ordens als kirchliche Körperschaft ergeben geprüft bzw. jeder war bemüht, die Voraussetzung hierfür so hinzubiegen, dass sie irgendwie passten. Die Mitgliederzahl des kleinen Ordens, der in seinem ureigenen geistlichen Bereich tatsächlich nur auf 27 Fratres und Patres zurückgreifen konnte, wurde aufgepeppt durch Oblaten mit Experimentierstatus, deren Austritt jederzeit möglich war, und durch die Familiaren, zu deren Kreis auch Ministerpräsident Stoiber gehörte. Die unsinnige Verquickung des Miniordens mit einem Konzern von erheblicher wirtschaftlicher Größe war einmalig, wie auch Herr Minister Zehetmair festgestellt hat.
Herr Kollege Welnhofer, Sie haben gerade gesagt, ein Orden, der 800 Jahre besteht, wird auch in der Zukunft weiter bestehen. Das war die Auffassung des Ministeriums. Offensichtlich vertreten Sie diese Auffassung immer noch. Das bezieht sich sicherlich auf die geistliche, religiöse Gemeinschaft, aber doch nicht auf einen Wirtschaftsbetrieb. In einer Marktwirtschaft gibt es keine Gewähr auf Dauer für das Bestehen im Wettbewerb. Da kann man auch einmal Pleite gehen. Das müssten Sie doch endlich einmal wissen.
Die Tatsache, dass sich der Orden zum Zeitpunkt seiner Anerkennung eben nicht mehr im Geltungsbereich des bayerischen Konkordats, das heißt mit dem Sitz in Bayern befand, wurde wohlwollend toleriert. Herr Kollege Welnhofer, Sie sagen, es sei nicht erkennbar gewesen, dass die wirtschaftlichen Unternehmungen alle auf die Körperschaft übertragen worden sind. Aus den Akten geht etwas ganz anderes hervor. Es wurde ja vorher schon angekündigt, dass die Unternehmungen auf die Körperschaft übertragen würden. Wenn das Ministerium die Bilanz von 1997 angefordert hätte, die fünf Tage vor der Aushändigung der Urkunde fertig geworden ist, nämlich am 15. Mai 1998, dann hätte es gesehen, dass der Geschäftsführer in seinem Vorwort zum offiziellen Geschäftsbericht gesagt hat: „Wir werden alle Unternehmungen, auch die gewerblichen, auf den Orden übertragen.“ Man wollte es einfach nicht sehen. Man hat die Augen zugemacht, weil man die Anerkennung einfach wollte, weil es der Wunsch des Ministerpräsidenten war.
Ein Wort zu den vom Ministerpräsidenten Stoiber thematisierten Arbeitsplätzen: Aktuelle Informationen aus dem Bereich des Deutschen Ordens machen deutlich, was dieser in Zukunft anstrebt. Beide Zentralverwaltungen in München und Nürnberg, die schon seit Jahrzehnten die Einrichtungen der Suchthilfe verwalten, werden zum
Jahresende aus Bayern abgezogen und in die leerstehende Klinik des Ordens nach Bad Orb verlagert. Dies bedeutet, dass vermutlich fast sämtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Büros ihren Arbeitsplatz verlieren, weil kaum jemand den Umzug nach Bad Orb bewerkstelligen kann, noch dazu auf der wackligen Grundlage eines weiteren Bestands des Deutschen Ordens. Nicht wenige dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen nur wenige Jahre vor der Altersrente ohne Aussicht auf eine neue Beschäftigung da. Das ist das Ergebnis der Wirtschaftspolitik, mit der man den Orden nach Bayern holen wollte. Jetzt geht er wieder weg.
Nebenbei: Es ist auch bemerkenswert, welche soziale Haltung ein Orden demonstriert, der die Arbeitsplätze seines Buchhaltungspersonals aufs Spiel setzt und gleichzeitig weiterhin seinen leitenden Mitarbeitern Jahresgehälter in sechsstelliger Euro-Höhe zahlt. Eine weitere entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist: Aus welchen Gründen verlagert der Orden diese Zentralverwaltungen, um Mietkosten zu sparen, nicht in seinen großzügigen Gebäudekomplex nach Weyarn, das im Gegensatz zu Bad Orb bekanntlich in Bayern liegt? Das ist eine Frage, die wir stellen.
Vielleicht noch eine Anmerkung zu dem immer von Ihnen erwähnten Zeugen: Sie haben nicht erwähnt, dass Bürgermeister Pelzer der Bürgermeister der Sitzgemeinde ist und da natürlich die Dinge verständlicher Weise aus einer gewissen Interessenlage sieht. Er taugt damit mit Sicherheit nicht als Ihr Kronzeuge. Er wird sich wundern, wenn die Arbeitsplätze aus Bayern abgezogen werden. Welche Einrichtungen werden diesem Rückzug des Ordens aus Bayern folgen müssen? Was bedeutet dies für bayerische Arbeitsplätze, und was bedeutet dies für den Status des Ordens als öffentlich-rechtliche Körperschaft? – Für die Zukunft ist vorherzusehen, dass sich andere Bundesländer mit dem Schaden, der durch die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts durch Bayern angerichtet wurde, und mit den nach wie vor völlig ungeklärten Fragen eines zukünftigen Bestands herumärgern können, weil Ministerpräsident Stoiber seinen Brüdern im Geiste einen Gefallen tun und einen schwarzen Orden ins schwarze Bayern holen wollte.
Die Erfahrungen mit dem Deutschen Orden haben deutlich gemacht, dass dieser rechtsleere Raum dringend einer Ausfüllung bedarf; dies nicht zuletzt deshalb, weil die Verleihung der Körperschaftsrechte in der Öffentlichkeitswirkung für den Orden einen erheblichen Ansehenszuwachs bewirkt, der verbunden ist mit dem Vertrauen der Arbeitnehmer und der Geschäftspartner auf den Bestand dieser Körperschaft. Das Bundesverfassungsgericht hatte in Kenntnis dieser Öffentlichkeitswirkung daher eine sorgfältige Prüfung auch der wirtschaftlichen Verhältnisse einer solchen Gemeinschaft gefordert.
Wesentliches Ergebnis – darauf sind Sie, Herr Vorsitzender, leider überhaupt nicht eingegangen – dieses Untersuchungsausschusses ist daher die Forderung der SPDFraktion nach einer klaren gesetzlichen Grundlage für zukünftige Körperschaftsverleihungen an kirchliche Orden in Bayern. Bisher erfolgte diese Anerkennung ein
zig auf der Grundlage der Weimarer Reichsverfassung, die insoweit über das Grundgesetz noch Geltung hat, in Verbindung mit dem Bayerischen Konkordat von 1924, und wird durch gewohnheitsrechtliche Überlegungen der Ministerialbürokratie und deren Beurteilungsspielraum ausgefüllt.
Ein solches Gesetz über die Voraussetzungen der Anerkennung und Aberkennung von kirchlichen Körperschaftsrechten muss folgende Merkmale berücksichtigen: Der Status als Körperschaft vermittelt Dritten die Vorstellung, dass angesichts der Insolvenzunfähigkeit der Körperschaft eine staatliche Gewährträgerstellung den Schutz Dritter bei Zahlungsunfähigkeit der Körperschaft gewährleistet. Es muss hierbei genau geklärt werden, wer bei Zahlungsunfähigkeit der Körperschaft die Gewährträgerhaftung übernimmt. Die Frage ist nach wie vor offen. Die Verleihungsvoraussetzungen sind eindeutig festzulegen, insbesondere die Mindestmitgliederzahl des Ordens und die Prüfungsmerkmale für die Gewähr auf Dauer müssen klar definiert werden. Zeitnahe Jahresabschlussberichte sind unter Beteiligung des Wirtschaftsministeriums umfassend im Hinblick auf die Zukunftsprognosen zu prüfen. Hierbei ist das gesamte Vermögen des Ordens einschließlich seiner Beteiligungen an gewerblichen und gemeinnützigen Unternehmungen zu überprüfen.
Der staatliche Verantwortung, die sich durch den Akt der Verleihung der Körperschaftsrechte ergibt, muss in Erfüllung der Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen besonders sorgfältig Rechnung getragen werden. Schon die Benennung der kirchlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts sollte den Unterschied zur staatlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts deutlich widerspiegeln. Die Verlagerung von Unternehmungen, die sich bisher im privatrechtlichen Wettbewerb bewegten, in kirchliche Körperschaften darf nur unter eng gefassten Voraussetzungen zulässig sein. Die Vergünstigungen der kirchlichen Körperschaft dürfen nicht ohne weiteres auf ihre Unternehmungen übertragen werden. Die Mindestvoraussetzungen des Bayerischen Konkordats von 1924 sind einzuhalten. Der Sitz des die Anerkennung anstrebenden Ordens muss sich vor der Erlangung der Körperschaftsrechte in Bayern befinden. Art und Weise der Auflösung der bisherigen Rechtsform des Ordens benötigen klar definierte Regelungen. Bei Wegfall einer der Anerkennungsvoraussetzungen muss Klarheit über Art und Weise der Aberkennung der Körperschaftsrechte und deren Rechtsfolgen bestehen.
Herr Kollege Welnhofer, ich hätte mir gewünscht – ich denke, so weit waren wir im Untersuchungsausschuss schon –, dass Sie auch selbst sagen, wir brauchen ein Gesetz über die Anerkennung und Aberkennung der Körperschaftsrechte. Sie haben leider in Ihrem Diskussionsbeitrag dazu kein Wort verloren. Wir fordern mit Nachdruck, dass die Staatsregierung jetzt endlich nach mittlerweile drei Jahren einen solchen Gesetzentwurf vorlegt.
Das durch die Anerkennung des Ordens in Gang gesetzte Chaos nahm seinen Verlauf auch bei der so genannten Stiftung des Deutschen Ordens. Die zuständige Stiftungsaufsichtsbehörde, die Regierung von Oberbayern, hat hierbei in unglaublicher Weise gegen zahlreiche Vorschriften des Stiftungsrechtes verstoßen.
Die Stiftungsaufsicht hat zugelassen, dass kein Nachweis über das Stiftungsvermögen erbracht worden ist; die haben nämlich keinen Cent – bzw. damals noch Pfennig – eingezahlt.
Der personellen Verquickung zwischen Stift und Stiftung, deren Vorstandsmitglieder weisungsgebundene Mitarbeiter des Stiftes Deutscher Orden waren, wurde durch die Regierung von Oberbayern keinerlei Bedeutung zugemessen. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens wurden von den Vertretern des Stiftes Vorstandsmitglieder benannt, die tatsächlich nie von ihrer Funktion im Stiftungsvorstand Kenntnis hatten. Eine Überwachung der Stiftungsorgane und der Verwirklichung des Stiftungszwecks durch die zuständige Stiftungsaufsicht, die Regierung von Oberbayern, erfolgte zu keinem Zeitpunkt. Selbst als endlich Zweifel an der Bonität des Deutschen Ordens auftauchten, verlangte die Regierung von Oberbayern keine Rechnungslegung von Seiten des Stifters.
Wir fragen uns: warum? – Weil auch die Regierung von Oberbayern von der unzweifelhaften Seriosität – das ist ein Originalausdruck aus den Akten des Deutschen Ordens – mit seinem Familiarenmitglied Edmund Stoiber ausging. Da genügt es aus der Sicht der zuständigen Stiftungsaufsicht, dass die Ordensritter 1190 bei Akkon im Heiligen Land den Entschluss zum Helfen und Heilen gefasst hatten und dass im Jahr 1998 ein bayerischer Ministerpräsident von der äußeren Macht eines Sozialkonzerns beeindruckt war, der mit Millionen um sich warf. Alle miteinander waren beeindruckt von der Stellung eines exemten Ordens und seiner Nähe zu Rom – „höchste Dignität“ hieß es –, ohne dass auch nur eine der handelnden Personen zum damaligen Zeitpunkt die Grundlagen und Folgen dieser Stellung als exemter Orden hinreichend verstanden hätte.
Durch den staatlichen Stiftungsakt trägt die öffentliche Verwaltung Verantwortung. Die Aufsichts- und Kontrollpflichten der zuständigen Regierung sind ausdrücklich gegenüber der Allgemeinheit zu verantworten. Diese wurden im vorliegenden Fall vielfältig verletzt. Nun, Herr Kollege Welnhofer, kritisieren Sie mich, dass ich den ganzen Vorgang als Wirtschaftskrimi bezeichnet habe. Sie haben das humorvoll überspielen wollen. Wenn das so ist, wie Sie tun, Herr Kollege Welnhofer: Am 1. Dezember 2000 sind die Anzeigen eingegangen. Heute haben wir den 25. Juni 2003. Das Verfahren läuft immer noch. Das ist ein Verfahren der Wirtschaftskriminalität. Das ist ein Wirtschaftskrimi. Woher wissen Sie denn, was bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen herauskommt? Haben Sie vielleicht schon Informationen, dass alles niedergebügelt werden soll? – Sie sagen einfach, das sei kein Wirtschaftskrimi.
Eine herausragende Sonderbehandlung erfuhr der Deutsche Orden auch, indem trotz richterlicher Durchsu
chungs- und Beschlagnahmebeschlüsse keine Unterlagen beschlagnahmt wurden. Als wohl einmalig in der bayerischen Rechtsgeschichte muss der Vorgang bewertet werden, dass in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren die Akten insoweit dem Zugriff einiger der Beschuldigten, die zu diesem Zeitpunkt in leitender Funktion beim Orden beschäftigt waren, überlassen wurden. Die Akten blieben bei den Beschuldigten, damit man die auch durcharbeiten kann. Das ist wirklich ein einmaliger Vorgang.
Mit der Staatsanwaltschaft hat das zu tun! Die Staatsanwaltschaft untersteht dem Justizministerium, Kollege von Rotenhan. Ich komme jetzt von der Staatskanzlei zum Justizministerium. Das gehört auch zur Bayerischen Staatsregierung, für die der Ministerpräsident die Verantwortung trägt, Herr Kollege von Rotenhan.
So einfach kann man es sich nicht machen: Wenn in Bayern etwas gut läuft, hat die Verantwortung der Ministerpräsident; wenn etwas schlecht läuft, dann wird es weggeschoben. Das ist eine Methode, die wir nicht billigen können.
Zielstrebige und fachlich geschulte Ermittlungsbeamte der Kriminalpolizeiinspektion Erding mussten sich hierbei von dem namhaften Vertreter der CSU und bekannten Rechtsanwalt Dr. Gauweiler wie die Schuljungen zurückpfeifen lassen. Herr Rechtsanwalt Dr. Gauweiler versuchte zu jeder Phase des Ermittlungsverfahrens, Einfluss auf die Ermittlungsmaßnahmen in der ihm eigenen Art auszuüben.
Als er schließlich aufgrund des zunächst markigen Einschreitens eines Oberstaatsanwalts, der die Beschlagnahme der Akten notfalls gegen den Widerstand der Ordensvertreter und ihres Anwaltes durchsetzen wollte, zu scheitern drohte, wurde der damalige Münchner Generalstaatsanwalt Froschauer bemüht. Ein paar Telefonate wurden geführt, und schon mussten die auf den Lkw aufgeladenen Akten wieder abgeladen und im Kloster Weyarn belassen werden, und zwar unversiegelt und zugänglich für die Beschuldigten. Das ist ein sehr merkwürdiger Vorgang.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn Sie diese Vorgänge als normal bezeichnen, dann frage ich mich – – Nennen Sie mir einmal Fälle, wo ähnlich verfahren wurde; ich kenne keinen. Beim Bayerischen Roten Kreuz sind lastwagenweise Akten abtransportiert worden, ebenso beim Tiergesundheitsdienst. Bei allen solchen Strafverfahren werden die Akten beschlagnahmt und bleiben nicht dort. Das ist ein einmaliger Vorgang. Wenn Sie das widerlegen und mir einen Fall nennen können, wo das auf gleiche Art und Weise geschehen ist, dann tun Sie das.
Dass die Probleme des Ordens, unter denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso wie die Patientinnen und Patienten nach wie vor zu leiden haben, nunmehr ein Ende gefunden hätten, kann mit Fug und Recht niemand behaupten. Die Sanierungsergebnisse der Staatsregierung haben jedenfalls erhebliche Risiken für die Zukunft. Ob die Zins- und Tilgungszahlungen für verbleibende Schulden in Höhe von 70 Millionen e aus den verbleibenden Sucht-, Alten- und Behindertenhilfeeinrichtungen erwirtschaftet werden können, bleibt gerade in der heutigen, für soziale Einrichtungen schwierigen Zeit fraglich. Die Zeugenaussagen im Untersuchungsausschuss dazu waren sehr widersprüchlich. Ministerialdirigent Zwick, Vertreter der Staatsregierung im Sanierungsausschuss, ließ die Frage, was bei einer erneuten Zahlungsunfähigkeit des Deutschen Ordens geschieht, unbeantwortet. Der Sanierungsbeauftragte der Banken, Dirk Pfeil, behauptete, die verfasste Kirche springe dann ein, während Generalvikar Dr. Simon von der Erzdiözese München und Freising jegliche zukünftigen Zahlungen aus der bischöflichen Kasse ausschloss.
In diesem Zusammenhang verwahre ich mich energisch gegen die geradezu unlauteren Vorwürfe der CSU gegen meine Person, die glauben machen wollen, mir wäre an einer Zerschlagung des Ordens ohne Rücksicht auf dessen Beschäftigte gelegen. Gerade weil die Folgen der Zahlungsunfähigkeit – kein Ausfallgeld für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Deutschen Ordens – immer noch im Raum stehen, gerade weil zahlreiche mittelständische Betriebe aufgrund der ausstehenden Zahlungen des Ordens in ihrer Existenz bedroht sind und gerade weil ich von der sachlich guten Arbeit der im Orden verbliebenen Suchthilfeeinrichtungen weiß, werde ich nicht müde werden, Regelungen für diese Menschen zu fordern, die den Bestand der Einrichtungen und die rechtsverbindliche Einhaltung von Verträgen garantieren.
Wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CSU, wie ich versuchen würden, die noch heute vorhandenen Probleme in den Einrichtungen des Deutschen Ordens klar – und das heißt: ohne schwarze Brille – zu sehen, würden Sie wissen, dass die verbliebenen Suchthilfeeinrichtungen durch ihre zentrale Verwaltungsumlage auf unabsehbare Zeit die Schulden eines größenwahnsinnigen Ordensmanagements abzutragen haben.
Inwieweit in den vielfältigen Problemen dieser unendlichen Geschichte „Deutscher Orden“ ausschließlich gesetzgeberische Maßnahmen gefordert sind, oder ob hier auch durch die verfasste Kirche, insbesondere im Hinblick auf zukünftige Aufsichtsmaßnahmen, ein Beitrag zu leisten ist, muss geprüft werden. Angesichts der im Fall „Deutscher Orden“ nicht ausgeübten kirchlichen Aufsicht durch den Heiligen Stuhl über seine päpstlichen Orden ist die Staatsregierung als Vertragspartner des Konkordats aufgefordert, die vielfältigen offenen rechtlichen Fragen mit dem Heiligen Stuhl zu prüfen und durch Abschluss eines Zusatzprotokolls zum Konkordat einer Lösung zuzuführen. Hierzu gehört zum einen die Regelung einer strikten kirchlichen Aufsicht und zum anderen
ein Eintreten der Kirche im Falle einer faktischen Zahlungsunfähigkeit eines päpstlichen Ordens, wie wir sie hier gesehen haben.
Auch die zivilrechtlich völlig ungelöste Frage, welche Folgen eine Verletzung der Rom-Grenze hat – das heißt, die Verträge ab einer bestimmten Höhe, ab 5 Millionen e, müssen genehmigt werden –, was geschieht, wenn die ohne Zustimmung des Vatikans ausgeführt werden, bedarf einer genauen Klärung. Auch hierzu hat die katholische Kirche zum Schutz der Rechtssicherheit für die Allgemeinheit einen Beitrag zu leisten.
Abschließend fordere ich Sie auf, Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Stellen Sie sich endlich den vielen offenen Fragen, die die Misere des Deutschen Ordens aufgeworfen hat. Hören Sie auf, die Fehler Ihres Ministerpräsidenten – koste es was es wolle – im Nachhinein decken zu wollen. Helfen Sie mit, tragfähige Grundlagen für die Zukunft kirchlicher Orden, die im sozialen Bereich tätig sind, zu schaffen, und verweigern Sie den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Einrichtungen nicht den staatlichen Schutz. Folgen Sie – das ist mein Appell – den Vorschlägen und Forderungen der SPDFraktion. Dann schaffen wir gemeinsam eine tragfähige, fruchtbare Basis für das Verhältnis unseres Freistaates Bayern zur katholischen Kirche mit ihren Orden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Dinglreiter, Sie haben in der Aktuellen Stunde eben genau das Gleiche gemacht wie gestern der Ministerpräsident auf dem CDU-Parteitag bei seiner Abschiedsrede als Kanzlerkandidat. Sie haben nur kritisiert, Sie haben nur gemeckert, machen aber keinerlei konkrete Vorschläge, wie Sie das finanzieren wollen.
Sie sind ohne eigenes Konzept und machen keine Einzelvorschläge zur Lösung der Probleme. Das ist eine sehr armselige Haltung. Meine Damen und Herren, die Politik der Bundesregierung basiert auf folgendem strategischen Dreiklang: konsolidieren, investieren und reformieren.
Meine Damen und Herren, da staunen Sie. Konsolidieren war, ist und bleibt das Kernstück sozialdemokratischer Regierungspolitik in Berlin. Der Marsch in den Verschuldungsstaat wurde durch Hans Eichel gestoppt.
Herr Kollege Dr. Bernhard, 1500 Milliarden DM, also 1,5 Billionen Mark, betrug bei der Regierungsübernahme 1998 die Schuldenlast des Bundes. Die jährliche Zinslast für den Bundeshaushalt betrug 82 Milliarden DM. Das ist die leider nach wie vor wirksame katastrophale Erblast von 16 Jahren Ihrer Regierung.
Heute – in einem schwierigeren weltwirtschaftlichen Umfeld – lehnen Sie von der Union einerseits Ausgabenminderungen ab, schimpfen aber andererseits gleichzeitig auf geplante Einnahmeverbesserungen.
Außerdem beklagen Sie lautstark – zum Beispiel in Ihren Zwischenrufen – die Nichteinhaltung der Neuverschuldungsgrenze von 3% des Europäischen Stabilitätspaktes. Meine Damen und Herren von der CSU, das ist eine widersprüchliche, unredliche und unseriöse Politik.
Nehmen wir zum Beispiel die Kürzung der Eigenheimzulage: Über diesen Punkt kann man sicherlich diskutieren. Die Wohnraumförderung für Familien mit Kindern steht für uns dabei im Vordergrund. Die CSU hat allerdings am allerwenigsten Grund, dies zu kritisieren. In einer Nachtund-Nebel-Aktion hat der Freistaat zinsgünstige Darlehen der sozialen Wohnraumförderung gekappt. Ich habe das den „Nürnberger Nachrichten“ vom 9. bis 10. November entnommen. Dort hieß es:
Freistaat kappte zinsgünstige Darlehen der sozialen Wohnraumförderung ohne Vorwarnung der Betroffenen. Hiobsbotschaft für Bauherren kam per E-mail. In diesen Tagen hat es zahlreiche Bauherren in Bayern kalt erwischt. Über Nacht hat der Freistaat die Vergabebedingungen für zinsgünstige Baudarlehen so verschärft, dass Betroffene nun völlig überraschend ihr Projekt aufgeben, umplanen oder zusätzliches Kapital beschaffen müssen.
Das ist Ihre Politik.
Jetzt stellen Sie Dringlichkeitsanträge, um die Bauwirtschaft zu fördern. Meine Damen und Herren, bevor Sie über Berlin schimpfen, machen Sie Ihre Hausaufgaben.
Meine Damen und Herren von der CSU, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Ein weiteres Beispiel sind die Einnahmen, die Einführung einer Mindestbesteuerung bei Kapitalgesellschaften. Ihr Kandidat beklagte im Bundestagswahlkampf in echt klassenkämpferischer Manier – das war ein richtiger PDS-Wahlkampf – den Einbruch bei der Körperschaftssteuer. Er wurde nicht müde, die angebliche soziale Schieflage und die Benachteiligung des Mittelstands anzuprangern. Die CSU lehnt aber jetzt die Mindestbesteuerung, die Einschränkung des Verlustvor- und -rücktrages, durch die die Körperschaftssteuer erhöht würde, ab. Die CSU lehnt ab, ohne eigene Vorschläge zu machen oder ein Konzept zu haben.
Sie geben das auch zu. Der Finanzminister hat in der „Financial Times Deutschland“ am 24. Oktober erklärt: „Union kündigt Widerstand gegen Mindeststeuer an“.
Sie sagen: Das ist richtig. In dem Artikel heißt es weiter:
Der Minister räumte ein, dass die Union in dieser Frage noch kein fertiges Konzept habe. Klar aber ist, statt mit dem Holzhammer draufzuschlagen, muss an vielen kleinen Stellschrauben gedreht werden, etwa im Bereich der steuerlichen Organschaften.
Meine Damen und Herren, machen Sie erst einmal Ihre Hausaufgaben. Der Finanzminister soll ein Konzept vorlegen. Dann können Sie kritisieren.
Nun zur Öko-Steuer. Sie haben bei der Öko-Steuer zum Beispiel die mangelnde ökologische Lenkungsfunktion kritisiert und die Steuer als „Abkassiermodell“ diskreditiert.
Jetzt lehnen Sie die Vorschläge ab, wonach die Steuer für starke Energieverbraucher und energieintensive Industrien behutsam angehoben werden soll. Das ist widersprüchlich, unredlich und unseriös.
Nun zur zweiten Säule der Politik der Bundesregierung, also zum Investieren: Die Bundesregierung verstetigt ihre Investitionen auf hohem Niveau. Für gute Projekte – auch Projekte in Bayern – werden 29 Milliarden Euro ausgegeben. Denken Sie nur an die Autobahnen, die ICE-Strecke und die Fußballstadien. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind von 5,1 Milliarden Euro im Jahre 1997 auf 6,2 Milliarden Euro im Jahre 2002 gestiegen, also um mehr als eine Milliarde Euro. Das ist wahre Zukunftspolitik. Das muss ich einmal deutlich hervorheben.
Die Gemeindefinanzreform zur Stärkung der Investitionskraft der Kommunen wird jetzt angegangen.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zu den Reformen: Mit dem Hartz-Konzept schafft die Bundesregierung die notwendigen Rahmenbedingungen für eine rasche und nachhaltige Vermittlung von Arbeit. Sie schafft mehr Brücken für die Beschäftigung und eröffnet neue Beschäftigungsfelder. Mit der Umsetzung der Vorschläge der Kommission „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ bringt die Bundesregierung die größte Arbeitsmarktreform in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg. Diese Reform wird auch auf dem Arbeitsmarkt in Bayern positive Auswirkungen zeitigen. Die Vorschläge, die von den Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Wissenschaft und der Politik in der Kommission einstimmig beschlossen wurden, sind geeignet, eine zum Teil lähmende gesellschaftliche Debatte zu überwinden. Die Reform verbindet die unternehmerischen Erwartungen auf Flexibilität mit dem Anspruch des Einzelnen nach sozialer Sicherheit. Die Vorschläge der Hartz-Kommission bilden ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und für mehr Beschäftigung.
Stimmen Sie doch zu. Machen Sie mit. Blockieren Sie diese Reformen nicht im Bundesrat. Das haben die Arbeitslosen in unserem Lande nicht verdient.
Die bedauerlich hohe Arbeitslosigkeit ist in erster Linie durch die weltkonjunkturelle Lage bedingt. Sie lässt manchmal die Erfolge der rot-grünen Arbeitsmarktpolitik in den Hintergrund treten. Ich möchte nur an die steigende Erwerbstätigkeit der Frauen erinnern. 1997 waren in unserem Lande 15,2 Millionen Frauen berufstätig. Im Jahre 2002 sind es bereits 16,2 Millionen. Ich erinnere auch an die steigende Zahl sozialversicherungspflichtiger Teilzeitbeschäftigter. 1997 waren es 3,62 Millionen, im Jahre 2001 4,12 Millionen.
Mit der vorübergehenden Anhebung der Rentenbeiträge sichert die Bundesregierung die wohl verdienten Renten unserer Ruheständler und schafft die Voraussetzungen für die umfassende Reform des Gesundheitswesens. „Konsolidieren, investieren und reformieren“ ist die Leitlinie der Politik der Bundesregierung zum Wohle der gesamten Bundesrepublik, auch des Freistaates Bayern. Die rot-grüne Bundesregierung mit Bundeskanzler Gerhard Schröder an der Spitze wird auch in schwierigen und stürmischen Zeiten das Staatsschiff erfolgreich steuern und in ruhigere Gewässer leiten. Eine Unionsopposition ohne Konzept brauchen wir dabei nicht zu fürchten.
Meine Damen und Herren, Sie gewinnen die Umfragen, wir gewinnen die Wahlen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bundesregierung handle ohne Mut und Kraft, hat der Wirtschaftsminister eingangs seiner Rede festgestellt. Wenn man die Vortragsweise erlebt hat, in der er seine Rede verlesen hat, fragt man sich, wem hier Mut und Kraft fehlen.
Vielleicht liegt aber die mangelnde Begeisterung des Ministers in der Tatsache begründet, dass der heute vorliegende Haushalt eigentlich nur aus fiktiven Zahlen besteht. Wenn wir hören, dass der Finanzminister allen Ressortchefs aufgegeben hat, 500 Millionen Euro einzusparen, weil sie im Haushalt fehlen, dann frage ich mich – erklären Sie uns das doch bitte, Herr Minister Wiesheu –, wie die Haushaltszahlen im Wirtschaftsministerium aussehen.
Sie haben erklärt, zwei Drittel des Haushalts bestünden aus Investitionsmitteln. Da die Ausgaben der anderen Haushalte in der Regel gesetzlich festgelegt sind, wird man wahrscheinlich im Wirtschaftsministerium erhebliche Einschnitte vornehmen müssen. Dazu hätten wir gern etwas gehört und nicht eine langweilige Rede, die Sie einfach nur vorgelesen haben.
Der Wirtschaftsminister hat auch lobend die neuesten Wachstumszahlen der einzelnen Bundesländer hervorgehoben. Er hat gesagt, Bayern liege vor Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Ich habe hier einen Artikel des „Münchner Merkur“ vom 25. September vor
liegen. Darin heißt es: „Wachstum in Bayern kommt zum Stillstand. Süden verliert Rolle als Konjunkturlokomotive.“ Wenn ich mir die Reihung ansehe, stelle ich fest: An der Spitze stehen Schleswig-Holstein, Saarland, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz. Bayern kommt erst an siebter oder achter Stelle. So toll ist es mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Bayern nicht, wie Sie es immer wieder auf Ihre Fahnen schreiben, Herr Wirtschaftsminister.
Wirtschaftsförderung ist Ländersache. Diese Feststellung ist eine verfassungsrechtliche Tatsache auf der einen Seite und Einforderung eines Anspruchs gegenüber Berlin und Brüssel auf der anderen Seite. Nach dem Subsidiaritätsprinzip sollte in Sanierungsfällen der Bund nur dann tätig werden, wenn die Möglichkeiten eines Landes nicht ausreichen. So hat der Bundeskanzler zum Beispiel nach dem Scheitern der Bemühungen des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch im Falle Holzmann eingegriffen. Im Falle Mobilcom – Schleswig-Holstein kann das nicht alleine schultern – greift die Bundesregierung ein. Der Fall Fairchild Dornier, bei dem es um eine Technologie geht, die in Deutschland gehalten werden muss, ist sicherlich auch eine nationale Aufgabe. Sie haben immer wieder gelächelt und gelästert über Holzmann. Ich will nur sagen, dass trotz der Insolvenz bei Holzmann 80% der Arbeitsplätze gerettet werden konnten, und zwar ohne einen Pfennig Geld vom Staat.
Die Bedingungen dafür, dass die KfW Geld gegeben hat, war, nachdem der Bundeskanzler es versprochen hatte, dass alle anderen Banken ihre Kreditlinien ausgeschöpft hätten. Eine solche Form der Sanierung wünsche ich mir in vielen Fällen auch in Bayern.
Nun zurück zu Bayern. Die LfA-Förderbank ist sicherlich ein wichtiges Instrument bayerischer Förderpolitik. Der Wirtschaftsminister ist Vorsitzender des Verwaltungsrates. Im letzten Jahr kam zum 50-jährigen Jubiläum der LfA eine Festschrift heraus. Herr Wiesheu hat auch das Vorwort mitgeschrieben. Da ist folgender Artikel zu lesen:
„München Prinzregentenstraße. In einem schmucklosen Büro sitzt seit Stunden ein gutes Dutzend in feinem Zwirn gekleidete Herren um den ovalen Tisch herum. Einer fällt etwas aus dem Rahmen. Er hat sich die Erlaubnis der erlauchten Runde eingeholt, sich seines Sakkos entledigen zu dürfen. Den Stuhl zurückgerückt, die Ellenbogen auf die Oberschenkel gestützt, die Stirn unter dem rotblonden Haar in tiefe Falten gelegt, so verfolgt der Hausherr die sich endlos hinziehende bislang fruchtlose Diskussion mit den Spitzenvertretern der Münchner Kreditwirtschaft. Mit einem Ruck richtet er sich aus der zusammengekauerten Haltung auf und sagt: „Meine Herren, wir werden nicht auseinandergehen, eher wir eine Lösung für das Problem gefunden haben!“ Einige Sekunden herrscht betretenes Schweigen, doch dann geht es ganz schnell. Die Entschlossenheit des Gastgebers hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Eine halbe Stunde später steht das
Bankenkonsortium. Der Kredit als Grundlage für die Rettung der Firma Grundig ist perfekt.
Herr Staatsminister Wiesheu, an Ihrer Stelle hätte ich mir eine so peinliche Eloge in einer Festschrift der LfA-Förderbank Bayern verbeten.
Herr Maier-Mannhart, der diese Eloge geschrieben hat, sei ins Stammbuch geschrieben: Die Zeiten des Isar-Kapitalismus sind im Zeichen von Globalisierung und Europäisierung längst vorbei.
Herr Abgeordneter Wiesheu, ich habe gesagt, dass dem Autor des Beitrags, Herrn MaierMannhart, ins Stammbuch geschrieben werden müsste, dass die Zeiten des Isar-Kapitalismus vorbei sind. Ich nehme aber doch an, Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, dass Sie als Verwaltungsratsvorsitzender der LfA ein Wörtchen mitreden, wenn eine teure Festschrift erstellt wird.
Bayern ist kein Modell für Deutschland und kann es auch nicht sein. Leider sind auch in Bayern die sieben fetten Jahre vorbei. Die Privatisierungserlöse in Höhe von 5 Milliarden Euro, die in diesem Land eine Sondereinnahme waren, sind ausgegeben. Das Tafelsilber des Freistaats Bayern, angesammelt in Jahrzehnten, ist leider verkauft worden. „Es brennt in Bayerns Wirtschaft und Stoibers liebste Feuerwehr, die Bayerische Landesbank, lässt auch kein Geld mehr regnen“, stellt das eher unionsnahe „Düsseldorfer Handelsblatt“ schon im April dieses Jahres fest. In der Tat, Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, meine Damen und Herren von der CSU: Die Reihe der ungelösten Sanierungsfälle und der industriepolitischen Fehlschläge wird immer länger. Für den Niedergang der oberfränkischen Porzellanindustrie steht der traditionsreiche Name Hutschenreuther. Der Gewerkschaftsorden für Wirtschaftsminister Wiesheu erwies sich als Vorschusslorbeer. Wiesheu verhinderte die Übernahme von Hutschenreuther durch Villeroy & Boch aus dem Saarland – bayerische Lösung, Isar-Kapitalismus – und forcierte eine bayerische Lösung, nämlich
den Kauf durch die Winterling AG. Die Winterling AG ging mittlerweile in Konkurs.
Der 15-jährige Überlebenskampf der hoch subventionierten Maxhütte in der Oberpfalz ging zu Ende.
Gescheitert ist die Maxhütte an CSU-Freund Max Aicher, der einer zukunftsfähigen Lösung im Wege stand. Jetzt muss die Staatsregierung erneut ein regionales Hilfspaket mit einem Volumen von 45 Millionen e schnüren.
Die Sanierung des Konzerns Grundig AG steht auf des Messers Schneide. Anton Kathrein – auch ein guter Bekannter des Wirtschaftsministers – hat von den Banken die Anteile an Grundig gekauft. Er hat aber selbst kein Geld, um zu investieren. Beim Ein- bzw. Ausstieg eines industriellen Partners möchte er aber kräftig abkassieren.
Ein vierter Fall. Vor der letzten Landtagswahl im August 1998 stieg die Förderbank Bayerns mit 36% bei den Schneider Rundfunkwerken ein und besaß mit 21% zusätzlich abgetretener Stimmrechte die Mehrheit in der Hauptversammlung. Schneider ist nunmehr vier Jahre später insolvent. Die Patente der Schneider Technologies AG, die mit über 9 Millionen e aus Mitteln der Bayerischen Forschungsstiftung gefördert wurden, liegen jetzt bei Jenoptik in Thüringen. Obwohl ein Vorstandsmitglied des LfA im Aufsichtsrat vertreten war, behauptet Minister Wiesheu jetzt, die Insolvenz habe der Vorstand zu vertreten, weil er entgegen dem damaligen Gutachten von Roland Berger dem Rat, nicht ins Fernseher-Massengeschäft einzusteigen, nicht gefolgt sei. Davon, dass der Vorstand entgegen dem Rat von Roland Berger ins Fernseher- Massengeschäft eingestiegen ist, habe man nichts gewusst. So erklärte Minister Wiesheu hier im Landtag sowohl im Wirtschaftsausschuss als auch im Plenum.
Jeder, der über einen Internetanschluss verfügt, kann sich die Rede des damaligen Vorstandsvorsitzenden auf der Hauptversammlung am 19. Juli 2000 herunterladen. Damals sagte Herr Niemeyer, der positive Trend der Firma setze sich im Geschäftsjahr 2000 fort. Die Verbreiterung der Umsatzbasis sei für die Wiedererreichung der Profitabilität von entscheidender Bedeutung. Man habe dieses nur erreicht, indem man die Mengenbasis erfolgreich ausgeweitet habe. Das ist damals in der Hauptversammlung gesagt worden. Offensichtlich hat man das im Wirtschaftsministerium und in der LfA nicht zur Kenntnis genommen. Dafür, dass Schneider vor dem Hintergrund dieser Tatsachen gescheitert ist, sind Sie, Herr Staatsminister Wiesheu, politisch verantwortlich. Aus dieser Verantwortung können Sie sich nicht herausstehlen.
Das Vorstandsmitglied der LfA, das bei Schneider seit 1995 im Aufsichtsrat vertreten war, war auch im Aufsichtsrat der LWS und auch im Aufsichtsrat der MusicalGesellschaft in Füssen vertreten. Die Auswahl des Führungspersonals und der politischen Kontrolleure fällt also unter die Verantwortung des Wirtschaftsministers. Herr Wiesheu ist damit auch für das Scheitern der einzelnen Unternehmen verantwortlich.
Es reicht nicht, die Sanierungslösungen als Erfolge zu verkaufen, gleichzeitig aber die Unternehmen aus dem Auge zu verlieren. Seit Jahren fordern wir von Seiten der SPD ein wirksames Ablaufcontrolling und eine staatliche Begleitung der Sanierungsfälle. Schließlich sind in die Sanierungen auch staatliche Gelder hineingeflossen. Bei Schneider hat die LfA sogar über ein Jahr hinweg die Mehrheit gehabt.
Soweit zu den Sanierungsfällen und industriepolitischen Fehlschlägen in Bayern. Zur Mittelstandspolitik wird mein Kollege Manfred Scholz einige Ausführungen machen.
Ich komme jetzt zur regionalen Wirtschaftspolitik als originäre und wichtige Aufgabe der Landespolitik. Herr Wiesheu, Sie haben mit Ihrer Rede versucht, den Eindruck zu erwecken, es gebe kein Nord-Süd-Gefälle. Sie brauchen nur die Zeitung aufzuschlagen. Am 5. November hat Anja-Maria Meister im „Nordbayerischen Kurier“ einen Artikel über eine Studie geschrieben, welche im Sozialministerium vorgestellt worden ist. Die Überschrift des Artikels lautet: „Franken verdienen weniger als die Oberbayern – Beschäftigungs-Untersuchung zeigt regionales Gefälle“. In Südbayern ist die Stimmung eher positiv, in Nordbayern dagegen nicht. Bedenklich findet es der Autor der Studie, dass nicht nur die Prozessinnovationen, die meist ohnehin nicht mit mehr Stellen einhergehen, sondern auch die Produktinnovationen mit meist positivem Umsatz und Beschäftigungseffekt im Norden seltener sind als in Südbayern. Das ist auch kein Wunder. 13 Max-Planck-Institute gibt es in München bzw. im Raum München. Daneben gibt es eine Menge Fraunhofer-Institute. Das Europäische Patentamt und das Deutsche Patentamt sind in München. Deshalb fallen hier mehr Patente und Prozess- und Produktinnovationen an. Das ist eben das Süd-Nord-Gefälle, welches wir beklagen. Die Bayerische Staatsregierung macht aber seit Jahrzehnten nichts gegen dieses regionale Gefälle.
Ein Fünftel des Bruttoinlandprodukts Bayern wird in der Stadt München erwirtschaftet, ein Viertel in der Stadt und im Landkreis München und ein Drittel in der Region München. Das sind eindeutige Zahlen. Darauf sollte auch der Wirtschaftsminister eingehen.
Der Umweltminister sagte am 16. August 2001 – nachzulesen in der „Süddeutschen Zeitung“ –, von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Großraums München müsse nach seiner Ansicht das ganze Land profitieren. Bayern brauche ein Gesamtkonzept für die Ansiedlung neuer Betriebe, welches auch Franken, ganz Ostbayern und das übrige Schwaben umfasse. Dies sagte Schnappauf zur Idee von Wirtschaftsminister Otto Wiesheu von einer „Greater Munich Area“. Recht hat der Umweltminister. Gleichzeitig ist es aber ein Armutszeugnis für die Landesentwicklungspolitik der CSU-Staatsregierung, wenn man eine solche Aussage treffen muss.
Die Zahlen sind auch bei der Beschäftigungsentwicklung eindeutig. Zwischen 1991 und 2000 – das ist das letzte Jahrzehnt – hatte Freising einen Beschäftigungszuwachs von 33%, Ingolstadt einen von 10,7%, Regensburg nur einen von 8% und Landshut einen von 6,8%. In Nürnberg betrug der Zuwachs minus 4,9%, in Weiden minus 7,0%, in Coburg minus 7,6% und im Arbeitsamtsbezirk Hof minus 14,5%. Das sind eindeutige Zahlen, die dieses Nord-Süd-Gefälle oder Süd-Nord-Gefälle belegen.
Dasselbe gilt auch für den Arbeitsmarkt. Gott sei Dank hat Bayern die zweitniedrigste Arbeitslosenquote unter den 16 Ländern. Sorge macht uns aber – und darauf sollten Sie auch eingehen –, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Oktober 2002 im Vergleich zum Vorjahresmonat in keinem anderen Bundesland höher gewesen ist als Bayern, wo er 18,6% betragen hat. Im Vergleich zum Vormonat September hat Bayern hinter Schleswig-Holstein und Hamburg den dritthöchsten Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. 376000 Menschen sind in Bayern arbeitslos. Eine Aufgabe der Landespolitik ist es daher, dieser hohe Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken.
Die regionalen Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit innerhalb eines Landes sind in Bayern deutlich größer als in Baden-Württemberg und Hessen. Donauwörth hat mit 3,4% die niedrigste Arbeitslosenquote, Freising hat 3,5%, Hof hat demgegenüber 10,4%.
Sie müssen dieser Entwicklung entgegenwirken. Das beste Mittel des Entgegenwirkens sind Investitionen – auch staatliche Investitionen – und ein Abbau des Zentralismus. Ich bin gespannt darauf, was aus der Ankündigung des Landesentwicklungsministers wird, Bayern starte Anfang 2003 regional. Ich weiß nicht, was wir uns darunter vorzustellen haben. Es klingt aber jedenfalls sehr gut, wenn den Regionen mehr Kompetenzen gegeben werden, weil damit auch die endogenen Kräfte der Regionen gestärkt werden.
Um dieses Gefälle in Bayern auszugleichen, müssen wir unsere Kräfte bündeln. Ich komme dabei auf eine alte Aussage zurück. Wir haben in Bayern zwei Standortagenturen, die im Wirtschaftsministerium angesiedelte Stabsstelle „Invest in Bavaria“ und die in der Staatskanzlei angesiedelte Stelle „Go to Bavaria“. Die Zuständigkeiten für die IOK-Technologie und für die IOK-Industrie liegen in der Staatskanzlei. Diese Zuständigkeit sollte nach unserer Auffassung ins Wirtschaftsministerium verlagert werden. Leider kann sich Herr Minister Wiesheu damit nicht durchsetzen. Die Staatskanzlei sollte sich aus dem operativen Geschäft heraushalten. Sie hat Koordinierungsaufgaben. Wirtschaftsförderung ist Sache des Wirtschaftsministeriums. Die Wirtschaftsförderung sollte in einer Hand bleiben. Auch in Zeiten knapper oder leerer Kassen können wir es uns nicht leisten, dass zwei Agenturen nebeneinander oder gegeneinander arbeiten.
Wir brauchen eine Verknüpfung der Regionalpolitik mit der Arbeitsmarktpolitik der Bundesanstalt für Arbeit. Wir müssen uns in der Arbeitsmarktpolitik des Landes ver
stärkt anstrengen und von der bisherigen Symbolpolitik abkehren.
Wir brauchen ein Überwinden der kommunalen Investitionsschwäche durch staatliche Hilfestellung und ein mittelfristiges Umsteuern der staatlichen Investitionen nach regional- und strukturpolitischen Notwendigkeiten.
Die konjunkturelle Lage schildert das „Handelsblatt“ am 5. 11. 2002 folgendermaßen: „Insgesamt ist derzeit wenig konjunkturelle Dynamik zu spüren, weder nach oben noch nach unten.“ Der Einfluss der Landes- und Bundespolitik auf die weltwirtschaftliche Lage ist begrenzt. Wir leiden noch unter den makroökonomischen Entscheidungen der Regierung Kohl-Waigel. Das gilt für den Umtauschkurs von 1 : 1 bei der deutschen Währungsunion, was hohe Transferleistungen über Jahrzehnte hinweg im sozialen Bereich bedeutet und einen Niedergang der ostdeutschen Industrie bewirkt hat.
Wir leiden unter der Konstruktion der Europäischen Zentralbank, die lediglich der Preisstabilität verpflichtet ist, und nicht auch dem Wirtschaftswachstum. Die Zinsen in Höhe von 3,25% sind im Vergleich zu den Zinsen, die es in Amerika mit 1,25% gibt, einfach zu hoch. Das Gleiche gilt für die starren Regelungen des europäischen Stabilitätspakts. Übertriebene Sparmaßnahmen lösen eine Spirale nach unten aus, so wie es die Politik Brünings Anfang der dreißiger Jahre getan hat. Das waren alles Entscheidungen der alten Regierung Kohl-Waigel gewesen.
Das größte Nachfrageaggregat und damit der bedeutendste Faktor für die Konjunktur ist der private Konsum. Jeder sagt, dass Geld eigentlich da ist, aber eine gewisse Unsicherheit besteht. Sie von der CSU reden schon den ganzen Nachmittag in der Debatte diese Unsicherheit herbei. Sie jammern ständig und kritisieren laufend. Wir müssen aber Optimismus verbreiten, damit der private Konsum ansteigt.
England macht es uns vor. Wir brauchen eine Abkehr von der Sonthofen-Strategie II. Sie von der CSU wollen eine Abwärtsspirale herbeireden. Wir brauchen aber eine Strategie des Optimismus und der Zuversicht, eine Strategie des Zu- und Anpackens, um die Zukunft zu meistern. Die SPD-Fraktion wird ihren Beitrag dazu leisten. Deshalb können wir dem Haushalt des Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie nicht zustimmen, denn Sie von der CSU sind nicht bereit, Ihren Beitrag zu einem Aufschwung in Deutschland zu leisten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die aggressive Wortwahl der Redner der CSU zu dieser Aktuellen Stunde zeigt sehr deutlich, dass offenbar bei manchen von Ihnen – auch bei Herrn Glück – die Enttäuschung über die nicht erfüllten Karriereträume sehr groß geworden ist.
Bemerkenswert ist, dass Herr Glück als erster Redner der CSU die Berufung eines erfolgreichen Ministerpräsidenten als Bankrott für die Landespolitik in NordrheinWestfalen bezeichnet und dabei völlig vergisst, mit welch großen Strukturproblemen bei der Kohle- und Stahlindustrie ein Land wir Nordrhein-Westfalen zu kämpfen hatte.
Sie waren über fünfzehn Jahre hinweg nicht in der Lage, die Strukturprobleme eines einzigen Stahlwerks, der Maxhütte, zu lösen. Fünfzehn Jahre lang!
Sie jammern jetzt über leere Kassen und einbrechende Steuereinnahmen und verweisen auf Nordrhein-Westfalen. Herr Clement hatte in den letzten sieben Jahren nicht wie Herr Stoiber die Möglichkeit, 5 Milliarden e auszugeben. Sie haben das Geld ausgegeben. Jetzt haben Sie keines mehr und jammern über den Bund. 5 Milliarden e an Privatisierungserlösen sind jetzt weg. Jetzt haben Sie kein Geld mehr und daher jammern Sie über den Bund.
Besonders bemerkenswert war Ihre Aussage: „Bayern geht es gut, weil Sie“ – gemeint ist die SPD – „nicht regieren.“
Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob diese Arroganz und Überheblichkeit, die in diesen Worten zum Ausdruck kommen, nicht dazu geführt haben, dass die Union außerhalb Bayerns unter die 30-Prozent-Grenze gefallen ist. Das haben auch Sie mit Ihrer ständigen Arroganz und mit der Überheblichkeit, Sie seien die Besten und Vorbild nicht nur für Deutschland, sondern für Europa und das ganze Universum, verursacht.
Herr Kollege Welnhofer, Sie brauchen nicht zu befürchten, dass Bayern wegen des Wahlergebnisses abgestraft wird.
Gut, welches Wahlergebnis er auch immer gemeint hat. Sie sollten nicht vom eigenen Versagen ablenken und schon vorbeugend die Probleme, die auf uns zukommen werden, auf den Bund abschieben. Bayern ist in den letzten vier Jahren gut bedient worden – sei es in der Landwirtschaft, bei der Bundeswehrreform, bei Forschung und Entwicklung oder bei der Infrastruktur, auch wenn der Transrapid nicht kommt. Insbesondere im Raum München werden darüber einige gar nicht so traurig sein.
Herr Kollege Bernhard, Sie sprachen vom Wachstum. Das Wachstum Bayerns lag in der ersten Hälfte des Jahres 2002 auch nur im Mittelfeld aller Bundesländer. So rosig sieht es also nicht mehr aus. Sie sprachen davon, dass uns eine Steuererhöhungsorgie droht. Was meinen Sie damit? Erbschaftsteuer und Vermögensteuer sind reine Landessteuern. Wenn Sie kein Geld brauchen, können Sie sie im Bundesrat doch ablehnen.
Dann tun Sie es. Ob es die CDU-regierten Länder auch tun werden, wollen wir aber erst einmal abwarten. Haben Sie mit der Steuererhöhungsorgie vielleicht die Vorschläge des Herrn Ministerpräsidenten bezüglich der Steuerfreiheit für Erlöse aus der Veräußerung von Beteiligungen der Unternehmen gemeint? Da haben Sie Steuererhöhungen verlangt. Sie haben doch darüber geklagt, dass die Körperschaftsteuer -
Natürlich wird das gemacht. Bei dieser Steuererhöhung stimme ich Ihnen sogar zu. Dann sollten Sie aber nicht von Steuererhöhungsorgien sprechen.
Sie klagen ständig über Einbrüche bei der Körperschaftsteuer. Jetzt soll eine Mindestbesteuerung eingeführt werden. Ich bin gespannt darauf, ob Sie dem zustimmen werden oder ob Sie weiterhin über Einbrüche bei der Körperschaftsteuer klagen. Ihre Argumente sind schon sehr problematisch.
Als Letztes komme ich auf Ihre Aussage, der Kurs der Bundesregierung sei antiamerikanisch. Viele Amerikaner, insbesondere die Demokraten, sehen das völlig anders. Die Bush-Administration ist nicht Amerika, genauso wie die CSU-Staatsregierung nicht Bayern ist.
Zu den Aufgaben, die jetzt anstehen. Sie sollten sich einmal die Arbeitslosenzahlen ansehen. Bayern hat zwar noch die zweitgünstigste Arbeitslosenquote. Mit dem Zuwachs der Arbeitslosenzahlen liegen wir aber an der Spitze der gesamten Republik.
Sehen Sie sich nur die Lebensverhältnisse in Bayern an. Hier haben wir ein ganz großes regionales Gefälle, und hier haben Sie ganz große Aufgaben zu erfüllen. Von den Sanierungsfällen wie Fairchild-Dornier oder Kirch möchte ich gar nicht sprechen. Sie haben in Bayern in den nächsten Jahren oder zumindest im nächsten Jahr genügend Aufgaben zu erfüllen. Hören Sie endlich auf, auf die Bundesregierung zu schimpfen. Machen Sie Ihre Hausaufgaben in Bayern.
Herr Kollege, sind Sie mit mir der Meinung, dass es hilfreich wäre, wenn zu dieser Frage der Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern, Herr Kollege Traublinger, das Wort ergreifen und den Kollegen der CSU erklären würde, was Mittelstandsförderung bedeutet?
Herr Staatsminister, unterstützt das Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie die Pläne zur Gründung einer Nordbayerischen Eisenbahngesellschaft GmbH mit Sitz in Aschaffenburg, die sich zum Ziel gesetzt hat, Güterverkehr, insbesondere den von Unternehmen im südlichen Landkreis Miltenberg, wieder zurück auf die Schiene zu bringen?
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister.
Herr Staatsminister, wer sind die Gesellschafter der Nordbayerischen Eisenbahngesellschaft GmbH, und ist der Freistaat Bayern bereit, sich über seine Eisenbahngesellschaft daran direkt zu beteiligen oder die Nordbayerische Eisenbahngesellschaft finanziell zu unterstützen?
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister.
Herr Staatsminister, es wäre schön, wenn Sie meine Fragen beantworten würden, statt ständig zu polemisieren und Wahlkampf zu betreiben. Ich habe ganz konkret danach gefragt, ob sich der Freistaat Bayern oder die bayerische Eisenbahngesellschaft als Gesellschafter an dieser Neugründung beteiligen. Meine zweite Zusatzfrage: Wann soll denn der Verkehr nach den Antragsunterlagen, die Sie genehmigt haben, beginnen?
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, dass es nach dem massiven Einsatz des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch für die Mottgers-Spange an der Zeit ist, dass sich auch die Bayerische Staatsregierung positioniert und verhindert, dass die Region Bayerischer Untermain mit 70000 Einwohnern vom IC-Haltepunkt abgekoppelt wird?
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach den Redebeiträgen von Herrn Dr. Bernhard und Herrn Kollegen Kobler ist überdeutlich geworden: Sinn und Zweck der von der CSU-Fraktion beantragten Aktuellen Stunde ist einzig und allein, den Wirt
schaftsstandort Deutschland und die Konjunktur mies zu machen, schlecht zu reden und schwarz zu malen.
In der Sache scheint Ihnen das Thema nicht so wichtig zu sein; sonst kann ich mir nicht erklären, weshalb der Kanzlerkandidat, der Ministerpräsident, sowohl im Bundestag bei der Debatte um den Arbeitsmarkt fehlte als auch hier im Bayerischen Landtag.
Er hätte heute anwesend sein müssen.
Und, meine Herren Vorredner, Ihre miesmacherischen Aussagen werden regelmäßig – über kurz oder lang – von der Realität widerlegt.
Lassen Sie mich dies an sieben Beispielen zeigen.
Erstes Beispiel: der Euro. Herr Kollege Bernhard, Ihnen ist zum Euro nichts weiter eingefallen, als vor einer Erschwernis der Exporte zu warnen. Monatelang haben Sie den Euro als „Weichwährung“ diskreditiert. Nach 28 Monaten haben wir erstmals – nämlich seit gestern – wieder Parität zum Dollar.
Dies ist ein Zeichen der Stärke der europäischen Wirtschaft und nicht ein Zeichen ihrer Schwäche.
Diese Stärke des Euro gibt der Notenbank Spielraum für geldpolitische Maßnahmen,
damit die Zinsen niedrig bleiben oder noch weiter abgesenkt werden können. Dies bedeutet: mehr Investitionen und damit mehr Arbeitsplätze. Das ist eine Politik für Arbeitsplätze.
Zweites Beispiel: die Inflationsrate. Im vergangenen Monat, im Juni 2002, hat die Preissteigerungsrate mit 0,8% einen historischen Tiefstand erreicht. Ihre TeuroDiskussion schwächt die Binnennachfrage und kostet Arbeitsplätze. Das ist keine Politik für mehr Arbeitsplätze.
Drittes Beispiel: Herr Kollege Dr. Bernhard, hören Sie doch bitte auf mit Ihren Schreckensszenarien, was den Mittelstand anbelangt!
Bei Ihren großen Untergangsszenarien, die Sie vorhin wieder entworfen haben, haben Sie Basel II nicht erwähnt, den großen Verhandlungserfolg der deutschen Delegation im Baseler Bankenausschuss. Der Mittelstand bekommt, wenn Basel II in Kraft tritt, leichter Kredite, als es heute der Fall ist. Das sollten Sie würdigen. Das ist eine Politik für mehr Arbeitsplätze.
Viertes Beispiel: Gewerkschaften und die Lohnrunde. Sie haben an den Gewerkschaften Kritik geübt wegen ihrer Lohnforderungen in der diesjährigen Tarifrunde. Gott sei Dank haben wir kräftige Lohnerhöhungen bekommen. Diese Lohnerhöhungen stärken die Binnennachfrage, die Binnenkonjunktur, die ohnehin zu schwach ist. Das ist eine Politik für mehr Arbeitsplätze.
Fünftes Beispiel. Eine solide Finanz- und Haushaltspolitik ist das Markenzeichen der rot-grünen Bundesregierung.
Wir haben die Nettokreditaufnahme allmählich zurückgefahren. Sie haben uns den Schuldenberg von 1500 Milliarden DM hinterlassen.
Jetzt schlagen Sie eine Steuerpolitik vor, die unfinanzierbar ist, die uns in den finanziellen Ruin treiben wird. Allein das Dreimal-vierzig-Programm kostet 170 Milliarden e. Wie wollen Sie dies finanzieren? – In Ihrem Antrag haben Sie dazu keinerlei Vorschläge vorgelegt.
Sechstes Beispiel: die Arbeitsmarktpolitik. Der designierte Superminister Lothar Späth hat die Vorschläge der Hartz-Kommission begrüßt, er hat sie für richtig gehalten. Der Kanzlerkandidat hat sie abgelehnt. Schaffen Sie einmal Ordnung bei sich selbst, bevor Sie innovative, zielgerichtete Vorschläge der Bundesregierung ablehnen.
Siebtes Beispiel: die Unternehmensinsolvenzen, die Kollege Maget schon angesprochen hat. Laden Sie das Problem der Insolvenzen nicht auf die Bundesregierung ab. Die bayerischen Insolvenzen, insbesondere die Großinsolvenzen, sind hausgemacht, zum Beispiel Kirch. Der Medienstandort München hat durch diese Insolvenz einen schweren Rückschlag erlitten. Sie haben sie mit der maßlosen Kreditpolitik, die betrieben worden ist, mit verursacht.
Neben Fairchild Dornier und Maxhütte gibt es noch weitere Beispiele, die man anführen könnte.
Wir werden Ihrem umfangreichen Antrag, den Sie vorgelegt haben, nicht zustimmen – das können Sie wohl nicht erwarten, meine Damen und Herren.
Sie haben sechzehn Jahre lang Zeit zum Abarbeiten gehabt, haben aber versagt.
Ein letzter Satz, Herr Präsident: Wenn Sie wirklich etwas für Deutschland, für den Wirtschaftsstandort, für den Arbeitsmarkt tun wollen, sollten die Staatsregierung und der Kandidat seine Hausaufgaben in Bayern machen. Das ist der beste Dienst, den er für Deutschland leisten kann.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung unzulässiger staatlicher Vergünstigungen für den Deutschen Orden.
Es hat sicher seit langem keinen Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag gegeben, vor dessen Beantragung die Antragsteller sich so lange, so ausdauernd und so intensiv um Aufklärung bemüht haben. Mit schriftlichen und mündlichen Anfragen, Berichtsanträgen, Ausschuss- und Plenardebatten haben die Fraktionen von SPD und GRÜNEN versucht, Licht in das Dunkel der Affäre eines „hochspannenden Wirtschaftskrimis“, wie der „Münchner Merkur“ feststellte, zu bringen.
Kollege Glück hat gemeint, bei dem von uns beantragten Untersuchungsausschuss handle es sich „um den überflüssigsten Ausschuss, den der Bayerische Landtag je gesehen hat“.
Ich empfehle dem Kollegen Glück und auch den CSUKolleginnen und -Kollegen, die jetzt Beifall geklatscht haben, doch einmal einen Blick in den „Pressespiegel“ des Bayerischen Landtags zu werfen. So schreibt am 26. Juli letzten Jahres die „Süddeutsche Zeitung“:
Bisher hat die Regierung in der Affäre um den Deutschen Orden gemauert, was das Zeug hielt. Vieles liegt bis heute im Nebel.
Am 23. Februar dieses Jahres schreibt der „Münchner Merkur“:
Dass die SPD im Landtag jetzt dazu einen Untersuchungsausschuss beantragt hat, darf niemanden verwundern. Auch wenn die CSU empört verkünden lässt, man habe im Landtag mehrfach umfassend und erschöpfend dargestellt, auf welcher Rechtsgrundlage und nach welchem Verfahren dem Orden etwa die unseligen Körperschaftsrechte zuerkannt wurden, sind seit einem Jahr wichtige Fragen unbeantwortet geblieben.
Und im „Main-Echo“ ist am gleichen Tag nachzulesen, ebenfalls im „Pressespiegel“ veröffentlicht:
Es ist eine Brüskierung der Öffentlichkeit wie des Parlaments, wie sich Stoiber einfach wegduckt, nachdem „sein“ Orden ein solches Finanzdesaster angerichtet hat. Das schon aus anderen Affären bekannte „Prinzip Stoiber“, auf Tauchstation zu gehen und das Auslöffeln der Suppe den Kabinettsmitgliedern und der CSU-Landtagsfraktion zu überlassen, muss auf die Landtagsopposition – aber nicht nur auf sie – wie eine Provokation wirken.
Meine Damen und Herren, dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Wenn das Ordensmitglied Stoiber gemeint hat, er könne die Affäre seines Ordens aussitzen und ausschweigen, hat er sich gewaltig geirrt.
Seit Beginn der Zahlungsschwierigkeiten am 30. November 2000 hat der Herr Ministerpräsident, der sonst zu Gott und der Welt, zu allem und jedem redet, zum Deutschen Orden kein Sterbenswörtchen gesagt. Wir vonseiten der SPD-Fraktion sind der Auffassung, Ministerpräsident Dr. Stoiber sollte sich seiner Verantwortung stellen. Deshalb ist der Untersuchungsausschuss unumgänglich geworden.
Der Deutsche Orden hat sich innerhalb weniger Jahre zu einem Sozialkonzern mit einer halben Milliarde Umsatz entwickelt, und dies ohne nennenswertes Eigenkapital, nur mit Hilfe von Schenkungen, Bankkrediten und öffentlichen Fördermitteln. Die erklärte Zielsetzung war laut Geschäftsführer noch 1999, der größte Sozialkonzern Europas zu werden. Ende 2000 wurden diese Pläne durch den wirtschaftlichen Zusammenbruch des Imperiums jäh gestoppt. Jetzt geht es auch darum aufzuklären, inwieweit bei dieser wahnwitzigen Expansionsstrategie die Staatsregierung und die Behörden des Freistaats Bayern mitgeholfen haben.
Mit Urkunde vom 20. Mai 1998 erhielt der Deutsche Orden, Institut gottgeweihten Lebens päpstlichen Rechts, vom Kultusministerium bekanntlich die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zugebilligt. Ministerpräsident Stoiber hatte sich zuvor in einem Schreiber an Kultusminister Zehetmair massiv für diese Anerkennung ausgesprochen. Sitz der neuen Körperschaft wurde Weyarn im oberbayerischen Landkreis Miesbach.
Die rechtlichen Voraussetzungen für die Körperschaftsverleihung, nämlich personelle Mindestzahl und wirtschaftliche Stabilität, waren offensichtlich nicht gegeben. Nach unserer Auffassung ist die verfassungsrechtlich gebotene sorgfältige und genaue Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen unterblieben.
So entstand aufgrund dieses staatlichen Handelns ein Sozialkonzern, der wegen seiner Rechtsform insolvenzunfähig ist, aber zahlungsunfähig werden konnte. Der praktische Konkurs einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein einmaliger Fall in der gesamten Bundesrepublik. Das hat es bisher noch nicht gegeben, das hat nur die Regierung Stoiber in Bayern fertiggebracht.
Ich nehme diesen Zwischenruf sehr gerne auf. Diese Verleihung an diesen kleinen Orden hat auch innerhalb der Kirche Verwunderung ausgelöst. Der „Kölner Stadtanzeiger“ hat am 6. Dezember 2000 Herrn Prälat Norbert Feldhoff, den Generalvikar des Erzbistums Köln, interviewt. Auf die Bemerkung der Zeitung: „Bayern hat den Orden als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt“ antwortete Herr Prälat Feldhoff:
Das habe ich überhaupt nicht verstanden, dass eine so kleine Gemeinschaft einen so weitreichenden Status bekommen konnte.
Meine Damen und Herren von der CSU, wir von Seiten der SPD und auch der GRÜNEN haben bis heute nicht verstanden, wie das passieren konnte, genauso wie es auch von Kirchenkreisen nicht verstanden wurde. Gerade deshalb sind die Vorgänge um die Verleihung der Körperschaftseigenschaft der wichtigste Teil des Untersuchungsauftrages.
Ein Weiteres stellt Herr Prälat Feldhoff wörtlich fest, nachdem auf die vielen Anfragen, die wir gestellt haben, immer wieder gesagt worden ist, der Deutsche Orden habe etwas veröffentlicht, dort hätte man sich auch informieren können: Der Deutsche Orden hat zwar etwas veröffentlicht, das kann man aber vergessen. So viel zu den treuherzigen Mitteilungen auch des Kultusministeriums, man könnte sich doch anhand der Veröffentlichungen des Deutschen Ordens informieren.
Nun zu den zentralen Punkten des Untersuchungsauftrages. Obwohl der Orden in der Öffentlichkeit gerne seine Gemeinnützigkeit werbend herausstellt, verschanzen sich die Finanzbehörden des Freistaates hinter dem Steuergeheimnis und verweigern jegliche Auskünfte auch gegenüber dem Landtag. Die Unternehmensstrategie des Ordens, durch den Aufbau eines gewerblichen Firmengeflechts hohe Gewinne zu erwirtschaften, die sich im sozial-karitativen Bereich nicht erzielen lassen, führte zum Desaster. Millionenbeträge aus dem gemeinnützigen Unternehmenssektor der DOH-GmbH dienten der Verlustabdeckung im gewerblichen Bereich bei der Dressler GmbH. Um die Gemeinnützigkeitsbestimmungen der Abgabenordnung einzuhalten, müssen diese Gelder, wenn sie vom gemeinnützigen in den gewerblichen Bereich geflossen sind, binnen Jahresfrist zurückfließen; ansonsten ist nach der Abgabenordnung die
Gemeinnützigkeit nicht mehr gegeben. Dieser Fall ist nach unseren bisherigen Erkenntnissen beim Deutschen Orden eingetreten, aber die bayerischen Finanzbehörden sind – auch Dank des Deutschen-Ordens-Anwaltes Gauweiler und Ministerpräsident Stoiber – dem Orden zudiensten, und er hat die Gemeinnützigkeit wieder erhalten. Dies ist natürlich auch Gegenstand des Untersuchungsauftrages.
Unmittelbar nach der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit am 30. November 2000 gingen eine Reihe von Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft München II ein. Strafanzeigen gegen Ministerpräsident Stoiber wurden binnen weniger Stunden nach ihrem Eingang eingestellt, und das Vorgehen gegen die Verantwortlichen des Ordens war von großer Zurückhaltung geprägt. Erst nach Monaten wurde der Versuch unternommen, Aktenmaterial sicherzustellen. Die Akten verblieben allerdings beim Orden. Die Rolle des Anwaltes Gauweiler und des Generalstaatsanwaltes Froschauer erscheinen uns sehr dubios. Zurzeit laufen nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen zwölf Personen. Ergebnisse nach weit über einem Jahr Ermittlungsarbeit sind bisher nicht bekannt. Auch dies ist Gegenstand des Untersuchungsauftrages.
Die im Juli 1999 von der Regierung von Oberbayern genehmigte Stiftung ist vom Deutschen Orden nie mit dem versprochenen Stiftungskapital ausgestattet worden. Die Finanzbehörden erkannten sie trotzdem als gemeinnützig an. Die Geldquellen für die teuren, von der Stiftungsaufsicht ungenehmigten Aktivitäten in Palästina bleiben bis heute im Dunkeln. Nach meiner Intervention bei Kultusministerin Hohlmeier als oberste Stiftungsaufsicht wurde auf Antrag des Deutschen Ordens selbst die Stiftung im August 2001 wieder aufgehoben. Mein Schreiben an Frau Hohlmeier wurde an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Ob Ermittlungen geführt wurden oder werden und mit welchen Ergebnissen, ist nicht bekannt. Stiftungsaufsicht und Staatsanwaltschaft schonen offensichtlich entgegen ihrem gesetzlichen Auftrag den Orden.
Nun zur Rolle der Staatsregierung bei der Sanierung. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hat sich in einem Brief an den CSULandrat Anton Dietrich geäußert, der in der „Lindauer Zeitung“ am 3. März 2001 veröffentlich wurde. Hier heißt es: Die Bischofskonferenz, betont Lehmann, werde dafür eintreten, dass der Erhalt einzelner florierender Einrichtungen Vorrang haben sollte vor einer Gesamtsanierung des DO. Diese Gesamtsanierung erscheine zudem wenig aussichtsreich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag liegt voll auf der Linie der Deutschen Bischofskonferenz und ihres Vorsitzenden, Kardinal Lehmann. Das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen.
Vernichtende Kritik an der Brüderprovinz des Deutschen Ordens übt Kardinal Lehmann. Er bezeichnet das Vertrauen der Bischofskonferenz in den explosionsartig entstandenen Sozialkonzern als restlos zerstört. Mit Geld von der Bischofskonferenz könne die massiv verschuldete Bruderschaft nicht rechnen. – Weil Sie sich so erbosen und „scheinheilig“ rufen: In der Form wie Frau Staatsministerin Stewens, die in Zusammenhang mit dem Orden von Gangstertum gesprochen hat, haben wir uns noch nicht geäußert. Sie sollten mit Zwischenrufen ein bisschen zurückhaltend sein, wenn man diese Aussagen von Seiten einer Staatsministerin hört.
Nun zu den Zahlen. Die Meinung, dass die Gesamtsanierung überaus unwahrscheinlich sei, wird auch von den Zahlen aus dem Gutachten untermauert, das die Banken in Auftrag gegeben haben und das im Juli letzten Jahres vorgelegt, aber nicht veröffentlicht wurde. Mir sind aber trotzdem einige Kennzahlen bekannt geworden. Der Orden ist Ende 2001 auch nach dem Verkauf von Einrichtungen immer noch überschuldet, das heißt, er hat mehr Schulden als Vermögen in Höhe von nahezu 65 Millionen DM – ich sage das jetzt immer in DM, weil das Zahlen aus dem letzten Jahr sind.
Das Gutachten geht von 354 Millionen DM Schulden aus. Diese Schulden sollen durch Verkäufe auf 280 Millionen DM gedrückt werden, die mittlerweile auch erfolgt sind. Ferner gibt es einen Forderungsverzicht der Banken. 200 Millionen DM Schulden bleiben übrig, die vom sozial-karitativen Bereich bedient werden sollen – es geht also um Zinsen und Rückzahlungen. Das ist kein Neuanfang, meine Damen und Herren, das ist keine Sanierung – das ist ein Siechtum auf Dauer. Damit kann die Gesamtorganisation nicht überleben, und die einzelnen, gut laufenden, wertvollen Einrichtungen erleiden auf Dauer Schaden. Deshalb wäre die andere Lösung, die auch von der Deutschen Bischofskonferenz vorgeschlagen worden ist und die wir vorgeschlagen haben, die bessere gewesen.
Die Forderung nach Aberkennung der Körperschaftseigenschaft, um ein ordnungsgemäßes Verfahren durchzuführen, war auch schon Gegenstand von Anträgen im Bayerischen Landtag. Es geht auch darum, dass nicht nur die Banken auf Vermögen Zugriff haben, sondern auch die Geschäftspartner, und darum, dass auch die Bediensteten entsprechend abgesichert werden. Am 3. Juli hat das Kultusministerium im Haushaltsausschuss Folgendes erklärt: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben Recht mit der Aussage, es gebe eine Gesetzeslücke bezüglich der Aberkennung von Körperschaftsrechten. Körperschaftsrechte könnten derzeit nicht aberkannt werden, da der Vorbehalt des Gesetzes zu beachten sei. Die Bayerische Staatsregierung habe Konsequenzen gezogen und eine interministerielle Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit der Schließung der Gesetzeslücke beschäftige. Nach der Sommerpause, so hieß es im Juli 2001, könne man im Bayerischen Landtag einen Gesetzesantrag vorlegen, der die Angelegenheit regele.
Bisher liegt kein Gesetzesantrag vor – im Gegenteil: Aufgrund des einstimmigen Beschlusses des Bayerischen
Landtages zu dem Antrag der GRÜNEN bekommen wir die lapidare Mitteilung: Angesichts der schwierigen Materie konnte sich die Staatsregierung noch keine abschließende Meinung bilden – und das bis März 2002. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein Armutszeugnis, wenn eine Staatsregierung nicht einmal in der Lage ist, einen Gesetzentwurf zur Aberkennung der Eigenschaft einer Körperschaft vorzulegen.
Ich frage mich: Darf Frau Hohlmeier nicht oder kann sie nicht. – Frau Präsidentin, ich bitte noch um wenige Sekunden, um meine Ausführungen zu Ende führen zu können.
Was mich besonders traurig macht, ist die neueste Entwicklung. Nachdem es die Deutsche Bischofskonferenz abgelehnt hat, Geld zur Verfügung zu stellen, gibt es jetzt einen Brief der Ordenskongregation des Vatikans, in dem vom Deutschen Orden verlangt wird, seinen Sanierungsbeitrag in Höhe von 20 Millionen Euro einzubringen.
Dort heißt es wörtlich:
Die derzeitige Lage rechtfertigt Eingriffe in die Substanz des Ordens und seine Reserven für die Altersversorgung aller seiner Mitglieder.
Jetzt geht es nicht um die deutsche Brüderprovinz, sondern um die anderen Provinzen in Südtirol, Österreich und vor allem um die Schwesterprovinz in Passau, die selbst eine Körperschaft des öffentlichen Rechtes ist. Hier heißt es:
Die Situation des Deutschen Ordens rechtfertigt es, in die Altersversorgung der Schwestern einzugreifen.
Diese Schwestern hatten mit der ganzen Misere nichts zu tun. Weiter heißt es in diesem Brief:
Sollte dann künftig einmal die Altersvorsorge in wirkliche Schwierigkeiten geraten, wird die Vorsehung des Herrn weiterhelfen.
Über einen solchen Umgang mit den Sorgen der Schwestern kann man sich eigentlich nur wundern. Aus dem Orden war zu hören, die Sanierung käme gut voran. Daran habe ich meine Zweifel, weil diese Sanierung unter Bankenvorbehalt steht. In neuesten Meldungen aus dem Orden werden bereits wieder neue Projekte verkündet. Die SPD-Fraktion des Bayerischen Landtags vertritt eine eindeutige Auffassung: Wenn sich die Vorgänge der Vergangenheit nicht wiederholen sollen, müssen transparente Strukturen geschaffen, klare Verantwortlichkeiten definiert werden. Wichtig sind auch tragfähige rechtliche Grundlagen. Der Untersuchungsausschuss hat nicht nur die Aufgabe, die Vergangenheit aufzuklären, sondern er muss auch Perspektiven für die Zukunft aufzeigen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Kreuzer.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! „Hessen wächst am stärksten“, „Bayerns Wirtschaft erhält einen kräftigen Dämpfer“, „Hamburg vorn“, so und ähnlich lauten in diesen Tagen die Überschriften der Pressemeldungen über die Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts der Länder im Jahr 2001. Der Freistaat Bayern ist im Jahr 2001 bei der Wachstumsrate von Platz 1 auf Platz 6 zurückgefallen. Die Staatsregierung hat sich in all den vergangenen Jahren gerühmt, dass Bayern die Nummer 1 bei der Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts ist. Bayern ist jetzt zurückgefallen, und andere Länder wie Hessen oder Hamburg rühmen sich für diese Spitzenposition.