Protocol of the Session on November 14, 2001

Herr Staatsminister, wie beurteilt die Staatsregierung das von einem vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie eingesetzten Gutachtergremium vorgelegte Forschungsvorhaben „Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für eine nachhaltige Wasserversorgung“, und welche Konsequenzen ergeben sich dann für die bayerische Wasserversorgung?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Herr Kollege Gartzke, ich gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, wenn ich Bezug nehme auf die eben geführte Diskussion bzw. die erste Frage von Herrn Kollegen Dr. Runge, was Liberalisierung und Privatisierung generell angeht. Was die konkreten Konsequenzen für Bayern angeht, habe ich bereits angedeutet, dass wir den Versorgern empfehlen, betriebliche Kooperationen zu bilden, um Synergieeffekte zu realisieren. Dazu gibt es einen Leitfaden, den Innenministerium und Umweltministerium veröffentlicht haben. Wir favorisieren auch die Einführung von Qualitätsmanagement und Leistungsvergleichen, bevor die Einschaltung Privater erfolgt. Bezüglich aller weiteren grundsätzlichen Fragen darf ich auf die erste Frage Bezug nehmen.

Zusatzfrage? – Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Minister, würden Sie bestätigen, dass die Kommission keine Debatte zur Liberalisierung in der Wasserwirtschaft angestoßen hat, sondern dass dies in erster Linie der Abgeordnete Langen, der Mitglied der Europäischen Volksparteien ist, getan hat und dass die Fraktion der GRÜNEN massiv dagegengehalten hat? Würden Sie auch bestätigen, dass die Bundesregierung eindeutig gesagt hat, in dieser Legislaturperiode kommt es zu keiner Freistellung im GWB, was bedeutet, es gibt keine Liberalisierung der Wasserwirtschaft?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Kollege Dr. Runge, zu dieser Frage habe ich bereits Stellung genommen. Ich denke, es ist alles Notwendige gesagt. Es fehlt nach wie vor eine klare Positionierung der Bundesregierung zu dieser Frage. Die Europäische Union schaltet im Moment ganz offensichtlich einen Gang zurück bei ihren Bestrebungen, die Liberalisierung durchzuführen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Runge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Ich habe gerade von der Europäischen Union gesprochen und nicht von den einzelnen Organen. Zwischen Kommission und Parlament ist sicher zu unterscheiden. Die Europäische Union schaltet im Moment etwas zurück. Umso unverständlicher ist es, dass sich die Bundesregierung bis heute nicht zu einem klaren Wort hat durchringen können, das heißt: Nein zur Liberalisierung.

Zusatzfrage: Herr Kollege Dr. Runge.

Herr Minister, ist es für Sie kein klares Wort der Bundesregierung, wenn diese dezidiert sagt, es kommt im GWB in dieser Legislaturperiode zu keiner Änderung?

(Hofmann (CSU): Das ist keine klare Aussage! – Loscher-Frühwald (CSU): Die Bundesregierung eiert herum!)

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Herr Kollege Dr. Runge, wir können das Thema gern vertiefen. Wenn man sich ansieht, dass die Bundesregierung, wie Sie soeben zitiert haben, von dieser Legislaturperiode spricht, die nach den Ereignissen vom Freitag dieser Woche möglicherweise in wenigen Wochen zu Ende geht, dann kommt man zu dem Schluss, dass keine Grundsatzentscheidung vorhanden ist, die beinhaltet, dass die Wasserversorgung auf Dauer in der öffentlichrechtlichen Garantenstellung gehalten wird. Ein solches Wort wünsche ich mir, und ein solches Wort fehlt bis heute.

(Beifall bei der CSU)

Zusatzfrage: Herr Kollege Gartzke.

Ich bedauere, dass ich noch einmal eine Zusatzfrage stellen muss, aber eine solche Frage ist auch eine Chance. Herr Staatsminister, ich gehe davon aus, dass Sie folgende Tatsachen bestätigen können. Erstens. Grundsätzlich sind Liberalisierungstendenzen mit dem Abschluss der Maastrichter Verträge auf der Tagesordnung. Das heißt nicht, dass es Entscheidungsdruck gibt. Grundsätzlich ist mit Abschluss der Maastrichter Verträge und der Amsterdamer Verträge, die andere verabschiedet haben – andere Verantwortungszuständigkeiten –, das Thema „Liberalisierung“ auf der Agenda der Europäischen Union.

Herr Kollege, können Sie sich etwas kürzer fassen?

Es tut mir Leid, das wird noch sehr lang.

Wir befinden uns in der Fragestunde und nicht in der Aktuellen Stunde. Ich bitte Sie, sich auf Zusatzfragen zu beschränken. Die Fragen dürfen mit Feststellungen verbunden werden, aber man muss zur Frage kommen.

Zweitens. Ich denke, dass Sie bestätigen können, dass es einstimmige Beschlüsse der SPDBundestagsfraktion und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gibt, dass das Gebietsmonopol bei der Wasserversorgung nicht aufgehoben wird, und dass es klare Äußerungen der Bundesregierung gibt, dass in dieser Frage derzeit kein aktueller Handlungsbedarf besteht.

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Sie brauchen sich nur das Gutachten anzusehen, das im Auftrag eines Vertreters der von Ihnen gestellten Regierung auf den Weg gebracht worden ist. Die Bundesregierung hätte genauso gut sagen können, der Mitgliedstaat Deutschland lehnt die Diskussion von Haus aus ab, weil Wasser ein Lebensmittel ist. Das ist nicht geschehen. Der Bundeswirtschaftsminister hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, das ewig auf sich hat warten lassen. In dem Gutachten heißt es, dass in Deutschland die Wasserpreise zu hoch sind und dass ein nennenswertes Kostensenkungspotential vorhanden ist. Das kann allenfalls in Ausnahmefällen, keineswegs aber allgemein angenommen werden. Das sind Unterstellungen der Gutachter für die Bundesrepublik Deutschland, die ich mir für Bayern nicht zu eigen machen will. Beim Wasser sind nicht nur die Preise zu sehen, sondern auch die Qualität und die Sicherung. Ich denke sogar, vor dem Hintergrund des 11. September ist eine dezentrale Wasserversorgung in den Händen der Kommunen ein Wert an sich.

(Zuruf des Abgeordneten Gartzke (SPD))

Herr Kollege Gartzke, Sie haben die Diskussion noch einmal vertieft. Ich führe die Diskussion leidenschaftlich gern mit Ihnen und sage Ihnen: Der Bundeswirtschaftsminister, die Bundesregierung, das Kabinett und der Kanzler haben bis heute kein klares Wort gesagt nach dem Motto: Die Liberalisierung mag in Europa gehen, wohin sie will, aber beim Wasser hört für uns der Spaß auf. Dieses Wort fehlt. Ich sage Ihnen auch, das lähmt manche Entscheidungen in den Kommunen, weil die Gemeinden nicht wissen, ob die öffentlich-rechtliche Garantenstellung auf Dauer erhalten bleibt.

Mit Ihrer Frage haben Sie einen Schuss nach hinten abgefeuert. Wir können nur fordern, dass die Bundesregierung in aller Deutlichkeit sagt, über private Rechtsformen kann man reden, aber zur Liberalisierung der Wasserversorgung führt kein Weg hin.

(Beifall bei der CSU)

Damit ist diese Frage abgehandelt. Nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Kellner.

Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatsminister, hatte der frühere Leiter der Kerntechnik des TÜV Baden, der unter anderem für die Falschinformationen an die baden-württembergische Landesregierung im Zusammenhang mit der Genehmigung des Atomkraftwerks Philippsburg verantwortlich war und jetzt bei der Schweizer Firma Colenco beschäftigt ist, in irgendeiner Weise mit der jüngsten Sicherheitsüberprüfung des Atomkraftwerks Isar I durch die Colenco zu tun?

Herr Staatsminister, bitte.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Frau Kollegin Kellner, verehrte Kolleginnen und Kollegen, der damalige Leiter der Abteilung Kerntechnik beim TÜV Baden hat bei dem Gutachten zu Isar I mitgewirkt. Dieser Gutachter ist Anfang 1989 – also vor etwa 12 Jahren – vom damaligen TÜV Baden zur Firma Colenco gewechselt. Ursächlich dafür waren nach seiner Aussage unterschiedliche Meinungen bei der Begutachtung eines baden-württembergischen Kernkraftwerks in den Jahren 1986 ff., also vor rund 15 Jahren. Dieser „Streitfall“ liegt damit weit in der Geschichte zurück.

Im Übrigen waren die Vorwürfe bereits Gegenstand einer von der SPD-Fraktion im Jahr 1988 – also vor 13 Jahren – gestellten Anfrage an das Ministerium für Umwelt in Baden-Württemberg. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Drucksache 10/200 aus dem entsprechenden Jahr. Die Anfrage ist durch die Stellungnahme des Ministeriums bereits damals beantwortet worden. Die Vorwürfe wurden als unbegründet zurückgewiesen. Insoweit nehme ich Bezug auf das Schreiben des Ministeriums vom 05.08.1988 an den Präsidenten des Landtags von Baden-Würtemberg.

Erste Zusatzfrage? – Frau Kollegin Kellner.

Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatsminister, sind Ihnen zu diesem Sachverhalt Pressemeldungen aus dieser Zeit zu Diskussionen im badenwürttembergischen Landtag bekannt, wonach dieser Gutachter die Landesgenehmigungsbehörde – also das Ministerium – bewusst falsch informiert habe, und wie wollen Sie ausschließen, dass auch Sie falsch informiert werden; denn hier handelt es sich nicht um eine kleine Meinungsverschiedenheit, wie das von Betroffenen dargestellt wird, sondern um handfeste Dinge?

Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Frau Kollegin Kellner, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mir sind die Pressemeldungen zu dem Vorgang, der weit über ein Jahrzehnt zurück liegt, nicht bekannt.

Die Mitarbeiter der bayerischen Aufsichtsbehörde haben den Mitarbeiter der Firma Colenco dazu befragt. Dieser hat erklärt, dass er als ehemaliger Leiter der Abteilung Kerntechnik beim TÜV Baden niemals die Weitergabe von Falschinformationen an die baden-württembergischen Ministerien behauptet oder in einem anderen Zusammenhang zugelassen habe. Weiterhin wurde beim Ministerium für Umwelt und Verkehr in BadenWürttemberg nachgefragt. Der zuständige Leiter der Abteilung Kernenergie hat festgestellt, dass nach seinen Erinnerungen an diesen rund 15 Jahre zurück liegenden Fall der Vorwurf einer Falschaussage nicht zutreffe.

Ebenfalls bestätigt hat dies die TÜV Energie und Systemtechnik GmbH Baden-Württemberg als Nachfolgerin des damaligen TÜV Baden.

Ich denke, dass mit diesen nochmaligen Recherchen diesem weit zurückreichenden Vorwurf in geeigneter Weise nachgegangen wurde.

Eine weitere Zusatzfrage: Die Fragestellerin.

Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatsminister, ich stelle Ihnen meine Unterlagen gerne zur Verfügung.

Darüber hinaus möchte ich Sie aber noch einmal insistierend fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass es sich bei dieser – wie ich behaupte – Falschinformation um Vorfälle handelt, die im Atomkraftwerk Isar I auch schwerwiegende Folgen nach sich ziehen könnten, da das Atomkraftwerk Philippsburg I aus derselben Baulinie wie Isar I stammt – ich verweise auf einen Zeitungsbericht des „Mannheimer Morgen“ vom 03.03.1998, in dem steht, dass beispielsweise bei einem Flugzeugabsturz ein solcher Leitungsbruch – was bei uns in Landshut sehr evident ist – derart sicherheitsrelevant sei und dass die Anlage in einen genehmigungsfähigen Zustand seit vier bis fünf Jahren laufe –, und ob Sie diese Auskünfte, die Sie mir vorgetragen haben, für ausreichend halten?

Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Frau Kollegin Kellner, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in unseren Kernkraftwerken eine hohe Kontrolldichte. Allein in Isar I waren innerhalb von 12 Monaten zirka 960 Begehungen vor Ort durch sachverständige Gutachter, TÜV, LfU, Ministerium und Aufsichtsbehörde – 960 in 12 Monaten bei 365 Tagen im Jahr. Das heißt, wir haben generell eine hohe Kontrolldichte. Zusätzlich haben wir aufgrund der anonymen Vorwürfe einen international tätigen, renommierten Gutachter von Colenco eingeschaltet. Der Beamte der Aufsichtsbehörde war bei der Untersuchung vor Ort persönlich dabei.

Die Vorwürfe, die gegen einen Mitarbeiter im Raum stehen, sind vor über 10 Jahren – vor fast 15 Jahren – erhoben worden und werden zurückgewiesen. Der Betroffene hat unseren Mitarbeitern in der Aufsichtsbehörde gesagt, er verwahre sich gegen die Vorwürfe, und wenn diese weiterhin von wem auch immer öffentlich erhoben würden, behalte er sich rechtliche Schritte vor.

Ich denke, dass sich die Aufsichtsbehörden mit verschiedenen Gutachtern mit der Intensität, wie wir sie par excellence in Bayern praktizieren, ein hinreichend objektives Bild machen konnten. Frau Kellner, Sie wissen, dass wir auf höchste Sicherheitsstandards pochen und dass wir, wie ich im Ausschuss ausgeführt habe, nicht hinnehmen, dass die Sicherheitskultur in irgendeiner Weise an irgendwelchen Rändern beginnt auszufransen. Wenn in derart intensiver Weise die Aufsicht mit

Unterstützung von sachverständigen Gutachtern ein Bild von der Ordnungsgemäßheit der Anlage gemacht hat, muss dann irgendwann einmal ein Schlussstrich gezogen werden. Wenn wir uns in dieser intensiven Weise zu unserer persönlichen Überzeugung ein Bild gemacht haben, können wir auch sagen, dass der Vorgang so weit recherchiert und überprüft ist, dass wir daraus die notwendigen Schlussfolgerungen für die weiteren Schritte ziehen können.

Nächste Zusatzfrage: Frau Kollegin Paulig.

In welcher Funktion, mit welchen weiteren Mitarbeitern und in welchem Aufgabenfeld hat der damalige Leiter der Abteilung Kerntechnik beim TÜV Baden, der durch wahrheitswidrige Behauptungen zur Inbetriebnahme von Philippsburg beigetragen hat, beim Gutachten zu Isar I mitgewirkt, und welche sicherheitsrelevanten Untersuchungen hat er durchgeführt?

Herr Staatsminister.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Frau Kollegin! Ich kann das aus dem Stegreif nicht sagen. Ich will Ihnen das aber gerne nachliefern. Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass unser Aufsichtsbeamter bei den Überprüfungen vor Ort persönlich anwesend war. Er kann Ihnen diese Detailinformationen, nach denen Sie fragen, noch einmal nachtragen.