Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Frau Kollegin! Ich kann das aus dem Stegreif nicht sagen. Ich will Ihnen das aber gerne nachliefern. Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass unser Aufsichtsbeamter bei den Überprüfungen vor Ort persönlich anwesend war. Er kann Ihnen diese Detailinformationen, nach denen Sie fragen, noch einmal nachtragen.
Ich will bei dieser Gelegenheit noch einmal darauf hinweisen, dass es überhaupt nichts gibt, was Ihnen nicht zugänglich wäre. Sie können sich diese Informationen in allen Detailgraden – auch wie Sie sie eben nachgefragt haben – besorgen. Ich mache Ihnen diese jederzeit gerne zugänglich, weil auch ich Transparenz, Offenheit und Nachvollziehbarkeit will. Da Sie das interessiert, bekommen Sie diese Informationen selbstverständlich nachgereicht.
Herr Staatsminister! Welche Schäden an Flora und Fauna, sowie an den öffentlichen Trinkwasserversorgungsanlagen in den Landkreisen Main-Spessart, Miltenberg und Aschaffenburg sind nach Kenntnis der Staatsregierung aufgrund der Schiffskollission auf dem Main bei Flusskilometer 208 auf der Höhe von Langenprozelten im Landkreis Main-Spessart am Freitag, dem 02.11.2001, bei der mehrere tausend Liter leichtes Heizöl in den Main geflossen sind, entstanden oder noch zu erwarten, und welche konkreten Maßnahmen ergreift die Staatsregierung, um solche Katastrophen in Zukunft auszuschließen?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Frau Kollegin Münzel, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Schiffskollision des Tankschiffs „Petra. R.“ mit einem Gütermotorschiff, bei dem aus dem Tankschiff einige hundert Liter leichtes Heizöl in den Main gelaufen sind, wurden durch die Freiwilligen Feuerwehren des Landkreises Main-Spessart und dem Technischen Hilfswerk folgende Sofortmaßnahmen zur Schadensbegrenzung getroffen: Erstens wurden im Oberwasser der Schleuse Steinbach Ölsperren ausgebracht, und – da der Ölfilm sehr dünn war – wurden zwei Ölsperren hintereinander im Main angebracht. Zum zweiten wurde vor den Ölsperren das angesammelte Öl abgepumpt und entsorgt.
Trotz dieser Maßnahmen konnte nicht verhindert werden, dass ein geringer Anteil des Öls unter den Ölsperren hindurch ins Unterwasser geriet und damit für die Einsatzkräfte nicht mehr fassbar war. Ursache für die Abtrift unter den Ölsperren war der schon genannte sehr dünne, lückige Ölfilm.
Erstens. Die Wasserversorgungsunternehmen unterhalb des Unfalls, die in unmittelbarer Nähe des Mains Grundwasser fördern, wurden informiert. In Absprache mit dem staatlichen Gesundheitsamt wurde diesen Unternehmen geraten, sofort eine Wasserprobe auf Mineralölkohlenwasserstoffe untersuchen zu lassen. Diese Beprobung wird bis auf Weiteres fortgeführt. Bisher wurden keine Mineralölkohlenwasserstoffe in diesen Proben gefunden.
Zweitens. Das Wasserwirtschaftsamt wird unterhalb der Unfallstelle Gewässergüteuntersuchungen durchführen und eine vergleichende Bewertung mit den Untersuchungen anstellen, die vor zirka vier Wochen stattfanden. Erst dann wird eine qualifizierte Aussage über die Folgen des Unfalls möglich sein, wie beispielsweise bei einem Flugzeugabsturz.
Vor Ort wurden bisher weder tote Fische noch beschädigte Vögel gesichtet. Das Ufer wurde stichprobenartig auf mehreren Kilometern besichtigt. Ölanlagerungen konnten nicht festgestellt werden. Es zeigte sich, dass durch den Schiffsverkehr und die Wasserkraftanlagen der abtreibende Ölfilm so aufgelöst wurde, dass mit weiteren Auswirkungen nach Unterstrom nicht gerechnet wird. Die Kollision des Tankmotorschiffes bei Nacht mit einem Gütermotorschiff ist nach bisherigem Kenntnisstand durch eine mangelhafte Fahrwegabsprache verursacht worden.
Zum Unfallhergang gibt es bisher widersprüchliche Aussagen der Kapitäne. Die Wasserschutzpolizei Lohr hat einen Schifffahrtssachverständigen mit Untersuchungen beauftragt. Die Ermittlungen im Auftrag des Amtsgerichts Würzburg dauern noch an. Insofern handelt es sich um ein schwebendes Verfahren.
Für die bisher verursachten Kosten wird – bis zur Klärung der Schuldfrage – die Reederei des Tankschiffes als Zustandsstörer herangezogen. Das Verhalten bei
Begegnungsverkehr ist klar geregelt. Menschliches Versagen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Für den Schifffahrtsverkehr auf den Bundeswasserstraßen ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zuständig. So viel zu Ihrer Frage.
Sie haben gesagt, dass der Unfall nachts passiert sei. Ich frage Sie, ob die Staatsregierung plant, den Main für Schubverbände und Gefahrguttransporte, also Transporte von wassergefährdenden Stoffen, zumindest nachts sperren zu lassen?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Ich habe eben schon auf die Zuständigkeit hingewiesen. Mir ist nicht bekannt, dass Entsprechendes geplant würde. Mir sind von den zuständigen Stellen keine entsprechenden Informationen zugänglich.
Herr Staatsminister, müsste man nicht fürchten, wenn aufgrund eines solchen Vorkommnisses die Wasserstraßen nachts gesperrt werden müssten, dass die Wettbewerbsfähigkeit des Gütertransports auf dem Wasser gegenüber dem Transport auf der Straße so benachteiligt würde, dass die daraus resultierenden Umweltschäden um ein Vielfaches höher wären, als wenn man es so wie bisher belässt, wobei man allerdings bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen einen höheren Level ansetzt?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, meine Damen und Herren, lieber Herr Kollege Walter Hofmann, ich bin sehr dankbar für diese Zusatzfrage, weil sie mir Gelegenheit gibt, noch einmal deutlich zu machen, dass es sich bei dem Gütertransport auf Wasserstraßen um eine umweltfreundliche Transportart handelt und wir gerade unter Umweltschutzgesichtspunkten ein besonderes Interesse daran haben, dass Schifffahrtsverkehr auf den Binnenwasserstraßen in Deutschland stattfindet. Man kann nicht einen einzelnen Unfall zum Anlass nehmen, eine umweltfreundliche Verkehrsart generell zu beschränken und damit in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen.
Im Übrigen will ich noch einmal darauf hinweisen, dass sich die Frage von Frau Kollegin Münzel letzten Endes an den Bund zu richten hat. Zuständig ist die Wasserund Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Dem Land Bayern kann es nur darum gehen, dass wir wettbewerbsfä
Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, das sei ein einzelner Unfall gewesen. Sind Sie nicht auch meiner Meinung, dass seit dem Ausbau des Mains eine eklatante Zunahme von Schiffsunfällen mit zum Teil erheblichen Belastungen der Umwelt zu verzeichnen ist.
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Frau Kollegin Münzel! Es ist unser erklärtes Ziel, dass wir Binnenwasserstraßen verstärkt nutzen wollen, weil sie umweltfreundlich sind. Das gilt für den Main und für andere Wasserstraßen. Wenn der Verkehr zunimmt, dann erhöht sich rein statistisch auch die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls. Das darf aber nicht den Rückschluss zur Folge haben, den Verkehr auf den Wasserstraßen zu beschränken. Wir müssen vielmehr alles daran setzen, dass der Verkehr dort sicher abgewickelt wird. Das bedeutet, wie ich ausgeführt habe, dass die Regeln eingehalten werden, und es gibt klare Regelungen für den Begegnungsverkehr. Letztlich kann nicht ausgeschlossen werden, so wie im Straßenverkehr auch, dass es auch im Schiffsverkehr zu menschlichem Versagen und damit auch zu Unfällen kommt. Es wäre der falsche Schluss zu sagen: Lasst uns den Verkehr auf der Wasserstraße einstellen, weil ein menschliches Versagen vorgekommen ist, das zu einem Unfall geführt hat.
Herr Staatsminister, ist es möglich, dass Unternehmen in Krisenzeiten höhere Abwassergrenzwerte zugestanden werden, wie dies die „Süddeutsche Zeitung“ vom 06.11. 2001 für die Augsburger Kammgarn-Spinnerei berichtet, wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt dies, und wie werden Krisenzeiten definiert?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin Köhler! Am 6. November dieses Jahres erschien in der „Süddeutschen Zeitung“ ein Artikel mit der Überschrift „Die Kammgarn-Spinner drohen mit Streik“ mit folgender Textpassage, die ich kurz zitieren darf:
Wenn sich die Gewerkschaft mit ihren Forderungen durchsetze, wäre er, sagt Kikillus – Herr Kikillus ist der Vorstandsvorsitzende der AKS –, gezwungen, vor dem Amtsgericht den Antrag auf Insolvenz zu stellen.
In diesem Fall gäbe er aber einen Vorteil preis, den er nach Informationen aus dem Wirtschaftsreferat der Stadt nur in Augsburg hat. Danach wurden dem Unternehmen in Krisenzeiten Abwassergrenzwerte erlaubt, wie sie heute in keiner Stadt mehr zugestanden würden. Diese Grenzwerte ermöglichten aber erst den offensichtlich besonders lukrativen Einsatz von Chromfarben in der Färberei. Dies sei der eigentliche Grund dafür, dass Kikillus die Arbeitsplätze in der Färberei erhalten wolle.
Für die Firma AKS gelten wie für jeden anderen Augsburger Industrie- und Gewerbebetrieb die Grenzwerte nach der städtischen Entwässerungssatzung. Die Grenzwerte für Chrom, gesamt 2 mg/l, und Chrom VI, 0,5 mg/l, gelten für Stichproben und sind laut § 15 der Entwässerungssatzung Höchstwerte, die zu keiner Zeit überschritten werden dürfen.
Die Stadt Augsburg hat gegenüber dem Umweltministerium betont, dass durch die hohe Überwachungsfrequenz der städtischen Industrieüberwachung, nämlich 12 Untersuchungen pro Jahr, gewährleistet sei, dass die Vorgaben ihrer Entwässerungssatzung auch tatsächlich eingehalten werden.
Neben den satzungsrechtlichen Anschluss- und Benutzungsregelungen benötigt die Augsburger KammgarnSpinnerei auch eine Genehmigung nach Artikel 41 c des Bayerischen Wassergesetzes. Die dabei zu stellenden Anforderungen richten sich nach dem am 1. Juni 2000 in Kraft getretenen Anhang 38 zur Abwasserverordnung, der sich mit Textilherstellung und Textilveredelung befasst. Auf dieser Grundlage muss von der Firma die Einhaltung schärferer Grenzwerte als nach der kommunalen Entwässerungssatzung verlangt werden, und zwar für Chrom gesamt 0,5 mg/l und Chrom VI 0,1 mg/l.
Die Firma AKS hat rechtzeitig einen entsprechenden Genehmigungsantrag beim Abwasserbetrieb, Abteilung Abwasserreinigung, der Stadt Augsburg gestellt. Im Zuge dieses Genehmigungsverfahrens ist von der Stadt Augsburg insbesondere eine angemessene Frist zu bestimmen, innerhalb derer die Firma die technischen Anlagen zur Einhaltung der schärferen Anforderungen nachrüsten muss. Bei der Bemessung der Frist können etwaige wirtschaftliche Schwierigkeiten berücksichtigt werden, eine Nachrüstung der innerbetrieblichen Abwasserbehandlung darf aber keineswegs auf den SanktNimmerleins-Tag verschoben werden. Das ist der zentrale Punkt. Dieses bei der Stadt Augsburg anhängige Genehmigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Bis zur Entscheidung über den Genehmigungsantrag darf die Firma AKS unter Beachtung der Grenzwerte nach der Entwässerungssatzung in die Kanalisation einleiten.
Wenn man nach der allgemein geltenden Rechtslage sieht, dann liegen die Verhältnisse so: Nach § 7 a des Wasserhaushaltsgesetzes müssen an das Einleiten von
Abwasser in Gewässer mindestens Anforderungen nach dem Stand der Technik gestellt werden, wie er im Einzelnen in der Abwasserverordnung in der aktuell gültigen Fassung konkretisiert wird. Im Einzelfall können sogar strengere Anforderungen notwendig sein. In bestimmten Fällen müssen diese Anforderungen auch von Einleitern in öffentliche Abwasseranlagen, also auch von Anschlussnehmern an eine öffentliche Kanalisation, verlangt werden.
Die Behörden dürfen auf die Einhaltung der Mindestanforderungen nach dem Stand der Technik nicht verzichten. Lediglich bei vorhandenen Einleitungen, die an neue oder geänderte Anforderungen angepasst werden, können innerhalb angemessener Fristen Abwassereinleitungen zugelassen werden, die noch nicht dem Stand der Technik entsprechen. Abgesehen von dieser Sanierungsphase und auch abgesehen von Sondersituationen wie bei Unfällen und unaufschiebbaren Reparaturen gibt es keine Möglichkeit, den Stand der Technik in der Abwasserbehandlung zu unterschreiten.
Die Frage ist abgeschlossen. Dann kann ich die Frage von Frau Kollegin Paulig aufrufen. Bitte, Frau Kollegin Paulig.
Herr Staatsminister, ist der Staatsregierung bekannt, ob beim Atomkraftwerk Isar 2 in den letzten Jahren ein Fall aufgetreten ist, wonach – ähnlich wie im Atomkraftwerk Philippsburg – das AKW nach dem Brennelementewechsel wieder angefahren wurde, obwohl in den Flutbehältern die vorgeschriebene Kühlmittelfüllstandshöhe bzw. die erforderliche Borkonzentration nicht erreicht waren, und wenn ja, wann wurde sie durch wen darüber informiert?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Frau Paulig, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Umweltministerium hat unmittelbar nach Bekanntwerden des Vorkommnisses „zu geringe Füllstände in Flutbehältern im Kernkraftwerk Phillipsburg, Block II“ eine Überprüfung der bayerischen Kernkraftwerke eingeleitet, um sich vorsorglich einen aktuellen Überblick über diesen Punkt zu verschaffen.
Dabei hat sich Folgendes ergeben: Im Kernkraftwerk Isar II wurden, insbesondere beim An- und Abfahren der Anlage, keine zu niedrigen Füllstände oder zu niedrige Borkonzentrationen in den Flutbehältern festgestellt. Die Überprüfungen ergaben, dass zu Beginn des Anfahrens die Füllstände und Borsäurekonzentrationen in den Flutbehältern stets entsprechend den Vorgaben in den Betriebsvorschriften eingestellt waren.
Dies wird im Kernkraftwerk Isar II dadurch sichergestellt, dass der Betreiber vor und während des Anfahrens der Anlage ein umfangreiches Programm mit festgelegten Arbeitsschritten abarbeitet, in dem unter anderem die sicherheitstechnisch erforderlichen Überprüfungen und Handlungen enthalten sind. Der TÜV Süddeutschland ist dabei im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums
Die Ergebnisse der in Bayern durchgeführten Untersuchungen wurden dem Bundesumweltministerium mit Schreiben vom 2. November 2001 übersandt und am 7. November 2001 auf der 137. Sitzung des RSK-Ausschusses „Reaktorbetrieb“ vom TÜV Süddeutschland im Auftrag des bayerischen Umweltministeriums vorgetragen.
Summa summarum heißt das, Frau Paulig: Zu Beginn des Anfahrens waren die Konzentration und Füllstand ordnungsgemäß. Die Punkte, die wir auch in einer Presseerklärung angesprochen hatten, betrafen Einzelfälle bei den Vorbereitungen zum Anfahren. Insofern können wir sagen, dass in Bayern – auch bei dem in Ihrer Frage angesprochenen Kernkraftwerk Isar I – zu Beginn des Anfahrens Konzentrationen und Füllstände in Ordnung waren.