Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Ich kenne die Äußerung, die der Abgeordnete Hartmut Schauerte abgegeben hat. Das ist die persönliche Meinung eines einzelnen Abgeordneten, die ich nicht teile. Ich denke, dass es ein Unterschied ist, ob ein einzelner Abgeordneter eine Meinung äußert oder ob der Bundeswirtschaftsminister als Mitglied der Exekutive der Bundesrepublik Deutschland in dieser zentralen Frage nicht in der Lage ist, sich zu positionieren. Ich denke, dass für uns die Grundlinie in dieser Debatte doch klar sein muss. Die Grundlinie ist, ob wir öffentliche Verantwortung für das Gut, für das Lebensmittel Wasser auch künftig haben wollen oder ob wir es wie jede x-beliebige Handelsware einem völlig freien Wettbewerb aussetzen. Herr Kollege Runge, ich hätte schon erwartet, dass der Bundeswirtschaftsminister, auch die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien – auch Ihre Partei, die doch sehr schnell in der Regierung war – einmal die Grundlinie deutlich gemacht hätte.
Fraktionsbeschlüsse oder Fraktionsäußerungen haben aber ganz offensichtlich nicht dazu geführt, dass sich die Bundesregierung in dieser Frage genauso klar auf die Seite einer öffentlich-rechtlichen Garantenstellung stellt, wie dies die Bayerische Staatsregierung getan hat.
Vielen Dank. Damit ist diese Frage erledigt. Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Gartzke. Bitte schön.
Herr Staatsminister Dr. Schnappauf, hatte die Staatsregierung zum Zeitpunkt der Vergabe des Auftrags zur fachlich-technischen Überprüfung und zur Überprüfung der innerbetrieblichen Organisation des bayerischen Atomkraftwerks Isar I an das Schweizer Unternehmen Colenco Power Engineering selbst keine Kenntnisse über dessen Verflechtung zu deutschen und französischen Atomkonzernen durch indirekte Unternehmensbeteiligungen, oder hat sie solche Kenntnisse dem Bundesumweltministerium verschwiegen?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Herr Kollege Gartzke, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Vorgang hat sich wie folgt abgespielt: Nach telefonischer Kontaktaufnahme hat die Firma Colenco Power Engi
neering dem bayerischen Umweltministerium Unterlagen über deren Qualifikation sowie Referenzen über ihre bisherigen Tätigkeiten zugesandt. Dabei wurde auch mitgeteilt, dass sich 90% der Firmenanteile in Händen der leitenden Angestellten der Firma befinden und die restlichen 10% der Aare-Tessin AG für Elektriziät (Atel) gehören. Parallele Erkundigungen haben ergeben, dass an der Firma Aare-Tessin wiederum die Firma Motor-Columbus AG mit 56% beteiligt ist. An Motor-Columbus halten unter anderem die RWE und die Electricité de France – EdF – je 20%, so dass über diese Schachtelbeteiligung letztlich ein rechnerischer Anteil von unter 1% für RWE bzw. für EdF besteht. Auf Nachfrage wurde zudem mitgeteilt, dass es in der Aktiengesellschaft Colenco keine Stimmrechtsbindungen gibt. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Abhängigkeit der Firma Colenco von RWE oder EdF nicht gegeben.
Vor Auftragsvergabe wurde der Bundesumweltminister entsprechend seiner Bitte umfassend vom bayerischen Umweltministerium unterrichtet und um Zustimmung zur Auftragsvergabe gebeten. Hierzu wurden ihm die entsprechenden Unterlagen zugesandt. Mit Antwort vom 23. Oktober hat sich der BMU – ich zitiere – „mit der Beauftragung entsprechend dem Angebot einverstanden“ erklärt. Auch aus jetziger Sicht ist gegen die Beauftragung der Firma Colenco und gegen die erteilte Zustimmung des BMU nichts einzuwenden.
Wenn es möglich ist, stelle ich gleich zwei Zusatzfragen auf einmal. Die erste Frage ist: Welche Alternativen hinsichtlich Firmen hat es gegeben, bei denen absolut und definitiv auszuschließen ist, dass auch über Schachtelbeteiligungen Atomkonzerne am Eigentum beteiligt sind? Welche Alternativen gab es, und sind diese auch geprüft worden?
Die zweite Frage lautet: Wurde definitiv expressis verbis dem Bundesumweltministerium mitgeteilt: Wir beauftragen die Schweizer Firma, und diese ist zumindest über eine Schachtelbeteiligung mit der Atomindustrie verbandelt? Das ist eine Information, die dem Bundesumweltministerium hätte weitergegeben werden müssen.
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Kollege Gartzke, Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Aufsichtsbehörde hat die verschiedensten in Betracht kommenden Gutachter in Erwägung gezogen. Es sollte eine höchst qualifizierte, erfahrene Gutachtereinrichtung sein. Sie sollte nach Möglichkeit international tätig sein. Ich habe, Herr Kollege Gartzke, auch im Ausschuss seinerzeit vorgetragen, dass es mir in besonderer Weise darauf ankam, die gutachterliche Tätigkeit des TÜV Süddeutschland in der Anlage angesichts der erhobenen Vorwürfe von einem international tätigen Unternehmen prüfen zu lassen.
Das Unternehmen sollte qualifiziert und kurzfristig in der Lage sein, den Auftrag anzutreten. Ich glaube, mit der Firma „Colenco“ wurde von der Aufsichtsbehörde ein Unternehmen gewählt, das diesen Voraussetzungen entspricht. Wir haben die Unterlagen, die uns das Unternehmen auf Anfrage übermittelt hat, an das BMU weitergeleitet. Parallel dazu haben wir weitere Informationen über die gesellschaftsrechtliche Zusammensetzung des Unternehmens eingeholt, die übrigens auch im Internet verfügbar sind. Herr Kollege Gartzke, das BMU hätte nur einen Blick in das Internet werfen müssen. Ich darf Ihnen kurz die Internet-Adresse sagen: www.colenco.ch. Unter dieser Adresse kann jeder die Gesellschaftsverhältnisse nachvollziehen.
Herr Staatsminister, hat sich das Bundesumweltministerium oder der Bundesumweltminister, nachdem ihm die Fragen der Kollegen der SPD und der GRÜNEN zu Ohren gekommen sind, an das bayerische Umweltministerium mit einer Rüge wegen der Vergabe des Auftrags an die Firma „Colenco“ gewandt?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Herr Kollege Hofmann! Der Bundesumweltminister hat sich seither nicht mehr an das bayerische Staatsministerium gewandt, sondern seinerzeit der Vergabe zugestimmt. Auch nach den Fragen, die Herr Kollege Gartzke eben formuliert hat, hat sich der Bundesumweltminister weder an das BMU gewandt noch die Beauftragung infrage gestellt.
Herr Staatsminister, trifft es zu, dass die Firma „Colenco“, nachdem die Verbindungen bekannt geworden sind, trotzdem mit dem Auftrag bedient worden ist, ohne dass weitere Gutachter genannt worden wären? Damit hätte man ein Vier-Augen-Prinzip gehabt, das den Verdacht, der jetzt im Raum steht, etwas abgemildert hätte.
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Kollege Wörner, die Begehungen vor Ort wurden zusammen mit der Aufsichtsbehörde durchgeführt. Die Aufsichtsbehörde und der Gutachter waren also gemeinsam vor Ort. Im Übrigen steht kein Verdacht im Raum, sondern eine Frage, die Sie gestellt haben. Das Unternehmen befindet sich zu 90% in den Händen leitender Angestellter. Die Beteiligung Dritter – also der genannten Unternehmen der
Energiewirtschaft – ist nachgeordnet und macht lediglich 1% aus. Da also eine Stimmrechtsbindung nicht gegeben ist, kann weder von einer Abhängigkeit noch von einem im Raum stehenden Verdacht gesprochen werden.
Herr Staatsminister, wie beurteilt die Staatsregierung im Europäischen Vogelschutzgebiet Bodensee die Jagd auf Wasservögel von Motorbooten aus hinsichtlich des eindeutigen Verbotes im Bundesjagdgesetz, wie beurteilt sie die Ausübung der Jagd angesichts der vom Bayerischen Umweltministerium im Erhaltungsziel des Europäischen Vogelschutzgebietes Bodensee vorgegebenen „Festschreibung und langfristigen Sicherung einer völligen Jagdruhe, wie sie in diesem Gebiet bereits seit zwanzig Jahren praktiziert wird“ und wie will die Staatsregierung erreichen, dass die von ihr selbst festgelegten Erhaltungsziele für das Vogelschutzgebiet durch die Jagdpächter eingehalten werden, obwohl im Pachtvertrag der Bayerischen Schlösser– und Seenverwaltung offensichtlich dem widersprechende Vereinbarungen getroffen wurden?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) (vom Redner autorisiert) : Herr Präsident, Herr Kollege Sprinkart, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin immer wieder begeistert, was in einen Satz alles hineingepackt werden kann. Zur Beantwortung der Frage darf ich Folgendes sagen:
Erstens. Es trifft zu, dass es nach § 19 Absatz 1 Nummer 11 BJagdG verboten ist, Wild von maschinengetriebenen Wasserfahrzeugen aus zu erlegen. Die Länder sind aber nach § 19 Absatz 2 BJagdG ermächtigt, diese Vorschrift aus besonderen Gründen einzuschränken. Bayern hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. Nach der Jagdnutzungsanweisung der Staatsforstverwaltung sind die Forstämter in Staatsjagdrevieren für die Genehmigung von Ausnahmen von diesem jagdrechtlichen Verbot zuständig.
Das zuständige Forstamt Immenstadt hat den Pächtern des Staatsjagdreviers Bodensee in stets widerruflicher Weise die Ausnahmegenehmigung erteilt, die Jagd auf Wild von einem maschinengetriebenen Wasserfahrzeug aus auszuüben. Das Landwirtschaftsministerium wird die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides auch vor dem Hintergrund der EU-Vogelschutzrichtlinie überprüfen.
Zweitens. Im „Dialogverfahren zur Meldung der FFHund Vogelschutzgebiete wurde mittels „Erhaltungszielen“ versucht, die mit dem Schutz der Arten und Lebensräume verbundenen Anliegen in sehr verallgemeinerter Form darzulegen. Diese Ziele sind aber weder verbindlich noch Bestandteil der Meldung. Rechtlich orientiert sich das mit der Meldung einhergehende Verschlechterungsverbot ausschließlich an den Arten und Lebensräu
men, für die das jeweilige Gebiet gemeldet wurden. Ein generelles Verbot der Jagdausübung ist aus den Vorgaben der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht ableitbar. Einschränkungen sind nur vertretbar, soweit sie erforderlich sind, um einer Verschlechterung entgegenzuwirken.
Das Ziel der Jagdruhe wurde vor dem Hintergrund formuliert, dass die Jagdausübung am Bodensee bis Mitte der Neunzigerjahre mit großer Zurückhaltung ausgeübt worden war. Sie führte zu keinen nennenswerten Auswirkungen auf die Vogelwelt, sodass die Naturschutzbehörden von einer „faktischen Jagdruhe“ ausgingen. Erst nach dem Rückzug des damaligen Pächters aus dem aktiven Jagdgeschehen und nach der Beteiligung weiterer Berechtigter an der Jagdausübung haben die Strecken wieder zugenommen. Im Jahre 1999 wurde die Jagd für neun Jahre neu verpachtet.
Drittens. Um den weiteren Vollzug der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen, wird die Staatsregierung für den Bodensee wie für jedes andere FFH- und Vogelschutzgebiet einen Managementplan erarbeiten. Darin werden Maßnahmen festgelegt, die notwendig sind, um einen günstigen Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und/oder Arten zu gewährleisten, die maßgeblich für die Aufnahme in das Europäische Netz Natura 2000 waren. Aufgrund der Komplexität der Zusammenhänge zwischen Jagdausübung und Wasservogelbeständen wird in diesem Rahmen geklärt, ob und in welchem Umfang die derzeit praktizierte Jagd am bayerischen Bodensee mit der aus der Meldung folgenden rechtlichen Verpflichtung, einen günstigen Erhaltungszustand sicherzustellen, im Widerspruch steht. Die sich aus den Managementplänen ergebenden Konsequenzen sollen primär durch freiwillige Vereinbarungen umgesetzt werden. Wenn dies nicht möglich ist, können auch hoheitliche Maßnahmen in Betracht kommen.
Die Ausnahmegenehmigung, die Sie angeführt haben, ist, wenn ich das richtig sehe, in Artikel 29 des Bayerischen Jagdgesetzes verankert. Können Sie mir sagen, auf welchen dieser Tatbestände sich diese Genehmigung bezieht?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Herr Kollege Sprinkart! Da der Vollzug des Jagdrechts in die Zuständigkeit der Forstverwaltung fällt, würde ich Ihnen anbieten, dass wir diese Detailfrage an die Forstverwaltung herantragen und Sie von dort aus schriftlich informieren lassen.
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Kollege Sprinkart, Sie kennen möglicherweise die Personen vor Ort. Da mir diese Personen nicht bekannt sind, kann ich dazu auch nichts sagen. Ich gehe aber davon aus, dass der Vollzug nach Recht und Gesetz und personenunabhängig erfolgt.
Herr Staatsminister, die Ziele, die jetzt nicht eingehalten werden, sind sehr vollmundig formuliert. Warum haben Sie am Bodensee nicht von der in der Antwort auf eine Anfrage meiner Kollegin Ruth Paulig aufgeführten Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Pachtvertrag mit einer sehr kurzen Laufzeit abgeschlossen?
Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Herr Präsident, Herr Kollege Sprinkart! Ich denke, aus der Antwort geht hervor, warum das so praktiziert worden ist. Nachdem von einer „faktischen Jagdruhe“ ausgegangen wurde, wie ich das vorhin formuliert habe, lag es für die örtlich zuständigen Stellen nahe, einen entsprechend längeren Zeitraum zu vereinbaren.
Ich kann darin nichts Unrechtmäßiges erkennen. Ich bin sicher, dass zunächst nach dem Prinzip, nach dem wir in aller Regel verfahren, nämlich der Basis von Freiwilligkeit und einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten, versucht wird, den Belangen gerecht zu werden.
Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Dr. Heinz Köhler. Die Fragestellung übernimmt Herr Kollege Gartzke. Bitte schön.
Herr Staatsminister, wie beurteilt die Staatsregierung das von einem vom Bundesminister für Wirtschaft und Technologie eingesetzten Gutachtergremium vorgelegte Forschungsvorhaben „Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für eine nachhaltige Wasserversorgung“, und welche Konsequenzen ergeben sich dann für die bayerische Wasserversorgung?