Da kein Antrag auf Dritte Lesung gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Ich schlage vor, sie wiederum in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf mit dem vom federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen vorgeschlagenen Zeitpunkt des Inkrafttretens seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Gegenstimmen bitte ich, auf dieselbe Weise anzuzeigen. – Ich sehe keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Das Gesetz ist damit angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes.“
zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Drucksache 14/6498)
zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) (Drucksache 14/6505)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt 30 Minuten pro Fraktion. Ich erteile Herrn Kollegen Dr. Jung das Wort.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Videoüberwachung in Bayern ist seit längerer Zeit in der Diskussion. Ich erinnere an das Pilotprojekt in Regensburg. Es gibt Videoüberwachungen aber nicht erst seit dem Modellprojekt in Regensburg, sondern Videoüberwachung wird seit langer Zeit erfolgreich an vielen Objekten in ganz Deutschland eingesetzt.
Wir möchten deshalb am Beginn der Debatte klar herausstellen, dass sich die SPD in keiner Weise generell gegen Videoüberwachung stellt; im Gegenteil, wir sehen in der Möglichkeit der Videoüberwachung ein wichtiges Instrument der Sicherheitspolitik. Deshalb haben wir hierzu einen eigenen Gesetzesvorschlag eingebracht. Videoüberwachung ist für uns nicht nur wichtig und richtig, sondern sie muss auch effektiv ausgestaltet sein. Genau darin liegen die Unterschiede zwischen den Gesetzentwürfen der CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion.
Gestatten Sie mir zunächst einige Sätze zu dem Pilotprojekt in Regensburg. Es gibt Gott sei Dank eine Untersuchung von Prof. Müller, dem Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Regensburg, die sich mit der Kriminalitätsentwicklung in Regensburg auch in der Zeit vor Beginn des Videoüberwachungsversuchs ausführlich befasst. Daraus ergibt sich, dass die Straßenkriminalität gerade in Regensburg seit Jahren rückläufig ist. Während wir 1992 dort noch über 5000 einschlägige Delikte hatten, waren es 1999 kaum mehr als die Hälfte, nämlich nur noch 2900 Straftaten. Auch im Jahr 2000, also noch vor der Einführung der Videoüberwachung, war die Kriminalität auf Regensburgs Straßen rückläufig. Das bedeutet für uns, dass wir unabhängig von der Videoüberwachung in Regensburg einen guten Trend ausmachen können. Daher gibt der Videoüberwachungsversuch in Regensburg wenig Aufschluss und bietet wenig Erhellendes über die Berechtigung von Videoeinsätzen in innerstädtischen Gebieten.
Im Gegenteil: In einem Bericht des Innenministeriums war davon die Rede, dass die beiden in Regensburg überwachten Plätze, der Bahnhofsplatz und der Domplatz, von einer Vielzahl von Personen frequentiert werde, deshalb zwangsläufig negative Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl entstünden und man deshalb solche Plätze überwachen müsse. Ich glaube – und viele Kriminologen bestätigen dies –, dass genau das Gegenteil richtig ist. Auf Plätzen, die sehr belebt sind und auf denen viele Menschen vorhanden sind, findet soziale Kontrolle statt. Dort herrscht wenig Angst. Wenn ich über den Marienplatz in München oder über den Hauptmarkt von Nürnberg gehe, empfinde ich keine Angst. Das gilt auch für meine Frau oder meine Großmutter. Ängste entstehen vielmehr in Räumen, die nicht so häufig frequentiert werden. Solche Angsträume sind U-Bahnen in der Nacht, Tiefgaragen und andere Orte.
Um diese geht es in der aktuellen Diskussion. Deshalb müssen wir uns ehrlich unterhalten. Ehrliches Unterhalten bedeutet, dass Bewährtes fortentwickelt werden
sollte. Das heißt, dass Videoüberwachung beim Objektschutz fortentwickelt werden sollte und wir auch belebte und häufig frequentierte Orte in die Videoüberwachung einbeziehen können, aber nur dann, wenn es dazu einen Anlass gibt. Wir müssen Mittel und Zweck sehr sorgfältig abwägen, und wir dürfen nicht pauschal Bayern per Gesetz zur videoüberwachten Zone erklären. Wir müssen vor allem weiterhin dafür sorgen, dass die Polizeipräsenz auf der Straße möglich bleibt.
Wenn wir knappe Ressourcen haben – und darum geht es im Kern –, knappes Personal und knappes Geld, dann müssen diese Ressourcen vernünftig und effektiv eingesetzt werden. Den Menschen und uns ist es allemal wichtiger, das Personal auf den Straßen zu haben und die Streifenbeamten dort einzusetzen, wo Straftaten begangen werden, als sie hinter Monitoren sitzen zu haben.
Wenn es Menschenansammlungen oder gefährliche Entwicklungen gibt, zum Beispiel im Zusammenhang mit Fußballspielen, dann ist es sinnvoller, dass die Polizei unmittelbar vor Ort ist, nämlich dort, wo sich die Menschen treffen und die Sicherheit gefährdet werden kann, als hinter die Monitore die Polizisten zu setzen, die erst zum Tatort eilen, wenn sie Straftaten feststellen.
Deshalb hat die SPD-Fraktion in ihrem Gesetz ganz klare Beschränkungen und Eckpunkte eingebaut. Wir wünschen uns, dass die Orte überwacht werden, an denen wiederholt Straftaten begangen wurden und von denen wir annehmen müssen, dass dort weiterhin Straftaten begangen werden.
Wir möchten, dass der Einsatz der Videoüberwachung immer wieder auf seine Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit überprüft wird. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass auch Videoüberwachung einer Erfolgskontrolle unterliegt. Genau dies fehlt in dem Gesetzentwurf der CSU. Allein die Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder das subjektive Unbehagen einzelner Personen kann keinen Anlass darstellen. Ich persönlich möchte noch einmal klar herausstellen: Videokameras können ein sinnvolles Instrument sein, sie werden aber kein Allzweckmittel sein, und deshalb bedarf es keines Generalgesetzes zur Ermächtigung des Einsatzes. Vielmehr brauchen wir die Ermächtigung für die Zwecke und Notwendigkeiten, die auch sinnvoll sind.
Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es, der Polizei die Instrumente zu geben, die sie wirklich braucht und ausschöpfen kann. Dies tut die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf. Was darüber hinaus von der CSU vorgeschlagen wird, ist deshalb so gefährlich, weil es auch Ängste in der Bevölkerung schürt. Ich könnte ausführlich die Bedenken des Landesbeauftragten für den Datenschutz zitieren. Diese sind in den Protokollen des Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit nachzulesen. Diese Ängste haben Menschen, die sich zukünftig in Bayern bewegen wollen, ohne Gefahr zu
laufen, an Plätzen von Videokameras überwacht zu werden, an denen es nicht nötig ist. Ihr Gesetz öffnet Tür und Tor für den schrankenlosen Einsatz der Videoüberwachung. Das halten wir nicht nur für datenschutzrechtlich bedenklich, sondern auch für verfassungsrechtlich bedenklich. Ich weise deshalb darauf hin, dass wir uns vorbehalten, Ihren Gesetzentwurf, sollte er trotz meiner Ausführungen beschlossen werden,
Wir haben in den letzten Jahren in der Innen- und Sicherheitspolitik viel gemeinsam auf den Weg gebracht. Es gab viele Diskussionen, und Dr. Beckstein und Dr. Schily wurden gemeinsam von den Medien genannt und gelobt. Wir bieten ausdrücklich an, auch bei der Videoüberwachung gemeinsam einen erfolgreichen Weg zu gehen, was aber voraussetzt, dass Sie unseren Vorschlag mittragen: Videoüberwachung dort, wo sie sinnvoll, effektiv und geboten ist.
Herr Präsident, lassen Sie mich zunächst sagen, dass die CSU-Fraktion aufgrund der Bedeutung dieses Themas namentliche Abstimmung zu dem Gesetzentwurf beantragt.
Meine Damen und Herren! Nach der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2000 gab es in Deutschland im vergangenen Jahr alle 47 Sekunden eine Sachbeschädigung, alle viereinhalb Minuten eine Körperverletzung, alle sechseinhalb Minuten einen Autodiebstahl, alle zehn Minuten ein Sexualdelikt und alle drei Stunden einen Mord oder Totschlag. Die Bekämpfung von Kriminalität und Gewalt hat für die CSU seit jeher höchste Priorität. Wir haben mit diesem politischen Schwerpunkt Erfolg; denn Bayern gehört bekanntlich zu den Ländern mit den wenigsten Straftaten einerseits und der höchsten Aufklärungsrate andererseits. Ich sage aber im gleichen Atemzug hinzu, dass wir uns auf diesen Lorbeeren niemals ausruhen dürfen. Im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger müssen immer wieder aufs Neue Überlegungen angestellt werden, was noch getan werden muss, was noch getan werden kann und was verbessert werden kann.
Die CSU-Fraktion hat es deshalb sehr begrüßt, dass Staatsminister Dr. Beckstein im vergangenen Jahr in Regensburg einen Probeversuch zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze gestartet hat. Solche Testversuche gab es zum Beispiel auch in Leipzig oder in Frankfurt am Main. Sehr verbreitet ist die Videoüberwachung beispielsweise in vielen Großstädten Großbritanniens. Überall dort kann man sich davon überzeugen, dass die Installation von Videokameras auf einigen ausgewählten
Plätzen gute Beiträge liefern kann, um erstens potenzielle Straftäter abzuschrecken und damit die Kriminalprävention zu stärken und zweitens tatsächliche Straftaten, die trotzdem begangen worden sind, besser aufzuklären und Täter konkret zu ermitteln. Ein mindestens genauso wichtiger Effekt der Videoüberwachung ist aber auch, dass das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger gestärkt wird.
und ihnen die Angst zum Beispiel vor nächtlichen Überfällen genommen oder diese Angst zumindest gemindert wird. Dass die allermeisten Bürgerinnen und Bürger darauf höchst positiv reagieren,
(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Überfälle finden doch nicht an einem freien Platz statt!)
Frau Kollegin Stahl, in den U-Bahnhöfen Münchens können Sie erleben, dass die meisten U-Bahn-Fahrgäste die Videokameras, die die Landeshauptstadt München in allen U-Bahnhöfen installiert hat, keineswegs als störend oder unangenehm empfinden,
Deshalb, Herr Kollege Dr. Jung, ist auch der Hinweis auf die Polizeipräsenz in der von Ihnen angestellten Art nicht hilfreich. Ich könnte kontern und sagen: Warum stellt die Landeshauptstadt München nicht auch nachts um 24 Uhr an jeden Münchner U-Bahnhof eine Streife der städtischen U-Bahn-Wache? – Sie tut es nicht, weil das nicht bezahlbar ist. Genauso unrealistisch ist Ihr Hinweis, man könnte auf jedem öffentlichen Platz in Bayern ständig Polizeibeamte postieren. Das ist völlig irreal.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass die Landeshauptstadt München nach Aussage des Polizeipräsidenten von München die sicherste Großstadt in Europa ist – und zwar ohne Videoüberwachung?
Herr Kollege Pfaffmann, ich bedanke mich herzlich für den Hinweis. Ich weiß nicht, was Sie damit konkret aussagen wollen. Ihnen ist bestimmt bekannt, dass schon seit den siebziger Jahren für die Polizei und die innere Sicherheit auch in der Landeshauptstadt München vorrangig die Polizei des Freistaates Bayern zuständig ist.