Thomas Jung
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Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Strasser wird nach mir sprechen.
Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Staatsminister! Es ist in der Tat gut und richtig, dass wir uns im Parlament über die Kommunen und deren Situation austauschen. Schade ist nur, dass Ihnen die bayerischen Kommunen erst jetzt, wenige Wochen vor der Kommunalwahl, so viel Aufmerksamkeit wert sind.
Wir würden uns wünschen, dass die Kommunen diesen Stellenwert auch unter der Zeit bekommen.
Sie malen mit schönen Worten ein Bild der bayerischen Kommunen, wie es nicht schöner sein könnte. Ich räume an der Stelle gerne ein, dass dies für ausgewählte Kommunen insbesondere in der Region München und im Münchner Umland durchaus zutrifft. Die große Mehrzahl der bayerischen Landkreise, Gemeinden und kreisfreien Städte dagegen befindet sich in einer außerordentlich schlechten finanziellen Lage. Einem Stadtkämmerer in Hof nützt es gar nichts, wenn in anderen bayerischen Städten oder Gemeinden Kollegen von ihm Hundertmarkscheine oder jetzt Hundert-euroscheine an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben können.
Die von Ihnen vorgenommene Geißelung der Gewerbesteuerausfälle bei den bayerischen Kommunen war zu erwarten. Von Ehrlichkeit waren diese Worte aber nicht geprägt. Was hindert Sie, Herr Staatsminister, das Geld,
das Sie über die Umlage erhalten, auch wieder den Kommunen zurückzugeben? Keine Macht der Welt hindert Sie daran.
Wir werden heute einen entsprechenden Antrag vorlegen. Der Löwenanteil dieses Betrages verbleibt ja nicht in der Bundeskasse, sondern im bayerischen Staatshaushalt, beim bayerischen Finanzminister. Wenn Sie es wirklich ehrlich meinen, dann geben Sie das Geld, welches den Kommunen zusteht, diesen im Haushaltsvollzug zurück. Damit können Sie Taten vollbringen und nicht nur Worte gegen Berlin formulieren.
Sie wissen, dass es in vielen Bereichen des Freistaates bei der Finanzierung der bayerischen Kommunen Defizite gibt. Ich finde es ausgesprochen mutig, dass Sie es schon als Erfolg anpreisen, dass Sie 60% der Kosten der Schülerbeförderung tragen. Das lässt ja überhaupt keine Hoffnung auf Besserung mehr zu. Ursprünglich waren es 80%, jetzt werden schon 60% als Erfolg verkauft. Letztlich ist die Schülerbeförderung eine staatliche Aufgabe. Dass staatliche Aufgaben in Bayern nur noch zu 60% vom Staat finanziert werden, ist für die SPD nicht hinnehmbar. Wir bleiben bei unserer Forderung nach mindestens 80%.
Wir haben aber auch insgesamt eine Verschlechterung in den Finanzbeziehungen zwischen dem Freistaat Bayern und den Kommunen zu beklagen. Ihr Parteifreund, der Präsident des Bayerischen Städtetages Josef Deimer, weist darauf hin, dass das Kinderbetreuungskonzept der Staatsregierung die bayerischen Kommunen über 300 Millionen e kosten wird. Sie können Ihren Anteil als Freistaat zum Teil aus Privatisierungserlösen bezahlen. Die Städte und Gemeinden sind dagegen auf laufende Einnahmen angewiesen. Kaum ein Kämmerer in Bayern weiß heute, wo er das Geld dafür hernehmen soll. Eine ähnliche Situation haben wir bei der Abwasserentsorgung und der Trinkwasserversorgung. Bei den bereits bewilligten, aber noch nicht ausbezahlten Zuschüssen hat sich ein Stau in Milliardenhöhe aufgebaut. Die Finanzierungslast liegt bei den Gemeinden. Sie kennen die dramatischen Zahlen. Darüber müssen wir uns unterhalten. Hier sollten Sie mit dem Abbau beginnen statt immer nur Forderungen nach Berlin zu schicken.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister, ein Blick auf die Schulden zeigt eindrucksvoll die Entwicklung der kommunalen Finanzen. Während die Staatsverschuldung im Freistaat Bayern in den Jahren 1988 bis 1998 um 17% anstieg, wuchsen die kommunalen Schulden im gleichen Zeitraum um 57%. Das bedeutet, die kommunalen Schulden in Bayern wachsen dreimal so stark wie die des Freistaates. Sie betreiben im Freistaat eine Sanierungspolitik auf Kosten Dritter, nämlich auf Kosten der bayerischen Städte und
Gemeinden. Deshalb verstehen es die bayerischen Städte und Gemeinden auch als eine Art Drohung, wenn Sie bereits jetzt das Ziel eines ausgeglichenen bayerischen Staatshaushaltes vorgeben. Wir wissen genau, dass die Entschuldungspolitik des Freistaates sich weiter zulasten der Kommunen auswirken wird, wenn Sie sich nicht gleichzeitig für die Aufnahme des Konnexitätsprinzips verbürgen.
Auch Sie haben sich mit dem Konnexitätsprinzip beschäftigt, Herr Staatsminister. Letztlich wollten Sie aber wieder nichts davon wissen. Deswegen haben Sie eine Aufnahme dieses Prinzips in die Verfassung nicht in Aussicht gestellt. Der Deutsche Juristentag hat bereits vor vielen Jahren eine wunderbare Formulierung für die Bayerische Verfassung vorgeschlagen. Der damalige Vorschlag lautete:
Den Gemeinden und Gemeindeverbänden kann durch Gesetz die Erledigung von Aufgaben übertragen werden. Dabei sind Bestimmungen über die Deckung von Kosten zu treffen. Führen diese Aufgaben zu einer Belastung der Gemeinden und Gemeindeverbände, so ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen.
Zu gut Deutsch: Wer anschafft, der muss auch bezahlen. Das ist ein vernünftiger Grundsatz für das allgemeine Leben, der aber auch das Verhältnis zwischen Staat und Kommunen in Bayern bestimmen sollte. Die vier kommunalen Spitzenverbände fordern seit Jahren die Aufnahme dieser Formulierung in die Verfassung. Wir bieten wiederholt an, einen Einstieg in die notwendige Verfassungsverankerung durch eine Änderung unserer Gemeindeordnung, unserer Landkreisordnung und unserer Bezirksordnung auf den Weg zu bringen.
Bislang und leider auch in Ihrer heutigen Rede, Herr Minister Dr. Beckstein, gab es kein Signal, dass man etwas für unsere bayerischen Kommunen tun könnte.
Sie waren auch so mutig, Ihre Initiative „bayerische Innenstädte – unverwechselbar, attraktiv und lebenswert“ anzuführen. Über das Attribut „unverwechselbar“ lässt sich nicht streiten. Ob unsere Innenstädte bei Ihrer Regional- und Landesentwicklungspolitik auf Dauer attraktiv und lebenswert bleiben, das bezweifle ich. Die Zustimmung der Staatsregierung zu Factory-Outlet-Centern ist ein Sündenfall, ein Nachgeben auf Kosten unserer Innenstädte.
Darüber wäre ein Wort des Kommunalministers angebracht gewesen. Hierzu sagten Sie keine Silbe.
Herr Staatsminister, Sie verstehen sich als Kommunalminister im Kabinett. Kämpfen Sie darum, dass dieser Beschluss rückgängig gemacht wird, damit in Bayern Innenstädte weiterhin eine Chance haben. Unter Beibehaltung der jetzigen Politik haben Sie auf Dauer keine.
Ein besonderes Armutszeugnis stellen für mich Ihre heutigen Darlegungen in der Diskussion zur Bildungspolitik und zur bedarfsgerechten Ganztagsschule dar. Ich darf aus einer Erklärung des Bayerischen Städtetags zitieren:
Seit Jahren ist ein zunehmender Bedarf an Ganztagsschulen erkennbar. Dieser Entwicklung wird der Freistaat Bayern nicht gerecht.
Das ist eine Aussage des Bayerischen Städtetages.
Er bietet bislang nur außerschulische Hilfskonstruktionen an, mit denen die Verantwortung und die Finanzierungslast vor allem den Kommunen aufgebürdet werden.
Dieser Darlegung des Städtetages ist leider nichts hinzuzufügen. Wer die Hoffnung hatte, die Regierungserklärung zur Kommunalpolitik bringe neue Perspektiven und Möglichkeiten, der wurde enttäuscht. Bis heute gibt es keine verbindliche Planung zum Ausbau und zur Finanzierung von Ganztagsschulen. Bis heute wissen die Eltern in Bayern nicht, wie dieses Zukunftsprojekt angegangen und finanziert werden soll. Wir müssen feststellen, dass auch zur dringend notwendigen Schulsozialarbeit keine Aussage gemacht wurde. Zur Sachmittelausstattung an den Schulen haben Sie kein Wort gesagt.
Herr Staatsminister, Sie tun so, als sei der Sachaufwand für die Schulen die Leistung, ab und zu einmal ein Schulbuch zu erneuern, eventuell den teuren Atlas im Abstand von fünf Jahren. Tatsächlich sehen die Zahlen anders aus. Der Stadtkämmerer von Würzburg hat für seine Stadt berechnet: Eine Standardausrüstung mit zwei PCs pro Klassenzimmer kostet mit Vernetzungskosten 55 Millionen DM für die Stadt Würzburg. Der Stadtkämmerer von Nürnberg kommt auf eine Summe von 100 Millionen DM für seine Stadt. Für meine eigene Stadt Fürth kann ich sagen, es sind 900000 DM im Haushaltsplan 2001 eingesetzt. Zu diesen 900000 DM gibt es einen Zuschuss vom Freistaat Bayern in Höhe von 50000 DM.
Der Stadtkämmerer von Würzburg beziffert den Aufwand für seine Stadt mit 55 Millionen DM. Der Freistaat Bayern gibt dafür 60 Millionen DM aus. Die Diskrepanzen schreien zum Himmel. Das ist kommunalfeindlich.
Diese Politik spaltet das Land. Es gibt eine Spaltung des Landes Bayern in die wohlhabenden und in die ärmeren Gebiete. Mit dieser Finanzsituation wird das für die Zukunft zementiert.
Welche Möglichkeiten muss ein Stadtkämmerer denn haben – ich bleibe beim Beispiel Hof –, um seine Schulen auszustatten? Das kann er nicht, ohne dass ihm der Freistaat Bayern dabei hilft. Wir werden ein Bildungsge
fälle bekommen: Die Landeshauptstadt München und die Region ringsherum investieren viel Geld, und in den ärmeren Gegenden Bayerns kann die Ausstattung durch die Gebietskörperschaften nicht geleistet werden.
Damit haben wir die Spaltung auf dem Bildungssektor, die wir heute schon haben, für die nächsten Jahre zementiert.
Herr Staatsminister, insgesamt unterscheiden wir uns in der Grundauffassung gegenüber den Kommunen. Für uns sind die Kommunen Gebietskörperschaften, die ihr Geld eigenverantwortlich ausgeben sollten, die eigenverantwortlich bestimmen sollten, welche Dinge notwendig sind und wo Investitionen erfolgen sollen. Das bedeutet für uns: Die bayerischen Kommunen brauchen vor allem nicht festgelegte, nicht zweckgebundene Pauschalzuweisungen und Schlüsselzuweisungen. Wir in Bayern haben im Vergleich mit den übrigen der alten Bundesländern den niedrigsten Anteil bei den Schlüsselzuweisungen, den nicht gebundenen Zuweisungen an die Kommunen. Die Staatsregierung ist Meister darin, ein riesiges Verwaltungs- und Vergabesystem für projektgebundene Zuschüsse aufzubauen. Damit können Sie Steuern kontrollieren. Die Beamten bei den Regierungen prüfen vorab und prüfen hinterher die Rechnungen und die Verwendungsnachweise. Damit werden Heerscharen von Beamten beschäftigt. Geben Sie das Geld in die Hände der Kommunen. Diese wissen, wo sie es vernünftig unterbringen.
Die bayerischen Kommunen werden damit auch keinen Unsinn treiben, da haben wir festes Vertrauen. Dieses Vertrauen haben Sie nicht. Deshalb geben Sie die Mittel nur mit diesen Gängelungen.
Sie haben mutig das Trauerspiel um die Notrufnummer 112 angesprochen. Seit ich Mitglied dieses Landtages bin – das sind mittlerweile sieben Jahre –, hören wir davon. Es wird jetzt wieder eine Gesetzesvorlage angekündigt. Das wurde im innenpolitischen Ausschuss schon mehrfach angekündigt. Letztlich ist das ein lohnenswertes Ziel, das wir alle unterstützen. Die Konflikte mit dem Städtetag und dem Landkreistag sowie die Verzögerungen gibt es nur, weil Sie Aufgaben abwälzen und Aufgaben diesen Gebietskörperschaften aufbürden wollten.
Widerstand wird nicht geleistet, weil die Städte und die Landkreise keine einheitliche Notrufnummer wollten. Der Freistaat Bayern nutzt dies, um den Kommunen Kosten aufzubürden. Darin liegt das Problem.
Herr Staatsminister, Sie sind leider nicht auf den neuen Konflikt innerhalb Bayerns eingegangen. Der Präsident des Gemeindetages und der Präsident des Bezirkstages greifen Sie gegenwärtig in einer bisher nicht vorstellba
ren Schärfe an. Beide sind Parteifreunde von Ihnen. Ich zitiere den Präsidenten des Bayerischen Gemeindetages Thallmair in seinem Schreiben vom 16. Januar 2002:
Viele Städte und Gemeinden müssen in die Verschuldung gehen, so zum Beispiel auch meine eigene Stadt Starnberg, die nicht gerade eine steuerkraftschwache Stadt ist. Dazu kommen neue Aufgaben, wenn ich zum Beispiel an die Maßnahmen zur Familienförderung und Kinderbetreuung denke.
Hier führen zwei kommunale Ebenen einen beinahe blutigen verbalen Streit um die wenigen Mittel, die zur Verfügung stehen. Warum wird so heftig gestritten? – Nicht, weil alle so satt und zufrieden sind, wie Sie den Eindruck in Bayern erwecken, sondern weil hier Verteilungskämpfe um den zu wenig gefüllten Napf stattfinden. Nur deshalb gibt es diese traurigen Auseinandersetzungen. Ich wünsche mir, dass unsere kommunalen Verbände miteinander an einem Strang ziehen und keine Verteilungskämpfe führen müssen.
Ich fasse zusammen: Die Unterstützung der Kommunen durch den Freistaat Bayern lässt in zentralen Bereichen nach wie vor zu wünschen übrig. Schülerbeförderung, Schulsozialarbeit, Ganztagsbetreuung, Trink- und Abwasserversorgung und weitere Themen, die meine Kollegen noch ansprechen werden, finden kein ausreichendes Engagement des Freistaates. Die frei verfügbare Finanzmasse unserer Kommunen ist deutlich zu gering. Perspektiven auf Besserung hat Ihre Regierungserklärung leider nicht eröffnet. Sie bekommen von uns heute die große Chance, deutlich zu machen, dass Sie es ernst meinen. Geben Sie das Geld, das Sie aus der Gewerbesteuerumlage einstecken, denjenigen zurück, denen es zusteht, nämlich den Gemeinden. Darüber werden wir heute abstimmen.
Insgesamt möchte ich Sie auffordern, an einem großen Projekt auf Bundesebene mitzuwirken. Alleine eine Korrektur bei der Gewerbesteuerumlage hilft uns bei den zentralen Problemen nicht weiter.
Die Gewerbesteuer ist absolut konjunkturabhängig. Sie ist wenig berechenbar. Sie ist kein zukunftsfähiges Instrument, weder für die Bundesrepublik Deutschland nach außen, weil die anderen europäischen Staaten sie nicht kennen, noch nach innen, weil es bei der kommunalen Verteilung zu keiner Gerechtigkeit kommt.
Sehen Sie sich nur einmal die Gemeinden Iphofen und Würzburg an. Sie liegen nebeneinander. Die Größenverhältnisse sind bekannt. Trotzdem ist das Gewerbesteueraufkommen extrem unterschiedlich. Solche Beispiele ließen sich massenhaft finden. Deshalb ist es sehr gut, dass Bundesfinanzminister Hans Eichel eine Gemeindefinanzreform als großen Wurf in Angriff nehmen wird. Dabei sollte er Unterstützung aus unserem Hohen Hause erfahren. Ich bitte Sie, Herr Staatsminister Dr. Beckstein, daran mitzuarbeiten, dass wir eine große Gemeindefinanzreform in Deutschland auch für die bayerischen Kommunen gemeinsam auf den Weg bringen.
Herr Staatsminister, ab wann wird die Bayerische Staatsregierung die Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen zukünftig regional gesondert festlegen, und welche Konsequenzen sind hierbei für die Einkommensgrenzen für Sozialwohnungen und die Fehlbelegungsabgabe im Stadtgebiet Fürth zu erwarten?
Herr Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass sich im Jahr 2002 außer der Erhöhung der Basisgrenze durch den Bund nichts ändert? Gibt es ab dem Jahr 2003 regionale Unterschiede in Bayern?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kreuzer, Sie haben das große Geheimnis bereits vorweggenommen: Die übergroße Mehrheit der SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Auch wir haben erkannt, dass hier eine Lücke besteht, die zwar nicht viele Fälle betrifft, aber durchaus Fälle, die sehr dramatisch sind. Ich bin davon überzeugt, dass es Fälle gibt, bei denen der Richter nicht von vornherein die Gefährlichkeit eines Täters richtig einschätzen kann, weil sich die Gefährlichkeit erst während der Haftzeit herausstellt. In solchen Fällen ist es vernünftig, dass der Staat noch einmal eingreifen kann, um die Bevölkerung vor solchen Straftätern wirksam und effektiv zu schützen.
Viele beklagen das Fehlen einer bundeseinheitlichen Regelung. Ich bin demgegenüber froh, dass wir wieder einmal etwas auf Landesebene regeln können. Wir beklagen doch sonst immer den Bedeutungsverlust der Landesparlamente. In diesem Gesetzentwurf geht es um Vorbeugung und Prävention. Dies ist eindeutig Landessache. Deshalb ist es vernünftig, wenn diese Regelung vor Ort getroffen wird. Sie haben sich gefragt, was wohl passieren würde, wenn die SPD in Bayern regieren würde, weil wir bei diesem Gesetzentwurf einige Abweichler haben. Ich sage Ihnen: Das wäre kein Problem. Dann gäbe es eine Vertrauensfrage. Dann würden wir diesen Gesetzentwurf ebenso durchbringen, wie wir unsere Gesetzentwürfe in Berlin durchbringen. Diese Sorge kann ich Ihnen nehmen.
Ich kann Ihnen sagen, dass wir diesen Gesetzentwurf breitest mittragen werden. Ich möchte die inhaltlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Kreuzer nicht wiederholen. Er hat alles korrekt vorgetragen.
Ich möchte aber einen weiteren Umstand nicht unerwähnt lassen, der mich sehr bewegt: Wir diskutieren hier um ein Sicherheitsgesetz. Von der Bayerischen Staatsregierung haben wir aber leider bis heute kein Wort dazu gehört, dass die Einführung des europäischen Haftbefehls kurz vor dem Scheitern stand. Am letzten Dienstag fand eine Kabinettssitzung zur Vorbereitung auf den EUGipfel von Laeken statt. Dabei wurde groß und breit verkündet, man brauche eine neue Aufgabenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und ein Referendum über den künftigen europäischen Verfassungsvertrag. Staatsminister Bocklet verkündete die große Weisheit, man dürfe das Pferd nicht beim Schwanz aufzäumen. In dieser Erklärung stand jedoch mit keinem Wort, dass wir einen europäischen Haftbefehl brauchen.
Selbstverständlich. Ich habe Verständnis dafür, dass es Sie stört, wenn wir im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen auch über Versäumnisse der Staatsregierung sprechen. Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen. Ich halte es für einen skandalösen Vorgang, dass ganz Europa diesen Haftbefehl will, das Land Italien sich jedoch bis heute verweigert und das bayerische Kabinett über diesen EU-Gipfel berät und dabei keine Silbe über den Stoiber-Duzfreund Berlusconi verloren wird.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Haftbefehl ging es um weitaus gravierendere Probleme als in dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten. Bei diesem Haftbefehl ging es um internationalen Terrorismus, Steuerhinterziehung, vorsätzliche Tötung, Entführung minderjähriger Kinder usw. All dies soll europaweit nicht verfolgt werden, nur weil Sie Herrn Berlusconi weiterhin zu Parteitagen einladen wollen. Dieses Thema muss in diesem Hause angesprochen werden. Schließlich geht es hier um eine wichtige sicherheitspolitische Frage.
Sie dürfen sicher sein: Die Worte von Otto Schily, die er in Erlangen gesagt hat, dass nämlich Sicherheitspolitik und Innenpolitik ein sozialdemokratisches Gütezeichen seien, werden sich in der Bevölkerung mehr und mehr durchsetzen, solange Ihre Freunde EU-weite Haftbefehle nicht wollen.
Solange Sie solche Freunde haben, wird sich die Sozialdemokratie in Bayern langfristig durchsetzen.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Videoüberwachung in Bayern ist seit längerer Zeit in der Diskussion. Ich erinnere an das Pilotprojekt in Regensburg. Es gibt Videoüberwachungen aber nicht erst seit dem Modellprojekt in Regensburg, sondern Videoüberwachung wird seit langer Zeit erfolgreich an vielen Objekten in ganz Deutschland eingesetzt.
Wir möchten deshalb am Beginn der Debatte klar herausstellen, dass sich die SPD in keiner Weise generell gegen Videoüberwachung stellt; im Gegenteil, wir sehen in der Möglichkeit der Videoüberwachung ein wichtiges Instrument der Sicherheitspolitik. Deshalb haben wir hierzu einen eigenen Gesetzesvorschlag eingebracht. Videoüberwachung ist für uns nicht nur wichtig und richtig, sondern sie muss auch effektiv ausgestaltet sein. Genau darin liegen die Unterschiede zwischen den Gesetzentwürfen der CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion.
Gestatten Sie mir zunächst einige Sätze zu dem Pilotprojekt in Regensburg. Es gibt Gott sei Dank eine Untersuchung von Prof. Müller, dem Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Regensburg, die sich mit der Kriminalitätsentwicklung in Regensburg auch in der Zeit vor Beginn des Videoüberwachungsversuchs ausführlich befasst. Daraus ergibt sich, dass die Straßenkriminalität gerade in Regensburg seit Jahren rückläufig ist. Während wir 1992 dort noch über 5000 einschlägige Delikte hatten, waren es 1999 kaum mehr als die Hälfte, nämlich nur noch 2900 Straftaten. Auch im Jahr 2000, also noch vor der Einführung der Videoüberwachung, war die Kriminalität auf Regensburgs Straßen rückläufig. Das bedeutet für uns, dass wir unabhängig von der Videoüberwachung in Regensburg einen guten Trend ausmachen können. Daher gibt der Videoüberwachungsversuch in Regensburg wenig Aufschluss und bietet wenig Erhellendes über die Berechtigung von Videoeinsätzen in innerstädtischen Gebieten.
Im Gegenteil: In einem Bericht des Innenministeriums war davon die Rede, dass die beiden in Regensburg überwachten Plätze, der Bahnhofsplatz und der Domplatz, von einer Vielzahl von Personen frequentiert werde, deshalb zwangsläufig negative Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl entstünden und man deshalb solche Plätze überwachen müsse. Ich glaube – und viele Kriminologen bestätigen dies –, dass genau das Gegenteil richtig ist. Auf Plätzen, die sehr belebt sind und auf denen viele Menschen vorhanden sind, findet soziale Kontrolle statt. Dort herrscht wenig Angst. Wenn ich über den Marienplatz in München oder über den Hauptmarkt von Nürnberg gehe, empfinde ich keine Angst. Das gilt auch für meine Frau oder meine Großmutter. Ängste entstehen vielmehr in Räumen, die nicht so häufig frequentiert werden. Solche Angsträume sind U-Bahnen in der Nacht, Tiefgaragen und andere Orte.
Um diese geht es in der aktuellen Diskussion. Deshalb müssen wir uns ehrlich unterhalten. Ehrliches Unterhalten bedeutet, dass Bewährtes fortentwickelt werden
sollte. Das heißt, dass Videoüberwachung beim Objektschutz fortentwickelt werden sollte und wir auch belebte und häufig frequentierte Orte in die Videoüberwachung einbeziehen können, aber nur dann, wenn es dazu einen Anlass gibt. Wir müssen Mittel und Zweck sehr sorgfältig abwägen, und wir dürfen nicht pauschal Bayern per Gesetz zur videoüberwachten Zone erklären. Wir müssen vor allem weiterhin dafür sorgen, dass die Polizeipräsenz auf der Straße möglich bleibt.
Wenn wir knappe Ressourcen haben – und darum geht es im Kern –, knappes Personal und knappes Geld, dann müssen diese Ressourcen vernünftig und effektiv eingesetzt werden. Den Menschen und uns ist es allemal wichtiger, das Personal auf den Straßen zu haben und die Streifenbeamten dort einzusetzen, wo Straftaten begangen werden, als sie hinter Monitoren sitzen zu haben.
Wenn es Menschenansammlungen oder gefährliche Entwicklungen gibt, zum Beispiel im Zusammenhang mit Fußballspielen, dann ist es sinnvoller, dass die Polizei unmittelbar vor Ort ist, nämlich dort, wo sich die Menschen treffen und die Sicherheit gefährdet werden kann, als hinter die Monitore die Polizisten zu setzen, die erst zum Tatort eilen, wenn sie Straftaten feststellen.
Deshalb hat die SPD-Fraktion in ihrem Gesetz ganz klare Beschränkungen und Eckpunkte eingebaut. Wir wünschen uns, dass die Orte überwacht werden, an denen wiederholt Straftaten begangen wurden und von denen wir annehmen müssen, dass dort weiterhin Straftaten begangen werden.
Wir möchten, dass der Einsatz der Videoüberwachung immer wieder auf seine Zweckmäßigkeit und Erforderlichkeit überprüft wird. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass auch Videoüberwachung einer Erfolgskontrolle unterliegt. Genau dies fehlt in dem Gesetzentwurf der CSU. Allein die Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder das subjektive Unbehagen einzelner Personen kann keinen Anlass darstellen. Ich persönlich möchte noch einmal klar herausstellen: Videokameras können ein sinnvolles Instrument sein, sie werden aber kein Allzweckmittel sein, und deshalb bedarf es keines Generalgesetzes zur Ermächtigung des Einsatzes. Vielmehr brauchen wir die Ermächtigung für die Zwecke und Notwendigkeiten, die auch sinnvoll sind.
Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es, der Polizei die Instrumente zu geben, die sie wirklich braucht und ausschöpfen kann. Dies tut die SPD-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf. Was darüber hinaus von der CSU vorgeschlagen wird, ist deshalb so gefährlich, weil es auch Ängste in der Bevölkerung schürt. Ich könnte ausführlich die Bedenken des Landesbeauftragten für den Datenschutz zitieren. Diese sind in den Protokollen des Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit nachzulesen. Diese Ängste haben Menschen, die sich zukünftig in Bayern bewegen wollen, ohne Gefahr zu
laufen, an Plätzen von Videokameras überwacht zu werden, an denen es nicht nötig ist. Ihr Gesetz öffnet Tür und Tor für den schrankenlosen Einsatz der Videoüberwachung. Das halten wir nicht nur für datenschutzrechtlich bedenklich, sondern auch für verfassungsrechtlich bedenklich. Ich weise deshalb darauf hin, dass wir uns vorbehalten, Ihren Gesetzentwurf, sollte er trotz meiner Ausführungen beschlossen werden,
vom Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen.
Mir ist es ein Herzensanliegen, Ihnen noch einmal Folgendes deutlich zu machen:
Wir haben in den letzten Jahren in der Innen- und Sicherheitspolitik viel gemeinsam auf den Weg gebracht. Es gab viele Diskussionen, und Dr. Beckstein und Dr. Schily wurden gemeinsam von den Medien genannt und gelobt. Wir bieten ausdrücklich an, auch bei der Videoüberwachung gemeinsam einen erfolgreichen Weg zu gehen, was aber voraussetzt, dass Sie unseren Vorschlag mittragen: Videoüberwachung dort, wo sie sinnvoll, effektiv und geboten ist.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sie, Herr Dinglreiter, wollten uns jetzt mit vielen Worten darstellen, dass bei
der Union und in der Staatsregierung niemand umgefallen sei. Gelungen ist Ihnen das nicht, und es nimmt Ihnen auch keiner ab.
Die Erklärungen des Einzelhandelsverbandes – sicherlich keine der SPD besonders nahe stehende oder verdächtige Organisation – sprechen eine deutliche Sprache.
Wir bedauern diese Entwicklung außerordentlich und werden deshalb auch dem Anliegen der GRÜNEN gerne zustimmen, weil Sie damit vernünftige Ansätze ad absurdum führen, vernünftige Ansätze, die auch mit den Problemen zu tun haben, die wir heute diskutiert haben.
Ihr Minister Beckstein hat bedauert, wie wenig Geld für die Projekte der „Sozialen Stadt“ zur Rettung der Innenstädte in Bayern zur Verfügung steht.
Ihr Staatsminister Beckstein hat erklärt, es bestehe ein Zusammenhang zwischen Städtebauförderung und Entscheidungen für Ansiedlungen auf der grünen Wiese. Es ist naturgemäß so: Man kann nicht beides haben; man kann nicht auf der grünen Wiese ansiedeln lassen, was sich ansiedeln will, und gleichzeitig lebendige und attraktive Innenstädte als Forum des Handels und des gesellschaftlichen Lebens.
Und wenn Herr Beckstein noch einen Funken Glaubwürdigkeit haben soll, dann müssen Sie Ihre Entscheidung wieder umdrehen. Es war sogar die Drohung im Raum, auch bei Diskussionen in Mittelfranken, dass Mittel der Städtebauförderung dann von den Kommunen zurückgezahlt werden müssten, wenn gleichzeitig die Stadtratsgremien innenstadtfeindlichen Ansiedlungswünschen nachgeben.
Wo ist denn jetzt diese Politik? Sie wurde sang- und klanglos beerdigt, um hier Großhandelsinteressen nachzugeben. Wir fordern Sie auf, aus Gründen der Nahversorgung, aus Gründen lebendiger Innenstädte, aus Gründen auch der Erhaltung dieser Räume und räumlicher Traditionen in Bayern hier noch einmal einen Schwenk zu machen, nämlich den Schwenk zurück zum Konsens, den wir in Bayern in dieser Frage bereits erreicht hatten.
Es ist schon interessant, wenn man im „Donaukurier“ nachlesen kann, wer sich denn für die großzügigere Handhabung ausgesprochen hat: der Herr Stoiber, der Herr Huber – und die Gegenfront: der Herr Wiesheu und Herr Beckstein.
Wir sind sicher unverdächtig, große Fans von Herrn Dr. Wiesheu oder Herrn Dr. Beckstein zu sein. Aber wo sie Recht haben, haben sie Recht. Wir bitten Sie, die Diskussionen und Anhörungen, die Sie angekündigt haben, für einen nochmaligen Schwenk um 180 Grad nutzen. Damit wäre der Kreis vollzogen und Sie stünden wieder am Ausgangspunkt. Der Berliner Regierende Bürgermeister würde sagen: Das ist gut so. Das wäre auch gut für Bayern. Deshalb bitten wir Sie um eine weitere 180-Grad-Drehung. Diese Drehung könnten wir heute beginnen, indem wir dem Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zustimmen.
Herr Staatsminister, Herr Präsident! Ich frage die Staatsregierung, wie viele Strafanzeigen geschädigter Immobilienkunden der vormaligen Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank sind bei den bayerischen Staatsanwaltschaften eingegangen und wie viele wurden abschließend und mit welchem Ergebnis bearbeitet?
Gab es bei den nach § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellten Verfahren Beschwerden gegen die Einstellungen oder sind die alle abgeschlossen?
Wann rechnet man bei den von Ihnen angesprochenen noch laufenden Ermittlungsverfahren mit einem Abschluss?
Sehr geehrter Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst Herr Dr. Beckstein, gute Besserung für Ihre Erkältung. Ich kann da mitfühlen.
Für uns Sozialdemokraten ist die Gewährleistung von Sicherheit für alle Mitbürgerinnen und Mitbürger ein Grundauftrag unseres Staates. Deshalb wollen wir in Bayern dafür ausreichend Mittel bereitgestellt wissen. Wir wollen einen starken Staat, der die Schwachen vor Übergriffen und Gewalt schützt. Wir freuen uns deshalb, dass der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland und der Innenminister des Freistaats Bayern auf vielen Feldern der inneren Sicherheit erfolgreich zusammenarbeiten. Diese Entwicklung, die uns sehr freut, war nach CSU-Hetzcampagnen in vielen Städten Bayerns noch vor der Amtsübernahme von Otto Schily nicht unbedingt zu erwarten. Wir freuen uns, dass sich das jetzt so gut entwickelt. Sie haben viel hinzugelernt, Herr Staatsminister.
Die bayerischen Sozialdemokraten unterstützen den Weg eines Verbots der NPD, da sie eine der größten Gefährdungen und Herausforderungen für die Sicherheit und Zukunft unserer Demokratie darstellt. Wir unterstützen das Vorhaben der Novellierung des Waffenrechts für ganz Deutschland und gehen davon aus, dass sie, Herr Dr. Beckstein, auch in dieser Frage dem Bund zuarbeiten und mithelfen werden, eine gute Lösung zu erarbeiten. Eckpunkte, die vernünftig sind und uns voranbringen, hat der Bundesinnenminister erarbeitet. Nach unserer Auffassung sollte Bayern diesen zustimmen.
Sie sehen, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, für Ihren Herrn Minister haben wir viel Lob, inso
weit er die erfolgreiche Innenpolitik der Bundesregierung unterstützt.
Dieses Lob kommt von Herzen, und das geben wir auch gerne. Mein ehrlicher Eindruck ist es, dass sich der bayerische Innenminister wohltuend vom Rest des Kabinetts unterscheidet, wo oftmals Fundamentalopposition gegen Berlin gemacht wird.
In der Innenpolitik können wir das nicht feststellen. So sehr wir Ihre Politik gegenüber der Bundesregierung im Bereich des Inneren loben können, so wenig können wir Sie leider für Ihren Haushaltsentwurf loben. Die bayerischen Beamtinnen und Beamten im Innenministerium und in den Behörden verdienen Dank für ihre Arbeit. Diesen Dank haben Sie, Herr Minister, zu Recht ausgesprochen. Die bayerischen Beamtinnen und Beamten verdienen aber nicht nur Dank, sondern auch eine Perspektive für ihre wichtige und gefahrvolle Arbeit. Bestehende Defizite sollten nach und nach beseitigt werden. Ihr Haushaltsentwurf, Herr Minister, beseitigt aber keine Defizite.
Sie nehmen seit Jahren nicht zur Kenntnis, dass erfreulicherweise der Frauenanteil bei der bayerischen Polizei steigt. Nach Hochrechnungen der Polizeigewerkschaften wird bereits im Jahr 2005 der Anteil der Frauen im Vollzugsdienst etwa 13% betragen. Das entspricht immerhin 4000 Beamtinnen. Frauen können in hohem Maße Erziehungsurlaub, Sonderurlaub oder Teilzeitarbeit in Anspruch nehmen. Das ist gut so. Nach Schätzungen muss damit aber auch eine Ausfallquote von mindestens 30% realistisch angesetzt werden. Wir werden also einen Bedarf von über 1000 Stellen haben, um die erforderlichen Ersatzkräfte zur Verfügung stellen zu können.
Niemand in Bayern mutet Eltern oder Kindern Unterrichtsausfall zu, wenn die Lehrerin schwanger wird. Wir aber, Herr Innenminister, muten unseren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheitsdefizite zu, wenn dies bei der Polizei geschieht. Das kann zu einem ablehnenden Klima innerhalb der Polizeiinspektionen und zu Problemen der Akzeptanz von Frauen in der Polizei führen. Deshalb appellieren wir an dieser Stelle noch einmal an Sie: Stimmen Sie unseren Anträgen auf Schaffung einer angemessenen mobilen Reserve zu. Sorgen Sie dafür, sich die Frauen bei der bayerischen Polizei wohlfühlen können und dass der bayerischen Polizei die Umstellung zu einem Verband aus Männern und Frauen gelingt.
Es ist nicht allein der Bedarf an Ersatzkräften für ausgefallene Frauen, denen Ihr Entwurf nicht gerecht wird; auch die weiteren großen Probleme des bayerischen Polizeidienstes bleiben ungelöst. In diesem Zusammenhang muss an erster Stelle die schleichende, aber stetige Auszehrung unserer Polizeidienststellen vor Ort angesprochen werden. Entscheidend für die Bürgerinnen und Bürger ist es, dass die Polizei vor Ort präsent ist und ihre Aufgaben wahrnimmt. Wir haben mittlerweile
Dienstgruppen, die noch vor zehn Jahren mit einer Stärke von 35 Personen auf einer Inspektion arbeiteten, jetzt aber nicht einmal mehr beim hälftigen Personalstand sind, obwohl sich die Kriminalitätsbelastung im selben Zeitraum verdoppelt hat.
Für viele Inspektionen stehen ihre Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten nur auf dem Papier. Die Beamten finden sich statt dessen in Einsatzzügen mit 800 Stellen, in zivilen Einsatzgruppen mit 500 Stellen, im EDV-Bereich mit zirka 400 Stellen, bei Fahndungskontrollgruppen mit zirka 200 Stellen und einer Vielzahl weiterer Funktionen. Der Mindestansatz sind mittlerweile mindestens 2500 Beamtinnen und Beamte, die in den Dienstgruppen vor Ort fehlen. Das hat ein Ausmaß angenommen, Herr Minister, das zu deutlich negativen Auswirkungen beim Klima und bei den Stimmungen auf den Polizeiinspektionen vor Ort führt. Wenn man den örtlichen Dienststellen über 2500 Beamtinnen und Beamte entzieht, dann fehlen sie auf der Straße. Das spüren die Bürger, und der normale Schichtbeamte, der in seiner Dienstgruppe vor Ort Dienst tut, spürt, dass er dem Innenministerium nicht das Wert ist, was er Wert sein sollte. Wir fordern Sie auf, mit diesem Haushalt endlich zu beginnen, diese zusätzlichen Funktionsstellen zu etatisieren und der Auszehrung der Dienstgruppen vor Ort Einhalt zu gebieten.
Ungelöst bleibt mit Ihrem Entwurf auch die Situation der unterschiedlichen Altersstruktur der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. „Hilfe, die Polizei wird alt“ lautete die Überschrift eines Leitartikels einer Zeitschrift der Polizeigewerkschaft. Dies trifft leider in vielen Bereichen Bayerns zu. Unwidersprochen können Personalräte von „Altersheimen“ bei einzelnen Polizeiinspektionen sprechen. Immer noch gibt es in Ober- und Unterfranken Stationen, in denen das Durchschnittsalter der Schichtbeamten über 50 Jahre beträgt, während wir in München nach wie vor viele 20-jährige im Einsatz haben. Es ist mit diesem Haushaltsentwurf nicht gelungen, endlich einen Schritt weg von dieser unguten Struktur zu machen. Wir wollen eine gesunde Mischung, den richtigen Mix aus jung und erfahren, aus forsch und ruhig, um eine erfolgreiche Polizeiarbeit überall sicherstellen zu können. In dieser Beziehung ist leider nichts geschehen.
Wie bei jeder Haushaltseinbringung, Herr Minister Beckstein, ist auch jetzt die traurige Situation der Tarifbeschäftigten im Polizeidienst anzusprechen. Auch deren Situation bleibt wieder ungelöst. Keine Silbe haben Sie diesem wichtigen Personenkreis, dieser Stütze der Polizeiarbeit in Bayern, gewidmet. Der Einsatz der Tarifbeschäftigten ist auch nach Auffassung vieler Polizeiführer vor Ort unverzichtbar und wichtig. Oftmals könnte eine noch bessere Entlastung bei den Polizeivollzugsbeamten erreicht und höherwertige Aufgaben ausgefüllt werden. Die fehlenden Stellen lassen es aber nicht zu. Ihr Haushaltsentwurf hilft auch hier nicht entscheidend weiter. Seit Jahren wird ein Qualifizierungsprogramm angekündigt. Das Prüfungsstadium ist aber noch nicht verlassen. Wir fordern Sie deshalb auf, unseren Anträgen für eine faire und gute Perspektive für die Tarifbeschäftigten der bayerischen Polizei zuzustimmen.
Wir sehen mit Freude, Herr Staatsminister, dass Sie jetzt angekündigt haben, dass die Schutzwesten für die bayerische Polizei zu 100% bezuschusst werden. Das freut mich persönlich insbesondere deshalb sehr, weil wir diese Forderung seit Jahren immer wieder erhoben haben. Wir freuen uns nicht nur, sondern wir wundern uns auch ein bisschen. Plötzlich entdeckt der Herr Ministerpräsident persönlich in einer Kabinettssitzung, dass die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten in Bayern einen schweren Dienst leisten und man deshalb die Ausstattung auch zu 100% finanzieren müsse.
Wir wissen das seit 1995. Warum hat man nicht schon am 27. Februar 1995, als erstmals unser Antrag im Innenausschuss zur Diskussion stand, zugestimmt? Jetzt springt der bayerische Innenminister auf den fahrenden Zug aus Nordrhein-Westfalen auf und gewährt den Zuschuss in Höhe von 100%. Das freut uns, aber es bleibt ein Armutszeugnis für die CSU-Fraktion. Noch vor wenigen Wochen, nämlich am 26. Oktober im Haushaltsausschuss und am 8. November im Innenausschuss, gab es selbst gegen den bescheidenen Antrag von uns, 500000 DM bereitzustellen, um den bisherigen Zuschuss von 80% auf 90% zu erhöhen, heftigen Widerstand der CSU. Ich will nicht im Einzelnen die Argumente zitieren, aber es hieß, die Bezahlung sei in Bayern außerordentlich großzügig, mehr sei nicht nötig, und die Höhe des Zuschusses sei kein entscheidendes Kriterium. Worin bestand in dieser Diskussion, Herr Dr. Kempfler, Herr Herrmann, Ihr Einsatz für die bayerische Polizei? Während Sie noch an vorderster Front unsere Anträge ablehnten und abwerteten, hatte ihr Minister schon die Kehrtwendung vollzogen. Das freut uns und ehrt Ihren Minister, wirft aber ein trauriges Bild auf die Arbeit der CSU-Fraktion in dieser Beziehung.
Aber auch Sie, Herr Staatsminister, haben wichtige Fragen noch nicht beantwortet. Wann kommen die Westen zur Auslieferung, wie steht es mit einer Tragepflicht? Bis zu welchem Preis werden 100% der Kosten bezahlt? Darüber werden wir uns noch im Ausschuss ausführlicher unterhalten müssen.
Große Sorgen machen uns nach wie vor die Entwicklungen im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität.
In den letzten fünf Jahren mussten wir uns mit Steigerungsraten von 30% abfinden. Im Schnitt ist jetzt in Bayern etwa jeder dritte Straftäter weniger als 21 Jahre alt. Auch wenn zwischenzeitlich eine gewisse Stagnation auf hohem Niveau eingetreten ist, muss es eine Kernaufgabe bayerischer Sicherheitspolitik sein, hier offensiv vorzugehen und Akzente zu setzen.
Richtig ist es, wenn Sie dafür sorgen, dass nicht die Augen verschlossen werden, wenn Kinder die Schule schwänzen, und dass sich die Polizei des Problems annimmt. Richtig ist es, diese Kinder anzusprechen und sie nicht sich selbst zu überlassen. Doch nutzt es nichts, sie aufzugreifen, in die Schule zu bringen und ansonsten nichts zu tun. Wir wissen, dass etwa 5% der Straftäter, die so genannten Intensivtäter, für etwa 50 bis 60% der Straftaten verantwortlich sind, die unter die Kinder- und
Jugenddelinquenz fallen. So müssen wir im Freistaat Bayern ein Konzept entwickeln, wonach es möglich ist, frühzeitig einzugreifen und potenzielle Intensivtäter auch intensiv zu betreuen. Da genügt es nicht, wenn der Sozialarbeiter einmal bei der Familie des betreffenden Kindes vorbeischaut. Vielmehr müssen die Probleme konzentriert angegangen werden. Die zu treffenden Maßnahmen können bis zur Unterbringung von Kindern außerhalb ihrer Familien reichen. So etwas kostet Geld, viel Geld, das aber gut angelegt ist, wenn es dazu beiträgt, kriminelle Karrieren zu verhindern.
Vorbildlich handelt auf diesem Gebiet die Landeshauptstadt München. Bereits 1993 begann dort die Schulsozialarbeit an drei Hauptschulen. Heute fließen jährlich 8 Millionen DM aus dem städtischen Haushalt an 26 städtische Projekte zur Vermeidung von Kinder- und Jugendgewalt sowie in sechs entsprechende Maßnahmen in freier Trägerschaft. Wo bleibt hier der Freistaat Bayern? Herr Staatsminister, geht man den Entwurf für Ihren Haushalt durch, muss man feststellen: Die entsprechenden Ansätze sind nicht ausreichend. Hier findet sich kein Konzept für eine zukunftsweisende präventive Arbeit auf dem in Rede stehenden Gebiet. Sie bleiben dem alten CSU-Bild der reinen Repression verhaftet. Das ist sehr bedauerlich und für die Gesellschaft auf Dauer auch sehr teuer. Denn bei der Kinder- und Jugendkriminalität bestehen vergleichsweise sehr gute Einwirkungsmöglichkeiten. Kinder und Jugendliche sind eher formbar als Erwachsene. Hier nichts zu tun, das ist nichts anderes als sträfliches Unterlassen.
Herr Minister, Sie malten in Ihrer Rede ein schönes Bild von der bayerischen Polizei. Sie kann viele Erfolge vorweisen. Diese sehe wir gerne; wir freuen uns darüber. Herr Staatsminister, Sie ignorieren aber die Unzufriedenheit vieler Polizeibeamtinnen und -beamten. Sie ignorieren die Unzufriedenheit über die schon angesprochene Situation in den Dienststellen vor Ort, denen die Beamten entzogen werden. Sie haben sich aber auch nicht mit den Ergebnissen einer Mitarbeiterbefragung beim Polizeipräsidium München auseinander gesetzt, die in diesem Jahr veröffentlicht wurde. Ich denke, Sie haben aus gutem Grund nichts dazu gesagt, Herr Minister. So hält eine große Zahl der Mitarbeiter des genannten Polizeipräsidiums die politische Rückendeckung für ihre Arbeit für nicht ausreichend. Das Beurteilungssystem bei der bayerischen Polizei sieht die Mehrheit der Beschäftigten als nicht objektiv an. Fast zwei Drittel der Beamtinnen und Beamten erklären, in Bayern komme es beim beruflichen Fortkommen weniger auf die Leistung an. Die Mehrheit von ihnen empfindet die Stäbe, insbesondere die an den Präsidien, als zu groß.
Die genannte Untersuchung war sehr aufwendig. Ihre Ergebnisse sind wichtig. Sie hätten Anlass zu Konsequenzen sein müssen. Doch diese fehlen. Sie sind weder in dem vorliegenden Haushaltsentwurf noch in den Perspektiven für die bayerische Polizei zu finden, Herr Staatsminister. Würde jetzt wieder eine derartige Umfrage durchgeführt werden, die Ergebnisse wären dieselben. Es hat sich in der Zwischenzeit ja auch nichts getan.
Traurig, kurz und bescheiden bleiben auch Ihre Aussagen als Kommunalminister, Herr Staatsminister Dr. Beckstein. Die Situation der bayerischen Kommunen reden Sie schön. Ehrlicher ist da Ihr Parteikollege Josef Deimer, der vor wenigen Tagen formulierte, Würzburg sei nur die Spitze des Eisbergs. Er hat damit dargestellt, dass sich die großen Städte Bayerns in einer sehr schwierigen Finanzsituation befinden und dass die Bayerische Staatsregierung keine Bemühungen unternimmt – auch von Ihren war heute keine Silbe dazu zu hören, Herr Staatsminister –, den bestehenden Problemen gerecht zu werden und zu helfen. Es kann doch nicht angehen, dass Einrichtungen geschlossen werden müssen, wie es jetzt beim Würzburger Theater der Fall war, bevor das Kabinett aufwacht. Wir brauchen Strukturreformen und eine vernünftige, modernen Ansprüchen gerecht werdende finanzielle Ausstattung der Kommunen durch den Freistaat.
Besonders problematisch ist aus unserer Sicht, dass wir in Bayern ein neues regionales Gefälle bekommen. So steht zu befürchten, dass die Bildungschancen in Bayern künftig vom Geldbeutel der einzelnen Kommunen abhängen werden. Die Kommunen haben die Lehrmittel bereitzustellen. Das war in den letzten Jahren kein großes Problem. Alle fünf Jahre mussten neue Schulbücher gekauft werden; das war für jede Gemeinde zu verkraften. Mittlerweile geht es aber auch um die EDV-Ausstattung von Schulen. Die Landeshauptstadt München kann hierfür ihren Schulen aus einem Sonderprogramm mehr als 200 Millionen DM zur Verfügung stellen. Sprechen Sie einmal mit dem Stadtkämmerer Würzburg oder mit dem von Hof, Herr Staatsminister. Fragen Sie einmal, wie viel dort für die EDV-Ausstattung von Schulen bereitgestellt werden kann. Sie werden gewaltige Unterschiede feststellen. Diese wirken sich auf die Bildungsund damit auf die Lebenschancen von Kindern aus. Wir wollen keinen Freistaat Bayern, in dem der jeweilige Stadtkämmerer und die ihm zur Verfügung stehende Finanzmasse über die Bildungschancen unserer Kinder entscheiden.
Wir wollen gleiche Bildungschancen überall im Land, Bildungschancen, die unabhängig davon sind, ob ein Kind nun in einer wohlhabenden oberbayerischen oder in einer strukturschwachen oberfränkischen Gemeinde aufwächst. Da müssen Sie helfen, meine Damen und Herren von der CSU. Die von Ihnen vorgesehenen 60 Millionen DM, gleichmäßig über ganz Bayern verteilt, stellen nicht einmal den berühmten Tropfen auf den heißen Stein dar. Die bayerischen Kommunen müssen intensiv unterstützt werden. Diesbezüglich hätten sie vom Kommunalminister auch Rückendeckung erwartet. Wo setzt sich der Kommunalminister dafür ein, dass den Gemeinden 80% der Kosten der Schülerbeförderung erstattet werden? Wo setzt sich der Kommunalminister dafür ein, dass die Kürzung der Zuschüsse für Maßnahmen der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung rückgängig gemacht wird? Wo kämpft der Minister für eine bessere Ausstattung gerade unserer großen Städte?
Herr Staatsminister, leider haben Sie auch mit Ihren Ankündigungen zur Notrufnummer 112 nicht den großen Wurf geschafft. Seit Dezember 1996 liegt Ihnen der einstimmige Beschluss dieses Hause zur Schaffung einer einheitlichen Notrufnummer für Bayern vor. Unsere Feuerwehren, unsere Rot-Kreuz-Bereitschaften und das THW leisten bei Notfällen herausragende Arbeit. Doch gibt es für die aktiven Helfer – sehr viele von ihnen sind ehrenamtlich tätig – keine befriedigende zeitliche Perspektive, was besagte Notrufnummer anbelangt. Im Gegenteil: Erst in der vergangenen Woche hat die CSUFraktion eine Verlautbarung herausgegeben, worin als Zeitpunkt für die Einrichtung einer einheitlichen Notrufnummer das Jahr 2005 angegeben wird.
Ja, Bayern vorn. Aber so stellen wir uns das nicht vor. Herr Staatsminister, Sie selbst haben in Ihrer Rede eingeräumt, dass die jetzige Situation im Einzelfall lebensbedrohend sein kann. Wenn dies zutrifft, müssen Sie rasch handeln. Dann kann es nicht angehen, dass wir bis zum Jahr 2005 auf eine einheitliche Notrufnummer warten müssen. Lassen Sie jetzt die erforderlichen Mittel bereitstellen. Die Beteiligten sind überaus kooperationsbereit. Herr Minister, Sie sollten jetzt ein Konzept auf den Weg bringen, wonach sich ehrenamtlich Tätige auch weiterhin einbringen können und nicht allein die Kommunen finanziell belastet werden.
Zum Schluss möchte ich noch die Situation im Straßenbau hierzulande ansprechen. Herr Staatsminister, Sie sind heute wesentlich zurückhaltender als auf Ihren berühmt-berüchtigten Straßenbaukonferenzen,
mit denen Sie landauf, landab einen Generalangriff auf Berlin versucht haben. Der Bund ist es, der in Bayern Milliarden investiert. Doch Sie lassen das hiesige Straßennetz verwahrlosen, meine Damen und Herren von der CSU.
Insgesamt fließen aus Berlin im Zeitraum von 1999 bis 2002 bereits aus dem Investitionsprogramm für Bundesfernstraßen mehr als 2 Milliarden DM nach Bayern, aus dem Antistauprogramm und weiteren Zusatzprogrammen zusätzlich mehr als 1 Milliarde DM, insgesamt also mehr als 3 Milliarden DM. Doch Sie lassen sich heute hier für 20 Millionen DM feiern, die Sie zusätzlich zugunsten bayerischer Straßen investieren wollen, meine Damen und Herren von der CSU.
Das sind doch, um einen Begriff aus der Bankiersprache zu verwenden, Peanuts gegenüber dem, was Berlin für Bayern tut.
Ihre Forderung nach einer Erhöhung um 20 Millionen DM ist nicht mehr als der Ausdruck Ihres schlechten Gewissens, hilft aber dem bayerischen Staatsstraßenbau nicht auf die Füße. Herr Staatsminister, Sie sollten Hans Eichel in Berlin für seine Großzügigkeit danken, anstatt in Tobsuchtsanfällen den Geldsegen aus Berlin als – ich muss Sie zitieren – „parteipolitisch motivierte Nacht- und Nebelaktion“ zu diffamieren. Wenn mir jemand nachts 3 Milliarden DM schenkt, dann freue ich mich, sage Dank und schimpfe nicht und rege mich nicht auf.
Mit einer Aussage haben Sie allerdings Recht: Parteipolitisch motiviert ist das Ganze. Es wurde von der SPD in Bayern angestoßen und zeigt deutlich, dass wir uns um Bayerns Straßen kümmern, während Sie Ihre Hausaufgaben leider nicht gemacht haben.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich möchte auf meine Eingangsworte zurückkommen. Wir freuen uns, dass die Politik des Bundesinnenministers aus Bayern kaum Schläge, aber viel Unterstützung erfährt. Wir würden uns noch mehr freuen, wenn Sie hier in Bayern eine genauso erfolgreiche Politik machen würden wie wir für Deutschland. Ihrem Haushaltsentwurf können wir aus den dargestellten Gründen leider nicht zustimmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Innenminister, Sie brauchen keine Sorge zu haben: Wertkonservative Ansichten werden von uns nie als rechtsextrem bezeichnet werden – im Gegenteil: Wir meinen, rechtsextreme Auffassungen finden sich zum Teil bei Ihnen, wertkonservative dagegen schon längst bei den Sozialdemokraten.
Wenn es darum geht, Schöpfung zu bewahren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dann sollten Sie sich sowohl hier als auch im Deutschen Bundestag einmal sorgfältig die Diskussionen anhören und prüfen, wo tatsächlich wertkonservative Haltungen zum Ausdruck gebracht werden.
Zunächst zu Ihnen, Herr Fraktionsvorsitzender Glück. Ich habe Ihnen eigentlich mit Hochachtung und Respekt entgegenzutreten. Auch schon der Altersunterschied gebietet dies.
Aber leider ist es aus meiner Sicht für Ihre Funktion peinlich – ich komme um das Wort flegelhaft nicht herum –, wie Sie Ihre Rede begonnen haben.
Der zweite Teil war dann Gott sei Dank anders. Solche Hasstiraden gegen unsere neue Führung, unseren neuen Fraktionsvorsitzenden. Welche Sorgen haben Sie denn, Herr Glück?
Zunächst haben Sie sich bemüßigt gesehen, den Begriff des Ministerpräsidenten von der durchrassten Gesellschaft wieder aufzubringen und haben erklärt, er bedauere diesen Begriff und hätte sich entschuldigt. Dazu haben wir, zumindest ich, bis heute vom Herrn Ministerpräsidenten noch keine Silbe gehört.
Es ist schön, wenn Sie das heute für ihn erklären, aber das sollte doch der Ministerpräsident am besten hier selbst machen. Wir haben Verständnis dafür, dass er nicht da ist; dies lassen wir heute aus gutem Grund durchgehen. Es wäre aber doch angebracht, dies in diesem Haus zu erklären. Warum Sie Ihre Rede so mimosenhaft, so ausfällig begonnen haben, ist mir trotzdem nicht nachvollziehbar, und vor allem haben Sie hierzu nicht den geringsten Anlass.
Der Herr Innenminister hat jetzt sein besonders fruchtbares Verhältnis zu Bundesinnenminister Otto Schily betont. Ich will nicht daran erinnern, wie gerade Otto Schily von Ihnen und Ihren Streitern im Wahlkampf auf’s Übelste diffamiert und mit Hetzparolen belegt wurde. Terroristenanwalt, Gefahr für die nationale Sicherheit und Ähnliches waren noch die harmlosesten Formulierungen.
Welche Ergüsse haben Sie denn über Gerhard Schröder unter anderem im Zusammenhang mit Vorkommnissen vor vielen Jahren in Hannover immer wieder gebracht?
Sie haben doch den Teufel an die Wand gemalt. Jetzt aber werden wir von einem Weltstaatsmann regiert; jetzt werden wir von einem Innenminister regiert, dem auch Sie Ihren Respekt letztlich nicht versagen. Von daher sollten wir doch zur politischen Normalität zurückkommen und sollte Herr Glück die Gelegenheit nutzen, sich heute noch für seine Ausfälle zu entschuldigen.
Das eigentliche Thema, zu dem auch die Anträge aller drei Fraktionen vorliegen, ist nach den Ausführungen des Kollegen Maget leider sehr kurz behandelt worden. Ich möchte darauf zurückkommen. Herr Glück, Sie zweifeln die Sinnhaftigkeit gesellschaftlicher Bündnisse an. Davon, dass Sie wie andere Bundesländer, wie Nordrhein-Westfalen, als Freistaat, als Staatsregierung ein solches Bündnis tragen und mit Leben erfüllen wollen, ist schon gar nicht die Rede. Ich habe auch gewisses Verständnis, dass Sie in Bayern damit ein Problem haben. Herr Kollege Herrmann, Sie haben sicherlich mitbekommen, wie schon die Teilnahme eines Kollegen aus diesem Haus, des Kollegen Göppel, gemeinsam mit unserem Kollegen Gartzke an einem solchen Bündnis für Mittelfranken Ihre mittelfränkische Partei fast spaltet, wie sich Ihre Bezirksvorsitzende und andere herausragende Vertreter Ihrer mittelfränkischen CSU in den Haaren liegen und es darüber zu Grabenkriegen in Ihrer Partei kommt.
Warum? Weil Sie die Frage nicht geklärt haben, wie sich die CSU zu rechtsradikalen Bestrebungen in der Gesellschaft stellt. Sind Sie bereit, zusammen mit allen ande
ren dagegen massiv vorzugehen oder wollen Sie sich vornehm zurückhalten?
Wichtig war auch, dass heute wieder einmal über die Nützlichkeit von Menschen gesprochen wurde. Während Herr Fraktionsvorsitzender Glück außerordentlich bedauert hat, dass solche Diskussionen in die gesellschaftliche Realität Eingang gefunden haben, hat Herr Innenminister versucht, mit Wortspitzfindigkeiten etwas Anderes vorzuspiegeln als er gesagt hat. Ich würde mich freuen, wenn der Innenminister die Worte des Fraktionsvorsitzenden übernähme und allem Denken in Nützlichkeitskategorien, wenn es um Menschen geht, eine Abfuhr erteilte. Das würden wir uns wünschen, und nicht sophistisches Unterscheiden zwischen nützlich und Menschen, die Nutzen bringen.
Bei der NPD-Debatte verweisen Sie auf eine große Übereinstimmung mit dem Bundesinnenminister, die übrigens so groß gar nicht ist. Denn Otto Schily hat, anfangs stärker, aber auch jetzt noch, nicht mit HurraGebrüll ein NPD-Verbot gefordert, sondern sehr abgewogen auf die Risiken hingewiesen, die ein Verbotsantrag mit sich brächte. In eine ähnliche Richtung haben sich Politiker der CDU geäußert. Viel wichtiger ist heute aber die Frage, wie wir es schaffen, rechtsextreme Gewalt aus dem Land zu verbannen. Dazu kann ein NPD-Verbot einen Beitrag leisten. Die Bedeutung, die Sie diesem Verbot beimessen, kommt ihm aber bestimmt nicht zu. Wenn ich mich in die Rolle eines Anwalts der NPD vor dem Bundesverfassungsgericht versetzte, würde ich auch die Unterlagen des Bayerischen Verfassungsschutzes – insofern hat Herr Kollege Maget Recht – in die Hand nehmen, so weit sie veröffentlicht sind. Denn unter dem Stichwort „Rechtsextremismus“ findet sich dort eine Chronologie, die eben nicht auf Staatsgefährdung und besondere Gefahren schließen lässt, die von der NPD ausgehen.
Sie wollten von Herrn Maget Zitate. Ich kann einige liefern. 1998 finden wir unter dem Stichwort „Rechtsextremismus“ Formulierungen wie „rückläufige Aktivitäten“, „wegen befürchteter strafrechtlicher Folgen verhalten sich führende Neonazis zunehmend passiv“. Dann eine Seite weiter: „Leichter Abwärtstrend in Bayern“, „Anzahl und Auflagenstärke neonazistischer Publikationen gingen weiter zurück, auch die Zahl der Personen hat sich leicht verringert“. Im Verfassungsschutzbericht 1999 ist davon die Rede, dass sich Skinheads meist zu spontanen Aktionen hinreißen lassen, einer starken Fluktuation unterliegen, in der Regel weder feste Organisationsstrukturen noch formelle Mitgliedschaften kennen. Weiter wird im Verfassungsschutzbericht 1999 darauf hingewiesen, dass der Tatentschluss vielfach spontan aus gruppendynamischen Prozessen entsteht, gefördert durch Alkohol, als ob ein paar junge Leute einige Bier zu viel getrunken hätten und dann spontan Gewalttaten entstünden. „Eine überregionale Steuerung durch rechtsextremistische Organisationen“, so weiter im Bericht, „konnte in keinem Fall festgestellt werden. Konkrete Erkenntnisse über Planungen von Terroranschlägen liegen nicht vor.“
Nur für das erste Halbjahr 2000, in dem schon in ganz Deutschland die Alarmglocken geläutet haben, finden wir erstmals Formulierungen wie „es lagen vereinzelte Hinweise vor“, „konkrete Erkenntnisse über bereits geplante Gewalttaten haben sich aber nicht ergeben“, „der Aufbau einer braunen Armeefraktion ist nicht ersichtlich“, „in Bayern sind Anhaltspunkte für den Aufbau oder die Existenz von Wehrsportgruppen oder terroristischen Strukturen derzeit nicht gegeben“, „die rechtsextremistisch motivierte Gewalt geht in Bayern hauptsächlich von Skinheads aus und“ – so erneut im Jahr 2000 – „resultiert in der Regel aus spontanem Tatentschluss.“ Sind das nicht Aussagen, die ein Anwalt der NPD genüsslich verwenden könnte? Über Erkenntnisse in Verschlusssachen dürfen wir nicht sprechen. Wenn Sie, Herr Innenminister, aber Ausführungen wie die von mir zitierten in Ihren Publikationen abdrucken lassen, müssen Sie sich auch gefallen lassen, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD dies zum Anlass nimmt nachzufragen und den Finger in die Wunde zu legen.
Gleichwohl gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen uns, zum Beispiel die Hochachtung der polizeilichen Arbeit und ihres professionellen und intensiven Vorgehens in Bayern. Dies hat schon mein Vorredner ausdrücklich erwähnt, und auch ich habe mich mehrmals dazu öffentlich geäußert. Gerade der Einsatz niedriger Eintrittsschwellen, egal ob bei Skinhead-Konzerten oder bei der Überwachung von Rechtsextremisten, ist teilweise mutig, entschlossen, richtig und kann für andere Bundesländer durchaus vorbildlich sein. In diesem Punkt stehen wir an Ihrer Seite und an der Seite der Polizei.
Da wir uns alle für das gemeinsame Ziel der Bekämpfung rechtsradikaler Strömungen einsetzen sollten, bedaure ich den Stil der heutigen Debatte sehr. Ich hatte gehofft, wir stärken unserer Polizei gemeinsam den Rücken und dass der Verfassungsschutz künftig in seine Berichte auch Vorgänge aufnimmt, die die Gefährlichkeit Rechtsradikaler dokumentiert, anstatt sie zu entlasten. Ich hatte mir auch gewünscht, dass wir bei Bildung, Schulwesen, Sozialarbeit und der Arbeit mit jungen Menschen zu einem Konsens kommen, der uns voran bringt. Bleibt zu hoffen, dass die heutige Debatte nur ein Einstieg war und wir in den Ausschüssen weiter das Ziel der gemeinsamen Bekämpfung von Strömungen verfolgen, die unsere Gesellschaft zwar noch nicht existenziell bedrohen, aber ihr massiv schaden. Deshalb bitte ich Sie, auf eine gemeinsame Linie einzuschwenken und mit uns zusammen erfolgreich am Ziel der Bekämpfung rechtsradikaler Strömungen arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, danke für Ihren Bericht über die Situation in Bayern. Auch wir können bestätigen, dass wir in Bayern von einer guten Situation ausgehen können. Wir freuen uns darüber. Wir bestätigen auch ausdrücklich, dass die Regelungen in Bayern, nämlich einen ordnungsrechtlichen und rassespezifischen Ansatz zu wählen, der richtige Weg waren und heute noch sind.
Wir sollten uns auch darüber einig sein, dass wir dennoch auf ein weitergehendes Ziel hinarbeiten müssen, nämlich daraufhin, dass Kampfhunde in Deutschland und in Bayerns insgesamt von den Straßen und aus öffentlichen Räumen verschwinden.
Die jetzige Rechtslage in Bayern dient gewiss dem gemeinsamen Ziel, zu vermeiden, dass ein derartiger Albtraum Realität wird, wie jetzt in Hamburg geschehen. Gleichwohl müssen wir darüber nachdenken, ob wir auch in Bayern noch ein Stück weitergehen können. Die Rechtslage, die Sie ausführlich und richtig dargestellt haben, ermöglicht nach wie vor Genehmigungen, wenn der Halter ein berechtigtes Interesse nachweisen kann. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass es immer noch Menschen in Deutschland gibt, potentielle Halter, die überhaupt ein derartiges berechtigtes Interesse haben können. Es wäre in meinen Augen nur konsequent, einen Schritt weiterzugehen und der Öffentlichkeit zu signalisieren, dass die Politik ein Ende der Kampfhunde will. Das bedeutet, dass wir von der rechtlichen Genehmigungsmöglichkeit wegkommen und hin zu einem letztlich faktischen Verbot kommen müssen. Ich weiß, dass die jetzige Rechtslage in Bayern ein faktisches Entwicklungsverbot seit 1992 bedeutet. Dennoch wäre eine solche Klarstellung ein wichtiges Signal an die Bevölkerung, die derzeit sehr verunsichert ist.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass Bundesinnenminister Otto Schily klarstellen wird, dass es sich hier in Zukunft nicht mehr um Ordnungswidrigkeiten handeln kann, sondern dass die ganze Härte des Strafrechts notwendig ist, um derart unverantwortlichem Treiben in Deutschland ein Ende zu machen. Wir haben mit Interesse vernommen, dass in der Kabinettssitzung beschlossen wurde zu prüfen, inwieweit Initiativen für bundes- und europaweite Regelungen möglich sind. Wir fordern Sie dazu auf, dies nicht nur zu prüfen, sondern auch auf den Weg zu bringen. Wir werden Sie dabei unterstützen.
Wichtig ist für uns auch, dass die Bevölkerung von der Politik und vom Staat jetzt energisches Handeln erwartet. Als Jurist muss ich da schon ein wenig Enttäuschung über so manche Urteile der letzten Jahre zum Ausdruck bringen. In weiten Teilen der Bevölkerung fehlt zu Recht jegliches Verständnis dafür, dass nachhaltige Verordnungen, wie sie zum Beispiel in Baden-Württemberg und Hamburg bestanden, von Gerichten gekippt wurden. Die
Tatsache, dass sogar Versuchen verschiedener Kommunen, das Problem über Leinenzwang oder erhöhte Hundesteuer zu bewältigen, die Zustimmung von den Verwaltungsgerichten versagt blieb, zeigt, dass sich in der Justiz noch eine gewisse mentale Entwicklung vollziehen muss.
Ich weiß zwar, dass wir Gewaltenteilung haben, aber das muss dennoch an dieser Stelle zum Ausdruck gebracht werden. Es geht dabei nicht um persönliche Freiheiten und Selbstverwirklichung, sondern um die Abwehr von potenziell tödlichen Gefahren. Wenn die Länder gemeinsam energisch all das umsetzen, was wir den Menschen jetzt täglich versprechen, wird das Problem schon bald der Vergangenheit angehören können.
Trifft es zu, dass die bisherigen Anrechnungsstunden für Schulleiter an Grund- und Hauptschulen in Fürth für die Leitung und Koordination durch Ganztagesbetreuung nach über 10 Jahren abgeschafft werden soll und wird damit diese Aufgabe zukünftig als reine Freizeitbeschäftigung der betroffenen Schulleiter durch die Bayerische Staatsregierung angesehen?
Antwort der Staatsregierung: Zu Beginn des Schuljahres 1990/91 hat die Stadt Fürth an mehreren Grund- und Hauptschulen eine nachmittägliche Betreuung von Kindern eingerichtet. Das Staatsministerium hat diese Initiative unterstützt, in dem für jede beteiligte Schulleitung eine Anrechnungsstunde gewährt wurde. Diese Maßnahme war nach den Unterlagen des Staatsministeriums auf das Schuljahr 1990/91 begrenzt, wurde aber tatsächlich bis zum laufenden Schuljahr ohne entsprechende Rechtsgrundlage gewährt.
Bei dem nachmittäglichen Betreuungsangebot handelt es sich um eine Maßnahme, die in die Zuständigkeit der Stadt Fürth fällt. Das Staatsministerium begrüßt diese Initiative, kann dafür jedoch keine Anrechnungsstunden bereitstellen. Auch für Schulen, an denen Mittagsbetreuung angeboten wird und der Rektor in die Organisation eingebunden ist, können keine Anrechnungsstunden zugewiesen werden.
Das Staatsministerium weist darauf hin, dass es gemäß Art. 31 BayEUG zu den allgemeinen Aufgaben der Schule gehört durch Zusammenarbeit mit Horten, Tagesheimen und ähnlichen Einrichtungen die Betreuung von Schülern außerhalb der Unterrichtszeit zu fördern. Daher können Anrechnungsstunden nicht bereitgestellt werden.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben mir liegt nicht die gesuchte Festplatte, sondern die Strafprozessordnung. Sie ist auch nicht gelöscht, sondern in Deutschland Gott sei Dank immer noch gültig,
aber leider nicht, wie weiter zu erläutern sein wird, im Freistaat Bayern in dem Maße, wie es geboten wäre, und wie ich selbst mit ihr als Staatsanwalt zu arbeiten gewohnt war.
Zunächst muss ein deutliches Wort der Anerkennung und des Respekts gegenüber den Kollegen der Augsburger Staatsanwaltschaft ausgesprochen werden.
Namentlich sei besonders erinnert an den engagierten Behördenleiter Jörg Hillinger. Was von den Kollegen dort in Sachen Leisler Kiep & Co.
aufgedeckt wurde, und mit welcher Hartnäckigkeit, das verdient Respekt, und diesen versagen wir in keiner Weise.
Genauso aber muss deutlich angesprochen werden, wie skandalös und verheerend sich jetzt die Situation darstellt, wo es an das Heiligste in Bayern geht, nämlich an die Vorfälle um den Strauß-Clan. Hier wird man sich die Vorgänge im Wesentlichen noch einmal kurz vor Augen halten müssen. Das Drama beginnt im Dezember 1995, als Max Strauß über eine bei ihm bevorstehende Hausdurchsuchung vorweg informiert wird. Am Tag danach wird die wohl zwischenzeitlich berühmteste Festplatte Europas von Viren befallen und am 19. Dezember überraschend neu formatiert. Es erfolgt dann erst im Januar die Sicherstellung eben dieser Festplatte, nachdem unabhängige Richter beim Landgericht Augsburg eine Fehlentscheidung des Amtsgerichts korrigiert hatten.
Die Staatsanwaltschaft – so weit ist auch noch alles in Ordnung – beauftragt Gutachter mit der Rekonstruktion dieser Festplatte. Selbstverständlich macht das ein Staatsanwalt nicht selbst, sondern er bedient sich dazu gutachterlicher Unterstützung.
Und dann kommt man zur Auffassung, dass der Gutachter hier doch auch das bayerische Landeskriminalamt mithelfen lassen solle. Es war dies ausweislich der Aussage der Staatsanwaltschaft von Augsburg nicht allein die Idee des Gutachters, sondern der Gutachter handelte im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Und jetzt muss ich das erste Mal das Gesetz neben mir bemühen. Die Strafprozessordnung sieht in § 161 eindeutig Folgendes vor:
Zu dem im vorstehenden Paragraphen bezeichneten Zweck
das ist das Ermittlungsverfahren –
kann die Staatsanwaltschaft von allen öffentlichen Behörden Auskunft verlangen und Ermittlungen jeder Art entweder selbst vornehmen oder durch die Behörden und Beamten des Polizeidienstes vornehmen lassen.
Jetzt kommt der entscheidende Satz:
Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sind verpflichtet, dem Ersuchen oder Auftrag der Staatsanwaltschaft zu genügen.
Diese Sätze gelten seit über 100 Jahren. Die Dienststellen der Polizei sind verpflichtet, dem Ersuchen der Staatsanwaltschaft nachzukommen.
Anders verhält sich aber das Bayerische Landeskriminalamt. Es erklärt in diesem Fall wörtlich, dass es nicht seine Aufgabe sei, Hilfsarbeiten zu leisten.
Ein unglaublicher Vorgang ist dies, wobei ich mir heute noch nicht darüber im Klaren bin, wie die Staatsanwaltschaft so etwas auf sich beruhen lassen konnte, nachdem sie sonst doch immer bewusst darauf achtet, dass sie Herrin des Ermittlungsverfahrens bleibt.
Wenn das Bayerische Landeskriminalamt schon sagt, dass es keine Hilfsarbeiten verrichten will, muss ich noch einmal aus dem Gerichtsverfassungesgesetz zitieren. Dort heißt es in § 152:
Die Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft sind in dieser Eigenschaft verpflichtet, den Anordnungen der Staatsanwaltschaft ihres Bezirks und der dieser vorgesetzten Beamten Folge zu leisten.
Auch wenn manchem bei der Polizei die Formulierung „Hilfsbeamte“ überholt erscheint – auch ich könnte mir ein schöneres Wort vorstellen –, den Kern der Aufgabenverteilung trifft diese Vorschrift. Das Landeskriminalamt ist als Polizeibehörde eindeutig auch dafür zuständig, Hilfsdienste für die Staatsanwaltschaft zu erledigen. Genau dies hat es aber verweigert.
Es wäre undenkbar, dass sich ein fränkischer Staatsanwalt einen solchen Vorgang hätte gefallen lassen, es sei denn er wäre von oben gebremst worden.
Mehr ist dazu aus meiner Sicht nicht zu sagen. Soweit die Sache mit dem Landeskriminalamt, hier erwarten wir Aufklärung darüber, wie die Generalstaatsanwaltschaft auf eine solche Eigenmächtigkeit der Polizeibehörde reagiert hat, welche Proteste es dagegen gab und welche Vorstellungen des Justizministeriums gegenüber dem Innenministerium es gegeben hat, denn das Landeskriminalamt kann sich doch kaum verselbstständigen.
Dann geht es aber noch weiter. Nachdem das Landeskriminalamt contra legem so gehandelt hat, musste Behördenleiter Hillinger selbst seine vorgesetzte Dienstbehörde täuschen und erklären, es sei nicht beabsichtigt gewesen, einen Sachverständigen zur weiteren Aufklärung beizuziehen. Normalerweise müsste der Generalstaatsanwalt dem Behördenleiter daraufhin erklären, dass er dem in der Strafprozessordnung verankerten Legalitätsprinzip verpflichtet sei, wonach er mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ermitteln und der Wahrheit auf den Grund gehen müsse. Der General
staatsanwalt müsste einem solchen Vorgehen auf das Schärfste widersprechen und den Behördenleiter zwingen, einen Sachverständigen einzuschalten. Welche Antwort kommt dagegen von Seiten des Generalstaatsanwaltes? Dieser Absicht wird nicht entgegengetreten. Im Juristendeutsch ist eine solche Aussage das Höchstmaß an Zustimmung und Lob, das man sich nur denken kann. Der Generalstaatsanwalt lobt eine Absichtserklärung, die zum Inhalt hat, dass man beabsichtigt, gegen Vorschriften der Strafprozessordnung zu verstoßen.
Jetzt kommt aber erst das raffinierte Verhalten des Behördenleiters. Heimlich verhält er sich doch rechtstreu. Er erfüllt die in der Strafprozessordnung vorgesehenen Aufgaben und schaltet doch einen Sachverständigen ein. Welches Klima muss in der bayerischen Justiz herrschen, wenn der Behördenleiter einer bayerischen Staatsanwaltschaft so agieren muss?
Das ist der zweite Punkt, an dem sich Fragen nicht nur aufdrängen, sondern an dem Konsequenzen auf Seiten der Generalstaatsanwaltschaft unverzichtbar sind.
Jetzt kommt der vorläufige – ich sage bewusst vorläufige – Höhepunkt. Der bayerische Justizminister erklärt vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin wörtlich, die Festplatte sei nach wie vor Beweismittel in einem noch laufenden Ermittlungsverfahren. Beweismittel in laufenden Ermittlungsverfahren sind aber nicht irgend welche Gegenstände, die bei der Justiz verwahrt werden, sondern Gegenstände, die besonders wichtig sind, für deren Aufbewahrung es auch wiederum Vorschriften und Regeln gibt. Diesmal ist die RiStBV einschlägig, das sind die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren, also Anweisungen an Richter und Staatsanwälte, wie sie sich in solchen Verfahren zu verhalten haben.
Dort heißt es im Abschnitt „Behandlung der amtlich verwahrten Gegenstände“ – dazu zählte die Festplatte nach der Beschlagnahme eindeutig – unter der Überschrift „Sorgfältige Verwahrung“:
Gegenstände, die in einem Strafverfahren beschlagnahmt oder sonst in amtliche Verwahrung genommen worden sind, müssen zur Vermeidung von Schadenersatzansprüchen vor Verlust, Entwertung oder Beschädigung geschützt werden. Die Verantwortung hierfür trifft zunächst den Beamten, der die Beschlagnahme vornimmt; sie geht auf die Stelle (Staatsanwaltschaft oder Gericht) über, der die weitere Verfügung über den verwahrten Gegenstand zusteht. Die Verwaltungsvorschriften der Länder über die Verwahrung sind zu beachten.
Die Überschrift dieser Bestimmung weist also schon auf eine sorgfältige Verwahrung hin, und jeder Staatsanwalt bekommt bei seiner Einstellung eingebläut, dass das Asservatenwesen besonders wichtig sei. Es gibt eine Asservatenkammer, es gibt eigene Bedienstete für die Aufbewahrung der Asservaten. Es gibt eigene Listen, es sind eigene Unterschrifts- und Gegenzeichnungssysteme vorgesehen. Oftmals ist ein Staatsanwalt bei
einem Strafverfahren mehr mit der korrekten Abwicklung der Asservatenaufbewahrung als mit der eigentlichen Strafverfolgung befasst. In diesem Fall scheint aber alles dies nicht gegolten zu haben. Auch hier scheint sich entgegen dem Gesetz niemand um eine sorgfältige Verwahrung gekümmert zu haben. Niemand hat offensichtlich auf die Vermeidung von Verlust, Entwertung oder Beschädigung geachtet.
Geradezu erbärmlich klingt da, was das Justizministerium gestern auf seiner Pressekonferenz von sich gegeben hat. Zur Verantwortlichkeit hieß es nur, dass sich die Spur des Beweisstückes Ende 1996 verloren habe, und dass mit einiger Sicherheit die Festplatte nicht an die Staatsanwaltschaft zurückgegangen sei.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn ein bei einem Ladendiebstahl entwendetes Taschentuch aus der Asservatenkammer verschwindet, rollen Köpfe, zumindest in der Form von Versetzungen. Hier aber ist eine Festplatte seit Jahren spurlos verschwunden, man weiß nicht einmal, ob sie bei der Staatsanwaltschaft wieder eingegangen ist. Bei der Justiz gibt man darüber nur Bedauern zum Ausdruck, den Antrag der SPD will man trotzdem ablehnen. So kann es nicht sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erwarten heute gar nicht die Antwort darauf, wo sich im Augenblick die Festplatte befindet, ob auf dem Isargrund oder in sizilianischen Hochhausfundamenten gut in Beton gegossen oder vielleicht doch in irgend einer Schublade. Wir erwarten, dass sie unserem Antrag zustimmen und sich mit uns gemeinsam um Aufklärung bemühen.
Herr Kollege Dr. Weiß, damit möchte ich Sie auch persönlich ansprechen. Sie wurden vom ganzen Parlament mit großen Vorschusslorbeeren bedacht. Sie haben sich in Ihrer Arbeit als Parlamentarier den Respekt des ganzen Hauses erarbeitet. Heute kommt nun eine persönliche Bewährungsprobe und Nagelprobe auf Sie zu. Sie müssen der Justiz dienen und nicht nur Ihrer Partei. Helfen Sie daher mit und sorgen Sie für eine umfassende Aufklärung, für Konsequenzen und für Ahndungen. Hunderte von bayerischen Staatsanwälten und Richtern haben dies verdient.
Die ganze Justiz nimmt doch durch einen solchen Vorgang Schaden. Es war bereits abenteuerlich, dass Ihr Generalsekretär öffentlich erklärt hat, er hätte für die Flucht des Waffenhändlers Schreiber Verständnis. Er hat gesprochen vom guten Recht des Waffenhändlers, sich der bayerischen Staatsanwaltschaft zu entziehen. Schon diese Aussage war in den Ohren vieler Staatsanwälte und Strafverfolger Bayerns eine unglaubliche Aussage eines bayerischen Spitzenpolitikers. Hat jetzt auch die Festplatte ein Recht, sich der Auswertung zu entziehen?
Haben Sie Verständnis für eine Festplatte, die vielleicht nach Kanada oder Sizilien geflohen ist, um sich den bayerischen Staatsanwälten zu entziehen? Was Schreiber mit Billigung des Generalsekretärs der CSU tut, kann doch eine Festplatte von Herrn Strauß allemal. Herr Dr. Weiß, ich hoffe, dass Sie solchen Vorwürfen heute entschieden und massiv entgegentreten. Sonst sind die Worte des Bedauerns und der Betroffenheit, die Ihr Pressesprecher gestern geäußert hat, nichts anderes als Krokodilstränen.
Vieles ist zwar kaputt, die Chance aber noch da, Einiges wieder zu kitten. Um auf den Eingangssatz zurückzukommen: In Augsburg wurde große Arbeit geleistet. Jetzt besteht aber die Gefahr, dass von Augsburg großer Schaden für den Rechtsstaat ausgeht. Das sollten wir gemeinsam abwenden und bitten deshalb um Zustimmung zu unserem Dringlichkeitsantrag.
Herr Staatsminister, wird das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie seine mit Ministerschreiben vom 12.01.1999 angekündigte Absicht, eine rechtliche Bindung kommunaler Beteiligungsgesellschaften an die VOB unterhalb des jetzigen Schwellenwerts auszuweiten, nach wie vor aufrecht erhalten, wann ist gegebenenfalls die Einführung und zu welchem Zweck soll dies erfolgen?
Herr Staatsminister, das Aufgabengebiet Ihres Ministeriums umfasst auch die Wirtschaft. Sehen Sie auch das Problem, dass gerade bei kleinen Handwerksbetrieben große Bedenken gegen eine solche Ausweitung bestehen? Ich selbst weiß, dass VOBAusschreibungen sehr aufwändig sind und dass davon gerade kleine Unternehmen und Handwerksbetriebe überfordert werden. Gerade sie würden unter einer solchen neuen Regelung leiden.