Protocol of the Session on May 9, 2001

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Der nächste Redner ist Herr Kollege Mirbeth, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Frau Scharfenberg und Herr Wörner, wenn Sie Ihre Begründung mit einem Spontispruch einleiten, so zeigt das, dass Ihre Argumentation ideologisch eingefärbt ist.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit kommen wir in der Sache keinen Schritt weiter.

Ihr Dringlichkeitsantrag – das unterstreiche ich – ist darauf ausgerichtet, die mittelständischen Brauereien in Bayern zu unterstützen. Dass Sie dabei auch die bayerische Seele entdeckt haben, ist uns neu, aber es freut uns jedenfalls. Es gäbe viele andere Gelegenheiten für Sie, die bayerische Seele zu entdecken.

Aber, meine Damen und Herren, Ihr Ansatz ist marktorientiert und nicht ökologisch orientiert. Wir sind für beide Ansätze, und es gibt bei uns mit Sicherheit keinen Dosenfan und keine Dosenlobby.

Man muss auch sehen, dass das angekündigte Dosenpfand, welches seit neun Jahren als Damoklesschwert über uns hing, nicht die Wirkung entfaltet hat, welches es hätte entfalten sollen. Möglicherweise war das Dosenpfand also nicht so wirkungsvoll. Herr Wörner, in Ihren eigenen Reihen wurde dies auch so gesehen. Frau Biedefeld hat erst vor kurzem gesagt, ein Zwangspfand schade mehr, als es nütze. Auch darüber sollten Sie einmal mit Frau Biedefeld reden. Herr Wörner, Sie haben weiter gesagt, volkswirtschaftlich gehe die Rechnung mit dem Dosenpfand auf. Ich kann Ihre Rechnung nicht nachvollziehen. Für die Betriebe, welche die Investitionen für die Einführung des Dosenpfands vornehmen müssen, geht die Rechnung nicht auf. 20000 Automaten sind notwendig. Alleine in Bayern sind für diese Umstellung 500 Millionen DM zu investieren. Sie erreichen damit nur, dass man die Verlässlichkeit des Gesetzge

bers unterstellen kann. Die Einführung des Dosenpfands dient auch nur der Gewissensberuhigung.

Stellt das Dosenpfand aber auch eine Lenkungsmaßnahme dar? Diese Fragen müssen Sie sich selbst stellen. Frau Scharfenberg, vielleicht betrachten viele Menschen, welche 50 Pfennige Pfand für eine Dose bezahlen müssen, dieses Pfand psychologisch nur als das Freikaufen von irgendwelchen ökologischen Verpflichtungen.

(Frau Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann probieren Sie es doch einfach einmal aus!)

Frau Scharfenberg, sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass es eine Ökobilanz II des Umweltbundesamtes gibt. Ich habe in Ihren Ausführungen davon überhaupt nichts gehört. In dieser Ökobilanz II wird ausgeführt, dass Einweggetränke im Karton, soweit sie nicht mit CO2 abgefüllt werden, mit der Mehrwegflasche durchaus auf eine Ebene gestellt werden können. Die Trennungslinie zwischen umweltverträglich und nicht umweltverträglich läuft nicht mehr unbedingt zwischen Einweg- und Mehrwegverpackungen. Wir müssen vielmehr unterscheiden zwischen ökologisch vorteilhaft und ökologisch nachteilig. Die Aufgabe ist viel schwieriger als das, was Sie gezeigt haben. Sie müssen empirische Untersuchungen anstellen und die entsprechenden Erhebungen auswerten. Sie müssen bestimmte Erfahrungen auswerten. Mir sind ganz andere Zahlen geläufig als die, die Sie aus Schweden genannt haben.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte, Frau Kollegin.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass der Entwurf, der jetzt im Kabinett verabschiedet wurde, ein Pfand auf Dosen und Einwegflaschen vorsieht, aber keineswegs ein Pfand auf Tetrapacks, weil eben die neuesten Erkenntnisse aus der Ökobilanz in diesen Gesetzentwurf schon eingearbeitet wurden?

Natürlich ist mir das bekannt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, unser Ziel ist es, dass wir ein ökologisches System insgesamt installieren können. Wir müssen davon ausgehen – das müssen Sie sich doch einmal vor Augen führen –, dass die Verpackungsverordnung in ihrer jetzigen Fassung ausschließlich der Stabilisierung des Mehrweganteils dient. Sie stellt aber nicht ab auf die ökologisch vorteilhaften Verpackungen. Die technischen Veränderungen in der Verpackungsindustrie und die Veränderungen an den Materialien werden einfach nicht berücksichtigt. Deshalb ist auch das Kriterium der Abfüllmenge, welches von Rheinland-Pfalz in die Diskussion eingebracht worden ist, interessant. Mit der Abfüllmenge wird den neueren technischen Entwicklungen bei der Verpackungsindustrie Rechnung getragen. Sie kennen die bayerische Haltung. Danach soll die Abfüllmenge nicht 23 Milliarden Liter, sondern 24 Milliarden Liter umfassen.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch darauf hinweisen, dass auch durch die Europäische Union eine Einschränkung erfolgt ist. Es wurde eine Anhörung gefordert mit dem Ziel, möglicherweise Klage zu erheben. Wir brauchen eine feste europäische Regelung. Wir brauchen eine ökologisch abgestimmte Regelung. Ihr Antrag zielt darauf nicht ab.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen? – Herr Dr. Runge, bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! 1991 ist unter Klaus Töpfer die Verpackungsverordnung eingeführt worden. Damit wurde die duale Abfallwirtschaft eingeführt, und die DSD konnte sich etablieren. Am längsten hat erfreulicherweise der bayerische Umweltminister Gauweiler gegengehalten und zwar, weil ihm die Verordnung zu lasch war, weil ihm die Quoten, ab denen von der Bepfandungs- und Rücknahmepflicht befreit werden konnte und dann auch befreit wurde, zu lasch waren.

1996 wurde die Verpackungsverordnung unter der Umweltministerin Merkel novelliert. Sie wurde bezeichnenderweise bei den Materialien Plaste und Elaste aufgeweicht. Erfreulicherweise kam wiederum Widerstand aus Bayern. Ich zitiere dazu ganz kurz den damaligen Umweltminister Goppel. Er hat gesagt, dem Novellierungsentwurf zur Verpackungsverordnung könne Bayern nicht zustimmen. Er mahnte den Bund an, die bestehende Verpackungsverordnung unabhängig von Novellierungsüberlegungen strikt anzuwenden. Er hat noch gesagt, für Zu- und Abschläge wegen möglicher statistischer Fehler sehe Bayern überhaupt keinen Grund. Eine andere Presseerklärung lautete, dass die Mehrwegquote bei Getränkeverpackungen unterschritten wurde und jetzt der Automatismus der Verpackungsverordnung greife. Damals waren die Quoten noch wesentlich höher als jetzt. Der Minister hat dann auch die Bedenken von Handel und Industrie vom Tisch gefegt mit der Bemerkung, dass die Konsequenzen nicht unerwartet kämen. Weiter hat er zur „Koalition der Dosenfreien“ aufgerufen.

Jetzt hört sich alles ganz anders an. Die Mehrwegquote ist drastisch zurückgegangen. Die Bayerische Staatsregierung und die CSU stänkern auf einmal gegen eine Bepfandungs- und Rücknahmepflicht. Das ist Fundamentalopposition nach dem Motto: Alles was aus Berlin kommt, ist schlecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch Totalopposition nach dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CSU und von der Staatsregierung, wenn Sie weiterhin so handeln, schaden sie zu einen der Umwelt und zum anderen ganz massiv kleinen und mittelständischen bayerischen

Brauereien und kleinen und mittelständischen Getränkeabfüllern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen noch einmal unsere herzliche Bitte: Schauen Sie sich Ihre Sprüche aus früheren Zeiten an und stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nun kommen wir zur Abstimmung. Zuvor aber hat der Herr Staatsminister noch ums Wort gebeten.

Staatsminister Dr. Schnappauf (Umweltministerium) : Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Das, was Herr Kollege Runge zum Schluss gesagt hat, erfordert doch noch einmal eine kurze Erwiderung. Er sagte, dass die heutige Haltung der Bayerischen Staatsregierung in totalem Widerspruch zu dem stünde, was früher einmal formuliert wurde. Diesen Vorwurf will ich zunächst auf das allerschärfste zurückweisen. Herr Kollege Runge, wenn alle anderen Bundesländer die Mehrwegflasche so hoch halten würden wie Bayern, hätten wir mit der Quote in Deutschland überhaupt kein Problem.

(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch nicht! Fragen Sie doch die kleinen Brauereien! Sie sind doch selber Oberfranke! – Ach (CSU): Sie schreien sich heute noch heiser! Sie brauchen dann noch ein Dosenbier!)

Frau Gote, dieses Thema eignet sich nicht für einen ideologischen Schlagabtausch.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie und Ihr Bundesumweltminister an der Spitze gefallen sich ganz offensichtlich in der Rolle eines Testamentvollstreckers.

Aber Sie sind nicht bereit, zur Kenntnis zu nehmen, was sich in den letzten zehn Jahren auf dem Verpackungsmarkt verändert hat. Die von der damaligen Bundesregierung unter Federführung von Minister Töpfer eingeführte Regelung hat Wirkungen auf dem Verpackungsmarkt gezeigt. Ich meine, dass wir eine Regelung finden sollten, die wirklich zielführend ist. Das Ziel heißt: Die Mehrwegflasche ist nach wie vor die beste Verpackung, und die ökologisch verträglichen Verpackungen bedürfen insgesamt unserer Förderung. Dieses Ziel erreichen Sie nicht mit dem von Ihnen eingereichten Antrag. Bei anderen Themen – ich nenne zum Beispiel das Thema Klärschlamm – sagt der Bundesumweltminister, es soll keinen Schnellschuss geben, man sollte den Sachverständigenrat einschalten und umfassende Erhebungen durchführen. Dann lautet das Motto plötzlich: „Sondieren wir gründlich.“ Aber hier wollen Sie das Kind mit dem Bade ausschütten und einen Schnellschuss starten.

Die Bayerische Staatsregierung kann dem, was Herr Kollege Mirbeth vorgetragen hat, nur beipflichten. Wir müssen seriös und fundiert an das Thema herangehen.

(Frau Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie viele Jahre dauert das?)

Frau Kollegin Scharfenberg, ich selbst habe in der Umweltministerkonferenz zu diesem Thema gesagt, wir sind für alle Regelungen offen, die dem Ziel dienen, die ökologisch verträglichen Verpackungen und vor allem die Mehrwegverpackungen zu fördern, aber wir wollen vorher abschätzen können, ob das vorgelegte Instrumentarium wirklich unserem Ziel dient. Wir wollen keinen Bumerang-Effekt erzielen. Das wäre genau das Gegenteil dessen, was wir für die mittelständische Brauereiwirtschaft in Bayern erreichen wollen. Deshalb kann ich dem, was Herr Kollege Mirbeth hier vorgetragen hat, nur beipflichten. Mit dem Schnellschuss, den Sie durchführen wollen, wird unter Umständen genau das Gegenteil von dem erreicht, was Sie angeblich erreichen wollen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Wir kommen zur Abstimmung, die auf Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN in namentlicher Form erfolgen soll. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt. Die Ja-Urne ist auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne auf der Seite der CSU-Fraktion im Bereich der Eingangstüren aufgestellt. Die Urne für die Enthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 17.13 bis 17.18 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt. Ich gebe es später bekannt. Wir fahren zwischenzeitlich mit der Beratung der Dringlichkeitsanträge fort.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Willi Müller, Loscher-Frühwald, Kobler und Fraktion (CSU)

Regelung der BSE-Folgekosten (Drucksache 14/6577)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Gröber.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die BSE-Folgekosten beschäftigen uns schon seit geraumer Zeit. Wir und – wie ich hoffe – das gesamte Hohe Haus sind der Auffassung, dass sich der Bund nicht aus seiner Verantwortung stehlen darf. Die CSU-Fraktion stellt deshalb folgenden Antrag:

Regelung der BSE-Folgekosten

Der Landtag wolle beschließen:

Der Landtag begrüßt die Initiative der Länder BadenWürttemberg, Bayern, Hessen, Saarland, Sachsen und Thüringen im Bundesrat, eine Regelung der BSE-Folgekosten herbeizuführen, die der Verantwortung des Bundes und den berechtigten Interessen der Länder Rechnung trägt.

Der geforderte faire Ausgleich der finanziellen Lasten zur Bewältigung der BSE-Folgen ist überfällig.