Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete! Nur Flaschen kaufen Dosen. Dieser Spontispruch der Neunzigerjahre ist Wirklichkeit geworden. Es ist wirklich so, dass das Duale System Deutschland in Sachen Mehrweg kein Land mehr sieht. Der Trend war von uns ökologisch interessierten Menschen vorausgesagt worden, aber unsere Anträge haben eine Inkubationszeit von 10 Jahren. Das wissen wir nun allmählich. 1992 gab der Handel noch Getränkeverpackungen zu 73,5% mit Pfand ab, 1998 waren es nur noch 70,1%; seit 1997 sinkt der Mehrweganteil beschleunigt in Schritten von zirka 1,5% pro Jahr. Die frei werdenden Volumina werden verstärkt in PET-Flaschen und Dosen angeboten. Neuere Zahlen sind noch nicht veröffentlicht, sie sollen aber nach Ansicht des Bundesumweltministeriums signifikant unter 70% liegen. Das muss uns aufhorchen lassen. Handeln ist angesagt, meinen wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Nicht nur wir meinen das, wie Sie wissen. Schon Bundesumweltminister Töpfer hat die Verpackungsverordnung in weiser Voraussicht so gefasst, dass eine besondere Pflichtpfandregelung von 50 Pfennigen vorgesehen ist, wenn die Mehrwegquote unter 72% sinkt. Dieses ist in den Jahren 1997 und 1998 geschehen, der Wert von 72% wurde unterschritten.
Was Herr Umweltminister Töpfer seinerzeit in seiner Regierungsverantwortung mit Ihrer Schwesterpartei und mit Ihnen verabschiedet hat, kann uns nur Recht sein. Jetzt ist Handeln angesagt, damit die Mehrwegquote wieder angehoben wird. Mechanismen sind zwar vor 10 Jahren genau festgelegt worden, aber jetzt ruft man in Wirtschaftskreisen, die kein wirtschaftliches Interesse an Mehrwegsystemen haben, nach Auswegen. Was liegt nun seitens der Verpackungsindustrie an Reaktionen auf dem Tisch? Es gibt eine Selbstverpflichtungserklärung dahin gehend, dass es eine Stiftung in Höhe von 250 Millionen DM zur Reinerhaltung der Natur geben soll. Mit dem Dualen System Deutschland, mit dem grünen Punkt, soll eine Anti-Litterungs-Kampagne geschaltet werden, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher davon abgehalten werden sollen, ihren Abfall an Dosen in die Gegend zu werfen, was überall in Bayern für die Kommunen ein großes Problem darstellt. Außerdem ver
sprachen sie, jährlich 23 Milliarden Liter Getränke in so genannten ökologisch vorteilhaften Verpackungen abzufüllen und 90% aller Verpackungen wiederzuverwenden oder zu verwerten.
Ein Pflichtpfand ab 2002, wie es die jetzige Bundesregierung plant, ist laut Aussagen der Verpackungsindustrie ökologisch und ökonomisch unsinnig. So äußerte sich der Präsident der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie, Peter Traumann. Das Bundesumweltministerium rechnete diese Verpflichtungserklärung nach und kam zu dem Schluss, der Vorschlag der Industrieverbände klinge gut, sei aber ein absolutes Placebo. Die vorgeschlagene Selbstverpflichtungserklärung, 23 Milliarden Liter von einem jährlichen Getränkeverbrauch in Höhe von 32 Milliarden Litern in ökologisch vorteilhafte Verpackungen abzufüllen, sei die beschönigte Forderung nach noch weniger Mehrweg statt mehr Einweg. Berechnungen im Umweltministerium haben ergeben, dass dieser Plan einer Absenkung der Mehrwegquote auf 62% gleichkomme. Das sind noch einmal 10% weniger, als wir jetzt haben.
Auch in Österreich und Belgien hat man seitens der Industrie eine Selbstverpflichtungserklärung abgegeben. Das Fazit war, dass der Anteil von Mehrwegverpackungen rapide abgenommen hat. Dagegen verwahren wir uns. Wir wollen das Ziel, Mehrwegverpackungen zu fördern, nicht von der Industrie ins Gegenteil verkehren lassen. Ich frage mich auch, warum die Verpackungsindustrie seit zwei Jahren von dieser Unterschreitung der Quote weiß, aber nichts getan hat. Sie hat genug Zeit gehabt, Vorschläge zu unterbreiten, aber es kamen keine. Jetzt muss die Politik eingreifen.
Dreh- und Angelpunkt ist die Kostenfrage, die nach Meinung einiger Gutachter insbesondere von der Höhe des Pfandes und der Rücklaufquote bestimmt werden wird. In den USA ist die Pfandhöhe niedriger, die Rücklaufquote auch. Aber schauen Sie nach Schweden, dem Land, in dem seit 1984 erstmals Einweggetränkedosen mit einem Pfand belegt wurden. Abschließend berichtete uns der schwedische Brauereibund, dass es bei einem Pfand von 12 Pfennigen einen Rücklauf von 75% gab. Aber als dieses Pfand auf 50 Pfennige erhöht wurde – so wie wir es jetzt vorhaben –, hatte man einen Rücklauf von 98%. So stellen wir uns den Rücklauf von bepfandeten Dosen in Deutschland vor.
Das Konzept der Pfandpflicht auf Einweggetränkeverpackungen wird von zwei Seiten kritisiert, einmal von den die von der Pfandpflicht betroffenen Wirtschaftskreisen, nämlich den Verpackungs- und Getränkeherstellern, die einen Eingriff in den Verpackungsmarkt grundsätzlich ablehnen. Als Argument gegen die Pfandpflicht wird angeführt, dass diese entgegen ihrem umweltpolitischen Ziel zu einem weiteren Rückgang des Mehrweganteils führen werde. Das stimmt nicht, denn in Schweden hat man jetzt schon die Zahl von 98% erreicht. Diesen auf spekulativen Annahmen beruhenden Behauptungen stehen empirische Befunde entgegen, die eindeutig gegen eine kontraproduktive Wirkung sprechen und vielmehr die Pfandpflicht als ein geeignetes Instrument zur Erhöhung des Mehrweganteils erscheinen lassen.
Ich frage mich bei diesen Äußerungen zur Kontraproduktivität der Pfanderhebung immer wieder, warum sich die Einwegverpackungshersteller so lautstark ins Zeug legen. Die Verpackungshersteller müssten eigentlich für die Pflichtbepfandung eintreten, weil sie dann nach ihrer Argumentation mehr Einwegverpackungen verkaufen könnten. Wenn sie wirklich der Meinung sind, dass das Pfand nur den Einweganteil unterstützt, sollten sie lieber ruhig sein und sich klammheimlich freuen, weil es dann nach ihrer Meinung mit ihrem Einwegverpackungsgeschäft aufwärts gehen müsste.
Offensichtlich schätzen die Hersteller die Lage jedoch ganz anders ein. Sie befürchten den Rückgang von Einwegverpackungen, weswegen sie sich vehement gegen das Pfand aussprechen. Glauben die Einwegverpackungshersteller eigentlich nicht an ihre eigenen Argumente? Fakt ist doch wohl, dass man dort die Politik fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Bei Abwägung aller Faktoren erscheint ein positiver Lenkungseffekt wahrscheinlich, ein kontraproduktiver Effekt unwahrscheinlich. Zusätzlich werden durch ein Pfand Qualität und Mängel der verwerteten Materialien erhöht und insbesondere die Landschaftsverschandelung durch herumliegende Flaschen und Dosen weitgehend beendet.
Die Abfüller sind in der Regel kleine und mittlere Unternehmen hier in Bayern, wie unsere Brauereien, die wir natürlich in den Städten und Gemeinden erhalten wollen. Diese Brauereien haben nicht die Finanzkraft, ihre vorhandene Abfülltechnik von Flaschen auf Dosen umzustellen.
Dies gilt insbesondere für Mehrweganlagen, die noch mit einer zusätzlichen Kapitalbindung an den Flaschenpool gekoppelt sind. Hier wird ein Pflichtpfand faktisch wenig verändern. Somit tragen wir zum Erhalt der bayerischen Brauereikultur bei; denn ohne Dosenpfand müssten viele kleine und mittelständische Brauereien ihren Betrieb aufgeben.
Ich dachte übrigens immer, dass die CSU die Retterin des Mittelstandes sei. Vor Ort stellen Sie sich immer gern so hin. Jetzt beweisen Sie das einmal! Deshalb beantrage ich namentliche Abstimmung zu diesem Antrag.
Anders sieht es bei den großen Abfüllern in diesem Punkt aus, die in der Regel beide Vertriebsschienen bedienen. Sie haben das Geld, und sie haben bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie ein großes Interesse daran haben, ihre Produkte via Einwegverpackungen auch in den überregionalen Markt zu bringen. Wir können diesem Ansinnen Einhalt gebieten, und zwar alle. Sprechen wir uns doch für unsere Brauereien aus. Ein Pfand auf Einwegverpackungen kann unsere Brauereien retten. Gemeinsam und parteiübergreifend könn
ten wir auf Landesebene und natürlich auch auf Bundesebene, im Bundesrat zum Beispiel, für unsere bayerische Bierkultur alles tun. Wir als GRÜNE werden für unsere kleinen und mittleren Brauereien kämpfen; denn nur Flaschen kaufen Dosen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich gebe bekannt, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN um 16.50 Uhr namentliche Abstimmung beantragt hat.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Anlehnung an den vorhin getätigten Spruch muss man eigentlich sagen: Nur Flaschen fördern Dosen.
Denn nur Flaschen können es sein, die es weiterhin zulassen, dass 10 Milliarden Dosen jährlich produziert werden.
Ich glaube, dass die CSU in Bayern schon einmal ein erhebliches Stück weiter war. Ich möchte Sie an Ihren früheren Umweltminister erinnern, der wesentlich mehr Wert darauf gelegt hat, die Dosenflut verschwinden zu lassen.
Herr Minister Schnappauf, ich verstehe hier Ihre Politik nicht. Jetzt ist Herr Minister Wiesheu nicht anwesend, der Verteidiger der Wirtschaftspolitik. Er allein müsste schon großes Interesse daran haben, die mittelständischen Brauereien zu schützen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Hofmann?
Nein. Ich gestatte aufgrund der Redezeit keine Zwischenfrage. Aber Herr Hofmann, es freut mich, dass Sie als mein Fanclub sofort wach sind, wenn ich spreche.
Wir müssen darauf achten, dass die Dosenflut ein Ende nimmt. Angesichts der Tatsache, dass rund die Hälfte der 10 Milliarden Dosen jährlich in der Gegend herumliegt, dadurch die Landschaft verschandelt wird und erhebliche Ressourcen verschwendet werden, bin ich der Meinung, es ist höchste Zeit, dass eine Regelung, die bisher nicht gegriffen hat, weil sie auf freiwilliger Selbstverpflichtung beruhte, nun endlich durch das Dosenpfand etwas verschärft wird, das im Übrigen niemandem schadet. Man hört im Moment die Story, es sei quasi ein Kredit, der von den Kunden gewährt werde, die Dosen kauften. Wie man bei 50 Pfennigen, meine
Damen und Herren, von einem Kredit reden kann, ist mir nicht erklärlich. Das ist nur ein Notargument. Offensichtlich fällt niemandem mehr etwas Besseres dazu ein.
Wir halten es für dringend geboten, dieses Pfand einzuführen, weil nur so der Kreislaufwirtschaft ein großer Gefallen getan werden kann.
Ich bin im Übrigen der Meinung, dass die freiwillige Selbstverpflichtung in diesem Fall, wie auch in vielen anderen Fällen, leider gescheitert ist. Die Industrie ist im Moment mit ihren Vorschlägen überhaupt nicht hilfreich. Sie geht damit unter das zurück, was im Gesetz steht, nämlich dass 72% erreicht werden müssen.
Es ist auch so, dass Volkes Meinung, die Sie bisher immer zu kennen glaubten, längst viel weiter ist als Sie.
73,5% sind für das Dosenpfand, Herr Hofmann. Das sollten auch Sie zur Kenntnis nehmen. Das heißt, dieses Dosenpfand wird akzeptiert. Warum sind Sie denn dann dagegen? Wollen Sie wirklich den Mittelstand ruinieren? Ich frage: Wer ist es denn, der samstags bei den großen Reden die Bierfässer anzapft, den Hahn in den Spund drückt und am Montag dann hier die Dose fördert!?
Ich würde Ihnen allen Dosen aufstellen zum Aufmachen, wenn Sie weiterhin für die Dose sind, und die Fässer wegnehmen. Sie sollten nur noch Dosen anzapfen dürfen, solange Sie so etwas machen.
Es wird außerdem die Angst geschürt, dass von diesem Pfand auch gleich die Winzer und die Sektkellereien betroffen wären. Wenn Ihnen nichts Besseres einfällt, um dieses Gesetz zu torpedieren, tun Sie mir wirklich leid. Jeder von Ihnen weiß inzwischen, dass weder die Schnaps- noch die Sekt- noch die Weinflasche noch der Bocksbeutel unter diese Regelung fallen. Sie sollten aufhören, das immer wieder zu erzählen und damit Ängste vor etwas zu schüren, was eigentlich richtig ist. Zumindest die Umweltpolitiker müssten erkennen, dass dies ein richtiger Weg ist.
Übrigens ist interessant, dass die bayerischen Brauereien, vor allem die kleinen, dieses Dosenpfand fordern. Ich gehe davon aus, dass Sie, Herr Hofmann, wenn ich Sie richtig verstanden habe, und Sie alle, meine Damen und Herren, dem Antrag der GRÜNEN zustimmen werden. Er zeigt den einzig richtigen Weg in eine Zukunft, wenn man zum ursprünglichen Ausgangspunkt zurückkommen will, nämlich die Dosenflut einzuschränken, möglichst die Dosen in den Kreislauf zurückzunehmen und damit zu gewährleisten, dass nicht willkürliche Ressourcenverschwendung betrieben wird, wie sie in diesem Fall in Unmengen stattfindet. Sie kommen heute
Wir sollten es uns leisten, dieses Pfand einzuführen. Ich habe mich inzwischen einmal in der Automatenindustrie umgehört, weil sehr viel darüber geklagt wird, wie viel die Einführung entsprechender Automaten kostet. Die Arbeitsplatzbilanz, die durch die Herstellung dieser Automaten entsteht, ist sicherlich nicht schlechter als die Bilanz derer, die sich beklagen, dass sie Automaten kaufen müssen, die sie im Übrigen in fünf Jahren abgeschrieben und vermutlich über die Preise bereits in drei Jahren hereingeholt haben. Wer darüber groß klagt, baut einen Popanz auf.
Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag zuzustimmen und dafür zu sorgen, dass die Dosenflut ein Ende nimmt.