Ich sage Ihnen aber ganz deutlich, dass wir alle ein Interesse daran haben, dass die Tiere artgerecht gehalten werden und dass wir durchaus zu Investitionen in Ökobetriebe bereit sind oder bereit sind, zusätzliche Maßnahmen, die den gesetzlichen Standard überschreiten, zu fördern. Wir tun alles, und da bitten wir Sie um Ihre Hilfe.
Sie kritisieren immer die Maisprämie. Wir haben auf der letzten Agrarministerkonferenz vorgeschlagen, den Kleegrasanbau, der sehr ökologisch ist, im Rahmen der Ausgleichszulage höher zu fördern. Wir hatten zehn Bundesländer auf unserer Seite, aber leider nicht den Bund. Helfen Sie mit. Tun Sie etwas, damit wir solche Dinge durchführen können.
Lassen Sie mich nun etwas zum Thema Vertrauen in die Sicherheit der Nahrungsmittel sagen. Das ist das Gebot der Stunde und der Zukunft. Sie müssen sich aber auch überlegen, wie die Praxis aussieht. Sicher wird die Kontrolle eine Rolle spielen, die der Staat durchführen muss. Sicher erfordert dies aber auch die Selbstkontrolle, wie wir sie in der Wirtschaft haben. Ich verstehe nicht, dass der Tiergesundheitsdienst so massiv angegriffen wird, wie das zum Teil von Ihnen geschieht. Er ist als Zertifizierungsstelle nach DIN 45011 beim Deutschen Akkreditierungssystem Prüfwesen anerkannt, und er hat den Nachweis gebracht, dass er unabhängig ist. Er wurde im Rahmen der Fleischetikettierung bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung als Kontrollstelle anerkannt.
Lassen Sie mich abschließend noch eine persönliche Bemerkung machen. Wenn ich die Äußerungen von Herrn Maget in den letzten Tagen und Wochen höre, dann verbindet sich bei mir Maget mit Macht. Die Menschen interessieren ihn aber überhaupt nicht. Ich erhalte zu Hause täglich mehrere Anrufe, in denen es darum geht, dass in Memmingen künftig 2200 Menschen ohne ihren Arbeitsplatz sind.
Darüber spricht er kein Wort. Er wiederholt wie ein Papagei: Rücktritt, Rücktritt, Rücktritt, ohne Alternativen aufzuzeigen. Er sollte einmal eine andere Platte auflegen.
(Beifall bei der CSU – Starzmann (SPD): Miller ins Verteidigungsministerium! – Weitere Zurufe von der SPD)
Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte am Schluss dieser Debatte ganz kurz eingreifen und etwas zu dem sagen, was wir mit dem neuen Ministerium einbringen können. Ich bitte auch in der Replik auf die Fragestunde, Frau Kollegin Schieder und Herr Kollege Wahnschaffe, nicht Dinge hineinzuinterpretieren, die ich so nicht gesagt habe. Es ist eben auch ein Problem – damit entschuldige ich das –, dass Sie zwar viele Fragen stellen und großes Interesse an Fragen haben, aber weniger Interesse an den Antworten. Wenn man an der Debatte nur teilweise, punktuell teilgenommen hat, dann ist aus dem Zusammenhang gerissen manche Antwort nicht verständlich. Ich bitte also, zuerst das Protokoll nachzulesen und nicht zu behaupten, der runde Tisch war nichts oder die Kontrollen sind nichts.
Ich kann noch nachtragen, dass beispielsweise die Futtermittelhersteller in Bayern bei 80% der Tonnage, die sie ausliefern, zertifiziert sind. Das heißt also, wir haben schon ganz gute Standards, aber dies alles reicht nicht aus. Ich halte die Schlachtordnung, nach der hier diskutiert wird, einfach für schief. Man kann nicht auf der einen Seite Turbomast und auf der anderen Seite ökologischer Anbau sagen. Wenn ich die Äußerungen auf der Bundesebene höre und mich an meinen Besuch im Landkreis Vechta erinnere, muss ich sagen: Wenn irgendwo das Schwein zur Sau gemacht wurde, dann dort und nicht in Bayern und nicht in der Schweiz.
Schauen Sie sich bitte einmal die Schweiz an. Gibt es in der Schweiz Agrarfabriken? Die Schweizer Betriebe sind alles andere als Agrarfabriken. Dort haben wir von 1990 bis 1999 307 BSE-Fälle verzeichnet, und dort ist es durch vertrauensbildende Maßnahmen gelungen, den Bauern wieder eine Chance zu geben, ihr Rindfleisch abzusetzen. Der Rindfleischverbrauch in der Schweiz liegt jetzt schon bei 11,7 kg, bei uns liegt er unter 10 kg. Wie ist das dort gelungen? Durch konsequentes Handeln, durch konsequente Maßnahmen.
Herr Schammann, Sie haben vorhin dazwischengerufen: Ihr werdet euch noch wundern. Ich habe Verständnis, dass die Kollegin Künast große Ankündigungen macht. Sie war jetzt das erste Mal in Brüssel. Ich habe heute früh einen Zeitungsbericht gelesen, in dem wörtlich stand: Künast: Ich habe mich gefühlt wie ein Eichhörnchen. Sie hat also auch gesehen, dass es sehr schwierig ist, wenn man Verantwortung hat. Ich biete Ihnen an, gemeinsam zu versuchen, keinen Gegensatz zwischen dem ökologischen Landbau – Ihr Ziel ist vielleicht maximal 10% der Fläche; wir nutzen 90% der Fläche im konventionellen Landbau – und dem konventionellen Landbau aufzubauen, sondern zu fragen, wo die Risikofaktoren liegen.
Es gibt eben Risikofaktoren, die sich nur durch Kontrollen ausschalten lassen. Wir werden deshalb die Veterinärabteilungen stärken, auch im Interesse der Bauern; denn die Verbraucher und die Bauern müssen wissen, dass Instrumente vorhanden sind, die nicht das Risiko beinhalten, dass eines Tages das, was der Bauer mit seiner Arbeit produziert, keinen Wert mehr hat und er dann in einer Existenzkrise steckt. Wir müssen auch sicherstellen, dass der Verbraucher nicht das Problem hat,
dass er das, was er an Produkten vom Bauern kauft, plötzlich Risikomaterial ist; denn dann wird er dieses Produkt nicht mehr kaufen. Ich denke, das ist ein Ansatz, der sowohl Verbraucher als auch Bauern umfasst.
Jetzt ein Wort zu Ihrer gestrigen Einlassung zum neuen Ministerium. Ich frage Sie: Wenn man Vertrauen schaffen will, wenn man Transparenz schaffen will, bringt es dann nicht mehr, wenn man die beiden Bereiche trennt, als die Berliner Lösung, die ein Anhängsel an das Landwirtschaftsministerium ist? Sie beklagen doch ständig die Verflechtungen. Was wir jetzt gemacht haben, war, dies in einem mutigen Schritt zu trennen und zu sagen: Im Interesse des Verbraucherschutzes, der Transparenz, gehen wir mit einem Instrument, mit einem neuen Ministerium an die Sache heran. Man muss sich letzten Endes über die Standards, über Zertifizierungsmaßnahmen unterhalten. Wir werden das in gutem Einvernehmen diskutieren. Es hilft dem Bauern und auch dem Verbraucher mehr, wenn er das Gefühl hat und dieses Gefühl nicht ein falsches Gefühl ist, dass eine unabhängige Zertifizierungsstelle vorhanden ist, die diese Fragen unbeeinflusst von wirtschaftlichen Interessen prüft.
Ich möchte Ihnen dieses Angebot machen. Auf diesem Wege können wir gemeinsam – über Parteigrenzen hinweg – vorangehen, um die Sicherheit der Verbraucher in Bayern zu gewährleisten und die Existenz der Bauern zu sichern.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir zum Ende dieser Aktuellen Stunde ein paar fachliche Überlegungen, die nicht in Schuldzuweisungen gegen irgendjemanden gipfeln. Vielmehr möchte ich feststellen, dass wir gemeinsam einen sehr schweren Weg vor uns haben. In der heutigen Diskussion wurden noch keine Lösungsansätze für diesen Weg aufgezeigt.
Ich möchte zunächst einen völlig verrückten Gedanken äußern: Wir leben in einer Zeit, in der ständig vom „Recycling“ und vom „sparsamen nachhaltigen Wirtschaften“ die Rede ist. Wenn diese BSE-Problematik nicht gekommen wäre, wäre behauptet worden, dass wir nachhaltig gewirtschaftet und Biorecycling betrieben hätten. Wir haben Energien und Fette wieder in den Kreislauf gebracht. So wurde das von vielen gesehen. Durch BSE hat dieses Denken eine völlig neue Dimension bekommen. BSE ist keine Seuche, sondern eine Entwicklung, die mit veränderten Eiweißproteinen zusammenhängt. Wir wissen noch gar nicht, wohin das führen wird.
Ich möchte feststellen, dass wir mit den Verbrauchern offen reden müssen. Wir wissen, dass der Verbraucher nicht den Schutz in den Vordergrund stellt, sondern häu
fig andere unmögliche Forderungen. Bisher war es kein Problem, wenn auf einem Etikett „Zusätze von Vitaminen“ oder „Anreicherung von Vitamin C“, „Beimengung von Kohlehydraten“ usw. stand. Häufig war es das, was der Verbraucher wollte. Heute sprechen wir von Designerfood. Sie sprechen von diätetischen Nahrungsmitteln und von einem Sammelsurium zwischen dem normalen Lebensmittel und dem Medikament. Wir müssen uns überlegen, wie wir zu einer verantwortungsbewussten und sinnvollen Ernährung kommen. Diese Ernährung wird sich nicht auf die klassischen Lebensmittel beschränken. Wir müssen diesen Weg verantwortungsbewusst gehen.
Wir haben heute über den sinnlosen Einsatz von Antibiotika diskutiert. Wir müssen aber zugeben, dass in fast allen Fleischsorten, auch im Geflügel, Antibiotika enthalten sind. Wir können dieses Problem nicht als erledigt betrachten, wenn wir ein paar Personen „verknackt“ haben, die illegal Antibiotika verabreicht haben. Solange wir offene Grenzen haben, müssen wir den Verbraucher aufrufen, bei der Wahl seiner Lebensmittel vorsichtig zu sein. Die Kennzeichnung und die Klarstellung, welche Folgen eine bestimmte Zusammensetzung hat, kann die Leute dazu veranlassen, bei offenen Grenzen Produkte auszuwählen, die qualitativ gut sind.
Wir müssen gemeinsam mit dem neuen Ministerium wieder Vertrauen schaffen. Wir müssen den Leuten klar machen, was nach unserer Kenntnis gesund ist. Wir müssen klarstellen, welche Produkte den Leuten nicht nur zuzumuten, sondern auch zu empfehlen sind. Die Medizin und die Frage, was der Mensch verträgt, was er braucht und was ihm nicht zugemutet werden kann, muss eine wesentlich größere Rolle spielen. Ich bitte Sie, sich mit uns nach diesem ersten vermeintlichen Schlagabtausch zusammenzusetzen. Wir sollten uns nicht gegenseitig vors Schienbein treten.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist fast schon müßig, darüber zu streiten, was in der konventionellen Landwirtschaft schief läuft oder nicht. Wer ein offenes und kritisches Auge hat, wird sehr schnell erkennen, dass es Punkte gibt, die nicht weggeleugnet werden können und an denen wir arbeiten müssen, um Verbesserungen zu erzielen. Ich nenne einige Beispiele: qualvolle Tierhaltung, riesige Schadstoffeinträge in Luft, Boden und Grundwasser, teilweise belastete Nahrungsmittel sowie der Rückgang vieler Flora- und Faunaarten.
Schuld an dieser Entwicklung – das möchte ich ausdrücklich betonen – tragen meines Erachtens die verantwortlichen Politiker, die es in der Hand hatten und noch haben, über Ausbildung, Beratung und entsprechende Förderprogramme sowie Kontrollen bestimmte agrarpolitische Ziele durchzusetzen. Schuld tragen aber auch die konservativen Agrarwissenschaftler samt staatlichen Beratungsämtern, die den Bauern zunächst den zuneh
menden Einsatz der Pestizide und Medikamente angeraten haben, und die sich heute mit der gleichen Vehemenz für die Anwendung der Gentechnik aussprechen. Schuld trägt ferner der Bauernverband, der ständig klagend aber doch stets sein Fähnchen nach der stärksten Brise drehend, selbst das Programm des Höfesterbens mitgetragen hat und wahrscheinlich auch weiterhin tragen wird. Schuld haben schließlich die Verbraucherinnen und Verbraucher, die bis heute mehrheitlich nicht bereit gewesen sind, für ein umweltschonend erzeugtes gesundes landwirtschaftliches Produkt einen angemessenen Preis zu bezahlen.
Meine Damen und Herren, wie wird es weitergehen? Werden Strukturwandel und Rationalisierung, Massenproduktion zu weltmarktorientierten Preisen und Alibiumweltschutz nur dort, wo er niemandem wehtut, noch weiter fortgeschrieben werden? Ich hoffe: nein! Die BSEKrise und die Arzneimittelaffäre bieten die Chance für einen echten Wandel in der Landwirtschaft. Wir müssen weg von der Subventionierung der Großbetriebe und den Import von Futtermitteln stoppen. Wir müssen den Einsatz gesundheitsschädlicher Pestizide und Wachstumsregler verbieten. Wir müssen die Anwendung von Medikamenten sowie den Einsatz der Gentechnik verbieten und zu einer flächendeckenden vielfältigen bäuerlichen Landwirtschaft kommen, die sich stärker an den Grundsätzen des ökologischen Landbaus orientiert. Stellen Sie die Weichen auf und in Richtung grün. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden es Ihnen danken.
Wir werden jetzt über die Dringlichkeitsanträge abstimmen. Der erste Dringlichkeitsantrag ist der Antrag der SPD-Fraktion „Keine weitere Verbrauchergefährdung durch Medikamente in der Schweinemast“, Drucksache 14/5617. Dieser Dringlichkeitsantrag soll in den federführenden Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verwiesen werden. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall.
Ich lasse jetzt über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN „Raus aus der Turbomast“, Drucksache 14/5618, abstimmen. Wer dem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion der SPD und Herr Kollege Hofmann. Der Dringlichkeitsantrag ist damit abgelehnt.
Jetzt lasse ich über den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN „Offenlegung der so genannten guten fachlichen Praxis in der Tierproduktion Bayerns“, Drucksache 14/5623, abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Ich sehe keine. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Der Dringlichkeitsantrag ist damit angenommen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir zu Beginn eine persönliche Feststellung. Ich bin nunmehr 10 Jahre im Bayerischen Landtag, und all die Jahre war für mich die Frage des Erhalts der Bundeswehrstandorte und die Diskussion um die Bundeswehrstandorte eine besonders wichtige Angelegenheit, zum einen, weil ich früher selbst Wehrpflichtiger und Zeitsoldat war, zum anderen, weil ich in einem Stimmkreis wohne, in dem sich drei Standorte befinden, die immer wieder infrage gestellt, aber bisher Gott sei Dank erhalten wurden.
Die dauernden Diskussionen um die Schließung sind an den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch an den Politikern nicht spurlos vorübergegangen. Deswegen bin ich froh, dass ich zu diesem Antrag sprechen kann. Ich möchte aber auch meine persönliche Betroffenheit ausdrücken. Meine Intention heute ist, Sie von der SPD mit dafür zu gewinnen, unserem Antrag zuzustimmen. Wenn Sie die Reaktionen der Kolleginnen und Kollegen auf kommunaler Ebene – ich denke zum Beispiel an den Oberbürgermeister von Memmingen – ansehen, stellen Sie fest, Sie können deren Erwartungen nur dann erfüllen, wenn Sie heute unserem Antrag zustimmen und unsere Politik mit unterstützen.