Direkt zu Minister Miller: Eines sollten wir, glaube ich, nicht tun. Wir sollten all das nicht übersehen, was an grauem Markt, was an Kultur des Wegsehens entstanden ist. Ich nenne nur die Stichworte „Vertragstierärzte“ und „Betreuungstierärzte“. All das gehört in die Gesamtbetrachtung mit hinein. Wenn wir an diese Dinge nicht herangehen, dann reden wir jetzt, warten, bis BSE vorbei ist, und hoffen, dass der Skandal im Bereich Schweinefleisch bald wieder vergessen wird. Das wird nicht reichen.
Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Eppeneder. Bitte schön. – Die Redezeit ist wirklich fünf Minuten.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Geiger, Sie haben den richtigen Satz gefunden: „Das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen.“ Ich glaube, dass uns allen bewusst ist, dass sich die Landwirtschaft derzeit in einer sehr großen Krise befindet. Gerade, so glaube ich, in dieser Zeit, sind Hysterie, Panik, Schuldzuweisungen und Rücktrittsforderungen nicht der richtige Ratgeber, um das Vertrauen der Verbraucher zurückzugewinnen, sondern dafür müssen wir gemeinsam nach Lösungen suchen.
Kritik an Agrarfabriken und industrieller Landwirtschaft mag gegenwärtig wegen BSE-Krise und Arzneimittelskandal populär sein, aber für die bayerische Landwirtschaft insgesamt nicht sachgerecht. In Bayern beträgt derzeit die durchschnittliche Betriebsgröße zirka 20 Hektar. Die Betriebe werden von Familienarbeitskräften bewirtschaftet und haben nichts mit industrieller Landwirtschaft zu tun.
Frau Kollegin Schieder, wenn ich mich richtig erinnere, hat Bundeskanzler Schröder in einer Aussage dazu aufgefordert die Landwirtschaft wettbewerbsfähig zu machen. Das heißt für mich, sie muss sich an Produktionsformen anderer Länder anpassen. Das ist ein Satz, über den ich nicht einfach hinweggehen kann. Wenn wir
heute eine Neuausrichtung der Agrarpolitik fordern, dann müssen wir diese Forderung auf Bundes- und EUEbene erheben.
Hier müssen wir gleiche Anforderungen, Verordnungen und Bestimmungen sowie gleiche Produktionsformen einfordern.
Weil so viel von ökologischen Landbau geredet wird, darf ich Ihnen eines sagen: Ich bin nicht dagegen, den ökologischen Landbau auszuweiten, wenn die Verbraucher das wollen. Es nützt uns nichts, heute zu fordern, dass wir den ökologischen Landbau um das Zehnfache erhöhen, wenn wír dafür keinen Markt haben.
Die Folge wird sein, dass wir diejenigen, die diese Marktnische erkannt und sich diesen Markt aufgebaut haben, möglicherweise kaputt machen. Das wäre nicht der richtige Weg.
Es kann auch nicht hingenommen werden, dass durch einige wenige der gesamte Berufsstand der Landwirte beschmutzt wird. Ich möchte hier zum Ausdruck bringen, dass der große Teil der Bauern heute verbraucherorientiert produziert. Aber eines darf ich sagen: Bilder, die in den letzten Tagen im Fernsehen zu sehen waren, verstellen das Gesamtbild der Landwirtschaft. Von solchen Darstellungen sollte man Abstand nehmen. Zum Arzneimittelskandal: Wer heute Arzneimittel, die nicht zugelassen sind, Leistungsförderer und Antibiotika für Futtermittel illegal abgibt, dem gehört die Lizenz entzogen, dem muss das Handwerk gelegt werden, weil dies kriminelle Machenschaften sind.
Ich darf noch eines sagen, weil ich selbst Landwirt bin und die Problematik bestens kenne. Es ist legal, Betreuungsverträge mit einer Tierarztpraxis abzuschließen. Wie sieht dies dann in der Praxis aus? Ich spreche hier aus eigener Erfahrung. Der Tierarzt, mit dem man einen Vertrag abschließt, kommt von Zeit zu Zeit in den Betrieb und besichtigt unangemeldet den Bestand. Somit kennt er auch den Bestand. Bei einer Erkrankung wird der Tierarzt gerufen. Er kommt in den Betrieb, schaut sich den Bestand an, gibt eine Diagnose ab und, wenn nötig, wird – das ist in fast allen Fällen so – die Erstbehandlung wird vom Tierarzt durchgeführt, die Nachbehandlung aber vom Betriebsinhaber, dem Landwirt, vorgenommen. Ich bin der Meinung, dass dies legal ist.
Ich möchte zum Schluss eines sagen: Ich lasse in dieser schwierigen Zeit nicht zu, dass die konventionelle Landbewirtschaftung an den Pranger gestellt wird; denn diese bekennt sich zu einer artgerechten Tierhaltung und umweltverträglichen Landbewirtschaftung.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Eppeneder, Sie haben Recht: Nicht die konventionelle Landwirtschaft soll an den Pranger gestellt werden; aber ich bitte Sie doch inständig, die Saubären endlich an den Pranger zu stellen und Sie nicht weiterhin zu decken. Genau die sind es, die den immensen Schaden verursacht haben, die nachhaltig dazu beigetragen haben, dass das Vertrauen in die landwirtschaftliche Praxis insgesamt untergraben worden ist.
Wenn Sie von Panikmache, Schuldzuweisungen und Rücktrittsforderungen sprechen, muss ich Ihnen sagen: Lassen Sie es auch sein, immer auf die anderen zu zeigen und zu sagen: „Bei uns ist alles Okay.“ Wie ist es denn bei uns? Immer wieder wird intern und öffentlich darauf hingewiesen, was bei uns alles schief läuft, dass zwar Gesetze und Rechtsgrundlagen vorhanden sind, dass aber offensichtlich die Einhaltung nicht kontrolliert wird. Offensichtlich sind wir in Bayern auch Vorreiter beim Nichteinhalten von Gesetzen. Der Vollzug ist mangelhaft und unzureichend. Das müssen Sie auch irgendwann einmal zugeben. Hier müssen wir ansetzen und auch erst einmal die Vergangenheit bewältigen, um neu aufbauen zu können.
Bisher findet die notwendige Kontrolle und Überwachung in Bayern sehr rücksichtsvoll statt, aber leider rücksichtsvoll nicht für die negativ davon Betroffenen, sondern offensichtlich sehr rücksichtsvoll gegenüber den Betrügern, also denen, die anderen Schaden zufügen, dem Verbraucher, den Bauern, den Weiterverarbeitern, also uns allen, der gesamten Gesellschaft.
Ausgenommen sind in diesem Fall die Schweinemäster, die diesen Betrug bewusst mitgemacht haben. Egal, wohin man schaut, es ist leider in Bayern ein dichter grauer Filz zu erkennen, und der muss endlich weg.
Grundlage dafür war das in Bayern übliche augenzwinkernde Wegschauen. Es ist leider, wie der Kollege schon sagte, weit verbreitet, augenzwinkernd wegzuschauen und zu sagen: Jetzt macht es halt einmal ein bisserl anders!
Das nützt nichts. Vertrösten können wir jetzt nicht mehr. Die Verbraucher sind zu Recht verunsichert. Offensichtlich wird Skandalen erst dann, wenn sie genügend Schlagzeilen gemacht haben und nicht mehr vertuscht werden können, begegnet, aber nicht, wenn wir sie im Landtag aufgreifen und behandeln wollen, wie LWS, wie LfA, wie Dorfhelferinnen, wie Deutscher Orden, wie BSE zeigen – ein aussichtsloser Kampf im Ausschuss. Sie wissen selbst noch, was Sie uns alles genannt haben und worüber wir diskutiert haben. Ob es den Gebrauch von Antibiotika, ob es Dioxine oder ob es die Gentechnik betrifft – alles immer dieselbe Struktur, dieselben Maßnahmen.
Wir können die Problematik noch so fundiert darstellen, wir können sogar – und das ist das eigentlich Schlimme – über Parteigrenzen hinweg einig sein und Beschlüsse fassen, gewonnen ist dadurch wiederum meist wenig.
Es wird ein Papier fabriziert, unter Umständen wird auch ein Gesetz gemacht, aber es fehlt am Vollzug, an der Kontrolle und an der Umsetzung. Sie handeln nur nach dem Motto: Papier gemacht, gelesen, abgelegt und fertig! Das Personal fehlt. Was tun wir also? Wenn der Skandal offenkundig wird, wird ganz schnell populistisch und teilweise der Sachlage gar nicht dienend gehandelt.
Mit freundlichen Aufforderungen zu sofortigem Handeln ist in diesem Bereich nichts mehr zu erreichen. Wir haben es in jedem Fall mit skrupellosen Geschäftemachern zu tun. Hier sind Sie, Herr Minister Miller, beziehungsweise jetzt Herr Minister Sinner, in der Verantwortung. Hier stehen Sie in der Pflicht, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und umzusetzen. Sie brauchen nicht mehr weiter schönzureden, denn das kann wirklich keiner mehr hören.
Vielen Dank, Frau Kollegin Lück. Sie sind die erste Rednerin, die exakt fünf Minuten spricht. Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Miller. Bitte schön.
Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe heute früh sehr deutlich gesagt – ich wiederhole es noch einmal –, dass der illegale Einsatz von Tierarzneimitteln nicht unser Verständnis findet, sondern dass er hart bestraft wird und dass hierfür die Justiz zuständig ist. Der Schlachtruf der GRÜNEN „Raus aus der Turbomast“ führt zusätzlich zu einer Verunsicherung der Verbraucher und zu einer pauschalen Abstrafung unserer Landwirte, die das nicht verdient haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Frau Rader- macher (SPD): Hier klatscht kaum jemand von der CSU!)
Wer mit solchen Themen nicht sensibler umgeht, sollte sich selber prüfen, ob er in den letzten zwei Jahren seiner politischen Verantwortung gerecht geworden ist.
Trotzdem erkläre ich ohne Einschränkung, dass die modernen Mastverfahren, zu denen unsere Landwirtschaft nicht zuletzt aufgrund der Agrarpolitik der Bundesregierung gezwungen ist, zu mehr Wettbewerbsfähigkeit und Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Betrieben in den USA führen, wo der Einsatz von Hormonen zugelassen ist. Ich möchte nicht den Namen des Abgeordneten aus der Opposition nennen, der in den USA war, sich dort über Gentechnik erkundigt und gesagt hat, das Fleisch, welches mit Hormonen hergestellt worden sei,
(Frau Radermacher (SPD): Natürlich schmeckt das! – Starzmann (SPD): Hat es Ihnen nicht geschmeckt, als Sie es gegessen haben?)
Lassen wir das. Ich habe unsere Haltung deutlich gemacht: Die Gesundheit ist unteilbar. Wenn Hormone oder insbesondere Antibiotika gesundheitsschädlich sind, weil sie auf Dauer zu Resistenzen führen, dürfen sie nicht mehr angewandt werden. Ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen nicht passt, dass der Bayerische Landwirtschaftsminister diese Feststellung vor Ihrer grünen Landwirtschaftsministerin getroffen hat. Das Verhältnis, welches der frühere Bundeslandwirtschaftsminister zu den Öko-Betrieben hatte, haben Sie alle selbst bei der Eröffnung des Zentrallandwirtschaftsfestes erfahren. Sie brauchen die Mitglieder der Öko-Landbauverbände nur fragen, wie sie sich bei dieser Veranstaltung gefühlt haben.
Ich betone ganz besonders, dass unsere Bauern in der Lage sind, auf solche produktionserleichternden Mittel zu verzichten und den gestiegenen Verbraucherwünschen gerecht zu werden. Darüber müssen wir sachlich und fachlich informieren. Wir brauchen aber auch eine Käuferschicht, die bereit ist – das ist heute schon angesprochen worden –, dafür Geld auszugeben. Mit dem Schlagwort „Turbomast“ werden Schuldzuweisungen gemacht, die so pauschal nicht richtig sind. Es wäre aber auch völlig falsch, wenn wir uns jetzt nur noch auf die Öko-Produktion stützen würden. Ich habe nichts dagegen, dass der Anteil der Öko-Produktion von 3% auf 10% gesteigert wird. Übrigens sind 39% aller Öko-Betriebe der Bundesrepublik Deutschland in Bayern beheimatet. Darauf sollten wir auch stolz sein. Sie sind eben nicht in Nordrhein-Westfalen oder in Ländern angesiedelt, wo schon längst die GRÜNEN an der Regierung sind.
Wer eine Wende möchte, sollte sich nicht alleine auf die Öko-Produktion und auf QHB stützen, sondern er muss die Wende agrarpolitisch bewältigen. Dabei steht die Bundesregierung, die doch mit von den GRÜNEN gestellt wird – die jetzige Agrarministerin kommt ja von den GRÜNEN – voll in der Verantwortung. Das, was bisher durchgesetzt wurde, hat sich zugunsten der Verbraucher und der bäuerlichen Landwirtschaft noch nicht erfolgreich ausgewirkt. Reine Forderungen oder Worthülsen bringen uns keinen Schritt weiter. Das zeigt auch der Auftritt von Bundesministerin Renate Künast in Brüssel. Weder beim dauerhaften Verbot der Tiermehlfütterung, noch beim Verbot des Einsatzes von Antibiotika, noch beim Herabsetzen der Altersgrenze für die BSETests konnte sie auf europäischer Ebene einen Erfolg verbuchen.
Sie hat aber in vielen Bereichen unsere Unterstützung. Welches sind denn die Ergebnisse der gestrigen Besprechung? Heute ist es das Geschrei um die Turbomast. Ein Entlastungsfeldzug, den Sie hier führen, mag zwar zur Taktik gehören, er hilft aber weder den Bäuerinnen und Bauern noch den Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Wir sind an unseren Landesanstalten dabei, durch integrierte Produktionsverfahren, durch die Zucht stressresistenter Tiere, durch den Zukauf von Ferkeln aus nur wenigen Betrieben, durch die Rein-Raus-Methode und durch Gesundheitsprogramme die Hygienebedingungen zu verbessern. Dazu gehört es auch, dass Pflanzenextrakte darauf geprüft werden, ob sie ähnliche Wirkungen wie Antibiotika haben. Wenn wir uns von der bisherigen Produktionsweise absetzen wollen, bedeutet dies höhere Produktionskosten für unsere Landwirte. Diese können wir gerade noch aufbringen. Wer aber den Landwirten in anderen Bereichen erheblich höhere Wettbewerbsnachteile zumutet – zum Beispiel eine neun mal höhere Steuer auf Dieselöl als in Frankreich, eine Steigerung bei der Sozialversicherung um das Doppelte –, der muss wissen, dass er an die Grenzen der Wettbewerbsfähigkeit stößt.
Die bayerischen GRÜNEN sollten sich ganz schnell auf den Weg machen, um bei ihren Parteifreunden in Berlin die notwendige Überzeugungsarbeit zu leisten. Tragen Sie dazu bei, dass in Berlin eine ehrliche Diskussion geführt wird. Von einem Sammelsurium aus plakativen Forderungen und Schuldzuweisungen können unsere Bauern nicht profitieren. Sie werden damit nur in eine Ecke gestellt.
Mit der Anwendung der Turbomast, was heute geschieht, suggerieren Sie, dass besonders wirksame Wachstumshormone eingesetzt werden. Tatsache ist aber – das muss ich schon zur Ehrenrettung unserer Bauern sagen –, dass in der Rinder- und Kälbermast der Einsatz von hormonell wirkenden natürlichen und synthetischen Substanzen verboten ist. Ich kenne die Entwicklungen seit vielen Jahren. In Bayern sind wir bei Glenbuterol ganz, ganz hart vorgegangen. Wissen Sie, was der Erfolg ist? In Bayern haben wir heute kaum noch Kälbermäster; denn die Kälbermast ist in andere Gebiete abgewandert, wo günstigere Standortbedingungen – ich will das einmal so bezeichnen – vorhanden sind. Ich sage es noch einmal: Wenn man dem Verbraucher wirklich helfen will, muss man das europaweit, aber auch schnell durchsetzen, nicht erst in fünf oder sechs Jahren.
Betrachten Sie die Rindermast. Bei uns ist dort in erster Linie wirtschaftseigenes Futter gefragt; die Ergänzung erfolgt mit Soja und Rapsschrot. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie einmal die Geflügelmast, die Hähnchenmast betrachten: Vor BSE haben wir einen Geflügelfleischverbrauch erreicht, der so hoch oder höher war als der von Rindfleisch. Wir haben in Bayern bei Puten einen Marktanteil an der deutschen Produktion von 9%, bei Hähnchen einen Anteil von 8%, dort, wo der Kanzler herkommt, beträgt der Anteil 54%. Der Marktanteil von Puten liegt in Niedersachsen bei 50%. Ich
möchte Ihnen nur einmal darstellen, wie die Situation in Wirklichkeit ist. Derjenige, der heute die Turbomast so in den Mittelpunkt stellt, soll dort, wo er politische Verantwortung trägt, einmal nachschauen, wie die Verhältnisse sind.