Protocol of the Session on January 31, 2001

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bekom- men Sie auch nicht!)

Das habe ich auch nicht erwartet, denn Sie kommen aus Ihrer ideologischen Schublade nicht heraus. Sie haben die Schließungen begrüßt. Wir wissen, dass Sie mit der Bundeswehr Probleme haben und sich entsprechend äußern.

(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben Probleme, nicht wir!)

Sie können ruhig dazwischen rufen, es ist trotzdem so.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meines Erachtens geht es nicht nur um Kasernen, Kanonen, Panzer oder Gewehre, sondern auch um die Menschen, und zwar um die Menschen, die von dieser Reform betroffen sind. Das sind zum einen die Soldatinnen und Soldaten an den Standorten, darüber hinaus aber auch die Familien, der Freundeskreis, all die Menschen, die sich mit den Soldatinnen und Soldaten identifizieren. Ich glaube, man kann mit Recht sagen, dass die Bundeswehr gerade in Bayern in der Bevölkerung ganz besonders gut integriert ist. Die Soldatinnen und Soldaten sind bei uns sozial, kulturell, aber auch politisch integriert und bereichern das Leben in den Garnisonsstädten. Deswegen stehen wir voll und ganz hinter der Bundeswehr und ihren Soldatinnen und Soldaten.

(Beifall bei der CSU)

Ganz persönlich möchte ich betonen, dass ich in den letzten Tagen insbesondere am Standort Kötzting bei zahlreichen Begegnungen mit Soldaten und deren Familienangehörigen, aber auch mit ehemaligen Soldaten und Bürgern aus der Stadt festgestellt habe, was eine Schließung für den Einzelnen bedeutet. Ich darf auf das Beispiel Kötzting eingehen. Dort sind zwar nur – in Anführungsstrichen: „nur“ – 220 Soldaten betroffen; das sind aber zu 90% Zeit- und Berufssoldaten, die darauf vertraut haben, an ihrem Standort bleiben zu können. Sie haben zum Teil unter erheblichem finanziellen Aufwand ein Haus gebaut und Kinder in der Schulausbildung oder haben in den letzten Jahren schon mehrmals erleben müssen, dass sie versetzt wurden. Deswegen halte ich die Aussage des Wehrbeauftragten, die heute in einer der Zeitungen zu lesen ist, für zynisch. Er ruft die Soldatinnen und Soldaten zu mehr Mobilität auf. Das ist in der jetzigen Situation mehr als zynisch. Ich hätte mir vom Wehrbeauftragten etwas anderes erwartet. So kann man mit den Soldatinnen und Soldaten garantiert nicht umgehen.

Ich komme zu einem letzten Punkt meiner Vorbemerkung. Es geht auch um Folgendes – ich werde später näher darauf eingehen –: Was gilt noch ein Wort in der Politik? Die Glaubwürdigkeit der Politik steht auf dem Prüfstand. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Wie lang gilt ein Wort eines SPD-Bundesministers? Wie lang gilt noch das Wort eines SPD-Bundespolitikers? Wie lang ist die Halbwertzeit bis zum Verfall? – Das alles werde ich Ihnen noch ausführlich darstellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir lehnen die Bundeswehrreform in der vorliegenden Form ab.

(Herbert Müller (SPD): Sie lehnen den Antrag ab!)

Herr Müller, Ihr Zwischenruf zeigt, dass Sie nicht einmal bereit sind, zuzuhören. Sie sind auch nicht bereit, zu akzeptieren, dass Ihre Kommunalpolitiker etwas ganz anderes fordern als Sie. Sie sind nicht bereit, die bayerischen Interessen zu vertreten, sondern Sie sind eine Miniausgabe von Bonn und Berlin.

Nochmals: Wir lehnen die Strukturreform in der vorliegenden Form grundsätzlich ab, und zwar deswegen, weil die Kürzungen sowohl politisch als auch militärisch nicht sinnvoll sind. Für die Verkleinerung gibt es derzeit weder politische noch strategische Spielräume, denn die Bundeswehr hat zusätzliche Aufgaben, Bedrohungspotenziale und vieles andere mehr zu bewältigen. Die neuen Bedrohungspotenziale der Bundeswehr ergeben sich weltweit. Das Potenzial der neuen Aufgaben ist noch nicht abgeschlossen. Die Aufgaben ändern sich täglich. Wir wissen nicht, was morgen oder übermorgen ist. Deswegen ist es richtig, wenn wir darauf bestehen, dass die Bundeswehr zumindest in der jetzigen Größe erhalten bleibt. Wir brauchen außerdem in bestimmten Krisensituationen die Möglichkeit, dass die Bundeswehr personell aufwachsen und weiter ausbilden kann und dass sie sich aus der Kompetenz heraus entwickeln kann. Man kann sie nicht einfach von heute auf morgen wie einen Lichtschalter ein- und ausschalten. Wir brauchen gewachsene langfristige Strukturen für eine starke Bundeswehr.

Darüber hinaus geht es darum, dass die Bundeswehr zusätzliche internationale Aufgaben übernehmen muss. Bereits jetzt stellen wir fest, dass sich bei den Aufgaben, die die Bundeswehr erledigen muss, Schwierigkeiten ergeben, um z. B. die Rotation bei Auslandseinsätzen sicherzustellen. Zum Teil müssen die Soldaten länger im Ausland bleiben als vorgesehen. Die Bundeswehr hat Schwierigkeiten, die Ausbildung sicherzustellen.

(Hufe (SPD): Deswegen gibt es doch ein neues Konzept!)

Ich möchte darauf hinweisen, dass hier die Familien eine besondere Rolle spielen und besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass wir eigentlich keinerlei Spielraum für Verkleinerungen haben. Darüber hinaus ist die Verkleinerung eine Gefahr für die Wehrpflichtigenarmee. Das ist ein weiterer Grund, warum wir diese Strukturreform ablehnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir von der CSU halten die Wehrpflichtigenarmee weiterhin für sicherheitspolitisch geboten. Für uns ist sie auf der Basis der Wehrgerechtigkeit ein Ausdruck der Mitverantwortung des Einzelnen für Staat und Gesellschaft. Das sollte man immer wieder deutlich sagen. Nicht zuletzt bedeutet sie die Chance für ein Rekrutierungspotenzial auf einer breiten Basis mit einer hohen Qualifikation und einer breiten Ausbildung. Mit der Wehrpflicht wird die Bundeswehr auch künftig eine junge und vitale Armee bleiben.

Darüber hinaus halte ich es für gefährlich, wenn wir die Wehrpflichtigenarmee Schritt für Schritt – das ist im Januar bereits das erste Mal eingetreten – aushebeln. Wenn wir wirklich einmal in die Situation kommen sollten, dass wir Wehrpflichtige brauchen, dann kann man eine Entscheidung gegen die Wehrpflicht nicht von heute auf morgen revidieren. Deswegen halte ich es für falsch, im Rahmen der Reform sowohl bei den Wehrpflichtigen als auch bei den Zivildienstleistenden – auch diese will ich erwähnen – Kürzungen vorzunehmen. Deswegen lehnen wir Ihre Reformvorschläge ab.

Ich komme in diesem Zusammenhang auf einen weiteren Punkt. Ich glaube, dass die Reform nicht durchdacht und vor allem nicht finanziert ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen heute schon voraus, die Probleme kommen noch. Ich sage Ihnen heute voraus, dass nach dem Jahr 2002 weitere Debatten über Schließungen stattfinden werden. Wir werden die SPD-Bundesregierung weiter in die Pflicht nehmen. Herr MdB Pfannenstein von der SPD wird heute in einer Zeitung zitiert: „Mit dieser Reform wird für die nächsten 10 Jahre keine weitere Reform notwendig.“ Wir werden ihn bei dieser Frage beim Wort nehmen und – wenn nötig – diese Äußerung zu gegebener Zeit öffentlich darstellen.

Wie wenig das Wort eines Bundespolitikers der SPD heute gilt, wird daran ersichtlich, dass Bundesminister Scharping am 14. 08. 1999 in Oberviechtach gesagt hat – ich zitiere aus der „Mittelbayerischen Zeitung“ –:

„Standortschließungen kommen nicht in Frage, es geht lediglich um Kleinstandorte.“ Wir sehen heute: Die Standorte, die in Frage stehen, sind keine Kleinstandorte; sie sind Standorte von hohem Gewicht und hoher Bedeutung für Bayern.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: So ist es!)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, halte ich es auch für fatal, wie Sie jetzt mit Ihren Äußerungen und Zwischenrufen die Bundesregierung unterstützen. Wir haben in Bayern ein „Standort-Gemetzel“. Von 39 Schließungen in ganz Deutschland entfallen ein Drittel, nämlich 13, auf Bayern.

Ich möchte ganz deutlich betonen: Wenn man sich die Streichungsliste durchsieht, dann hat man den Eindruck, dass der Kriterienkatalog, den Sie angelegt haben, vor allem bevorstehende Wahlen und parteipolitische Präferenzen berücksichtigt hat.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Denn ansonsten kann ich mir nicht erschließen, liebe Kollegin Schieder, warum vor allem im Land RheinlandPfalz und im Land Baden-Württemberg, wo demnächst Wahlen stattfinden, so wenig gekürzt wurde – im Gegensatz zu Bayern: Baden-Württemberg minus 4%, Bayern minus 19% – diese Zahlen sagen alles.

(Zuruf von der SPD: Da hat der Rühe schon gekürzt!)

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich ganz deutlich sagen: Aus parteipolitischem Kalkül werden gewachsene und bewährte Strukturen, die wir hier in Bayern haben, von Ihnen leichtsinnig geopfert.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Ein weiterer Punkt: Wir haben in Bayern keine Probleme mit der Bundeswehr. Sie ist bei uns nicht nur ein strukturpolitisches Element; sie ist überall und an jedem Ort

herzlich willkommen. Bei Appellen und Gelöbnissen hat es noch nie Schwierigkeiten gegeben.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Noch nie musste die Bundeswehr von der Polizei geschützt werden. Ganz im Gegenteil, die Bevölkerung strömt zu den Gelöbnissen und Appellen und möchte sich mit ihrer Bundeswehr entsprechend identifizieren und damit zur Bundeswehr äußern. Die Bevölkerung steht hinter der Bundeswehr und steht auch zur Bundeswehr.

Deswegen halte ich es auch für fast makaber – Herr Kollege Mirbeth hat mir gesagt, der betreffende Herr Bürgermeister ist anwesend –, dass dem Bürgermeister der Stadt Hemau am vergangenen Freitag in Ulm die Corpsmedaille wegen dem besonders guten Verhältnis und der besonders guten Verbindung, die zwischen der Stadt Hemau und den Soldatinnen und Soldaten in dieser Stadt bestehen, verliehen worden ist. Am Freitag hat er diese Medaille bekommen. Am Montag ist er wieder zu Hause gewesen und hat dann erfahren, dass sein Standort entgegen allen Beteuerungen geschlossen wird. Das halte ich für makaber. So geht die SPD mit bayerischen Abgeordneten und Bürgermeistern um.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Gantzer (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht darüber hinaus um die Glaubwürdigkeit in der Politik ganz grundsätzlich. Ich habe schon gefragt: Was ist eigentlich das Wort eines SPD-Bundesministers noch wert? Und da haben Sie selber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in den letzten Tagen einige Erfahrungen machen müssen.

Ich darf zunächst die Kollegin Lück ansprechen. Frau Kollegin Lück hat sich am 09.01. dieses Jahres in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ unter der Überschrift geäußert: „Lück verärgert über Kaffeesatzleserei“ – ich erspare Ihnen das jetzt, Frau Kollegin Lück, was Sie sonst noch alles gesagt haben über Panikmache und andere angeblich negative Äußerungen von CSU-Abgeordneten -. Fakt ist, dass Sie damals noch abgewiegelt haben, sich in Sicherheit gewiegt haben, und Fakt ist jetzt, dass Memmingen, Dillingen und Sonthofen übrigens geschlossen werden; Sonthofen deswegen, weil man nach Niedersachsen verlagert. Dies ist völlig überflüssig und wird deshalb von uns nicht akzeptiert. So werden Sie von den eigenen Leuten hinters Licht geführt.

Frau Kollegin Peters hat am 24.01. dieses Jahres eine Pressemitteilung in der „Passauer Neuen Presse“ veröffentlicht mit der Überschrift „Rottal-Kaserne: Scharping bittet um Ruhe.“ Auch hier der Hinweis, die CSU-Abgeordneten sollen keine Panikmache betreiben, weil die Soldatinnen und Soldaten damit verunsichert würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fakt ist: Kirchham wird geschlossen.

Die Kollegin Kastner von der SPD aus Oberfranken oder Unterfranken,

(Zuruf von der CSU: Leider Unterfranken! – Heiter- keit)

also Unterfranken, äußerte vor kurzem zum Standort Ebern das Gleiche: „Hier betreiben die CSU-Politiker reine Panikmache.“ Fakt ist: Der Standort Ebern wird geschlossen.

Staatssekretär Kolbow erklärte am 16.07.1999 – ich zitiere das „Straubinger Tageblatt“:

(Zuruf von der CSU: Sie sind alle verscheißert wor- den!)

„Für die Garnison in Kötzting besteht durch die Sparvorhaben der Bundesregierung keine Gefahr.“ Und er trägt sich zusammen mit dem SPD-Kollegen Pfannenstein ins Goldene Buch mit den Worten ein: „Der Standort bleibt erhalten.“

(Lachen bei der CSU)

Bundesminister Scharping am 14.08.1999, Anhörung „Mittelbayerische Zeitung“: „Bundesminister Scharping hat bei seinem gestrigen Besuch in Oberviechtach und Pfreimd“

(Anhaltende Unruhe)

hören Sie von der SPD mir doch einfach einmal zu! – „eine Garantie für die Bundeswehrstandorte in den Landkreisen Schwandorf und Cham gegeben.“

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Peters?

Gleich. Ich möchte bloß abschließen, dann kann sie gerne etwas dazu sagen.

Am 18.04. dieses Jahres der gleiche Bundesminister gegenüber dem Kollegen Pfannenstein laut Mittelbayerischer Zeitung: „Scharping hat mir klar gesagt: Du brauchst dir um deine Standorte keine Sorgen zu machen. Das gilt auch für Kötzting.“ Und wenige Tage später: „Das war ein Wort unter Männern, auf das ich mich verlasse.“ Fakt ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Standort Kötzting soll geschlossen werden.