Protocol of the Session on January 31, 2001

(Beifall bei der SPD)

Sie sollten überlegen, ob Sie nicht andere Maßnahmen einleiten, um die Justiz wieder arbeitsfähig zu machen. Dies gilt insbesondere für die Regensburger Justiz.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Dürr.

Ich werde stets aufs Neue in Erstaunen versetzt. Ich bin so erstaunt, dass ich sogar die Anrede vergesse. Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Dreistigkeit, mit der die Staatsregierung immer die gleiche Masche fährt, verblüfft mich. Offenbar sind immer alle anderen schuld, nur nicht die Staatsregierung. Ich finde das einfach unerhört.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Opposition soll jetzt am Schweinemastskandal schuld sein. Sie fragen uns, warum wir nichts gemacht hätten. Sie sitzen in der Regierung und tun jahrelang nichts. Wir sollen jedoch an diesem Skandal schuld sein. Das ist unglaublich. Die CSU gebraucht öfter die Begriffe „europaweit einmalig“. Dieses Verhalten ist wirklich europaweit einmalig. In diesem Hause ist es Prinzip, sich in dieser Weise aus der Verantwortung zu stehlen. Herr Minister Miller ist gerade wieder draußen. Offenbar ist das ein Thema, das ihn nicht so wahnsinnig interessiert. Er vertritt die Auffassung, dass jeder andere schuld sei. Zuerst war es Frau Staatsministerin Stamm. Dann war es der Justizminister. Inzwischen sind es die Tierärzte und die Opposition.

(Starzmann (SPD): Herr Miller kann jetzt nicht mehr schuld sein, weil er für nichts mehr zuständig ist!)

Da ist etwas dran. Er hat immer behauptet, dass ihm nichts weggenommen worden sei. Als ihm der Verbraucherschutz weggenommen wurde, hat er gesagt, dass er nichts vermisse.

Er hat sich nie um den Verbraucherschutz gekümmert, darum kann ihm nichts fehlen. Bei ihm wurde etwas amputiert, was gar nicht vorhanden war.

Minister Miller verfügt plötzlich über neue Erkenntnisse. Am 9. Januar habe ich gesagt, in der CSU muss es zugehen wie in der DDR nach der Wende, nachdem die Sicherheiten und Erkenntnisse, die man geglaubt hat zu haben, plötzlich weg waren. Nach der Wende gab es in der DDR – nachdem sie nicht mehr DDR war – das Phänomen des „Wendehalses“. Ich stelle fest, Staatsminister Miller ist weit fortgeschritten in den Fertigkeiten eines Wendehalses. Früher war er überall der Bremser, und jetzt ist er überall vorn dran. Jahrelang haben Staatsminister Miller und die gesamte CSU unsere Anträge und Einwendungen gegen Antibiotika lächerlich gemacht. Jetzt ist Minister Miller auf einmal zu einer Erkenntnis fähig, die alles auf den Kopf stellt, was er bisher geglaubt hat. Was hat denn die Erkenntnis so beschleunigt? – Die Angst ist bei ihm offensichtlich ein wirksames Mittel der Erkenntnis. Er hat Angst, seinen Stuhl zu verlieren, und versucht deshalb, sich an ihm festzuhalten. Ich denke aber, er wird sich auf die Dauer nicht am Stuhl festhalten können, auch wenn er noch so viele Wenden macht. Er ist der Verantwortliche, und das werden wir hier immer wieder sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht um Personen, sondern es geht darum, dass wir in Bayern in der Landwirtschaftspolitik einen glaubwürdigen Neuanfang brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ein Neuanfang ist mit einem so unglaubwürdigen Minister nicht möglich; das muss man deutlich sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Minister Miller ist so schnell in seiner Lernfähigkeit, dass die staatliche Landwirtschaftsverwaltung nicht nachkommt. Ich nenne zwei Beispiele. Das eine handelt davon, dass, zu einer Zeit, als Staatsminister Miller bereits erkannt hatte, dass Tiermehl doch nicht so gut ist, in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift der Landwirtschaftsberatung immer noch die Rede davon war, dass man Tiermehl dringend verfüttern muss. Der zuständige Redakteur wurde entlassen, weil er nicht so schnell wie Staatsminister Miller war. Das zweite Beispiel ist die Ferkelmast. Minister Miller ist beim Kampf gegen die Antibiotika längst an vorderster Front, und die staatliche Beratung preist immer noch Antibiotika in der Ferkelmast.

Warum haben die anderen dieses Tempo nicht? – Weil Gehirnwäsche normalerweise nicht so schnell funktioniert. Man kann nicht von einem Tag auf den anderen sagen, das, was gestern falsch war, ist heute richtig. Das schafft nicht jeder. Das schafft nur jemand, der erheblich unter Druck steht und vor allem ein Interesse hat, und zwar kein Erkenntnisinteresse, sondern ein Interesse, auf seinem Stuhl zu bleiben. Nur so jemand schafft das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Minister Miller hätte eben den Druck auf die Landwirtschaftsverwaltung erhöhen müssen, dann wäre sie vielleicht schneller mit der Erkenntnis gewesen. Offensichtlich war der Druck auch nicht groß genug, als es um das Zeichen „Qualität Herkunft aus Bayern“ ging. Vier Jahre hat es gedauert, bis der Landtagsbeschluss umgesetzt wurde. Der Druck war offensichtlich auf keinen Fall so groß wie der Druck, den der Bauernverband ausgeübt hat. Minister Miller hat auf den Vorwurf, dass der Beschluss des Landtags vier Jahre lang nicht umgesetzt wurde, in einer Pressemitteilung sein eigenes Scheitern großspurig erklärt. Er sagte, er habe sich 1997 schriftlich und mehrfach mündlich beim Bauernverband gegen Antibiotika verwandt. Dem Bauernverband ist es anscheinend nicht so wichtig gewesen, was Herr Miller gesagt hat.

(Starzmann (SPD): „Qualität Herkunft aus Bayern“ ist ein staatliches Programm!)

Ja, das ist ein staatliches Programm. Der Bauernverband hat aber anscheinend auf das Ministerwort keinen großen Wert gelegt. Mich würde aber schon interessieren, was genau mündlich und schriftlich diskutiert wurde und welche Argumente ausgetauscht wurden. Das, was hier wirklich gesagt wurde, wollen wir noch offen legen. Nach wie vor besteht der Verdacht, dass die Agrarlobby in Bayern bei der CSU und bei der Staatsregierung mehr zu sagen hat als das Verbraucherinteresse.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Prinzip der Staatsregierung, sich hinzustellen und sich großzutun, um gleich wieder ganz vorn zu sein, kennen wir mittlerweile. Das ist gängige Praxis. Das war auch bei BSE so. Erst hat man die Bevölkerung jahrelang nach Strich und Faden angelogen, betrogen und in dem Glauben gehalten, Bayern sei BSE-frei. Nachdem man es nicht mehr leugnen konnte, war man plötzlich wieder ganz vorn dran, hat tolle Sachen gemacht und war deutschlandweit einmalig. Jedes Mal, wenn man in einer Kabinettserklärung einen Fehler eingestehen müsste, sagt man, man sei deutschlandweit einmalig. Auch bei den Antibiotika ist das so. Minister Miller war ewig hinten dran und stellt sich jetzt hin und erdreistet sich, zu sagen, er sei ganz vorn dran. Er will sogar schneller als die GRÜNEN und Frau Künast gewesen sein. Plötzlich ist er viel schneller, nachdem er ewig viel langsamer war und alles gebremst hat, was in der Landwirtschaftspolitik vernünftig gewesen wäre. Jetzt ist er wieder ganz vorn.

Das gilt auch für die Ermittlungen. Am 23. Januar hat sich das Kabinett zusammengesetzt und großspurig einen der größten Schläge gegen Tierarzneimittelmissbrauch in Deutschland erfolgreich durchgeführt. Natürlich ist man deutschlandweit wieder ganz vorn dran. Erst tut man fünf Jahre überhaupt nichts, und dann ist man deutschlandweit einmalig. Das ist immer das gleiche System.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine Dreistigkeit, die man nur noch lächerlich finden kann und die Ihnen die Bevölkerung auf Dauer nicht durchgehen lassen wird. Die Menschen haben ein Interesse daran, dass sie Lebensmittel bekommen, die diesen Namen verdienen. Dafür haben Sie bisher sehr wenig getan.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Weiß.

Herr Präsident, Hohes Haus! Ich kann es nachvollziehen, dass manchmal etwas durcheinander kommt, wenn mehrere Verfahren parallel laufen. Ich kann auch nachvollziehen, dass man dann, wenn ein Fehler passiert ist, gern jemand die politische Verantwortung anhängt. Das ist das Geschäft; das ist klar; darum stehen wir auch hier.

Herr Kollege Wahnschaffe, ich glaube – Wo ist er? – Er ist nicht hier. Dann soll er es im Protokoll nachlesen. Ich halte es auf jeden Fall nicht für richtig, dass man nur deswegen, weil man zu Hause einen Kommunalwahlkampf betreiben will, einem anderen in diesem Hause Unredlichkeit vorwirft.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe mich hier immer bemüht, die Situation nach bestem Wissen und Gewissen darzustellen. Wenn

etwas schief gelaufen ist, habe ich mich bisher nie gescheut, das zuzugeben und Konsequenzen zu ziehen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wann war das? Bringen Sie Beispiele!)

Beispielsweise habe ich gerade gesagt, dass zwei Jahre lang nicht ordnungsgemäß ermittelt worden ist.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Zwanzig Monate waren es genau; aber ich befasse mich lieber mit dem Plenum insgesamt.

Ich finde es wirklich unfair, dass sich Herr Kollege Wahnschaffe hierher stellt und ohne Anhaltspunkte sagt: Sie wollen nicht gewusst haben, dass das und das war. Er hat keinerlei Anhaltspunkte dafür. Er glaubt nur, mir einfach unterstellen zu können, ich würde lügen. Wenn ich hier sage, es gab keine Berichtspflicht und ich habe von der Sache nichts gewusst, dann bezichtigt mich derjenige der Lüge, der sagt, ich hätte etwas gewusst oder will es nicht gewusst haben. Ich glaube, das ist keine anständige Auseinandersetzung.

(Beifall bei der CSU)

Zu den rechtlichen Grundlagen darf ich feststellen: Es gibt eine Bekanntmachung vom 9.12.1960. Eine Berichtssache kann vorliegen wegen besonderer Bedeutung hinsichtlich Personen, Stellung des Beschuldigten, Art und Umfang der Tat und Erfassung weiter Teile der Bevölkerung. Es ist richtig, dass wir das jetzt für eine wichtige Sache halten, bei der Berichte notwendig sind bzw. möglicherweise notwendig gewesen wären. Ich stehe hier und sage, es ist bis zur letzten Durchsuchung nicht berichtet worden. Ich habe keine Kenntnis gehabt, und mein Haus hat meines Wissens bis zur Umsetzung der Durchsuchung ebenfalls keine Kenntnis gehabt. Wenn jemand etwas anderes behauptet, soll er hier zumindest andeuten, woher er etwas wissen könnte. Den Anderen einfach der Unwahrheit zu bezichtigen, ist kein fairer Umgang miteinander.

Ich darf sagen: Auch wir haben, nachdem wir von der Durchsuchung erfahren hatten, gefragt, ob das nicht eine so wichtige Sache ist, dass man vorher hätte berichten lassen müssen. Ich habe auch intern gesagt, ich möchte künftig über derartige Verfahren informiert werden. Aber ich muss auch unterstellen, dass der zuständige Staatsanwalt die Auswirkungen dieser Problematik für die Allgemeinheit nicht so gesehen hat, kurzum, dass kein Bericht erfolgt ist. Und wenn kein Bericht erfolgt ist, wenn der Justizminister nichts gewusst hat, dann will er nicht irgendwie nichts gewusst haben, da mag hier vielleicht ein kleiner Fehler passiert sein; das hat jedoch mit dem Ablauf der Durchsuchung nichts zu tun.

Jetzt komme ich zu den verschiedenen Vorgängen.

Erstens: Verfahren Roßkopf. Das ist dieses Altverfahren seit 1995. Dort habe ich eingeräumt, wir haben es feststellen müssen – genauer gesagt, wir haben es gestern

gemerkt –, dass hier der zuständige Staatsanwalt wohl zwanzig Monate lang nicht ermittelt hat, das Verfahren nicht betrieben hat. Es handelt sich um das Verfahren – weil da vorhin etwas verwechselt worden ist –, zu dem wir keine Hinweise aus Österreich bekommen haben.

In dem Verfahren war zunächst einmal eine Anklage erstellt worden, ebenso Strafbefehlsanträge, die den Anforderungen des Gerichts nicht genügt haben. Es geht hier unter anderem um solche Fragen wie – nur damit Sie wissen, was für Komplexe das sind –: Hier ist der Beweisbeschluss des jetzt erkennenden Gerichts, in dem ist die behördliche Auskunft des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, ob Chloramphenicol vor und nach dem 23. bzw. 29.08.1995 ein Arzneimittel war, bei dem der begründete Verdacht bestand, dass es bei bestimmungsgemäßer Anwendung bei lebensmittelgewählten Tiere schädliche Wirkungen hatte, die über ein nach den Erkenntnissen der seinerzeitigen medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgingen. Also mit Sicherheit hat hier auch eine wissenschaftliche Frage mitgespielt, ob eben hier schädliche Wirkungen zu erwarten sind.

Das ist nämlich auch gleich der Grund, warum das erkennende Gericht, das jetzt für März terminieren will, eine gewisse Zeit gebraucht hat. Dabei muss ich sagen, Kollege Wahnschaffe ist nach meiner Erinnerung Richter, er müsste auch wissen, wenn er dem Justizminister Vorwürfe macht, dass die Terminierung zu den Entscheidungen des Gerichts gehört, die dieses in richterlicher Unabhängigkeit trifft. Ich möchte einmal wissen, was mir ein Richter sagt, wenn ich ihn anriefe und sagte: Machen Sie mal gefälligst einen Termin! Der würde sagen: Herr Justizminister, das geht Sie nichts an, das ist nicht Ihr Zuständigkeitsbereich!

Also, ich sage, in diesem Verfahren Roßkopf hat es eine mir noch nicht erklärliche zwanzigmonatige Verzögerung gegeben – in den Jahren 1996 bis 1998; das wollen wir doch auch einmal deutlich sagen: Das alles ist drei bis fünf Jahre her.

In dem Verfahren gab es drei rechtskräftige Strafbefehle. Das Verfahren gegen den Dr. Roßkopf wie auch in den anderen sechs Fällen, in denen Einspruch eingelegt wurde, wird voraussichtlich im März 2001 durchgeführt. Der Termin wird vom Richter in richterlicher Unabhängigkeit festgesetzt werden.

Wir haben die Konsequenzen gezogen. Wenn Sie jetzt einen Altfall hier mit hineinziehen und fragen, warum man da nicht bereits bei diesen letzten Fehlern des betroffenen Staatsanwalts hat feststellen können, dass schon ein paar Jahre vorher, fünf Jahre zuvor auch schon etwas falsch gemacht worden ist, ist meine Antwort schlicht und einfach: Wir haben natürlich bei den letzen Vorfällen vom vergangenen Jahr das Ressort überprüft; das war in Regensburg. Das hier aber betraf eine vorherige Tätigkeit des Staatsanwalts in Straubing, und ich meine, auch wenn ich überprüfe, ob ein Staatsanwalt ordnungsgemäße Arbeit macht, dann überprüfe ich das Ressort, das er seit zwei, drei Jahren leitet, und ich gehe nicht zurück und untersuche, was er möglicher

weise in seiner frühesten Jugendzeit als Staatsanwalt oder Richter etwa einmal gemacht hat.