Herr Staatsminister, war der Staatsregierung beim Verkauf der Viag-Aktienanteile und der damit verbundenen Aufgabe der qualifizierten 25,1-%-Beteiligung bekannt, dass derart einschneidende Personalkürzungsmaßnahmen bei den bayerischen Beschäftigten zu erwarten sind und hat sie den Gesichtspunkt der Arbeitsplatzsicherung in Bayern bei den Gesprächen und Verträgen damals eingebracht und mit welchem Ergebnis?
Herr Kollege Dr. Scholz, der jetzt drohende Abbau von 700 Arbeitsplätzen aus der Stilllegung von Kraftwerken in Bayern war bei der Teilveräußerung der staatlichen Viag-Aktien nicht bekannt. Als Teilnehmer der Gespräche kann ich das gut beurteilen.
Veba und Viag bezifferten im Rahmen der Fusionsverhandlungen den fusionsbedingten Arbeitsplatzabbau im Energiebereich auf insgesamt 2300 Stellen in der Bundesrepublik Deutschland, wovon etwa 600 Stellen auf das Bayernwerk und der Rest auf Preußen Elektra entfallen sollten. Dabei ist zu berücksichtigen, Herr Kollege Dr. Scholz, dass die Bayernwerke bereits vorher ein Personalabbauprogramm abgeschlossen und verkündet hatten. 600 waren also fusionsbedingt abgebaute Stellen. Ich bitte dies zu unterscheiden.
Der Bayerischen Staatsregierung wurden die aktuellen Pläne der e.on AG zur Stilllegung von Kraftwerkskapazitäten erstmals am Montag, den 9. Oktober 2000, von den Vorstandsvorsitzenden Herrn Hartmann von e.on und Herrn Dr. Harig von e.on Energie unterbreitet. In diesem Gespräch machte Ministerpräsident Dr. Stoiber nachdrücklich klar, dass der Freistaat diese Planungen für nicht akzeptabel hält. Sie haben das sicherlich wiederholt den Zeitungen entnehmen können. Die Staatsregierung wird daher den e.on-Konzern nicht aus seiner strukturpolitischen Verantwortung entlassen.
Eine Ursache für diese Entwicklung ist jedoch insbesondere die Politik der rot-grünen Bundesregierung; das hat Kollege Dr. Wiesheu aber bereits gestern ausführlich und überzeugend dargelegt. Schließlich hat die Koalition einen Atomausstieg ohne Energiekonsens beschlossen und damit ein Signal gesetzt, dass Deutschland als Produktionsstandort für Energieunternehmen nicht mehr gewollt ist.
Unabhängig davon, Herr Kollege Dr. Scholz, standen bei den Fusionsverhandlungen zwischen Veba und Viag für die Staatsregierung selbstverständlich die Standortinteressen und die Arbeitsplätze in Bayern im Vordergrund. Auf Dauer hätten die Viag und das Bayernwerk allein im europäischen Wettbewerb nicht bestehen können, was unabsehbare Folgen für die Arbeitsplätze in Bayern nach sich gezogen hätte.
In der Grundsatzvereinbarung über die Zusammenführung der beiden Unternehmen wurde den standort- und industriepolitischen Interessen des Freistaats Bayern weitest möglich Rechnung getragen. Es handelt sich dabei um die Grundsatzvereinbarung, die zwischen den beiden Vorstandsvorsitzenden Hartmann und Simson und der Bayerischen Staatsregierung in der Bayerischen Staatskanzlei in mehreren Runden ausgehandelt wurde. Sie können diese Grundsatzvereinbarung nachlesen, sie wurde bei den Verträgen als Anhang aufgenommen. Nach meiner Kenntnis wurde sie wortgleich als Fusionsvertrag rechtsverbindlich umgesetzt. Ich darf daran erinnern, dass das Energiegeschäft der e.on in Bayern durch Ansiedlung des Sitzes und der Hauptverwaltung der e.on-Energie in München sichergestellt wurde. Auch das ist nicht gerade selbstverständlich, Herr Kollege Dr. Scholz. Preußen Elektra war sogar ein Stück größer als die Bayernwerke. Es hat der Veba sicher nicht gefallen, dass dieser wesentliche Teil des Gesamtkonzerns in München bleibt. Im übrigen bleibt auch der mit Handel befasste Teil in München und das ist die Zukunft innerhalb der Energiepolitik, ob uns das nun gefällt oder nicht. Daneben sind wichtige Tochtergesellschaften in München, Landshut und Bayreuth verankert worden. Auch dies wurde ausdrücklich vertraglich festgelegt. Die übrigen Festlegungen kennen Sie ebenfalls. Derartige Festlegungen werden im Verlauf der Zeit von den Unternehmen immer wieder in Frage gestellt. Auch ist es nicht selbstverständlich, dass Festlegungen getroffen werden, weil dies für die Unternehmensführungen Bindungen sind, während sie doch eigentlich möglichst frei sein wollen. Diese Bindungen mussten Veba und Viag in den Gesprächen auf bayerischen Druck aber eingehen, und das war nicht immer einfach.
Eine dauerhafte Absicherung einzelner Kraftwerksstandorte war mit Blick auf die hohe Zahl der Kraftwerke im künftigen e.on-Konzern und angesichts der gesamten Wettbewerbsbedingungen nicht möglich. Ich sage Ihnen sicherlich nichts Neues, Herr Kollege Dr. Scholz, wenn ich darauf hinweise, dass der e.on-Konzern in seinem Verantwortungsbereich 175 Kraftwerke hat. Sie können sich vorstellen, dass es nicht möglich ist, wenn man versuchen will, den Standort eines einzelnen Kraftwerks zu sichern. Ich glaube auch nicht, dass Herr Hartmann oder Herr Simson so etwas unterschreiben würden. Das haben sie auch nicht getan.
Ich möchte einmal sehen, wer mehr erreicht hätte als der hartnäckig verhandelnde Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister mit seinem Charme und der Finanzminister. Es war also nicht ganz einfach, das zu erreichen, was wir erreicht haben. Mehr ist nicht möglich gewesen. Die Rahmenstrukturen scheinen mir zufrieden stellend. Die Stilllegungspläne vom 9. Oktober sind für alle Beteiligten im Freistaat Bayern eine Überraschung. Deshalb können wir das nicht akzeptieren.
Herr Staatsminister, ich entnehme Ihren Ausführungen, dass bezüglich der Standortsicherung und der Arbeitsplatzsicherung in der Grundsatzvereinbarung, die dem Fusionsvertrag entspricht, nichts dringestanden hat. Liegt hier nicht ein Versäumnis der Staatsregierung vor, die auch als früherer Mehrheitseigner des Bayernwerkes verpflichtet ist, die originären Interessen der Beschäftigten und der Standorte zu vertreten?
Herr Kollege Scholz, es liegt mit Sicherheit kein Versäumnis vor. Ich habe Ihnen schon gesagt, dass es 175 Standorte gibt, die dann im Einzelnen gesichert werden müssten oder von denen einige herausgepickt werden müssten. Wir haben dieses Thema natürlich massiv angesprochen. Das Ergebnis der längeren Verhandlungen zu diesem Punkt war eine Übereinkunft, die im Fusionsvertrag steht. Sie hat zum Inhalt, dass man sich darüber einig ist, dass die Energie möglichst ortsnah produziert werden muss. Das heißt auf Deutsch gesagt in der heutigen Wettbewerbssituation, dass man nicht eine Politik betreiben will, den Strom irgendwo in der Welt einzukaufen, weil er dort billig ist, und vor Ort nicht mehr zu produzieren.
Aber genau diesen Weg befördert die gegenwärtige Bundesregierung. Der famose Bundesumweltminister Trittin will, dass wir in diesem Land möglichst keine Energie zu vernünftigen Preisen mehr erzeugen können. Daher sind die Energieunternehmen, wenn sie überleben wollen, darauf angewiesen, billigen Strom vom Ausland einzukaufen. Genau das ist die Politik, die so widersprüchlich ist. Kollege Wiesheu hat das gestern an dieser Stelle sehr überzeugend dargelegt.
Herr Staatsminister, ich lasse mich auf die Polemik gegen die Bundesregierung nicht ein, sondern frage Sie: Verstößt die e.on mit den Beschlüssen, die Ihnen erst am 9. Oktober bekannt geworden sind, gegen definierte Inhalte der Grundsatzvereinbarung bzw. welche Druckmittel haben Sie jetzt in der Hand, um der e.on gegenüber eine Verlängerung oder Aufrechterhaltung einzelner Standorte, wie wir sie gestern hier beschlossen haben, durchzusetzen?
Sie fragen wahrscheinlich in erster Linie nach rechtlichen Druckmitteln. Als Nichtjurist bin ich sehr zurückhaltend. Ich will auch durch meine Aussagen unsere Ausgangsposition in den weiter anstehenden Verhandlungen nicht schwächen. Wir begreifen dies wenn nicht als Vertragsbruch, so zumindest als einen Vertrauensbruch.
Herr Staatsminister, die Oberfrankenstiftung hat bei dem Übergang der Oberfrankenenergiewerke die Formulierung ausgehandelt, dass Arzberg als Standort sozusagen gesichert ist. Bindet das den jetzigen Eigentümer, die e.on in diesem Fall?
Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser (Finanzministe- rium) : Die Oberfrankenstiftung ist nach meinen Kenntnissen in einer sehr guten Position, weil ihr noch vor relativ kurzer Zeit eine Standortsicherung punktuell genau für Arzberg zugesagt wurde. Wenn dann gewissermaßen am nächsten Tag die Sachlage anders aussieht, wird man logischerweise auch rechtliche Schritte überlegen können. Aber das ist nicht unsere Aufgabe. Das wird die Oberfrankenstiftung ihrerseits tun, wie sie es nach meinen Kenntnissen auch bereits öffentlich angekündigt hat.
Herr Staatsminister, hält die Staatsregierung – in Kenntnis dessen, dass der Bezirk Oberfranken bei den Sozialhilfeausgleichsleistungen nach Artikel 15 FAG im Jahr 2001 keine Ausgleichsleistung mehr erhält und dem Bezirk Oberbayern dagegen rund 80 Millionen DM mehr als im Jahr 2000 zufließen sollen – die vom Bayerischen Statistischen Landesamt angewandte Berechnungssystematik für gesetzeskonform und aus welcher Haushaltsstelle des Staatshaushaltes wird sie eine eventuelle Nachzahlung an den Bezirk Oberfranken vornehmen, wenn die vom Bezirk Oberfranken eingereichte Klage Erfolg haben sollte?
Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser (Finanzministe- rium) : Herr Kollege Köhler, der Freistaat gewährt den Bezirken nach Artikel 15 FAG einen Ausgleich zu ihren Belastungen als überörtliche Träger der Sozialhilfe und der Kriegsopferfürsorge sowie nach dem Unterbringungsgesetz und der Verordnung zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Im Entwurf des Doppelhaushalts sind für das Jahr 2001 unverändert 550 Millionen DM vorgesehen. Sie kennen das Verfahren: die Haushaltsverhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden. Selbstverständlich wird der Betrag von 550 Millionen DM von den Bezirken immer wieder infrage gestellt, verständlicherweise nicht von den übrigen Spitzenverbänden. Die Präsidenten und die Hauptgeschäftsführer haben am Schluss dieser Verhandlungen diese Größenordnung ausdrücklich gebilligt. Wir sind übereingekommen, dass wir die Frage der Lastentragung für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in nächster Zeit überprüfen werden. Dort
gibt es einen Graubereich, der wirklich geregelt werden muss. Das habe ich zugesagt. Der Freistaat deckt mit diesen 550 Millionen DM rund ein Sechstel der Nettoausgaben der Bezirke in den genannten Bereichen ab.
Das Verteilungsverfahren nach Artikel 15 FAG hat zum Ziel, alle Bezirke so zu stellen, dass die dem jeweiligen Bezirk verbleibenden Ausgaben zur jeweiligen finanziellen Leistungskraft im gleichen Verhältnis stehen. Überproportional mit Sozialhilfeaufwendungen belastete Bezirke werden dadurch auch entsprechend überproportional entlastet. Das ist im Hinblick auf Ihre Fragestellung ganz wichtig.
Schwankungen sind die zwingende Folge des Ausgleichscharakters des kommunalen Finanzausgleichs. Die Leistungen des Freistaates Bayern an einen Bezirk gehen zwangsläufig zurück, wenn sich die maßgebliche Leistungskraft dieses Bezirks verbessert oder dessen Ausgabenbelastung sinkt. Dies erfolgt allerdings zeitverzögert. So sind für den Ausgleichsbetrag nach Artikel 15 FAG für 2001 die Finanzdaten der zurückliegenden Jahre 1998 und 1999 maßgeblich. Dadurch ist ein gewisser Anreizeffekt gesichert. Wir diskutieren das ja auch auf der Ebene des Länderfinanzausgleichs und wollen das nach unseren Vorstellungen dort etwa analog gestalten.
Bei der Berechnung der Ausgleichsleistungen wird nicht allein auf die Leistungskraft, sondern vielmehr auf die Ausgabenbelastung im Verhältnis zur Leistungskraft abgestellt. Konkrete Aussagen zum Ausgleich 2001 sind allerdings, Herr Kollege Köhler, gegenwärtig nicht möglich, weil das Gutachten des Kommunalen Prüfungsverbandes, in dem dieser die Aufwendungen des Jahres 1999 endgültig feststellt, noch nicht vorliegt.
Die Bayerische Staatsregierung hält das derzeit angewandte Berechnungssystem nach wie vor für gesetzeskonform. Die Argumentation des Bezirks Oberfranken in seiner Klage überzeugt uns nicht.
Ich räume ein, dass das ein schwieriger Punkt ist, weil man natürlich immer von der Finanzkraft ausgeht. Ich bitte noch einmal zu sehen, dass Sie Finanzkraft und Ausgabensituation berücksichtigen müssen. Sie müssen auch, wenn Sie noch einmal nachrechnen, auch immer pro Kopf rechnen, also nicht Gesamtsumme.
Heißt das, dass seitens der Staatsregierung kein Anlass gesehen wird, an Artikel 15 FAG etwas zu ändern?
Ich darf Ihnen aber etwas anderes mitteilen: Die Bayerische Staatsregierung hat auf Ministerebene eine Arbeitsgruppe zur Überprüfung des kommunalen Finanzausgleichs gebildet. Sie steht unter dem Vorsitz des Finanzministers, Mitglieder sind außerdem der Leiter der Staatskanzlei, Raumordnungsminister Dr. Schnappauf und der „Kommunalminister“, also der Innenminister.
Wir haben schon wiederholt zusammengesessen und schauen uns jeden einzelnen Bestandteil des kommunalen Finanzausgleichs an, auch den Artikel 15. Ich weiß jetzt noch nicht, zu welchem Ergebnis wir kommen, aber das ist unabhängig von der konkreten Klage. Ich will jetzt nichts vorwegnehmen. Wir sind momentan noch in der Prüfphase.
Ich meine, dass man die Gesamtfragen des kommunalen Finanzausgleichs eigentlich viel weiter gehend prüfen müsste unter Einbeziehung bundesgesetzlicher Vorschriften: Was steht nach dem Steuerrecht den Kommunen zu? Ich zweifle jedoch daran, dass ein derart weit greifendes Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode noch realisiert werden kann, weil man eben verschiedene Ebenen einbinden muss. Unabhängig davon sind wir gerade bei der Prüfung aller Artikel und Regelungen.
Hält die Staatsregierung den Verteilungsschlüssel für den Ausgleich nach Artikel 15 FAG für die Bezirke immer noch für akzeptabel, nachdem bei den Berechnungen vom Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung für 2001 die zwei Bezirke mit der größten Steuerkraft, nämlich Oberbayern und Mittelfranken, bei zirka 49% der Einwohner zirka 68,5% der staatlichen Ausgleichszahlungen erhalten werden?
Lieber Kollege, teilen Sie Ihrer Generalsekretärin mit, dass man derartige Pauschalvergleiche nicht vornehmen kann.
Ich habe es gerade dargelegt. Wichtig ist erstens die Leistungskraft, zweitens die Ausgabensituation. Wenn Sie dann vergleichen, müssen Sie pro Kopf vergleichen, nur das ist sinnvoll. Das derzeit geltende Verteilungssystem entfaltet eine für alle Bezirke akzeptable Ausgleichswirkung. Meinen Sie, dass ich mich sonst noch nach Oberfranken trauen würde, wenn das nicht so wäre? Mit Sicherheit nicht.
Bei der Berechnung der Ausgleichsleistungen wird nicht allein auf die Leistungskraft, sondern vielmehr auf die Ausgabenbelastung im Verhältnis zur Leistungskraft abgestellt. Bezogen auf die individuelle finanzielle Leistungskraft der einzelnen Bezirke, beträgt die Ausgabenbelastung nach Durchführung des Sozialhilfeausgleichs im Jahr 2000 einheitlich – ich unterstreiche dreimal: ein