Heinz Köhler

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Herr Staatssekretär, kann die Staatsregierung Berichte bestätigen, dass die Bahn AG von der Bundesregierung 300 Millionen e für den Weiterbau der ICE-Strecke Nürnberg – Erfurt erhalten habe, und ist es richtig, dass begonnene und wirtschaftlich vertretbare Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen wie die ICEStrecke Nürnberg – Erfurt nach den Vorgaben der Bundesregierung quasi automatisch in den neuen Bundesverkehrswegeplan vorgetragen werden, so dass diesbezüglich keine Unsicherheit hinsichtlich des Weiterbaus besteht?
Herr Staatssekretär, halten Sie es denn bei der von Ihnen dargelegten Bedeutung dieser Strecke nicht für höchst nachlässig, dass sich die Staatsregierung nicht von der Richtigkeit der Pressemeldung über die Mittelfreigabe von 300 Millionen e überzeugt hat? Das wäre doch eigentlich selbstverständlich, da diese Information schon eine Woche alt ist und diese Aussage aus dem Munde eines Vorstandsmitglieds der DB AG kommt.
Herr Staatssekretär, Sie haben dargestellt, der Bundeskanzler habe erklärt,
dass alle Projekte, die nicht bereits begonnen seien, für die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan erneut bewertet werden müssten. Das gilt nicht für die Strecke Nürnberg – Erfurt, da sie bereits begonnen ist.
Herr Staatsminister, ist es richtig, dass die Kassenärztliche Vereinigung in Bayern beabsichtigt, einen eigenständigen Kassenärztlichen Bereitschaftsdienst aufzubauen und damit als Partner für die zukünftigen Integrierten Leitstellen entfällt? Welche negativen Auswirkungen hat diese Trennung für die ärztliche Versorgung und wie wirkt sich das auf die Kostenverteilung zwischen Kommunen und Kassen bei dem Betrieb der zukünftigen Integrierten Leitstelle aus?
Gibt es darüber bei der Kassenärztlichen Vereinigung bereits Überlegungen oder Entscheidungen?
Welche andere Möglichkeiten gäbe es, um diesen extremen Rückschritt für die Bevölkerung zu verhindern?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden dem Berichtsantrag zustimmen, damit ist nicht viel kaputt zu machen. Insofern sehen wir kein besonderes Problem.
Herr Kollege Zeller, allerdings war ich offengesagt etwas überrascht über das, was ich eben von Ihnen gehört habe. Denn der gestrige Bericht in der Zeitung über die Bewertung durch Ministerpräsident Dr. Stoiber und durch den CSU-Parteivorsitzenden sowie den Generalsekretär klang völlig anders als Ihr Vortrag; offensichtlich gibt es da eine Meinungsänderung. Frau Kollegin Gote, wie eine Fraktion Anträge stellt, sollte man ihr überlassen, ohne ihr Vorwürfe zu machen.
Der Antrag der GRÜNEN entspricht nicht unserer Bewertung. Deswegen werden wir uns bei diesem Antrag enthalten. Dieser Gipfel war von größter Tragweite und einer wichtigsten Gipfel der Europäischen Union seit ihrem Bestehen.
Grundlage, Ziel und Mandat dieses Gipfels waren es, die Erweiterungsfähigkeit der Europäische Union sicherzustellen. Herr Kollege Zeller, es nutzt nichts, wenn Sie von Kompetenzabgrenzung und ähnlichen Dingen reden; denn dies war nicht das Mandat. Es ging vielmehr um die left overs von Amsterdam, also um das, was man als Überbleibsel bezeichnet, aber notwendig ist, um die Europäische Union erweiterungsfähig zu machen und damit die Grundlage für eine der wichtigsten politischen Entscheidungen in diesem kommenden Jahrhundert, nämlich die Wiedervereinigung Europas, zu legen. Bei diesem Überbleibsel ging es nicht um technische Fragen, wie MdEP Ferber in der kürzlich ausgestrahlten Diskussion „Herbert Huber bittet zum Gespräch“ mit Kollegen Ihrer Fraktion aus dem Europäischen Parlament gesagt hat. In Nizza ging es um zentrale Machtfragen auf europäischer Ebene, um Fragen der Souveränität und der Autonomie der Staaten Europas, somit war dies einer der schwierigsten Konferenzen schlechthin. Diese Einschätzung macht zweierlei deutlich: Erstens wie falsch Ihr Ansatz zunächst war, diese Regierungskonferenz über die left overs hinaus mit anderen Fragen zu verknüpfen, die auch in sich zentral schwierig sind. Dies hätte die Regierungskonferenz völlig überhoben, und deswegen war es richtig, die Regierungskonferenz auf diese zentralen Punkte zu konzentrieren, weil anderes nicht möglich gewesen wäre, und damit letztlich die Chance der Osterweiterung Europas – sprich der Wiedervereinigung Europas – infrage gestellt worden wäre.
Die Regierungskonferenz in Nizza war unseres Erachtens ein Erfolg. Sie hat das gesetzte Ziel erfüllt. Es wurde in der Stimmengewichtung Erhebliches verändert und ein demografischer Faktor aufgenommen, das heißt, eine Anpassung an die Einwohnerzahlen der Mitgliedstaaten vorgenommen. Wichtig ist, dass Deutschland als größtes Einwohnerland zusammen mit zwei anderen Mitgliedstaaten Entwicklungen abbremsen kann, die nicht in seinem Interesse liegen. Zweitens wird die Kommission, soweit sie 27 Mitgliedstaaten zählt, erneut darüber diskutieren, die Zahl der Kommissare zu reduzieren. Frau Kollegin Gote, insoweit ist Ihr Antrag falsch, wonach bei einer Vergrößerung auf bis zu 27 Kommissare die Arbeitsfähigkeit der Kommission gefährdet sei.
Bei 27 Kommissaren wird, wie gesagt, die Anzahl der Mitglieder der Kommission reduziert.
Von derzeit 73 Mehrheitsentscheidungen werden 35 Mehrheitsentscheidungen gestrichen. In zentralen Bereichen sind sicher weiterhin Einstimmigkeitsentscheidungen notwendig. Aber Nizza ist ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung Mehrheitsentscheidung bei der Erweiterung.
Schließlich ist für uns ein ganz wesentlicher Punkt die Frage der Flexibilität, dass eine verstärkte Zusammenarbeit wesentlich erleichtert wird, um damit auch bei mehr Mitgliedern die Möglichkeit zu haben, Europa nach vorne zu bringen. Positiv auch der Post-Nizza-Prozess im Jahre 2004. Natürlich hätte man sich in Nizza mehr vorstellen können. Ich sage für mich persönlich, dass ich mir mehr hätte vorstellen können und vorgestellt hätte. Nachdem ich die Vorredner, vor allen Dingen Kollegin Gote gehört habe, muss ich aber sagen: Bei der Regierungskonferenz in Nizza ging es um eine Regierungskonferenz und nicht um ein Oberseminar in politischer Wissenschaft.
Die Vorstellung, was unter 15 souveränen Nationalstaaten möglich und mit tiefen Eingriffen in die Souveränität verbunden ist, ist etwas anderes als ein lockeres Daherreden.
Ich sage Ihnen ganz offen: Wenn wir in politischen Parteien und Organisationen so locker daherreden, sollten wir uns einmal zu Gemüte führen, dass wir in unseren Parteien gelegentlich vorhaben, Reformen durchzuführen, Veränderungen vorzunehmen. Wenn ich sehe, was am Schluss herauskommt und was auf Parteitagen diskutiert wird – wenn ich auf den CSU-Parteitag vor einiger Zeit blicke, als es um die Beitragserhöhung ging, wenn ich ähnliche Dinge bei uns in der Fraktion sehe und, Frau Gote, wenn ich sehe, wie schwer Sie sich in der letzten Woche getan haben, einen Fraktionsvorstand zu wählen,
Sie aber locker über eine Regierungskonferenz reden, wo es um viel mehr ging –, dann sollten wir uns manchmal mit großen Worten über andere bei einer solchen Regierungskonferenz zurückhalten.
Da überheben wir uns etwas. Wie gesagt: Hier geht es nicht um ein Oberseminar, sondern um praktische reale Politik in diesem Lande.
Meine Damen und Herren, ich will beim Bild bleiben: Das war ein halbes volles Glas, nicht ein halbes leeres Glas. Insoweit ist dieser Gipfel, wie gesagt, ein Erfolg, weil er die Wiedervereinigung Europas letztlich ermöglicht.
Meine Damen und Herren, für Deutschland war dieser Gipfel in besonderer Weise erfolgreich; denn Deutschland hat sich wie selten zuvor auf einem anderen Gipfel, seit Europa in der Form der Europäischen Union besteht, bei den anderen Mitgliedstaaten einen hohen Vertrauensvorschuss erworben. Deutschland ist aufgetreten als der Vertrauensanwalt der kleinen Mitgliedstaaten. Dies war und ist für uns in Deutschland in vielerlei Hinsicht von großer Bedeutung.
Meine Damen und Herren, in dieser Regierungskonferenz hat der Bundeskanzler so verhandelt, dass es trotz substanzieller Unterschiede in den Positionen zu Frankreich nicht zu einem Bruch mit Frankreich kam. Auch dies war sehr wichtig und sehr klug im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung. Schließlich hat Deutschland als ehrlicher Makler mitgeholfen, dass dieser Gipfel zu einem Erfolg werden und überhaupt abgeschlossen werden konnte. Sonst wäre er mit nachhaltigen negativen Auswirkungen für Europa gescheitert. Dies muss man deutlich und ernst sagen. Dass dieser Abschluss möglich war – das muss ich ganz offen sagen –, war vor allem ein Verdienst des Bundeskanzlers, Gerhard Schröder.
Das hören Sie nicht gerne. Im Übrigen: Der Ministerpräsident und Herr Goppel haben ihn eigentlich recht ordentlich gelobt.
Sie müssen einmal die europäischen Zeitungen lesen. Die europäischen Zeitungen waren voll des Lobes über den deutschen Bundeskanzler. Die italienische Zeitung „La Repubblica“, eine der bekanntesten Zeitungen, schreibt: Der Sieger von Nizza hat einen Namen; er heißt Schröder. Dies kommt auch nicht von ungefähr.
Ich weiß, dass Sie das nicht so gerne hören, aber in der Tat ist es so, dass es vor allem der deutsche Bundeskanzler war, der erfolgreich gestritten hat.
Frau Kollegin Gote, zu Ihrer kritischen Bewertung des Gipfels darf ich Ihnen Folgendes sagen. Wenn ich die Bilder im Fernsehen richtig gesehen habe, dann war bei den Verhandlungen auch Außenminister Fischer dabei, der Ihrer Partei angehört. Ich würde meinen Bundeskanzler oder den Außenminister nicht so bewerten, wie Sie es eben getan haben.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch für die Länder war es sehr wichtig, darauf ist hingewiesen worden, dass mit der Entscheidung über den Post-Nizza-Prozess auch Fragen der Kompetenz
abgrenzung, Fragen nach mehr Klarheit in den europäischen Verträgen geregelt werden, die sehr wichtig sind. Insoweit kann man sagen, dass dieser Gipfel erstens ein Erfolg war und zweitens auch sein Ziel erreicht hat, nämlich die Grundlagen für die Erweiterung Europas zu legen. Dass damit die Entwicklung der Europäischen Union nicht abgeschlossen ist, dass im Hinblick auf die Erweiterung noch vieles notwendig ist, ist klar. Dafür wird es aber, wie gesagt, eine andere Konferenz geben. Hier gilt der abgewandelte Satz: Auch Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden.
Meine Damen und Herren, ich denke, dass damit Europa einen guten Schritt nach vorne kam. Jetzt müssen wir die Ergebnisse umsetzen. Lassen Sie mich eines sagen – ich tue dies ohne Zynismus oder vor irgendeinem Hintergrund –: Ich fand es sehr positiv, dass der Ministerpräsident und der Generalsekretär der CSU die Ergebnisse des Gipfels und auch das Verhandeln des Bundeskanzlers positiv bewertet haben. Ich sage dies, weil es sehr wichtig ist, dass wir in europäischen Fragen den Grundkonsens der demokratischen Parteien in Deutschland aufrechterhalten.
Das ist eine zentrale Frage gerade für uns in Deutschland in sicherheitspolitischer Hinsicht, aber auch aus Gründen des Wohlstandes und aus Gründen der sozialen Sicherheit. In diesem Sinne bewerten wir diesen Gipfel positiv. Wir werden dem Berichtsantrag zustimmen und uns bei dem Antrag der GRÜNEN aus den genannten Gründen enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Landtagsfraktion hat diese Aktuelle Stunde mit dem Thema „Bayerns Zukunft“ beantragt. Die Beratung über dieses Thema ist nicht nur sinnvoll, sondern auch überfällig, weil auf europäischer Ebene eine Vielzahl politischer Entscheidungen anstehen, die unmittelbare Auswirkungen haben und im unmittelbaren Kontext mit der bayerischen Landespolitik stehen.
Ich möchte zunächst das Thema „Osterweiterung“ ansprechen. Dies ist für Bayern kein säkulares Ereignis. Kein Thema überregionaler Art wird solche Auswirkungen auf die Zukunft und auf die Struktur des Standorts Bayern haben wie die Osterweiterung. Bei der laufenden Regierungskonferenz in Nizza geht es um zentrale Fragen, die letztlich auch das Machtgefüge bei Entscheidungen zwischen den verschiedenen Ebenen betreffen. Wir haben vor wenigen Tagen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verabschiedet. Dies war der erste Einstieg in eine europäische Verfassungsdebatte. Deshalb müssen wir die Fragen der Finalität Europas und die Frage der jeweiligen Zuständigkeiten stärker beleuchten.
Seit wenigen Tagen liegt uns eine neue Mitteilung der Kommission über das für Länder, Städte, Gemeinden und Wohlfahrtsverbände zentrale Thema der Daseinsvorsorge vor. Hier stehen wir an einer Wegscheide von Entwicklungen und Traditionen, die wir als deutsches und europäisches Modell bezeichnet haben.
Bei dieser Aktuellen Stunde haben wir Gelegenheit, eine Positionsbestimmung vorzunehmen. Lassen Sie mich eines vorweg sagen: Es ist durchaus positiv und erfreulich, dass es nach wie vor auf nationaler Ebene einen weitgehenden Grundkonsens über die Ziele europäischer Politik gibt. Ich möchte das herausstellen, weil um
die Jahreswende der Eindruck entstanden ist, als wollten CDU und CSU – vor allem die CSU – aus diesem Grundkonsens aussteigen. Dieser Grundkonsens hat mitgeholfen, das erfolgreichste Modell auf diesem Kontinent Wirklichkeit werden zu lassen. Die europäische Integration ist das Essential aller Parteiprogramme und aller Politiker. Sie ist die wichtigste Säule supranationaler Politik in Deutschland und vor allem bei uns in Bayern.
Aus bayerischer Sicht gibt es gar keine Frage: Wir brauchen die Osterweiterung. Sie bietet Chancen und birgt Risiken. Leider wird hauptsächlich über die Risiken gesprochen. Sie bietet nicht nur die Chance auf neue Märkte. Wir können auch über europäische Standards verhindern, dass an einer Nahtstelle mit unterschiedlichen politischen Systemen Sozial– und Umweltdumping entsteht.
Wir Bayern können das verhindern. Das möchte ich herausstellen.
Ohne Zweifel müssen wir die Finalität Europas stärker in den Mittelpunkt rücken und auch fragen, wer wofür zuständig ist. Wir müssen letztlich die Kompetenzen und Aufgaben sehen, wobei man aufpassen muss, nicht zu formalistisch vorzugehen. Eines ist aber sicher: Ein Weiterwursteln à la Maastricht oder Amsterdam, das heißt ein Vertrag ohne Finalität, ist in Zukunft nicht mehr möglich. Wir müssen uns vor allem um die Daseinsvorsorge kümmern, weil das Teil des deutschen und vor allem europäischen Gesellschaftsmodells ist.
Die europäische Integration hat sich als das erfolgreichste Projekt der Nachkriegsgeschichte des europäischen Kontinents herausgestellt. Sie hat den Frieden gesichert und vor allem mitgeholfen, dass ein supranationales Gebilde auf dem Boden des Rechts entstehen kann. Die europäische Geschichte war eine Geschichte des Strebens nach Hegemonie. Zum ersten Mal in der Geschichte dieses Kontinents kommt es zu Zusammenschlüssen auf der Ebene eines gemeinschaftlichen Rechts und gemeinschaftlicher Werte, und wir haben Wohlstand und soziale Sicherheit weitgehend der europäischen Integration zu verdanken.
In den Zielen insgesamt gibt es keine wesentlichen Unterschiede, wie die letzte Rede des Ministerpräsidenten in Berlin gezeigt hat. Der Ministerpräsident hat dabei in Berlin ferner gesagt: „Europa fällt uns nicht in den Schoß“. Das ist wohl wahr; das kann ich aus unserer Sicht nur unterstreichen. Ich habe aber Zweifel, ob mit den Presseerklärungen und Reden von Mitgliedern der Staatsregierung und des Ministerpräsidenten bei unterschiedlichen Anlässen die notwendige Akzeptanz der europäischen Integration erreicht werden kann; da gibt es noch erhebliche Mängel in der Bevölkerung. Wer das Projekt der europäischen Integration will, muss in der Bevölkerung dafür die nötige Akzeptanz erreichen. Dazu haben auch wir als politische Parteien und die Regierung einen Beitrag zu leisten.
Das bedeutet zwar nicht, dass am Weg dazu keine Kritik geäußert werden kann. Die 15 Länder gehen aus unter
schiedlichen Traditionen an diese Fragen heran, und nicht jede Tradition kann sich durchsetzen. Ich muss aber die maßlose Kritik an dem Projekt der europäischen Integration, die aus Ihren Reihen immer kommt, wenn es gerade günstig ist, als problematisch und kritisch betrachten. Ich erinnere mich noch daran, wie der Ministerpräsident bei einer Veranstaltung zum Thema Euro gesagt hat: Wie können wir denen in Brüssel unser Geld übergeben, wenn sie nicht in der Lage sind, in Jugoslawien für Frieden zu sorgen? Wer so redet, zerredet das Projekt Europa.
Herr Kollege Zeller, in Ihren Presseerklärungen der letzten Zeit zur Grundrechtscharta war die Rede vom „Megastaat“. Bisher hat man immer vom „Superstaat“ Europa gesprochen, und jetzt kommen wir schon zum Megastaat. Sie arbeiten mit Begriffen, die Europa negativ belegen sollen. Damit machen Sie das Projekt Europa kaputt.
Wir brauchen ein Ja zu Europa und gehen davon aus, dass das auch von Ihnen kommt, obwohl ich daran immer wieder Zweifel habe. Ich denke da an das berühmte Interview des Ministerpräsidenten nach seiner Regierungsübernahme in der „Süddeutschen Zeitung“, in der er den Austritt aus der europäischen Gemeinschaft zur Debatte gestellt hat. Ich denke auch daran, wie Kollege Matschl, der jetzt nicht mehr hier ist, immer vom Zweckverband Europa gesprochen hat. Ich denke auch an Ihre Formulierung vom Europa der Nationen und Regionen. Das würde weiter nichts bedeuten als einen Staatenbund, von dem de Gaulle vor 30 oder 40 Jahren schon als Europa der Vaterländer gesprochen hat. Das ist aber keine supranationale Organisation, die den europäischen Herausforderungen gerecht werden kann und wie wir sie benötigen. Uns ist ein solcher Staatenbund zu wenig; wir wollen ein neues supranationales Gebilde, das es in dieser Form auf dieser Erde noch nie gegeben hat.
Ich warne davor, den Begriff Nation zu stark zu strapazieren. Die Situation innerhalb der europäischen Gemeinschaft ist völlig anders. Die Forderung nach Nationen auf europäischer Ebene ist auch ein Signal an die Gruppierungen, die zum Zerfall von Einzelstaaten beitragen. Catalunya bezeichnet sich nicht als Staat, aber durchaus als Nation. Verbale Europapolitik reicht nicht aus. Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur europäischen Integration.
Wir sehen eine Entwicklung sehr kritisch, die im Augenblick auf europäischer Ebene vor sich geht, dass nämlich Deutschland nicht mehr mit einer Zunge spricht. Da spielt vor allem Bayern eine entscheidende Rolle, nachdem der Ministerpräsident Europa als Spielwiese entdeckt hat. Wenn die Bundesregierung und 16 Länderregierungen jeweils ihr eigenes Spiel treiben, wird man Deutschland auf europäischer Ebene nicht mehr wahrnehmen. Das schwächt die Vertretung der Interessen
Deutschlands in der Europäischen Union. Wir brauchen da etwas mehr Sensibilität.
Ihre Europapolitik leidet unter Ihrer Widersprüchlichkeit, die letztlich auch zu mangelnder Glaubwürdigkeit auf europäischer Ebene führt. Wenn wir im Ausschuss eine Diskussion über ein europäisches Förderprogramm führen, sind Sie strikt dagegen mit der Begründung, dass wir 70% zahlen. Wenn uns aber ein Programm zugute kommt, sind die Vertreter der Staatsregierung die Ersten, die europäische Förderprogramme fordern.
Selbstverständlich, Frau Schweder. Sie scheinen keine Zeitung zu lesen, denn sonst wüssten Sie, was die Vertreter Ihrer Regierung in der Region sagen.
Es klingt wunderschön, wenn Minister Schnappauf in Oberfranken 4 Milliarden Mark für ein Grenzprogramm fordert. Das konterkariert aber die Politik, die Sie ansonsten betreiben.
Bei jeder Gelegenheit weisen Sie eine Einmischung Brüssels in bayerische Angelegenheiten zurück. Gut, prima; aber wenn es der CSU in den Kram passt, schickt sie einen Brief in Sachen Atomausstieg nach Brüssel, in dem sie fordert, die Bundesregierung zu bremsen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so kann man nicht Politik machen. Man kann nicht einerseits prinzipiell dagegen sein und andererseits dann, wenn es uns nützt, dafür sein. Diese Politik ist nicht nur widersprüchlich, sondern darunter leidet auch die Glaubwürdigkeit der Europapolitik insgesamt.
Ich würde gerne noch einige Sätze zur Osterweiterung sagen. Ein zentrales Problem ist für uns die Freizügigkeit. Ich habe mich mit einer schriftlichen Anfrage danach erkundigt, wie sich die Freizügigkeit auf Bayern auswirkt. Das Ergebnis war, dass es bei der Staatsregierung keine Überlegungen und Untersuchungen dazu gibt, wie sich die Freizügigkeit und Pendlerbewegungen nach einer Einheit mit Tschechien auswirken.
Ich rede in letzter Zeit öfter beim Roten Kreuz als im Landtag.
Ich fordere – –
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Staatsminister, das ist eine Frage, die für die bayerische Europapolitik ganz wesentlich ist: Wie wirken sich solche Bewegungen aus?
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem, was am Schluss ausgeführt worden ist, möchte ich folgendes ergänzend sagen: Herr Kollege Bocklet, Sie haben am Schluss genau das getan, was üblich ist und was bei verschiedenen Reden durchklang: Es darf nicht alles zentral in Brüssel gemacht werden. Als ob das der Fall wäre! Kein Mensch auf der Welt will das. Sie bauen einen Popanz auf, sagen, dagegen müsse man angehen und die Kompetenzen müssten verteidigt werden,
um dann zu sagen, es sei gar nichts.
Auf diese Art wird hier Europapolitik gemacht.
Ein Zweites: Herr Kollege Bocklet, Sie haben auf die Osterweiterung und die damit verbundenen nötigen Grenzförderprogramme hingewiesen. Bitte nehmen Sie und auch Kollege Müller zur Kenntnis, dass der Antrag im Bayerischen Landtag für ein Programm zur Förderung der Grenzregionen von der SPD-Fraktion gestellt und mit Zustimmung der CSU angenommen worden ist.
Wogegen ich mich gewandt habe – das ist die Widersprüchlichkeit Ihrer Politik –, dass Sie stets gegen Programme sind. Deswegen ist es wenig glaubwürdig, wenn Sie für ein Programm sind, das Ihnen nützt. Diese widersprüchliche Europapolitik ist Ihre Schwäche.
Dritter Punkt. Herr Kollege Bocklet, Sie haben gesagt, ich hätte ironisch das Europa der Nationen und der Regionen gezeichnet. Das war nicht ironisch. Ich sage: Hinter dieser Formulierung kommt ein klares Bild zum Ausdruck. Das Bild, das Sie von Europa zeichnen, ist das Bild eines Staatenbundes des 19. Jahrhunderts – was wir nicht wollen. Darüber sind wir weit hinaus. Deswegen wende ich mich dagegen. Ich halte die Formulierung „Europa der Nationen“ für gefährlich,
Nein.
weil Nationen keine Staaten sind. Ich erinnere an Ex-Jugoslawien. Eine solche Lunte kann anderswo ebenso
losgehen. Nationen sind andere. Ich habe vorhin darauf hingewiesen: Katalonien versteht sich nicht als Region, sondern als Nation. Sie kennen die Diskussion in Spanien. Das gilt für andere Regionen in Europa ebenso. Ich finde das ganz gefährlich.
Vierter Punkt. Sie haben die Diskussion über die Mehrheitsabstimmung angesprochen und die Bundesregierung kritisiert. Dass es innerhalb der Regierung zwischen dem Außenministerium und den Fachministerien unterschiedliche Auffassungen gibt, war zu allen Zeiten so. Der Außenminister sieht immer etwas anderes als die Fachminister. Beim Thema Mehrheitsabstimmung ist das nicht so. Es ist kritisiert worden, dass sich Europa nicht ausreichend fit mache für die Erweiterung. Wenn in einzelnen Fällen die Mehrheitsentscheidung abgelehnt wird, kommen wir mit der Osterweiterung nicht weiter, weil hier das Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr funktionieren kann.
Sie wissen, wo die Gefahr für die Handwerksordnung herkommt. Sie kommt vom Gericht. Es gibt entsprechende Urteile. Anhand des Vorlagefalls aus der Oberpfalz wird vom Europäischen Gerichtshof sehr deutlich darauf hingewiesen, dass das Thema Handwerksordnung anders gesehen werden müsse. Hier liegen die Probleme und die Gefahren und nicht auf anderer Ebene.
Lassen Sie mich eine letzte Bemerkung zur Grundrechtecharta machen. Herr Bocklet, Sie haben auf den Passus „Bildung“ in der Grundrechtecharta hingewiesen. Ich denke, Bildung ist ein Kernbestand in der Wertegemeinschaft Europa. Deswegen gehört sie in die Charta der Grundrechte auf europäischer Ebene.
Dem Konvent saß der frühere Bundespräsident Roman Herzog vor, der auch mal Länderminister war und der in seiner Zeit als Bundespräsident die berühmte Rede im Hotel Adlon gehalten hat über die Bedeutung der Bildung. Er hat genau gewusst, warum er diesen Passus mitträgt. Im übrigen ist die Charta nicht nur von Vertretern der CSU im Konvent mitgetragen worden, sondern auch von einem Vertreter der Länderregierungen. Ich habe mit Interesse gelesen, was Kollege Gnauck aus Thüringen, der die Länder vertreten hat, zu Ihren kritischen Äußerungen zur Charta gesagt hat. Die Länder haben sich im Konvent anders verhalten, als Sie es darstellen. Es gibt einen Widerspruch zwischen Ihren Aussagen und denen, die der Ländervertreter im Konvent gemacht hat.
Wir sollten Europa positiv, konstruktiv und kritisch sehen. Wir sollten Europa aber nicht für Parteipolitik missbrauchen.
Herr Staatsminister, hält die Staatsregierung – in Kenntnis dessen, dass der Bezirk Oberfranken bei den Sozialhilfeausgleichsleistungen nach Artikel 15 FAG im Jahr 2001 keine Ausgleichsleistung mehr erhält und dem Bezirk Oberbayern dagegen rund 80 Millionen DM mehr als im Jahr 2000 zufließen sollen – die vom Bayerischen Statistischen Landesamt angewandte Berechnungssystematik für gesetzeskonform und aus welcher Haushaltsstelle des Staatshaushaltes wird sie eine eventuelle Nachzahlung an den Bezirk Oberfranken vornehmen, wenn die vom Bezirk Oberfranken eingereichte Klage Erfolg haben sollte?
Heißt das, dass seitens der Staatsregierung kein Anlass gesehen wird, an Artikel 15 FAG etwas zu ändern?
Herr Staatsminister, Sie stellen vornehmlich auf die Ausgabenbelastung ab. Ist es aber dann nicht so, dass die Bezirke, die sparsam wirtschaften, damit im Rahmen des Ausgleichssystems schlechter fahren? Das heißt, ein Anreiz, zu Einsparungen zu kommen, findet eigentlich nicht statt.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!. Ich bin gestern von meiner Fraktion gebeten worden, im Rahmen der Aktuellen Stunde zu dem Thema „Tendenzen der weiteren Ausweitungen der Kompetenzen der EU – Schlussfolgerungen für Bayern“ zu reden. Als ich Ihre Ausführungen gehört habe, Herr Glück, habe ich mich gefragt, auf welcher Veranstaltung ich mich eigentlich befinde. Es ging nämlich weniger um die Kompetenzen, als um das Thema Haider.
Wir kommen leider um dieses Kompetenzthema nicht herum. Es lag eine gewisse Logik darin, dieses jetzt zu behandeln. In dieser Woche startet die Regierungskonferenz.
Letzte Woche hat sich der Konvent „Grundrechtscharta Europa“ konstituiert. Insofern wäre es wirklich wert, eine Debatte zu führen. Was aber tun wir? – Wir reden über ein Thema, das gestern fast mit den gleichen Worten im Deutschen Bundestag behandelt worden ist. Ich bin mir dafür zu schade, im Landtag „Second-hand-Diskussionen“ zu führen. Wir sollten uns auf die Dinge konzentrieren, die uns angehen.
Der Ministerpräsident sagte, wir hätten ein besonderes Verhältnis zu Österreich. Ich habe in seiner Rede nichts vom besonderen Verhältnis Bayerns zu Österreich gehört. Vielmehr ging es ausschließlich um die Dinge, die ich gestern im Fernsehen gehört und heute Früh in der Zeitung gelesen habe.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Sache selbst möchte ich zwei, drei Bemerkungen machen. Ich stelle fest: Ich kann nicht erkennen, dass die Europäische Union ihre Kompetenzen überschritten hätte. Zum einen hat die EU-Kommission gesagt, sie werde darauf achten, dass insbesondere Artikel 6 des EU-Vertrags eingehalten wird. Die EUKommission ist verpflichtet, die Verträge zu überwachen. Das ist ihre ureigene Aufgabe. Mehr haben Herr Prodi und die EU-Kommission insgesamt nicht gesagt. Die Regierungschefs haben gesagt, sie werden ihre bilateralen Beziehungen zu Österreich prüfen. Das ist keine gemeinschaftliche europäische Linie, sondern das sind bilaterale Regelungen zwischen den Staaten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa ist seit den Verträgen von Amsterdam eine Wertegemeinschaft. Seit Amsterdam hat sich etwas verändert. Der Amsterdamer Vertrag wurde vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat mit den Stimmen der Länder ratifiziert. Wenn es darum geht, dass man sich daran halten soll, will keiner mehr etwas davon wissen. Herr Ministerpräsident, Sie haben auf Gaddafi verwiesen. Ich denke, wir müssen einen großen Unterschied machen, wie wir uns nach außen verhalten und wie wir uns in der Wertegemeinschaft Europa verhalten.
Hier haben wir andere Anforderungen zu stellen als an internationale Beziehungen, denn wir leben auf dieser Erde nicht isoliert.
Aus Zeitgründen kann ich das nur kurz andeuten. Man kann über die Strategie streiten, ob man mit diesen Maßnahmen und Diskussionen jemand in der Öffentlichkeit aufwertet. Das ist in jeder Beziehung ein Problem. Ich gebe das ohne weiteres zu. So ist auch die Aussage des Europaabgeordneten Dr. Schmid zu verstehen. Ich persönlich meine, in der Wertegemeinschaft können wir zu einer solchen Situation nicht schweigen. Deswegen halte ich die Regelungen und Ausführungen sowohl der Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten als auch der EU-Kommission für richtig.
Ich wundere mich, dass Sie von Nichteinmischung sprechen. Als die Österreicher das für uns sicherlich zu kritisierende „Pickerl“ eingeführt haben, hat Herr Dr. Wiesheu von „Wegelagerern“ usw. gesprochen. War das keine Einmischung in die österreichische Angelegenheit? Herr Dr. Stoiber hat mit frühzeitigen Äußerungen zur Regierungsbildung in Österreich Herrn Haider und seine Partei hoffähig gemacht. Auch das war eine Einmischung, und zwar von jemandem, der nicht einmal einen verfassungsmäßigen Auftrag hat.
Lassen Sie mich noch etwas zur Einmischung sagen. Herr Ministerpräsident, Sie haben sich stets wahnsinnig darüber erregt, dass Sie mit Holter von der PDS zusammen sitzen müssten. Ich sage Ihnen: Sie haben mit den „Blockflöten“ der ehemaligen Ost-CDU zusammengesessen, die nichts anderes als die „Gefolgsleute“ von der SED waren.
Anfang der Neunzigerjahre gingen Landräte und sonstige Funktionäre Ihrer Partei Arm in Arm mit SED-Landräten. Sie müssen also nicht mit dem Finger auf andere zeigen.
Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Kompetenzverlagerung sagen: Weitet die EU ihre Kompetenzen aus? – Ich kann nicht erkennen, dass die EU ihre Kompetenzen ausweitet. Die Regierungskonferenz ist eher
zu zaghaft, als dass sie etwas verändert. Außerdem kommen die Ausweitungen daher, dass die Regierungschefs etwas Besonderes wollen. Ein Redner unserer Fraktion hat vorhin bereits darauf hingewiesen. Sie wollen die Ausweitung der Kompetenzen bei der Asyl-, der Flüchtlings-, der Sicherheits-, der Außen- und Verteidigungspolitik. Nichts greift in die Verfassungswirklichkeit eines Staates mehr ein. Was Sie fordern, macht in letzter Konsequenz den Bundesstaat aus. Das sind neben der Binnenmarktwährung die zentralen Souveränitätsrechte eines Staates.
Wir brauchen mehr Klarheit, mehr Transparenz, und wir brauchen einen Verfassungsvertrag, der klar und deutlich regelt, wer wofür zuständig ist.