Protocol of the Session on October 17, 2000

Allerdings ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht grundsätzlich gegen den Verkauf der Viag-Aktien. Die Staatsregierung scheint die Angelegenheit aber „von hinten aufzuzäumen“. Zuerst muss die Fusion – zu annehmbaren Bedingungen – kommen; dann können die Viag-Aktien des Freistaats Bayern veräußert werden. Andernfalls würde der Staat seine Sperrminorität zu früh aufgeben, und was die unbekannte Grundsatzvereinbarung

die haben wir gar nicht sehen dürfen –

angeht: „Die hilft nicht einen Millimeter weiter, und man schaut mit dem Ofenrohr ins Gebirge“.

Genau das ist jetzt der Fall, Herr Maget, Frau Biedefeld und wer sich damals diesbezüglich noch geäußert hat.

Wenige Seiten später ergibt sich aus dem Protokoll, wie abgestimmt worden ist:

Abstimmung über den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Punkt 2 wie folgt zu formulieren: stimmt dem Aktienkaufvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und der Veba AG vom 27.09.1999, mit dem Bayern 10% der Viag-Aktien (69198 192 Stück) an die Veba AG veräußert, nach erfolgter Fusion zu. Ablehnung (mit den Stimmen von CSU und SPD gegen die Stimme von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die weitere Abstimmung lautete:

2. stimmt dem Aktienkaufvertrag zwischen dem Freistaat Bayern und der Veba AG vom 27.09.1999 zu, mit dem Bayern 10% der Viag-Aktien (69198 192 Stück) an die Veba AG veräußert.

Zustimmung

(mit den Stimmen von CSU und SPD gegen die Stimme von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leider war es so. Wenn Sie jetzt den Vorwurf erheben, die Staatsregierung habe die Standortsicherung in den Fusionsverhandlungen verschlafen, muss ich dazu sagen, Sie haben nicht nur die CSU nicht aufgeweckt, sondern Sie haben sich mit zu ihr ins Bett gelegt und sauber mitgeschnarcht. Nicht anders war es.

(Meyer (CSU): Die haben alles mitgetragen!)

Jetzt gibt es Ankündigungen, es gebe keine betriebsbedingten Kündigungen und über den Zeitplan der Stilllegungen würde man noch reden müssen. Bei Arzberg waren, wie gesagt, die anderen etwas geschickter, als es die Bayerischer Staatsregierung gewesen ist. Fakt ist aber, dass die genannten Kraftwerke oder zumindest ein erheblicher Teil der Kraftwerke in den nächsten Jahren stillgelegt werden. Damit gehen Arbeitsplätze und auch heimische Stromerzeugung verloren.

Neben den genannten Hintergründen der Kraftwerksstilllegungen und des damit verbundenen Arbeitsplatzabbaues gibt es noch einige Einzelgründe, die ich auch noch einmal ganz konkret benennen möchte. Diese Fakten sind nämlich von Staatsregierung und CSU mit zu verantworten und wurden von Ihnen auch massiv mit angeschoben.

Als Erstes nenne ich die „Ertüchtigung“ bestehender Kraftwerke um etwa 250 Megawatt. Diese Maßnahme wird im Anhang zum Umweltpakt Bayern auch noch lobend als eine der Maßnahmen des Umweltpaktes genannt. Sehr toll ist das für die Arbeitsplätze, aber es zeigt auch, was wir vom Umweltpakt Bayern zu halten haben. Das Nächste ist die Leistungssteigerung in Gundremmingen. Auch das kostet Arbeitsplätze, und das sollte man einmal ganz klar der ÖTV sagen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN)

Ein weiteres Beispiel ist die Beteiligung der Bayernwerk AG am hoch subventionierten sächsischen Kohlekraft

werk Lippendorf. Dieses Kraftwerk hat eine Leistung von gut 900 Megawatt. Die Hälfte davon geht an die Bayernwerk AG. Diese Fakten sind ganz entscheidend für die Diskussion, die wir heute über die bayerischen Kraftwerke führen. Es tut mir leid, gegen diese Punkte haben Sie nie etwas gesagt, auch zu der Zeit, als sie noch tatsächlich Einfluss auf die Bayernwerk AG hatten.

(Kaul (CSU): Wer hat denn in Franken III protestiert, Frau Paulig? – Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Dann hätten wir noch mehr Überkapazitäten gehabt!)

Die Stilllegung von Kraftwerken ist arbeitsmarkt- und strukturpolitisch fatal, besonders im Falle von Schwandorf und Arzberg. Wir haben im Wirtschaftsausschuss längst über die Situation in Oberfranken-Ost diskutiert. Oberfranken-Ost liegt nach dem Gutachten der Prognos AG von allen 97 deutschen Raumordnungsregionen an 92. Stelle, was das Kriterium „Technologiestandort“ anbelangt. Oberfranken-Ost befindet sich also in bester Gesellschaft mit der Altmark, der Uckermark und Prignitz-Oberhavel. Da ist Handlungsbedarf angesagt, hier sollte die Staatsregierung endlich einmal tätig werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir fordern Sie, meine Damen und Herren von der CSU und vor allem auch von der Staatsregierung, auf, eine andere Energie- und Technologiepolitik zu betreiben, vor allem eine Politik, die die Umwelt erhält und Arbeitsplätze sichert.

Damit komme ich zu unserem Dringlichkeitsantrag. Wir fordern die Staatsregierung auf, sich für einen sozialund umweltverträglichen Umbau der Energieversorgungsstruktur einzusetzen. Zielsetzung ist es, Arbeitsplätze in strukturschwachen Gebieten zu sichern und konventionelle Kraftwerke mit hohem Umweltstandard zu erhalten, so dies noch möglich ist. Gleichzeitig fordern wir die Staatsregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um Arbeitsplätze im Bereich Energieeinsparung, effiziente Energienutzung und im Bereich der erneuerbaren Energien auch in Bayern auszubauen. Durch die gegebenen bundespolitischen Förderbedingungen und Investitionsprogramme besteht für Mittelstand und Landwirtschaft ein hohes Potenzial für neue Arbeitsplätze, zum Beispiel bei der ökologischen Modernisierung des Gebäudebestandes, bei Altbausanierungen und generell beim Ausbau der Nutzung von Sonne, Wind und Biomasse.

Sie sollten sich dafür einsetzen, dass diese Programme unterstützt werden und nicht nur kleinkrämerisch nach Berlin zeigen und dauernd vorwerfen, dass das, was in Berlin gemacht wird, schlecht ist. Selbst wenn das, was in Berlin gemacht wird, für Bayern Arbeitsplätze bringt, ist es für Sie immer noch schlecht. Es gilt vielmehr vorausschauend voranzugehen und endlich einmal eine gute Politik zu machen. Das aber haben Sie in der Energiepolitik jahrelang versäumt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Huber. Bitte schön, Herr Staatsminister.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt wollten wir den Vorsitzenden des Umweltausschusses hören! – Gegenruf des Abgeordneten Kaul (CSU): Die Geschäftsordnung gibt ihm recht!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Kaul, der Vorsitzende des Umweltausschusses, und Kollege Wiesheu werden zu den energiewirtschaftlichen, umweltpolitischen und wirtschaftspolitischen Ausführungen etwas sagen. Ich möchte zu ein paar Fakten Bemerkungen machen, die mit der Fusion von Viag und Veba zusammenhängen, um den verbreiteten Unwahrheiten entgegenzutreten.

Erstens. Frau Kollegin Biedefeld, Sie haben gesagt, e.on würde einen Kahlschlag im Kraftwerksbereich in Bayern herbeiführen und die Staatsregierung hätte das abgesegnet. Das widerspricht diametral dem Ergebnis der Gespräche. Wir haben eindeutig gesagt, wir akzeptieren das nicht.

(Beifall bei der CSU)

Ich verstehe nun, dass Sie als frisch gewählte Generalsekretärin der SPD eine gewisse Übermotivation haben.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Das hat sie vorher auch schon gesagt; dazu braucht sie nicht Generalsekretärin zu sein!)

Mit dem Prinzip „forsch und frech“ werden Sie aber nicht weiterkommen. Auch wenn Sie einen aufgestauten „Anti-CSU-Komplex“ haben, darf ich Sie doch bitten, bei den Fakten zu bleiben.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Sie haben den Komplex kleiner Männer gegenüber großen Frauen! – Frau Radermacher (SPD): Denken Sie über Ihren Komplex gegenüber Frauen nach!)

Zweite Behauptung.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie es so gern hören, sage ich es noch einmal: Die Staatsregierung hat gesagt: Die Planung von e.on wird nicht akzeptiert. Ich fordere Sie auf, das Gegenteil nicht weiter zu verbreiten.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Es ist behauptet worden, nach der Fusion habe Viag im neuen Konzern nichts zu sagen. Ich stelle dazu folgendes fest: In den Gesprächen und Vereinbarungen ist festgelegt, dass im Gesamtvorstand von e.on das Verhältnis 3 : 2 ist, das heißt, nach der Größe hat Veba drei Mitglieder und Viag zwei, und dass im Vorstand von e.on-Energie Preußen Elektra und Bayern

werk paritätisch vertreten sind. Das heißt, die Behauptung, dass Viag untergebuttert worden sei, widerspricht den Fakten.

Vielmehr ist Tatsache, dass wir in den Verhandlungen, zum Beispiel was den Sitz von wichtigen Konzernteilen angeht, außerordentlich erfolgreich waren. So ist der Sitz der Energie AG in München; die Netzgesellschaft hat den Sitz und die Verwaltung – das müßte Sie als Oberfränkin freuen, der Dank hat uns nicht erreicht – in Bayreuth; Wasserkraft hat den Sitz in Landshut, und die Vertriebsgesellschaft, die auf dem Strommarkt künftig außerordentlich wichtig sein wird, ist in München. Die Absicherung der Chemie-Aktivitäten ist in Bayern erfolgt, und bei der Telekommunikation ist auch nach der Übernahme durch die British-Telekom der Standort Bayern abgesichert. Ich stelle dazu fest: Mehr war bei den Verhandlungen für den Standort Bayern nicht herauszuholen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Runge, Sie behaupten, der Verkauf der Viag-Anteile sei überstürzt passiert und man habe die Möglichkeiten der Sperrminorität aufgegeben. Sie haben leider die Abläufe nicht kapiert oder nicht mehr in Erinnerung. Tatsache war: Es ist die Grundsatzvereinbarung unter der Bedingung der 25prozentigen Beteiligung des Freistaates Bayern an der Viag voll ausgehandelt gewesen. Am 26. September letzten Jahres wurde von den Aufsichtsräten der beiden Unternehmen die Fusion beschlossen, und der Verkauf der Anteile erfolgte am nächsten Tag, am 27. September 1999. Es ist zwar ein unterschiedliches Rechtsgeschäft, aber die Fusion ist unter den Bedingungen der Minderheitsbeteiligung des Freistaates Bayern erfolgt. Alles andere ist falsch und frei erfunden.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kellner? – Bitte.

Herr Staatsminister, entspricht es der Tatsache, dass die Veba, Herr Hartmann insbesondere, keiner Fusion zugestimmt hätte, wenn nicht sichergestellt worden wäre, dass der Freistaat sein Aktienpaket veräußert?

(Frau Biedefeld (SPD): Das steht so im Protokoll und ist dort nachzulesen!)

Herr Staatsminister.

Es gab auf der Ebene der zuständigen Vorstände Gespräche zwischen Viag und Veba. Die Gesellschaftsbeteiligung spielte zunächst gar keine Rolle, sondern es hat das Management von Viag mit dem Management der Veba Gespräche über eine Fusion geführt. Die Veba hätte es selbstverständlich genauso akzeptieren müssen, wenn der Freistaat Bayern drin geblieben wäre.

(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist in diesem Zuge zu einem so guten Preis möglich gewesen, dass im Haushaltsausschuss alle drei Parteien zugestimmt haben.