Aus den genannten Gründen bitte ich Sie, dem Dringlichkeitsantrag der CSU zuzustimmen. Dem Dringlichkeitsantrag der SPD würden wir ebenfalls zustimmen, wenn Sie bereit wären, einige Änderungen vorzunehmen. Ich habe mit Herrn Kollegen Schläger bereits darüber gesprochen. Punkt 1 würden wir so übernehmen, wie von Ihnen vorgeschlagen. Punkt 2 sollte lauten: „Falls das nicht oder nur teilweise zu erreichen ist, sollen vom bzw. mit Hilfe des e.on-Konzerns in den betroffenen Kommunen Ersatzarbeitsplätze in gleicher Anzahl geschaffen werden.“ Und Punkt 3 sollte lauten: „Die
Staatsregierung wird außerdem aufgefordert, durch eigene Maßnahmen und Aktivitäten zu einem entsprechenden Ausgleich an Arbeitsplätzen an den betroffenen Standorten beizutragen.“ In der ursprünglichen Formulierung waren planwirtschaftliche Ansätze zu erkennen, die wir nicht mittragen können.
Der erste Abschnitt des Dringlichkeitsantrags des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ist mit der Politik von Trittin nicht zu erreichen.
Im Übrigen ist der Antrag reichlich widersprüchlich. Aus diesem Grunde können wir ihm nicht zustimmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Dr. Wiesheu, ich erlaube mir, zunächst auf einige Punkte in Ihren Ausführungen einzugehen, damit sie nicht unter den Tisch fallen. Wenn Hep Monatzeder als Münchner Bürgermeister den Standort München und die Messe München lobt, ist er ein guter Bürgermeister.
Einige Sätze zum Vorschaltgesetz zur Kraft-WärmeKopplung. Hier werden aus gutem Grund neun Pfennig pro Kilowattstunde gezahlt. Das bedeutet, dass von allen Stromerzeugern ungefähr ein halber Pfennig draufgelegt werden muss. Herr Kollege Dr. Wiesheu, Sie werden doch nicht im Ernst behaupten, dass diese 0,5 Pfennig entscheidend sind. Bei den Gestehungskosten des Stroms geht es zurzeit um ganz andere Unterschiede. Ihre Ausführungen zur Windenergie sind ebenfalls sehr interessant: Sie haben gesagt, die Windenergie würde mit 16 Pfennigen pro Kilowattstunde subventioniert. Wenn ich die Mehrwertsteuer einrechne, sind es 17 Pfennige. Herr Minister, Ihre Redenschreiber haben offenbar vergessen, dass dieser Betrag unter der CDU/ CSU-FDP-Koalition viel höher lag. Im Rahmen des Gesetzes über die erneuerbaren Energien ist dieser Betrag partiell sogar heruntergefahren worden.
Herr Staatsminister Dr. Wiesheu, Sie haben Krokodilstränen darüber vergossen, weil einzelne Energien vom Wettbewerb freigestellt wurden. Da kommen uns die Tränen. Ist denn die Kernenergie nicht jahrzehntelang freigestellt worden?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zig Milliarden DM sind da reingegangen!)
Die Diskussion um die Kraftwerksstilllegungen zeigt die Scheinheiligkeit und Verlogenheit von CSU und Staatsregierung.
Sie eignet sich, die Saumseligkeit bzw. Inkompetenz der bayerischen Energiepolitik auszuleuchten. Die Pläne zur Kraftwerksstilllegung sind zum einen Beleg für die riesigen Überkapazitäten in Bayern und in Deutschland. Sie zeigen zum anderen aber auch, wie die Mär „die Lichter gehen aus“ zu werten ist. Zur installierten Leistung in Bayern: Wir haben eine Engpassleistung in der Größenordnung von etwa 16000 Megawatt. Die Jahreshöchstlast beläuft sich auf 10000 Megawatt. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat als Energieaufsichts– und Preisaufsichtsbehörde die aufgebauten Überkapazitäten zu verantworten. Es ist auch dafür verantwortlich, dass sich die Energieversorger jahrelang zulasten von Wirtschaft und Bürgern bereichern konnten.
Angesichts der oben genannten Überkapazitäten nehmen sich die derzeitigen Importe, zum Beispiel aus Tschechien, eher bescheiden aus. Aus Tschechien werden zurzeit ungefähr 10000 Gigawattstunden im Jahr nach Bayern importiert. Aus Russland soll etwa dieselbe Importmenge fließen. Wir haben zu dem Thema „Stromimport aus Russland“ und zu den Verträgen der Bayernwerk AG mit dem russischen Konsortium einen Berichtsantrag gestellt. Die CSU hat dieses Thema für so wenig bedeutend gehalten, dass dieser Berichtsantrag abgelehnt wurde. Ich erinnere mich aber, dass Ihr Vertreter im Ausschuss, Herr Beck, gesagt hat, es sei wunderbar, wenn aus Russland Strom aus Atommeilern importiert werde, da das der Ertüchtigung dieser Meiler diene. Dies geht aus dem Protokoll hervor. Diese Argumentationsschiene können wir auch auf Temelin umlegen.
Nun zu den Importmengen: Diese Mengen dürften erst der Anfang sein. Nachdem der Engpass für den Import bei den Leitungen liegt, ist es nahe liegend, dass diese Leitungen möglichst effektiv und effizient also für die Grundlast genutzt werden. Und gleichzeitig plant der Konzern e.on in Bayern in einem ersten Schritt Braunkohlekraftwerke, also Grundlastkraftwerke stillzulegen. Dies macht 550 Megawatt aus, was etwa 3700 Gigawattstunden entspricht. Diese Stilllegungsvorhaben sind ganz eindeutig eine Folge des geänderten Ordnungsrahmens im Strommarkt, also des Binnenmarktes für Strom und Gas, und des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes, das vor nicht wenigen Jahren geändert worden ist. Die GRÜNEN haben damals sowohl im Bundestag als auch im Landtag auf Modifikationen gedrängt, sind aber immer gescheitert, nicht zuletzt auch am Widerstand der CSU.
Die Stilllegungsvorhaben sind kein Resultat des „Atomkompromisses“, wie es von den Herren Dr. Stoiber, Glück, Dr. Wiesheu und Huber immer wieder behauptet
wird. In Ihrem Dringlichkeitsantrag zu diesem Thema wird formuliert: „Der Bayerische Landtag sieht die Kraftwerksstilllegungen im Zusammenhang mit der verfehlten Energiepolitik der rot-grünen Bundesregierung.“ Das stimmt definitiv nicht. Herr Kollege Hofmann, ich möchte einiges aus dem Bericht vorlesen, den Herr Staatsminister Dr. Wiesheu vor gut zwei Jahren im Wirtschaftsausschuss zu dieser Problematik gegeben hat. Damals gab es gerade erst die rot-grüne Bundesregierung und noch keinen Atomkompromiss. Dieser Atomkompromiss wurde nämlich erst am 14. Juni 2000 geschlossen. Der Bericht des Wirtschaftsministers wurde hingegen am 12. November 1998 gegeben. In diesem Bericht wurden die Stilllegungspläne gerechtfertigt. Damals ging es um die Kaltreserve von Aschaffenburg und die Stilllegung zweier Blöcke in Schwandorf. Sie haben zunächst die Begründung dieser Maßnahmen aus der Sicht der Bayernwerk AG vorgetragen:
Die Bayernwerk AG begründet die Notwendigkeit der Maßnahmen im Wesentlichen mit erheblichen Überkapazitäten, nicht nur im eigenen, sondern auch im gesamten deutschen und europäischen Kraftwerkspark, mit dem wachsenden Wettbewerbsdruck, einmal durch die Liberalisierung aber auch durch extrem kostengünstige Kraftwerksentwicklung auf Gasbasis
und mit der dauerhaft nicht mehr erreichbaren Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Kraftwerksblöcke.
Allein für den eigenen Konzernbereich hat das Bayernwerk eine zumindest mittelfristig dauerhafte Kraftwerksüberkapazität in der Größenordnung von 900 Megawatt ermittelt.
Sie wissen, dass Franken 2 zunächst einmal auf die längere Schiene gelegt wird. Dies hängt wiederum damit zusammen, dass dieses Kraftwerk von den Zuzahlungen des Vorschaltegesetzes zur Kraft-Wärme-Kopplung profitieren will. Wenn wir ein bisschen rechnen, kommen wir bald auf die Größenordnung, die Sie im November 1998 genannt haben.
Nun zur Bewertung aus der Sicht des Staatsministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Technologie. Hier heißt es:
Vorweg ist zu betonen, dass die Entscheidung des Bayernwerks nach der grundlegenden Reform des deutschen Energierechts im April dieses Jahres keiner staatlichen energiewirtschaftlichen Kontrolle und Eingriffsmöglichkeit mehr unterliegt.
Es war die politisch unumstrittene Absicht der Liberalisierung, durch verstärkten Wettbewerb nicht nur Kosten und Preise der Stromversorgung zu senken, sondern auch mehr Effizienz bei der Erzeugung und
Verteilung durch neue Technologien und damit mehr Umwelt– und Ressourcenschutz zu erzwingen. Wenn dies aber gewollt ist, muss auch akzeptiert werden, dass frei werdende Karftwerkskapazitäten abgebaut werden.
Sie haben bereits damals von einer Größenordnung gesprochen, die der heutigen sehr nahe kommt. Diese Konstruktion, wonach die rot-grüne Bundesregierung und der Atomausstieg Signale gesetzt hätten, weshalb auch andere Kraftwerke im Bereich der Grundlast – zum Beispiel Braunkohlekraftwerke – stillgelegt werden müssten, ist einfach absurd und schäbig.
Der Binnenmarkt für Strom und Gas verlangt auch nach einheitlichen Rahmenbedingungen, andernfalls drohen Wettbewerbsverzerrungen und Verwerfungen. Wir haben gleiche Wettbewerbschancen auf europäischer Ebene immer eingefordert. Sogar hier im Bayerischen Landtag haben wir diesbezüglich einen Dringlichkeitsantrag zum Vertrag von Amsterdam gestellt. In diesem Dringlichkeitsantrag haben wir die Verankerung eines eigenen Kapitels „ökologisch orientierte Energiepolitik“ im EGV gefordert. Die CSU hat immer gegengehalten und im Landtag entsprechende Anträge gestellt. Herr Kollege Dinglreiter, ich erinnere Sie an den Antrag Ihrer Fraktion auf Drucksache 13/7217 zur Reform des Vertrags von Maastricht. Sie forderten damals den Vorrang nationaler Souveränität.
Wir haben damals sowohl im Ausschuss als auch im Plenum zu diesem Antrag das Thema Energiepolitik diskutiert.
Da wurde auf den damaligen Artikel 3 b – heute ist es der Artikel 3 u im EG-Vertrag – Bezug genommen. Sie haben letztlich einen einheitlichen Rahmen mit verhindert und somit dafür gesorgt, dass es unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen gibt, und diese sind heute ein ganz großes Problem.
Die Bayernwerk AG ist von der Staatsregierung stets hofiert und begünstigt worden. Ich greife nur ein einziges Beispiel heraus, ich könnte zahllose Beispiele nennen. Ich nenne nur die Abgabe der Anteile an der österreichisch-bayerischen Kraftwerke AG. 25% haben wir davon noch gehabt. Sie sind für einen viel zu niedrigen Preis an die Bayernwerk AG gegangen. Auch der Rechnungshof hat dies moniert. Was war das Gegengeschäft? Sie haben halt immer wieder kleinere Geschenke bekommen, wie zum Beispiel die Beteiligung der Viag an Stoibers Eliteakademie. So gäbe es auch noch zahlreiche andere Beispiele zu nennen. Jetzt hat es der e.on-Konzern mittlerweile gar nicht mehr nötig oder wenigstens nicht mehr so stark nötig, die Staatsregierung bei Laune zu halten.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kraftwerke in Schwandorf, Arzberg oder Aschaffenburg sind Opfer der Hightech-Offensive der Staatsregierung.
Es ist schön, dass Sie sagen „So ein Schmarr’n“. Überlegen Sie sich doch einmal, wie es vor etwa einem Jahr gewesen ist. Nachdem Stoiber und die „Unter-Stoibers“ monatelang mit Versprechungen übers Land gezogen sind, mussten schnell Mittel her, deshalb wurden die Viag-Anteile überstürzt verkauft. Jetzt ist über die Beteiligung keine Struktur-, Regional- und Arbeitsmarktpolitik mehr möglich.
Zur Fusion von Viag und Veba haben wir immer gesagt, dass die Staatsregierung in der falschen Reihenfolge vorgeht. Wir haben immer gefordert, die Sperrminorität zu nutzen. Wir hatten 25,1% Anteile an der Viag AG. Damit kann ich kaum etwas machen. Das Einzige, was ich machen kann, ist das Verhindern einer Liquidation oder einer Fusion. Wir haben damals gesagt, lasst uns wuchern mit diesen Pfunden. Wir haben in Fraktionsund Arbeitskreissitzungen sehr genau dieses Thema durchgespielt. Leider sind wir aber im Landtag die Einzigen gewesen, die so argumentiert haben. SPD und CSU haben uns hier einfach im Regen stehen lassen.
Frau Kollegin Biedefeld, Sie haben auf die OberfrankenStiftung verwiesen. Dort war man cleverer. Dort hat man gesehen, dass man etwas einfordern muss, bevor man etwas abgibt. Damals waren die Stilllegungspläne bereits bekannt. Damals hätte man schon die Standortsicherung vertraglich vereinbaren sollen. Erstaunlich ist nur, dass jetzt von der SPD – hier habe ich noch Ihre Presseerklärungen und Ihre Rede im Kopf – der Vorwurf der Saumseligkeit erhoben wird. Bei den Fusionsverhandlungen hat Frau Kollegin Kellner im Haushaltsausschuss am 30 September 1999 ausgeführt – ich zitiere: