Protocol of the Session on July 13, 2000

Wir wollten wissen, in welchen Branchen die Nachfrage nach Arbeitskräften bislang nicht befriedigt werden konnte, für welche Branchen Gleiches zu erwarten ist, welche Wachstums- und Arbeitsmarkteffekte in Bayern durch eine liberale Zuzugsregelung zu erwarten sind, welche Möglichkeiten im Rahmen der bestehenden rechtlichen Möglichkeiten existieren; dann beispielsweise, ob ein Einwanderungsgesetz ein geeignetes Instrument ist, um den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Bayern zu stärken, welche Maßnahmen die Staatsregierung ergreifen kann, um im Ausland für den Arbeits-, Forschungs- und Studienstandort Bayern zu werben, welche Hemmnisse es gibt: im Dienstrecht, im Hochschulrecht usw.; daneben aber auch, ob Maßnahmen sinnvoll sind, die die Einstellung von nichteuropäischen Ausländerinnen und Ausländer an bestimmte Bedingungen für die Unternehmen knüpfen, zum Beispiel Schaffung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für Inländer, Fondslösungen, wie sie in anderen Ländern praktiziert werden, usw. Daneben haben wir selbstverständlich auch noch Fragen zur Integration aufgeworfen.

Der Antrag ist abgelehnt, ich muss schon fast sagen: abgemeiert worden mit Argumenten, die für uns sehr wenig plausibel sind. Von Seiten der CSU, namentlich von Ihnen, Herr Söder, kam das wunderschöne Argument, der Antrag sei der Versuch, dass Thema politischideologisch zu besetzen. Herr Söder, wir sind hier halt eben in der Politik, und selbstverständlich versuchen wir auch, Politik zu machen.

Ein zweites Argument war, es sei sehr schwierig, von der Wirtschaft Prognosen zu bekommen. Ich habe gerade eine Blitzumfrage der IHK München/Oberbayern zum ITFachkräftebedarf in der Hand, welche nächste Woche vorgestellt wird. Man kommt also doch sehr schnell zu greifbareren Aussagen als denen, mit denen wir bisher umgehen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Von der SPD wurde uns unterstellt, der kleinere Koalitionspartner würde seine Vorstellungen über den Umweg Bayerischer Landtag realisieren wollen. Ich weiß nicht, was Sie noch alles in unseren Antrag zu einer Anhörung hineininterpretieren wollen.

Wir waren und sind der Meinung, dass die Diskussion um Zuwanderung, um die Frage, wie viele Menschen aus dem Ausland die bayerische Wirtschaft und For

schung zur Zukunftssicherung benötigt, nicht allein in der Staatskanzlei, nicht allein im Innenministerium geführt werden darf, sondern dass sie breit im Bayerischen Landtag und auch in der Öffentlichkeit geführt werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Dass die Bayerische Staatsregierung die Pläne der Bundesregierung, Arbeitsgenehmigungen für ausländische Experten zu erleichtern, also Stichwort Green Card, erst einmal reflexartig abgelehnt hat, passt ins Bild. Wir haben auch nichts anderes erwartet. Ich habe es vorgestern in der Aktuellen Stunde ausgeführt, wir bringen es heute wieder: Auf der einen Seite predigen Sie immer Internationalisierung und Globalisierung, auf der anderen Seite werden ausländerfeindliche Stimmungen und Strömungen bedient. Vorgestern habe ich formuliert: „Sie wollen einfach punkten bei rechten Dummdödeln.“ Damit schaden Sie aber dem Standort Bayern und gefährden die Grundlagen erfolgreicher bayerischer Wirtschafts- und Forschungspolitik.

Leider greift unserer Meinung nach auch das Vorhaben der Bundesregierung zu kurz, befristete Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigungen für Spezialisten zu erteilen. Eine solche Maßnahme ist nur bedingt geeignet, dem Problem des Fachkräftemangels in zahlreichen deutschen Branchen gerecht zu werden.

Was für uns ganz wichtig ist, was aber auch bei dieser Initiative nicht richtig vorgesehen ist, das ist, dass die Angeworbenen und ihre Familien auch die Möglichkeit haben, sich wirklich dauerhaft in Deutschland niederzulassen. Die Fehler bei der Herangehensweise in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, als man Gastarbeiter wollte und sehr verwundert war, dass Menschen kamen, wollen wir nicht wiederholt wissen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Die demographische Entwicklung, die teilweise immer noch geleugnet wird, zeigt uns ganz deutlich, dass unser Sozialsystem nur mit Zuwanderung überleben kann.

In der Aktuelle Stunde gestern

(Dr. Söder (CSU): Vorgestern!)

haben wir auch Kritikpunkte an der Blue-Card-Initiative der Bayerischen Staatsregierung benannt. Um es ganz deutlich zu sagen: Integration ist mit dieser Regelung nicht gewünscht. Nachdem man die nützlichen Ausländer ausgenutzt hat, dürfen bzw. müssen diese dann wieder gehen. Solche Politik – wir haben sie vorgestern als „freistaatlich gelenkte Arbeitsmarktpolitik mit dem unappetitlichen Geschmack von Apartheidpolitik“ bezeichnet – wollen wir einfach nicht.

Am Beispiel der Hochschulabgänger haben wir vorgestern ausgeführt, dass ohne die Green-Card-Regelung der Bundesregierung Ihre Initiative in Teilen Makulatur ist. Denn eine wesentliche Voraussetzung für den Auf

enthalt bei Ihrer Blue Card ist nun einmal die Arbeitserlaubnis durch die Arbeitsverwaltung, und hierzu ist erst die Verabschiedung der IT-ArGV, also der Verordnung über die Arbeitsgenehmigung, Voraussetzung, und diese IT-ArGV ist wiederum ein Teil der Green-Card-Regelung der Bundesregierung, und bisher hat die Staatsregierung ja immer verkündet, sie wolle diese ablehnen.

Wir meinen, dass wir nicht nur die Zuwanderung von ITSpezialisten brauchen, sondern auch die von Kräften aus zahlreichen anderen Branchen. Die Themen sind in den letzten Tagen zahlreich benannt worden, und die Branchen, um die es geht, sind wohl hier auch alle bekannt. Ganz wichtig ist es uns auch, dass die Menschen, die zu uns kommen und, wie Sie es sagen, die uns nützen, auch integriert werden. Wir wollen Politik machen, basierend auf einigermaßen verlässlichen Grundlagen, und deswegen bitten wir Sie heute noch einmal um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hat Herr Kollege Dr. Söder das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gedacht, nach der Aktuellen Stunde und vielen Diskussionen hätten Sie etwas gelernt, aber leider ist das nicht passiert.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Von wem hätten wir denn was lernen sollen?)

Es kommen dieselben müden, gebetsmühlenartig wiederholten Argumente. Sie haben sich leider nicht von der hervorragenden Argumenten unsererseits überzeugen lassen. Schade.

Meine Damen und Herren, wir haben in dieser Woche sehr ausführlich und sehr grundsätzlich über Zuwanderung diskutiert. Deswegen möchte ich jetzt nur einige Bemerkungen machen.

Im ersten Satz des Antrags steht etwas, was man bei den GRÜNEN zunächst einmal gar nicht vermuten möchte, nämlich: Stärkung des Forschungs- und Wirtschaftsstandorts Bayern. Wenn man sich die Politik der letzten Jahre ansieht, kommt man zu dem Schluss, dass die GRÜNEN alles andere als eine Partei sind, die sich darum bemüht, den Wirtschaftsstandort Bayern zu stärken. Ganz im Gegenteil: Sie haben alles gemacht, uns in Bayern zu schaden. Sie haben in den frühen Achtzigerund Neunzigerjahren PC-Verbote gefordert. Sie waren Blockierer der Gentechnologie. Sie haben alles getan, um in den Bereichen IT, Biotechnologie und New Economy den Fortschritt zu verhindern. Wenn es in Bayern je einen echten Standortnachteil gegeben hat, dann war das die Opposition im Bayerischen Landtag.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Frau Werner- Muggendorfer (SPD): Wer war denn an der Regierung? Ich habe gar nicht gewusst, dass wir so viel Macht haben!)

Ich erinnere an die Verkehrspolitik oder den wichtigen Fall, den wir im Bereich Technologie diskutiert haben: die Nukleartechnologie. Hier sind Sie mit den Beschlüssen, die Sie in Berlin fassen, dabei, dass Know-how aus dem Land zu treiben mit der Folge, dass wir in wenigen Jahren keine Experten mehr im Bereich Nukleartechnologie haben werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Widerspruch des Abgeordneten Mehrlich (SPD))

Ich bin ganz sicher, dass Sie dann die Ersten sein werden, die eine massive Zuwanderung von Kerntechnologen fordern werden, die sich dann mit unseren Kernkraftwerken zu beschäftigen haben. Deswegen ist es heuchlerisch, einen Antrag zur Stärkung des Wirtschafts- und Forschungsstandorts Bayern zu stellen.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das hat Sie geärgert, gell?)

Als man dann gemerkt hat, dass man vielleicht auf dem falschen Dampfer ist, hat man versucht, wieder mit uralten Parolen und Konzepten anzutreten und auf plumpe Art und Weise ein an sich gutes Thema umzuwidmen auf das uralte Thema der GRÜNEN einer großen Einwanderungspolitik. Darauf sind wir Gott sei Dank in vielen Ausschüssen nicht hereingefallen, nicht einmal die SPD.

Wir haben in den Ausschüssen offen gesagt, wir können über alles reden, aber nur dann, wenn Sie bereit sind, das Asyl- und Ausländerrecht einzubeziehen. Sie können nicht nur sagen, wie viele Leute dürfen herein, sondern Sie müssen sich auch fragen, wie man das Asylund Ausländerrecht reformieren kann, um den Wirtschafts- und Forschungsstandort Bayern zu stärken. Sie haben sich von Anfang an geweigert, darüber einen Satz zu sagen. Herr Dr. Runge, daran zeigt sich, wie ernst Sie das Thema nehmen. Sie sind nicht bereit, die beidseitigen Folgen einer solchen Einwanderungspolitik zu diskutieren. Wir haben deutlich gesagt, wir brauchen diejenigen, die uns nützen, und nicht diejenigen, die uns ausnützen. Darüber muss offen und ehrlich diskutiert werden. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, heißt das, dass Sie sich der Diskussion gegenüber verweigern. Herr Dr. Runge, zu sagen, wir würden Politik für „Dummdödel“ machen, das finde ich eine hocharrogante Haltung.

(Lachen bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie glauben, mit Ihren lächerlichen 5% der bayerischen Wähler hätten Sie die Mehrheit der Menschen hinter sich, täuschen Sie sich gewaltig. Im Übrigen gibt es in der Fraktion der SPD genügend Leute, die anderer Auffassung sind und dies auch in den Ausschüssen kundgetan haben. Wenn Sie diese auch als „Dummdödel“ bezeichnen, diskutieren Sie das im Koalitionsausschuss in Berlin, aber nicht hier im Bayerischen Landtag. Ich weiss, dass Sie die Sache mit der Blue Card geärgert hat. Sie haben gedacht, Sie können mit der Green Card den großen Coup landen, und es ärgert Sie sehr, dass wir Ihnen mit der Blue Card in der Sache gerechtfertigt und politisch instinktiv richtig etwas vorweggenommen

haben. Ich verstehe, dass Sie das ärgert, aber damit müssen Sie leben.

(Lachen bei der SPD – Mehrlich (SPD): Abschreiber!)

Ich glaube nicht, dass die Blue Card abgeschrieben ist. Herr Mehrlich, ich weiss, das tut weh, aber ich glaube nicht, dass Sie sich mit der Sache beschäftigt haben, sonst wüssten Sie mehr.

Wir haben darüber diese Woche ausführlich diskutiert. Etliche Bundesländer sind derselben Meinung und sagen, die Blue Card ist der richtige Weg. Wir sagen: Stärkung des Wirtschafts- und Forschungsstandortes Bayern. Es ist klar, dass wir dabei über diese Dinge diskutieren müssen, aber immer auch in Bezug auf das Asyl- und Ausländerrecht. Das eine kann man ohne das andere nicht ernsthaft diskutieren. Sie haben sich diesem Dialog massiv, arrogant und in der Sache ungerechtfertigterweise verweigert. Deshalb bleiben wir bei der Ablehnung des Antrags. Es tut mir Leid, dass Sie diese Woche nichts gelernt haben, es hat mich aber nicht überrascht.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Herr Dr. Scholz, bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Söder, ich meine, eine bessere Beschreibung als das Stichwort „hocharrogante Haltung“ könnte man für Ihren Beitrag nicht finden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Grunde sind Sie in Ihrem Beitrag auf den Antrag überhaupt nicht eingegangen. Mit dem Menetekel der Nukleartechnologie, die in der übrigen Welt fast keiner mehr will, weil sie nicht beherrschbar ist,

(Unruhe bei der CSU – Herrmann (CSU): Realitätsverlust!)

über den Antrag zu reden, ist ein starkes Stück. Es zeigt, dass Sie zum Inhalt des Antrags nichts beitragen können. Die Diffamierung der Opposition – die Roten und die GRÜNEN zusammengenommen –, dass wir in der Vergangenheit nicht für den Forschungs-, Wirtschaftsund Arbeitsplatzstandort Bayern gekämpft hätten, ist eine blöde Unterstellung. Das ist der Sache nicht angemessen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss schon sagen, mit solchen Beiträgen werden Sie der großen Verantwortung, die wir in diesem Zusammenhang haben, nicht gerecht. Es zeigt sich auch, dass das der Knackpunkt ist, den Sie noch nicht begriffen haben, auch bei der Diskussion am Dienstag nicht. Man

kann nicht einfach sagen, für jeden IT-Spezialisten, den man hereinlässt, kann ein Flüchtling oder Asylbewerber weniger kommen. Diese Dinge sind völlig unabhängig voneinander zu sehen. Wenn die Auseinandersetzung im Kosovo zu einem Zeitpunkt stattfindet, zu dem man viele IT-Spezialisten in Bayern braucht, soll man dann die Flüchtlinge nicht hereinlassen? Soll man sagen: Es tut uns sehr Leid, aber bedauerlicherweise gibt es auf Wunsch von Herrn Dr. Beckstein ein Gesamtkontingent; deshalb führt euren Krieg besser zu einem anderen Zeitpunkt, zu dem wir die Möglichkeit haben, Flüchtlinge aufzunehmen. Diese Denkweise führt in die total falsche Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Zur Green Card und zur Blue Card: Ich habe am Dienstag bereits ausgeführt, ohne den Anstoß durch die Diskussion über die Green Card wären Sie nie auf die Blue Card gekommen. Das, was Sie vorgelegt haben, ist im Grunde ein Plagiat.