Protocol of the Session on March 12, 2003

Ich möchte nur feststellen: Es existiert hier bei den Kommunen ein gewisses indifferentes Verhältnis. Wenn wir das im Kindertagesstättengesetz 2005 gesetzlich festlegen wollen – Stichwort: Konnexitätsprinzip –, dann wird es durchaus Probleme in der intensiven Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden geben. Ich halte es für richtig und wichtig, dass sich der Ausschuss noch einmal intensiv mit dem Problem der freiwilligen Förderung – also Horte, Netz für Kinder und Krippen – beschäftigt. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mittlerweile so weit bin, dass ich auch einzelne Bürgermeister anrufe und sie darum bitte, sich der Problematik intensiv anzunehmen im Interesse unserer Kinder.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist Herr Kollege Wahnschaffe.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Das jetzt hier angesprochene Problem ist sicher nicht auf diese Weise zu lösen, wie es der Antrag der CSU vorsieht und wie Frau Staatsministerin es soeben zu beschreiben versucht hat. Gutes Zureden hilft in dieser Situation wohl nur in seltenen Fällen. Wir brauchen verbindliche Regelungen, damit im Interesse der Eltern und Kinder nicht Lösungen verhindert werden, die weit über das hinausgreifen, was wir im Augenblick haben.

Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich dieser Tage über ein konkretes Projekt gesprochen habe, das Sie auch kennen, nämlich die Betriebskindertagesstätte des BMW-Werkes in Regensburg. In München gibt es so etwas ja. Dort will eine Elterninitiative eine neue Kinder

tagesstätte gründen, und zwar altersübergreifend von null bis sechs Jahren. Das ist ein innovatives Element. Wegen des großen Einzugsbereichs der BMW-Mitarbeiter in Regensburg – er geht teilweise bis Passau – kommen die Kinder aus den unterschiedlichsten Gemeinden, zum Teil auch aus der Stadt Regensburg. Der Trägerverein stand nun vor der schier unlösbaren Aufgabe, die Kommunen unter einen Hut zu bringen. Diese haben mehrheitlich entschieden, keine Gastelternbeiträge zu zahlen. Damit würde dieses innovative Projekt gestoppt werden. Es war fast schon so weit. Die Firma BMW konnte dann aber dazu gebracht werden, den kommunalen Beitrag zu übernehmen. Das ist aber eine Ausnahmeregelung. Daher wird das Problem, das hier heute angesprochen worden ist, flächendeckend so nicht zu lösen sein.

Entscheidend ist, dass die Kommunen nicht aus ihrer originären Verpflichtung entlassen werden; das ist klar. Man darf aber nicht einfach undifferenziert Gastbeiträge verlangen, weil das im Einzelfall zu Problemen führen kann. Wenn zum Beispiel ein freier Träger in einer kleineren Gemeinde einen Kindergarten unterhält, dann kann es für die Gemeinde unter Umständen nicht zumutbar sein, Gastbeiträge zu zahlen, wenn einige Eltern nicht diesen Kindergarten in Anspruch nehmen wollen, sondern die Einrichtung am Arbeitsplatz eines Elternteils.

Ich würde erstens dazu raten – Frau Staatsministerin, da ist die Staatsregierung in der Pflicht; das unterstützen wir nachdrücklich mit unserem Antrag –, bis zum neuen Kindergartenjahr Übergangslösungen zu schaffen, weil wir nicht bis zum Jahr 2005 warten können. Ich rate zweitens dazu, differenziertere Lösungen anzupeilen als jene, die in den Richtlinien jetzt vorgesehen sind. Innovative Lösungen, wie ich und andere sie angesprochen haben, sollen nicht ausgeschlossen, sondern im Gegenteil gefördert werden. Wir brauchen hier flexible Lösungen. Ich erwarte schon, dass die Staatsregierung dann, wenn wir die Dringlichkeitsanträge im Ausschuss behandeln, Lösungen auf den Tisch legt.

(Beifall bei der SPD – Frau Radermacher (SPD): Und bald!)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Die Dringlichkeitsanträge werden wunschgemäß dem sozialpolitischen Ausschuss überwiesen.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Ach, Dinglreiter und anderer und Fraktion (CSU)

Die Steuererhöhungslawine stoppen (Drucksache 14/11822)

und den nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Kellner, Dr. Runge und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Blockade beenden – Subventionen abbauen – Handlungsspielraum gewinnen (Drucksache 14/11870)

sowie den nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Strasser und Fraktion (SPD)

Modernisierung Deutschlands fortsetzen (Drucksa- che 14/11871)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dinglreiter.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag richtet sich an die Staatsregierung mit der Bitte, die über 40 Steuererhöhungen im so genannten Steuervergünstigungsabbaugesetz zu stoppen. Der Bundestag hat am 21. Februar 2003 das heftig kritisierte Steuervergünstigungsabbaugesetz mit den Stimmen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU/CSU verabschiedet. Nun kann nur noch der Bundesrat am 14. März – das ist der nächste Freitag – diese unsägliche Steuererhöhung der rot-grünen Bundesregierung stoppen. Die unionsregierten Länder haben bereits angekündigt, dass sie dem Gesetz die erforderliche Zustimmung verweigern werden. Das ist dringend notwendig.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Der Bundesrat hat bereits in einer ersten umfassenden Stellungnahme am 20. Dezember 2002 die negativen Folgewirkungen des geplanten Gesetzes deutlich kritisiert. Auch in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages wurden die Vorhaben der Bundesregierung von nahezu allen Sachverständigen und Interessensgruppen als zum jetzigen Zeitpunkt in erheblichem Maße schädlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland bewertet.

Auch Bundeskanzler Schröder hat das vor der Wahl so gesehen. Er hat deshalb für die Zeit nach der Wahl – so wörtlich – „nachhaltige Entlastung von Steuern und Abgaben“ angekündigt. Jetzt tut er genau das Gegenteil. Das Steuervergünstigungsabbaugesetz würde bei seinem Inkrafttreten zu flächendeckenden Steuererhöhungen führen und Wirtschaft und Verbraucher zusätzlich mit 15,5 Milliarden e belasten. Anstelle von weiteren Steuererhöhungen ist es notwendig, eine gerechte Steuerentlastung zwischen den verschiedenen Gruppen von Steuerpflichtigen herzustellen.

(Frau Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Subventionskönige seid ihr!)

Die rot-grüne Steuerreform hat im Jahr 2000 zu zusätzlichen Belastungen des Mittelstands und der Verbraucher geführt. Der Bund der Steuerzahler schreibt Ihnen ständig ins Stammbuch, dass die Mittelständler und die Bür

gerinnen und Bürger im Jahr 2002 mehr Steuern bezahlt haben als im Jahr 1998.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Kellner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, das ist Tatsache.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber weniger als unter Kohl und Waigel!)

Wer hat denn 1998 regiert? – Das waren Kohl und Waigel.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben nach 1998 weniger gezahlt als vorher!)

Durch Ihre Beiträge wird nichts besser. Statt des Ideenwettbewerbs der Bundesregierung, wie man die Bürger noch mehr abzocken könnte – denn auf nichts anderes laufen diese Steuererhöhungen hinaus –,

(Widerspruch bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wäre es derzeit ratsamer, die konjunkturelle Situation dadurch zu verbessern, dass das in 160 Bundesgesetzen geregelte Steuersystem und die rund 60 Steuern und Abgaben reduziert werden, weil sonst die Pferde nicht mehr saufen, wie ein früherer Superminister der SPD in den Siebzigerjahren einmal gesagt hat.

Nun zur generellen Bewertung, meine Damen und Herren: Das Steuervergünstigungsabbaugesetz führt entgegen den Beteuerungen der Bundesregierung – auch entgegen dem, was Sie jetzt ständig dazwischenschreien – zu Steuererhöhungen auf breiter Front. Die Bundesregierung geht den falschen und riskanten Weg einer breit angelegten Steuer- und Abgabenerhöhung, obwohl in wirtschaftlich schwierigen Zeiten alles vermieden werden sollte, was den Faktor Arbeit verteuert und Investitionen erschwert. Die geplanten Steuererhöhungen sind wachstumshemmend; das sagen alle Sachverständigen. Sie sind konjunkturschädigend und deshalb im Ergebnis arbeitsplatzvernichtend, und das bei sieben Millionen Menschen ohne Arbeit. Das hat auch der Leiter der Bundesanstalt für Arbeit bei Frau Christiansen am Sonntag bestätigt.

Die Bundesregierung hat es nach der letzten Wahl geschafft, in atemberaubender Geschwindigkeit das Vertrauen in den Standort Deutschland nachhaltig zu schädigen und die Lebensplanung vieler Bürgerinnen und Bürger in eine irreparable Schieflage zu bringen. Denken Sie nur an diejenigen, die Wohnungseigentum schaffen wollen.

(Hufe (SPD): Jetzt sind Sie schon so alt und haben so viel politische Erfahrung, dann wissen Sie doch, dass es immer ein Auf und Ab gibt! Lassen Sie doch einmal Ihr Leben Revue passieren!)

Genau deswegen bin ich in der Lage zu beurteilen, was derzeit in Berlin gemacht wird.

Das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist kein Beitrag zur Steuervereinfachung. Die Bürokratie und die Kosten für Wirtschaft und Verwaltung würden massiv zunehmen, wenn dieses Gesetz Realität würde.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Quatsch! Das Gegenteil ist der Fall! Werden Subventionen abgebaut, bekommen wir doch nicht mehr Bürokratie!)

Das ist kein Quatsch, ich werde es Ihnen noch an ein paar konkreten Beispielen darlegen. Die Bundesregierung verfolgt kein klares und schlüssiges Konzept. Sie ist lediglich auf die schnelle Schließung von Haushaltslöchern bedacht. Das ist der falsche Weg. Damit lösen Sie keine Probleme, Sie verschleppen nur notwendige Reformen und verschärfen die Probleme, die wir heute schon haben. Die aktuelle Steuerpolitik von Rot-Grün knüpft damit nahtlos an Ihr bisheriges Chaos in der Steuer- und Finanzpolitik an.

(Hufe (SPD): Und das hat Waigel angerichtet!)

Nein, hören Sie doch mit Waigel auf. Sie wären ja froh gewesen, wenn Sie 2002 so hätten starten können, wie Sie im Herbst 1998 gestartet sind. Das ist die Realität.

(Widerspruch bei der SPD)

Ich will Ihnen nur ein paar Vorhaltungen machen. Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung haben Sie in der letzten Legislaturperiode die Versicherungs- und die Tabaksteuer erhöht. Sie haben damit die Bürger zusätzlich belastet. Wegen der Flutkatastrophe im August letzten Jahres wurde die nächste Entlastungsstufe der Eichelschen Steuerreform von 2003 auf 2004 verschoben. Das ist jetzt auch schon wieder infrage gestellt. Herr Eichel hat ganz klar erklärt, dass er nur unter Vorbehalt dem zustimmen könne, dass die Steuerentlastung Realität werde. Damit wird das Vertrauen massiv beeinträchtigt. Dieses Verhalten hat zu dem Vertrauensverlust geführt, welchen die SPD mittlerweile erleben muss. Ich kann Ihnen nur raten, dass Sie sich möglichst bald bei Herrn Möllemann nach dem Projekt 18 erkundigen; denn in einigen Teilen der Bundesrepublik Deutschland werden Sie sich auf diese Marke zubewegen.

Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform wurde auf die ohnehin schon zum 1. Januar 2003 vorgesehene fünfte Ökosteuer-Stufe eine kräftige Erhöhung der Mineralöl- und Stromsteuer aufgeschlagen. Obwohl die Erfahrungen aus der rot-grünen Steuerreform zeigen, dass das Konzept, durch Verteuerung der Energie die Umweltsituation und gleichzeitig die Bedingungen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu verbessern, fehlgeschlagen ist, wird in wirtschaftlich schlechten Zeiten an dieser Politik festgehalten. Statt einer doppelten Dividende, die Sie einmal versprochen haben, ist eine doppelte Belastung für die Bürger entstanden. Der effektive Rentenbeitrag liegt heute nicht bei 19,5%, sondern bei 22%, denn die Ökosteuer zahlen auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das müssen Sie sich vorrechnen lassen. Das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist also nicht das, was die Konjunktur momentan erfordern würde.

Nun zu einigen konkreten Punkten. Der Gesetzentwurf bildet nicht, wie ich schon sagte, die Basis für neues Wachstum und zusätzliche Arbeitskräfte. Im Gegenteil, er beschleunigt den wirtschaftlichen Abschwung und vernichtet Tausende von Arbeitsplätzen. Die geplante 50%ige Erhöhung von Steuern auf die private Nutzung von Dienstwägen

(Hufe (SPD): Subventionsabbau!)

wird nach einer Prognose von Sachverständigen der Automobilindustrie im Jahre -

(Hufe (SPD): Ist das jetzt Subventionsabbau oder nicht?)