Protocol of the Session on July 10, 2019

(Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD)

nennt man im Übrigen heute innovativ. Das werden dann eben andere sein, und sie werden die Industrie Baden-Württem bergs und Deutschlands in den Schatten stellen. Erfolg hat eben, auf die Dauer gesehen, nur der Tüchtige und nicht der Ideologe.

(Beifall bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Gruber.

Liebe Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! „Daheim im Innovationsland“ ist un ser Thema. Zum Glück haben wir viele Innovationen hier im Land, auch im Bereich Umwelttechnik und Umweltschutz. Das ist wichtig für unser Land, und ich denke, das entspricht auch den Erwartungen an die dichte Universitäts- und For schungslandschaft, an die wirtschaftsstarken Betriebe in un serem Land, an die Frauen und Männer, die als Tüftler, Den ker, Techniker und Ingenieure unser Land voranbringen.

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!)

Unstrittig ist bei diesem Thema auch – das ist auch bei den ersten beiden Vorrednern deutlich geworden –, dass die Lan desregierung und insbesondere auch der Umweltminister hier umtriebig und engagiert sind. Es sind schon viele Beispiele genannt worden. Wir, die SPD-Fraktion, unterstützen deswe gen auch vieles – nicht deshalb, weil vieles schon in der grünroten Landesregierung angeschoben worden ist, sondern weil wir vieles auch inhaltlich für richtig halten.

(Beifall bei der SPD – Vereinzelt Beifall bei den Grü nen und der CDU)

Es stellt sich aus Sicht der Opposition aber dann natürlich die Frage: Ist Baden-Württemberg, ist die grün-schwarze Landes regierung insgesamt gut genug für die großen Herausforde rungen, die sich uns stellen? Kollege Nemeth hat das Thema Weltbevölkerung angesprochen; es ist ja schon gewaltig. Da müssen wir an der einen oder anderen Stelle auch besser und innovativer und noch engagierter werden.

Ich möchte auf ein Beispiel hinweisen: Es gibt seit Jahren ein hochinteressantes und für die Energiewende kaum zu über schätzendes Projekt mit Speicherung der Windenergie in ei ner großen Redox-Flow-Batterie beim Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie, ICT, im Pfinztal. Die Erwartungen an die Technik haben sich im Testbetrieb im Wesentlichen er füllt. Wir, der zuständige Arbeitskreis der SPD-Landtagsfrak tion, haben uns das vor Ort direkt angeschaut. Wir möchten doch einmal anmerken: Wir haben das Gefühl, auch wenn wir den langen Antrag mit der ausführlichen Stellungnahme der Landesregierung anschauen, dass dieses tolle Projekt zu we nig Beachtung gefunden hat, zu wenig Beachtung findet, wenn wir es weiter vorantreiben wollen.

Große Batterien auf Redox-Flow-Basis sind wegen ihres Vo lumens nicht nur für den Einsatz im Straßenverkehr geeignet, sondern sehr wohl auch interessant für die Schifffahrt und sta tionäre Speicher in Häusern oder Quartieren. Wir denken, dass wir bei der Energie nicht nur auf Lithium-Ionen-Batteriespei chertechnik setzen sollten, gerade, weil sie auch aufgrund der schwierigen Rohstoffgewinnung und der schwierigen Arbeits bedingungen zu Recht in der Kritik steht.

Deshalb könnte und sollte die Landesregierung aus unserer Sicht auch in andere Bereiche mehr Energie investieren, um die Projekte noch intensiver voranzutreiben. Da erwarten wir uns hier auch eine noch stärkere Betonung der Technologieof fenheit.

Natürlich müssen wir – das ist ja bei Tagesordnungspunkt 1 auch angeklungen – auch bei der Elektromobilität vorankom men. Die Firmen in unserem Land müssen weltmarktfähig bleiben. Das gilt aus unserer Sicht aber nicht nur für die Elek tromobilität, sondern auch für die klassischen Antriebe, die energieeffizienter weiterentwickelt werden müssen. Wir müs sen die Chancen durch synthetische Kraftstoffe nutzen und auch die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle vorantreiben. Auch hier wollen wir, dass Baden-Württemberg Innovations- und Musterländle ist – wenn ich das so sagen darf.

Viel ist daran aus unserer Sicht zu stark nur auf die LithiumIonen-Technik ausgerichtet, und andernorts – der Kollege Mack hat es heute Morgen angesprochen – baut die Post schon Lkws nicht nur mit klassischer Batterietechnik, sondern auch mit Brennstoffzellen und mit chemischem Speicher. Auch bei dieser Technik müssen wir vorn dabei bleiben.

Wenn ich auf die Anzeige meiner Redezeit schaue, sehe ich, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Ich kürze deshalb ab. Wir haben schon am Anfang dieser Sitzung viel Zeit investiert.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ganz wichtig ist uns, dass wir die Technik, die wir haben – sei es bei der Windenergie, sei es bei der Solarenergie –, auch einsetzen. Beim Beispiel Solarenergie erfüllt uns mit Sorge, dass uns Bayern ein Stück weit den Rang abläuft und bei der Freiflächenfotovoltaik viel erfolgreicher ist als wir. Ich den ke, da müssen wir nachlegen; da müssen wir Anschluss fin den, um auch bei der CO2-Bilanz besser zu werden. Denn es darf niemanden von uns zufriedenstellen, dass Baden-Würt temberg mit einer CO2-Einsparung von nur 12 % gegenüber 1990 leider viel schlechter dasteht als der Bund.

Insofern brauchen wir gute und schöne Reden hier im Land tag, auf Kongressen, brauchen wir gute und schöne Broschü ren. Aber noch wichtiger ist, dass wir in der konkreten Praxis vorankommen. Mit anderen Worten: Insgesamt ist in unserem Innovationsland viel erreicht worden, aber noch mehr ist auch zu tun.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Bernd Mur schel GRÜNE und Karl-Wilhelm Röhm CDU)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich Frau Abg. Reich-Gutjahr das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute einen Antrag der Grünen aus dem Jahr 2017, der sich mit dem The ma „Innovationsland Baden-Württemberg“ beschäftigt und der klären soll, wie das Potenzial an Innovationen im Bereich der nachhaltigen Entwicklung durch unsere Landesregierung weiter verlässlich stimuliert werden kann. Er enthält elf Fra gen und 20 Seiten Antworten mit viel Grundsätzlichem zum globalen Ressourcenverbrauch und den Klimafolgen der Roh stoffgewinnung sowie einige Beispiele wie die Ultraeffizienz fabrik, Projekte wie „100 Betriebe für Ressourceneffizienz“ und Thinktanks, die Stimulation sein sollen.

Diese Maßnahmen aktivieren aus unserer Sicht möglicherwei se große Unternehmen, sich mit den Fragen in diesem Kon text auseinanderzusetzen. Wir sind uns aber ziemlich sicher, dass sich kleine und mittlere Unternehmen kaum die Zeit neh men werden, an solchen Runden teilzunehmen. Dies hatte ich schon ausgeführt, als wir Anfang 2018 zu diesem Thema spra chen.

Warum wurde der Antrag jetzt aufgerufen? Es hat sich schon gezeigt: Er soll vermutlich dazu dienen, die neueste Landes strategie „Nachhaltige Bioökonomie für Baden-Württemberg“ zu präsentieren und ins Blickfeld der Öffentlichkeit zu rücken. Die Absicht der Regierung ist es, hier dem Verbrauch endli cher, fossiler Energien durch den Einsatz nachwachsender Rohstoffe etwas entgegenzusetzen. Die Details hatten Herr Murschel und Herr Nemeth schon dargestellt.

Ich frage mich: Gibt es dazu bei uns in Baden-Württemberg, in Deutschland oder auf der Welt tatsächlich zu wenige Er kenntnisse aus Forschung und Entwicklung, dass es weiterer Initiativen bedarf? Braucht es auch eine Klimaschutzstiftung, wie von der CDU vorgeschlagen, um bei dem Thema Klima schutz voranzukommen?

Unser Problem liegt doch viel weniger in einem Mangel an Erkenntnissen als in der fehlenden Umsetzung der Erkennt nisse in Innovationen. Denn wenn wir aus den vielen Erkennt nissen Innovationen gemacht hätten, dann wären wir auch bei den Klima- und Umweltschutzzielen deutlich weiter. Bei so vielen Stimuli durch die regierungsseitigen Strategien kann es eigentlich nicht sein, dass wir beim CO2-Ausstoß erst eine Reduzierung um 11 % erreicht haben und damit hinter unse rem Ziel von 25 % bis 2020 deutlich zurückbleiben. Das gilt auch auf Bundesebene. Denn Maßnahmen für den Klima- und den Umweltschutz sind keine rein nationalen oder bundes staatlichen Aktivitäten, sondern sie müssen ganzheitlich er folgen.

Ist vielleicht die Politik selbst mit ihren vielen Einzeleingrif fen der Grund, dass es nicht vorangeht, weil sie stört?

(Vereinzelt Beifall bei der FDP/DVP)

Wir brauchen e i n e Stoßrichtung, die bewirkt, dass sich alle Akteure am Markt aktiv auf die Suche nach Verbrauchs senkungstechnologien und Alternativen zu fossilen Brennstof fen machen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Der bisher beschrittene Weg hat Deutschland jedenfalls in ei ne klimapolitische Sackgasse geführt. Aktuell werden näm

lich neben dem europäischen Emissionshandelssystem – EU ETS – zusätzlich erneuerbare Energieträger gefördert sowie ordnungsrechtliche und fiskalische Maßnahmen zur Steige rung der Energieeffizienz ergriffen. Immer mehr parallel lau fende, nicht aufeinander abgestimmte und sich teilweise so gar widersprechende Einzelmaßnahmen führen jedoch nicht zu einem nennenswerten Fortschritt bei der CO2-Reduktion und damit beim Klimaschutz.

Der Instrumentenmix, den die Politik anwendet, ist kleintei lig, redundant und bürokratisch. Er ist unwirtschaftlich, setzt keine Anreize, innerhalb der Sektoren und über die Sektoren hinweg nach kostengünstigen und wirksamen Maßnahmen der CO2-Einsparung zu suchen.

Immer größer werden die Zweifel an der Bezahlbarkeit der Versorgungssicherheit und der Umweltverträglichkeit der deutschen Energiepolitik. Wir müssen endlich zu marktwirt schaftlichen und effizienten Maßnahmen zurückkehren.

Diese Einschätzung des Sachverständigenrats zur Begutach tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jah resgutachten 2017/18 gilt es aufzugreifen – Zitat –:

Um die deutschen und europäischen Klimaschutzziele... zu erreichen, muss Deutschland jetzt eine Kehrtwende in der Klimapolitik einleiten. Die getrennt vorangetriebene Strom-, Mobilitäts- und Wärmewende ist kontraproduk tiv, da der Staat keine genaue Kenntnis über

jetzt hören Sie gut zu! –

künftige technologische Entwicklungen und damit über die ideale Intensität und Reihenfolge der einzelnen Trans formationen hat.

Sektorenspezifische Ziele und Klimaschutzinstrumente sind kontraproduktiv. Wir brauchen Ansätze, die alle Sektoren technologieneutral miteinander verkoppeln und mit einem ein heitlichen CO2-Preis versehen.

Deswegen hatte die FDP-Bundestagsfraktion bereits im Janu ar 2018 einen entsprechenden Antrag in den Bundestag ein gebracht, auch den Verkehrs- und den Wärmesektor in den Emissionshandel einzubeziehen – zunächst national und dann möglichst schnell EU-weit, ergänzend zu dem bereits vorhan denen Zertifikatehandel.

Leider wurde dieser Antrag von allen anderen Fraktionen ab gelehnt. Das ist in mehrfacher Hinsicht bedauerlich. Wir kom men beim Kampf gegen den Klimawandel nicht voran, wir schöpfen die Innovationspotenziale aus Forschung, Entwick lung, von Tüftlern und Unternehmen nicht aus, und wir ver schenken die Wirtschaftskraft dieser Innovationen, die wir im Hinblick auf strukturelle Veränderungen dringend brauchen.

Frau Abgeordnete, kom men Sie bitte zum Schluss.

Wir brauchen ei nen umwelt- und klimarelevanten Ruck, der durch unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft geht. Der CO2-Zertifika tehandel ist der Königsweg dazu. Kleinteilige Strategien wie die heute vorgetragene verzerren hingegen den Markt und be

hindern den Fortschritt und sind deshalb am Ende auch nicht nachhaltig.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Jetzt hat Herr Minister Un tersteller das Wort. – Bitte.

Verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolle ginnen und Kollegen Abgeordnete, meine sehr geehrten Da men und Herren! Liebe Frau Kollegin Reich-Gutjahr, ich bin völlig anderer Meinung, was den Preis über alle Sektoren be trifft. Ich will Ihnen nur ganz kurz an einem Beispiel erläu tern, warum.

Derzeit haben wir im europäischen Emissionshandel einen Preis von 26 € pro Tonne. Das ist schon einmal erheblich mehr als im letzten oder im vorletzten Jahr, als wir 6 €, 7 € pro Ton ne hatten. Das war kein Preissignal, sodass trotz Ausbaus der erneuerbaren Energien die Braunkohlekraftwerke rund um die Uhr durchgelaufen sind.

26 € pro Tonne sind allerdings ein Signal für die Strombran che mit der Folge, dass im letzten Jahr Steinkohlekraftwerke in Deutschland in einem Umfang aus dem Markt gegangen sind wie noch nie zuvor. Aber 26 € im Wärmesektor und im Verkehrssektor sind kein Preissignal. Das ist sozusagen die Schwankung, die Sie und ich zwischen dem Preis am Morgen und dem am Abend an der Tankstelle sehen. Das ist doch kein Preissignal.