Protocol of the Session on June 26, 2019

Zuerst hat die AfD das Wort. – Herr Abg. Sänze, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zum Verhältnis unseres Bundeslands zur Europäi schen Union möchte ich vorab kurz einige monetäre Aspekte voranstellen,

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

die freilich – das betone ich – für die Begründung unseres heu tigen Gesetzentwurfs nicht entscheidend sind. Entscheidend für unseren Gesetzentwurf ist der ideelle Aspekt, die Stärkung der demokratischen Repräsentation; er soll dazu dienen, der fortschreitenden Entmachtung unseres Parlaments durch meh rere Ebenen der staatlichen Exekutive, die ihre Interessen un tereinander ohne reale Beteiligung des Parlaments aushandelt, zu begegnen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

In dieser Situation ist eine Stärkung der Kompetenzen unse rer Volksvertretung dringend notwendig. Sollte sich die EU weiter politisch integrieren, dann bedeutet dies unter der der zeitigen Verfassungslage künftig de facto die Bedeutungslo sigkeit dieses Parlaments bei jeglichen Entscheidungen von Gewicht.

Dabei gilt Baden-Württemberg mit Recht als eine der wirt schaftlich potentesten Regionen in Europa und trägt entspre chende Lasten. Der Anteil am Haushalt der Europäischen Uni on kostet die Bürger unseres Landes pro Jahr netto ungefähr 3,66 Milliarden €. Nach Baden-Württemberg fließt davon im Rahmen verschiedener EU-Förderprogramme ein Gegenwert von lediglich 710 Millionen € zurück. Wir kaufen uns die Ab satzmärkte für unsere Waren also recht teuer ein. Diese Be lastungen werden nach dem absehbaren Austritt Großbritan niens nochmals deutlich zunehmen.

Fällt erst das Einstimmigkeitsprinzip des EU-Rats in Budget fragen, gibt man der EU ihr eigenes Steuerrecht, dann wird niemand mehr die Plünderung unserer Volkswirtschaft durch die Mehrheit der Ewighungrigen, insbesondere der Südlän der, verhindern können.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Die EU tritt mit dem selbst gegebenen und keinem Bürger je zur Wahl gestellten Anspruch ständiger Vertiefung samt An gleichung der Lebensverhältnisse an, eine Art permanente Re volution hin zu einem EU-Zentralstaat durchzuführen.

Zugleich stellen wir fest, dass der Rat der EU im Grunde ei ne Absprache der amtierenden Regierungen der Mitgliedsstaa ten darstellt. Die Exekutive der EU, die Kommission, ist von keinem Bürger gewählt worden.

(Zuruf von der AfD: Hört, hört!)

Das EU-Parlament, das unsere Vertretung sein soll, hat kein Recht auf Gesetzesinitiativen. Darüber hinaus ist die Stimm gewichtung in diesem geradezu kastrierten Parlament für un ser Land höchst ungerecht. Im Durchschnitt der Nationen ver tritt ein EU-Parlamentarier 485 000 Bürger. Ein luxemburgi scher Abgeordneter vertritt jedoch 83 000 Bürger, ein deut scher hingegen 854 000 Bürger. Selbst in diesem Rahmen ha ben die Bürger unseres Landes nur ein sehr eingeschränktes Sagen.

80 % der Gesetze bzw. ihrer Inhalte, die unser Zusammenle ben regeln, kommen nach Einschätzung unserer Verwaltungs fachleute inzwischen in Form von Direktiven und Sonstigem aus Brüssel. Die Art, wie die Mehrheit in diesem Landtag die se strukturell gewordene Bevormundung geradezu begrüßt und bereit ist, die örtlichen Ausformulierungen des Brüsseler Wunsches durchzuwinken, brauche ich Ihnen sicherlich nicht zu erläutern. Ich empfinde das als Demokrat als schlicht un verständlich und unvertretbar.

Ich bin aber überzeugt: Auch die Bürger unseres Landes ver stehen diese Haltung und die Verfahrensweisen nicht. Sie wol len sehen, dass dieses Parlament als Volksvertreter im wahr haftigen Sinn fungiert und seine Verantwortung für die Inter essen der baden-württembergischen Bevölkerung auch wahr nimmt.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Dafür leisten sie sich den beträchtlichen finanziellen Aufwand für dieses Parlament – samt Ihrer und meiner Privilegien.

Vor diesem Hintergrund möchte ich, dass Sie verstehen, dass uns, die AfD, die den Bürgern vor der Europawahl am 26. Mai gebetsmühlenartig eingebläuten Propagandalosungen von ei nem Brüsseler Zentralgebilde als einer angeblich „ewigen Friedens- und Wohlstandsordnung“ nicht überzeugen. Der Glaube mancher, zentrale Strukturen könnten per se besser sein als Vor-Ort-Strukturen, enthebt uns Abgeordnete nicht unserer eigenen Verantwortung, vor allem nimmt uns dies die Souveränität.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wir, die AfD, wollen, dass die Volksvertretung der Bürger in Baden-Württemberg da ein gewichtiges Wort erhält, wo die Bürger unseres Landes täglich betroffen sind und täglich neue Einschränkungen ihrer Stellung als grundgesetzlicher Souve rän hinnehmen müssen. Dafür ist dieser Landtag da.

Die Mitwirkungsmöglichkeiten unserer Volksvertretung in eu ropäischen Angelegenheiten sind jedoch äußerst beschränkt, da der derzeitige Artikel 34 a der Landesverfassung dem Landtag keine Möglichkeit lässt, die Landesregierung im Rah men der Gesetzgebung im Bundesrat an Beschlüsse des Land tags zu binden.

(Abg. Andreas Deuschle CDU: Das stimmt doch nicht! Das ist falsch!)

Unseren Gesetzesänderungsentwurf begründe ich daher wie folgt: Gemäß Artikel 23 Absatz 1 des Grundgesetzes kann der Bund Hoheitsrechte an die EU übertragen. Die Bundesländer wirken nach Artikel 23 Absatz 2 in Angelegenheiten der EU mit. Gemäß Artikel 23 Absatz 4 des Grundgesetzes ist der Bundesrat an der Willensbildung des Bundes zu beteiligen, soweit er an einer entsprechenden innerstaatlichen Maßnah me mitzuwirken hätte oder die Länder innerstaatlich zustän dig wären.

Da das Landesparlament keine direkte Mitwirkungsmöglich keit hat, sehen wir den Bundesrat in einer Rolle als Treuhän der der Landesinteressen.

Wir sehen aber auch sehr kritisch, dass der Bund heute Ho heitsrechte an übergeordnete Instanzen abtreten kann – und dies auch will –, die er selbst nur der Staatlichkeit der Bun desländer verdankt, deren Volksvertreter das Grundgesetz im Mai 1949 ratifiziert haben. Mit der Verkündung des Grundge setzes am 23. Mai 1949 haben die Länder dem Bund Hoheits rechte übergeben, bei denen er täglich neue Anstalten macht, diese weiterzuveräußern.

Die Volksvertretungen der Länder können nach unserem Ver ständnis dabei nicht länger in einer Weise außen vor gelassen werden, wie es nach der derzeitigen Verfassungsregelung ge schieht.

Derzeit gibt es lediglich in den Verfassungen von BadenWürttemberg und Bayern überhaupt Bestimmungen, die die Landesparlamente in die innerstaatliche Mitwirkung der Län derexekutiven in Angelegenheiten der EU einbinden, damit auch nur ein Mindestmaß an demokratischer Kontrolle ge währleistet wird.

Selbst diese Bestimmungen sind in der derzeitigen Fassung des Artikels 34 a der Verfassung des Landes Baden-Württem berg nur rudimentär verankert. Beispielsweise ist die Landes regierung heute lediglich in Fragen der ausschließlichen Ge setzgebungskompetenz des Landes an Stellungnahmen des Landtags gebunden, nicht aber in den mit der Bundeszustän digkeit konkurrierenden Bereichen.

Überdies wird diese Bindung noch durch ein nebulöses erheb liches Landesinteresse eingeschränkt, welches die jeweilige Landesregierung derzeit nach ihrem Gutdünken und damit nach ihrer politischen Anschauung definieren kann.

Diese bedeutsame Einschränkung gilt sogar in den denkbaren Fällen, in denen per Landtagsbeschluss die Landesregierung ersucht wird, im Bundesrat auf eine Subsidiaritätsklage gegen den Bund hinzuwirken, oder in denen der Bundesrat die Bun desregierung ersucht, zum Schutz von Gesetzgebungszustän digkeiten der Länder Klage vor dem EuGH zu erheben. Nach unserer Anschauung kann der Landtag die Landesregierung heute nicht einmal in Fragen des Schutzes seiner eigenen Kompetenzen wirklich binden.

Die Änderung des Artikels 34 a gibt uns die Möglichkeit, die se wichtige Bindung an die Volksvertretung in Form des Ge setzes zur Stärkung des Landtags in EU-Angelegenheiten zu gewährleisten. Mit der Änderung von Absatz 1 Satz 1 muss die Landesregierung den Landtag künftig zum frühestmögli chen Zeitpunkt über EU-Angelegenheiten unterrichten. Da mit wird die Mitwirkungsmöglichkeit des Landtags gewahrt.

Durch die Änderung von Absatz 2 Satz 1, 2 und 4 kann die Landesregierung in Fragen der Übertragung von Hoheitsrech ten an die EU, welche Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes oder der Länder betreffen, durch Gesetz gebunden werden.

Wenn Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder betroffen sind, ist die Landesregierung in ihren verfassungsgemäßen Aufgaben an die Stellungnahmen des Landtags gebunden. Al lein die Stellungnahme der Volksvertreter definiert damit künf tig das Landesinteresse. Auch in Fragen der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern muss die Landes

regierung im Gegensatz zur bisherigen Verfassungsbestim mung, die dazu nichts sagt, eine Stellungnahme des Landtags künftig maßgeblich berücksichtigen.

Wir handeln damit als Vertreter der Bürger unseres Landes, stärken das Vertrauen der Bürger und erhalten uns die Souve ränität. In diesem Sinn bitte ich dieses Hohe Haus, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE hat Herr Kollege Frey das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kol leginnen und Kollegen! Die AfD will die Modalitäten der Be teiligung des Landtags in EU-Angelegenheiten ändern und bezieht sich dabei auf Artikel 34 a der Landesverfassung. Da bei wird die Beteiligung des Landtags schon seit mehr als acht Jahren über ein spezifisches Gesetz geregelt, nämlich das EULandtagsbeteiligungsgesetz. Dies wurde – hätten Sie in der Landesverfassung weitergelesen, wüssten Sie das – durch Ab satz 3 des Artikels 34 a ermöglicht, wonach ein spezifisches Gesetz dies regeln soll.

Das hat der Landtag getan und hat damit – auch für die Bür gerinnen und Bürger – Verantwortung übernommen, um die Einflussmöglichkeiten wahrzunehmen, die der Vertrag von Lissabon aus dem Jahr 2009 den Regionen ermöglicht. Inso fern haben wir eine verantwortungsvolle Landesverfassung und ebensolche Entscheidungen des Landesparlaments.

Bundesweit hat Baden-Württemberg 2010 eine Vorreiterrolle eingenommen, als es damals genau dieses EU-Landtagsbetei ligungsgesetz auf den Weg gebracht und verabschiedet hat. Von den übrigen Ländern wurde dieses Vorpreschen mit einer Regelung zur Beteiligung in Europaangelegenheiten auf Lan desebene durchaus anerkannt.

Meine Damen und Herren, unser EU-Landtagsbeteiligungs gesetz hat sich in den letzten Jahren bewährt.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Andreas Kenner SPD)

Aber nichts ist so gut, dass man nicht noch daran arbeiten könnte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir ruhen uns dar auf auch nicht aus. 2016 haben wir uns in unserem gemeinsa men Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das EULG weiterzu entwickeln, und haben festgeschrieben, dass wir dies zügig einleiten.

Dazu haben wir uns mehrfach in Arbeitsgruppen getroffen und auch im Europaausschuss darüber gesprochen. Denn in dem Maß, in dem die Aufgaben und Herausforderungen auf euro päischer Ebene wachsen, müssen auch auf regionaler Ebene entsprechende Anpassungen der Rahmenbedingungen gesche hen. So können wir die EU nämlich von unten weiterentwi ckeln, demokratisch und nach dem Subsidiaritätsprinzip. Die ser Prozess ist im Augenblick in vollem Gang. Mehrere Tref fen haben bereits stattgefunden.

Auf dieser Grundlage konnten wir bereits Verbesserungsmög lichkeiten in Bezug auf den Vollzug des EULG identifizieren. Erwogen wird z. B. die Schaffung einer zentralen Koordinie rungsstelle, welche die Abläufe der Unterrichtung in Bezug auf unterschiedliche Ministerien und die Landtagsverwaltung transparenter macht und besser kontrolliert. So könnten die gesetzlich vorgegebenen Unterrichtungsfristen besser einge halten und könnte unsere Arbeit im Ausschuss effektiver wer den.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und der FDP/DVP)

Für all dies brauchen wir keine Änderung der Landesverfas sung. Wir sollten eine gute Landesverfassung nicht einfach ändern, wenn eine gesetzliche Regelung schon vorliegt.

Wenn sich die AfD heute für die Änderung unserer Landes verfassung, für eine Neufassung von Artikel 34 a ausspricht, zeugt das von purer Unkenntnis der Gesetzeslage. Sie erwäh nen in Ihrem Gesetzentwurf nicht mit einem Wort das EULandtagsbeteiligungsgesetz. Es scheint, als hätten Sie in den letzten drei Jahren, seit Sie im Europaausschuss mitarbeiten, gar nicht gewusst, dass dieses Gesetz existiert. Auf welcher Grundlage haben Sie sich denn in den letzten drei Jahren be teiligt?

Sie fordern Beteiligungsrechte des Landtags, die wir in Ba den-Württemberg bereits seit über acht Jahren haben und die gesetzlich geregelt sind. Hören Sie doch damit auf, von Ihrer Parteizentrale erarbeitete, unsinnige Gesetzentwürfe in die Landtage einzubringen. Gehen Sie besser in Klausur und stu dieren erst einmal die Geschäftsgrundlagen unserer Arbeit hier in diesem Haus, statt unsere Verwaltungen mit unnötiger Ar beit zu belasten.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD)