Protocol of the Session on November 8, 2018

Herr Minister Hermann, las sen Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abg. Dr. Fiechtner zu?

Nein. – Wir ha ben diesen Plan gemacht. Es heißt immer wieder, er sei nicht abgesprochen gewesen. Ich sage Ihnen aber: Es gibt eine in terministerielle Arbeitsgruppe, die regelmäßig alle Details und auch Vorschläge aus den Behörden bespricht, die Maßnahmen erörtert, die als günstig angesehen werden, und die sich z. B. auch im Vorfeld des neuen Luftreinhalteplans verständigt hat.

Wir haben den Luftreinhalteplan in den letzten Wochen aus gelegt. Er wird jetzt gerade erarbeitet und wird wahrschein lich Ende dieses Monats oder Anfang Dezember vorgelegt werden.

Interessant ist, was an Stellungnahmen eingegangen ist. Das sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen, weil das ein Spiegel dessen ist, was die Menschen denken. Interessant ist: Es gab 1 500 Stellungnahmen. Von den 1 500 Stellungnah men haben sich 150 gegen das im Luftreinhalteplan niederge schriebene Fahrverbot für Euro-4-Fahrzeuge ab 1. Januar 2019 ausgesprochen – 150 von 1 500.

Jetzt werden Sie sich fragen: Und die anderen? In 50 Stellung nahmen wurden verschiedene Einwendungen geltend ge macht. Damit haben wir 200 Stellungnahmen, und es bleiben noch 1 300 übrig. Diese 1 300 haben sich alle dagegen ge wehrt, dass der Luftreinhalteplan auch das Projekt Nord ostring aufführt. Das sollte auch der CDU einmal zu denken geben. Warum? Weil alle gesagt haben: „Das ist doch keine Maßnahme zur Luftreinhaltung jetzt; das kann allenfalls ein Projekt in den nächsten Jahrzehnten sein, aber keine Hilfe für hier und jetzt.“ Im Übrigen – so haben manche gesagt – ist es vielleicht gar keine Hilfe.

Nur so viel einmal dazu, damit man weiß, wie diese ganze Sa che eingeschätzt wird.

Jetzt will ich zur FDP kommen und zu all den anderen, die ihr da immer beispringen. Dazu gehört auch die SPD. Die FDP macht ja ständig den Vorwurf, unsere Maßnahmen wären weit gehende, geradezu unverschämte Eingriffe ins Eigentum,

(Zuruf: Ja, sind sie doch auch!)

und unglaublich viele Autofahrer wären davon betroffen.

Ich war ja in all diesen Zeiten auch politisch aktiv. Man kann sich an vieles erinnern. Aber wir haben das im Ministerium noch einmal genau recherchiert. Ich kann Ihnen sagen: Ich war dann doch verblüfft, dass unter Beteiligung der FDP ge nau in der Zeit der schwarz-gelben Regierung hier in Stutt gart und in Berlin die Plakettenregelung eingeführt worden ist, und zwar damals auf Initiative der Landesregierung von Baden-Württemberg – die Plakettenregelung, wohlgemerkt. Da ging es um Fahrverbote für alle, die die Plakette nicht be kommen haben.

Das ist auf Ihre Initiative hin gestartet worden und war damals übrigens nichts wirklich Schlimmes in dem Sinn, wie Sie heu te argumentieren. Im Gegenteil, das hat sich ja als System be währt. Ich sage ausdrücklich: Mit den Plaketten – etwa mit der grünen Plakette – haben wir es geschafft, den Feinstaub zu bekämpfen. Das war eine sinnvolle Maßnahme.

Nun werden Sie sagen: „Aber damals haben wir noch nicht so tief eingegriffen.“ Auch das haben wir einmal verglichen. Da war z. B. die Eingriffstiefe bei der grünen Plakette, die Sie in Ihrer Regierungszeit beschlossen haben und die dann in meinem zweiten Jahr als Verkehrsminister in Kraft getreten ist – sie ist aber von Ihnen noch beschlossen worden –, so, dass davon 12 % aller Pkws betroffen waren. Heute sind wir nur bei 9 %. Sie tun aber so, als hätten wir ein Totalverbot ver fügt, während Sie damals nichts gemacht hätten. Das ist doch mehr als scheinheilig. Ich kann nicht verstehen, wie eine Par tei, die vor zehn Jahren geistig schon weiter war, heute einen derartigen Rückfall in die Zeiten vor den Luftreinhaltemaß nahmen in der Umweltpolitik hat.

(Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Nun zu den Übergangsfristen. Heute lassen wir Fahrzeuge zu, die bis zu acht Jahre alt sind. Sie haben aber nur Fahrzeuge zugelassen, die bis zu sechs Jahre alt waren. Auch da sahen Sie eine sehr viel schärfere Regelung vor. Ich wundere mich, wenn man so weit war, dass man heute hemdsärmelig sagt, eigentlich müsse man nichts machen, und Richter beschimpft und meint, eigentlich hätten die anderen nur Schlechtes im Sinn.

Wir haben nur eines im Sinn: Wir wollen die Luft sauber ma chen,

(Zuruf von den Grünen: So ist es!)

und zwar möglichst gezielt. Dafür haben wir hier ein ganzes Paket von Maßnahmen beschlossen. Dazu gehören 450 Mil lionen € für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, für inno vative Maßnahmen zur Luftreinhaltung. Das ist ein breites Spektrum. All das haben wir gemacht, weil wir eben nicht ein zig und allein auf Fahrverbote setzen.

Das machen wir aber auch, weil die Gerichte sehr eindeutig gesagt haben: „Wenn all diese Maßnahmen nicht reichen und wenn ihr von der Einhaltung des Grenzwerts weit weg seid, dann müsst ihr auch Fahrverbote erlassen.“ Deswegen gibt es ein Fahrverbot für Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 4. Das sind dann Fahrzeuge, die neun Jahre und älter sind – das aber eben nur in Stuttgart und nicht in ganz Deutschland.

(Beifall bei den Grünen)

Auch die jetzige Bundesregierung geht ja von Fahrverboten aus. Sie müssen nur den Beschluss lesen. Darin steht doch ganz eindeutig, dass Fahrverbote kommen werden. Deswegen trifft die Bundesregierung Regelungen dazu, allerdings nur unvollkommen. Hierzu nenne ich als Beispiel den neuen Grenzwert, der eingeführt werden soll. Für Fahrzeuge, die ein fahren dürfen, sind das 270 mg Stickoxid pro Kilometer.

Jetzt weiß noch kein Mensch, welche Fahrzeuge das sind. Die Automobilindustrie weiß es selbst nicht. Denn das sind ja Alt fahrzeuge, bei denen man früher gar nicht so gemessen hat. Übrigens sollen sie nach Realemission gemessen werden. Da für gibt es noch gar kein Verfahren.

Jetzt sagen aber schon die Ersten: Ja, wenn es so ist, muss man das alles mit Fahrverboten gar nicht umsetzen.“ Aber wir, die Regierung, müssen auf der Grundlage von Recht und Gesetz handeln, und zwar auf der Grundlage von Bundesrecht und Bundesgesetz. Diese rechtliche Grundlage gibt es jedoch noch gar nicht.

Gestern sollte dieser Punkt zum zweiten Mal im Bundeskabi nett behandelt werden. Er ist jedoch zum zweiten Mal von der Tagesordnung genommen worden. Man hat sich also auf Bun desebene noch nicht darauf verständigt, wie es genau gehen soll. Aber wenn diese gesetzliche Grundlage geschaffen sein wird, ist sie selbstverständlich Rechtsgrundlage für unser Han deln.

Nur, zu glauben, das hätte zum 1. Januar 2019 irgendeinen Ef fekt, ist eine völlige Illusion. Jetzt müssen zunächst einmal die Nachrüstungen für die Fahrzeuge entwickelt werden. Dann muss das Ganze genehmigt und eingetragen werden, und es muss ein Verfahren gefunden werden, wie das dokumentiert und kontrolliert werden kann. Das dauert, wenn es gut läuft, ein halbes Jahr – aber dann muss es schon sehr gut laufen. Wir warten also immer noch darauf, dass die Bundesregierung endlich Klartext redet, was sie will.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen)

Jetzt will ich noch etwas zum Thema „50 Mikrogramm“ sa gen. Herr Rülke,

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Hat die Bun deskanzlerin gesagt!)

die Bundeskanzlerin hat den Wert 50 Mikrogramm genannt. Jetzt muss ich sagen: Auch die Bundeskanzlerin steht nicht über Recht und Gesetz. Das Bundesverwaltungsgericht – das Sie ja permanent ignorieren – hat sehr eindeutig gesagt: Wenn ein Nationalstaat keine Regelung trifft, dann gilt in jedem Fall das europäische Recht.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie will aber eine Regelung treffen!)

Die Grenzwerte gelten erst einmal europaweit. Man kann nicht per Gesetz sozusagen einen anderen europäischen Grenzwert einführen. Das gibt es nicht.

(Zuruf des Abg. Udo Stein AfD)

Auch da muss ich fragen: Wer war in dieser Zeit für all diese Grenzwerte mitverantwortlich? Das waren auch Sie alle! Die se Grenzwerte sind uralt, auf europäischer Ebene eingeführt, von allen Regierungen akzeptiert. Auch in der Zeit, in der Sie in Berlin und in Baden-Württemberg in der Regierung waren, haben Sie nie dagegen polemisiert, sondern dies akzeptiert, weil es vernünftig war. Jetzt spielen Sie sich dauernd als „Un vernunft“ auf.

Meine Damen und Herren, es wird uns auch nicht helfen, die 40 g, die zählen – –

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Auf 40 g können wir uns einigen!)

40 Mikrogramm. – Natürlich wird kein Mensch ein Fahr verbot verhängen, wenn sich der Wert in der Nähe von 40 Mi krogramm befindet. Wenn sich der gemessene Wert in der Nä he befindet, wird es auch keine Fahrverbote geben. Wir haben in der Koalition eine klare Verabredung. Wir werden uns Mit te des nächsten Jahres anschauen, was die tatsächlichen Wer te sind, und dann schauen wir, wie es weitergeht. Das ist sehr klar: Wir handeln nicht einfach drauflos, sondern wir handeln in Schritten.

Jetzt sage ich noch etwas zum Thema Busspur und zu den Übergängen. Die Busspur ist von der SSB eingerichtet wor den und nicht vom Land Baden-Württemberg.

(Zuruf: Aha!)

Der Überweg ist vom Gemeinderat der Stadt Stuttgart be schlossen worden, nicht von OB Kuhn und nicht von den Grü nen hier im Landtag. Sie haben das nach langer Debatte ent schieden. Den Bus halte ich für eine gute Maßnahme, aber die Busspur muss optimiert werden. Denn ein Bus, der ein Schnellbus ist, aber erst einmal an der Kreuzung im Stau steht, ist natürlich nicht optimal eingerichtet.

Den Beschluss eines Überwegs kann man beschimpfen, aber das ist dann wirklich eine Beschimpfung des Gemeinderats der Stadt Stuttgart. Im Übrigen hat man dort sehr heftig über die Frage diskutiert: Bringt der Überweg etwas, oder bringt er nichts? Der Überweg wird mit dem anderen Überweg, der vorn an der Charlottenkreuzung ist, gleichgeschaltet werden und damit keinen zusätzlichen Stau auslösen. Das war ja ge nau die Argumentation. Das wird nicht helfen.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das ist falsch! Das hat sogar der Gutachter gesagt!)

Wahr ist, dass wir in der Stadt eine andere Politik brauchen. Wir brauchen mehr ÖPNV, wir brauchen einen besseren Rad verkehr, wir brauchen einen besseren Fußverkehr. Die Stadt Stuttgart hat sich auf den Weg gemacht. Wir werden sie dabei unterstützen, weil wir natürlich wollen, dass die Luft in Stutt gart sauber wird und die Grenzwerte eingehalten werden.

Noch mal: Es kommt darauf an, dass man insgesamt eine neue, eine andere Verkehrspolitik macht, die sich am Men

schen, an der Gesundheit orientiert, die Mobilität ermöglicht und Stau beseitigt. Das ist doch das eigentliche Ziel, die ei gentliche Aufgabe.

(Beifall bei den Grünen)

Meine Damen und Herren, mit Mäkeln, mit scheinheiligen Begründungen, mit Widersprüchen, mit einer Position, die ständig wechselt und sich in Positionslosigkeit verliert, kann man des Problems nicht Herr werden. Setzen Sie sich doch endlich einmal mit der Situation und mit der Tatsache ausei nander, dass wir das Problem der schlechten Luft haben, dass man dagegen etwas tun muss, und schwätzen Sie nicht immer über andere Sachen wie Bärte und sonst etwas.

(Beifall bei den Grünen und des Abg. Thomas Dörf linger CDU)

In der zweiten Runde erteile ich das Wort für die FDP/DVP-Fraktion Herrn Abg. Hauß mann.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen Kat zenstein und Dörflinger haben gesagt, die FDP bringe nie ir gendwelche Vorschläge. Ich darf an die letzte Legislatur erin nern, als wir die Mobilitätsoffensive Baden-Württemberg prä sentiert haben.

(Zuruf des Abg. Thomas Dörflinger CDU)

Da waren Sie beide leider noch nicht im Landtag. Wir haben hier in Stuttgart einen Achtpunkteplan präsentiert. Wir haben gerade mit der Bundestagsfraktion ein Papier abgestimmt, und wir haben über alle Fraktionen in den Ländern hinweg ein ge meinsames Positionspapier verabschiedet. Es tut mir leid, wenn Sie das nicht immer alles verfolgen, aber wir können Ihnen gern einmal zur Verfügung stellen, was die FDP hier, in allen anderen Ländern sowie im Bund bisher gemacht hat. Das kann sich wahrlich sehen lassen.

(Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE: Vor Jahren ge macht! Jetzt kommt nichts mehr!)