Protocol of the Session on July 18, 2018

(Beifall bei den Grünen – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Sehr gut!)

Herr Abg. Hahn, kommen Sie bitte zum Schluss.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Die Rede ist so gut, er soll ruhig weiterreden!)

Zum Schluss: Wir können die Belange der Ökologisierung und des Tierwohls – das, was wir letzte oder vorletzte Woche zum Thema Tierwohl diskutiert haben – nur über die zweite Säule umsetzen. Ohne investive Unterstützung für Bäuerinnen und Bauern auf diesem Weg geht es nicht. Darum brauchen wir diese starke zweite Säule, um die ökologischen Belange, die Belange des Natur- und Umweltschutzes, um sozusagen die Einkommensgenerierung für Bäuerinnen und Bauern, die sich diesem Weg auch ver

schrieben haben, massiv zu unterstützen. Ich werbe dafür, dass wir unseren ganzen Einsatz in diese Richtung bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Rapp.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst einmal eine persönliche Anmerkung. Wenn wir über Diesel motoren reden, über Abgase reden, ist das Haus voll, wenn wir über die Grundlage unseres Lebens, nämlich die Ernäh rung, reden, ist das Haus halb leer.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der AfD – Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP: Sehr richtig! – Weitere Zurufe)

Darüber sollten wir uns auch grundlegende Gedanken ma chen.

Zunächst geht es um die Zielsetzung der Gemeinsamen Ag rarpolitik, um die Rahmenbedingungen, die auf der Ebene der Europäischen Union gesetzt werden, um Landwirtschaft in den einzelnen Staaten umsetzen zu können. Deswegen ist es auch wichtig, dieses Thema auf mehreren Ebenen zu betrach ten. Ziel dieser Gemeinsamen Agrarpolitik ist es, Landwirtin nen und Landwirte zu unterstützen, die Ernährung in Europa zu sichern, Belange des Natur-, des Umwelt-, des Klimaschut zes im Blick zu halten und letztendlich die Förderung der Strukturen im ländlichen Raum im Fokus zu haben. Insgesamt geht es also darum, Strukturen zu schaffen, die eine stabile Landwirtschaft in der gesamten Europäischen Union ermög lichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Unter Betrachtung aller Entwicklungen, die wir bisher in die sem Segment, in diesem Sektor, in diesem Politikfeld hatten, bekennt sich die CDU, bekennt sich die CDU-Fraktion hier im Landtag zur bisherigen und erfolgreichen Grundstruktur der aus zwei Säulen bestehenden Gemeinsamen Agrarpolitik.

Vielleicht muss ich mir noch zwei Sätze zu diesem Zweisäu lenmodell gönnen. Man muss ja auch wissen, warum es so existiert, wie es existiert. Zum einen hat die Bevölkerung auf unterschiedlichen Ebenen Ansprüche an die Landwirtschaft, die letztendlich zur Erhöhung von Kosten und zu gewissen Einschränkungen führen. Das sind Dinge, die über die Direkt zahlungen, über diese erste Säule ausgeglichen werden.

Dann haben wir eine zweite Struktur, die zweite Säule, bei der es darum geht, die Verbesserung – Kollege Hahn hat es ge sagt –, die Zukunft auch ein Stück weit abzubilden. Wir ha ben hierzu speziell in Baden-Württemberg die Agrarumwelt maßnahmen, bei denen wir auch sehr stark technologische As pekte mit Blickrichtung Zukunft, mit Erhalt der Ernährungs sicherheit einbringen. Deshalb sind wir der Auffassung, dass dieses Zweisäulenmodell die Grundfeste in der landwirtschaft lichen Politik, der landwirtschaftlichen Förderung und Finan zierung abdecken kann.

Aber wir sehen die Wolken am Horizont. Die Ausgangslage hat sich verändert. Wir haben auf der einen Seite den Austritt Großbritanniens aus der EU zu befürchten; das heißt, ein we sentlicher Nettozahler fällt weg. Etwa 14 Milliarden € wer den im System fehlen, wenn es keine Kompensation gibt.

(Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

Auf der anderen Seite haben wir neue Zielsetzungen der Eu ropäischen Union im Bereich der Wissenschaft, der Migrati on, der Digitalisierung, aber auch der Sicherheit. Die Verrin gerung des Gesamtbudgets und der Zuwachs der Aufgaben machen es umso schwieriger, auch im landwirtschaftlichen Sektor die gleiche Unterstützung halten zu können, die wir bisher hatten.

Nichtsdestotrotz werden diese Kürzungen von uns scharf kri tisiert, und wir bitten auch Minister Peter Hauk, sich in Brüs sel für unsere Belange einzusetzen. Bundeslandwirtschafts ministerin Julia Klöckner hat diese Punkte ebenfalls kritisch angemerkt, und auch EU-Kommissar Oettinger spricht davon, im Zweifel sogar die Zuzahlungen aus den nationalen Kassen etwas anzuheben.

Eines ist ebenfalls klar, und das sehen wir positiv: die Ankün digung von Kommissar Hogan, Bürokratie zurückzunehmen, Vereinfachungen und Entlastungen für die Landwirtinnen und Landwirte in der Fläche. Eine Senkung des Verwaltungsauf wands muss umgesetzt werden. Dies kann uns dabei helfen, das, was in der Landwirtschaft passiert, effizienter und stabi ler zu machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Aber aus der Sicht der CDU gibt es einige Punkte, die in Rich tung Neuausrichtung einer Gemeinsamen Agrarpolitik disku tiert werden müssen und in den besonderen Strukturen des Landes Baden-Württemberg verankert sind. Unser Land ist von kleinen, familiengeführten bäuerlichen Betrieben geprägt. Diese sehen sich natürlich besonderen Herausforderungen im Hinblick auf Flächengrößen und die Palette der landwirt schaftlichen Angebote gegenüber. Hinzu kommt, dass sich die gesellschaftlichen Erwartungen mit Blick auf die Produktion von Lebensmitteln bis hin zum Tierwohl stark verändert ha ben. Unser Ziel muss es daher sein, die bisher bewährten und kleinen Strukturen im Land zu erhalten, keine industrialisier te Landwirtschaft aufkommen zu lassen und Baden-Württem bergs Markenzeichen, die bäuerlichen Betriebe, in die Zukunft zu führen und ihnen die Möglichkeit zu geben, Innovationen und den Einsatz digitaler Technologien sinnvoll zu nutzen.

Aber auch die Umsetzung von Umwelt-, Tierschutz- und Kli mazielen muss in einem ausgewogenen Maß gewährleistet sein. Durch die derzeit vorgesehene erhebliche Kürzung sind viele Zielsetzungen gefährdet, und dies kann natürlich nicht in unserem Interesse sein. Daher bitten wir – auch mit Blick auf ganz Deutschland – um die entsprechende Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Ich habe es bereits angesprochen: Die Landwirtschaft befin det sich im Wandel. Es gibt einen hohen Erwartungsdruck von vielen Seiten – vonseiten der Gesellschaft – auf die Landwirt schaft, speziell in den Bereichen Artenschutz, Biodiversität, Klima-, Umweltschutz und Tierwohl. Diese Herausforderun

gen sind nur dann zu meistern, wenn die notwendigen Finanz mittel zur Verfügung stehen. Wir sehen es daher als mehr als richtig und wichtig an, dass sich alle Ebenen einbringen, um diese Kürzungen – Kollege Hahn hat es angesprochen – in der zweiten Säule zu verhindern.

Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft in Baden-Würt temberg ist aus unserer Sicht bislang gut aufgestellt, und das soll in Zukunft so bleiben. Deshalb ist es auch für uns die Vi sion 2030, dass die beiden Flügel der Landwirtschaft – kon ventionell auf der einen und ökologisch auf der anderen Sei te – in Zukunft stärker zusammenwachsen, mehr oder weni ger ein Voneinander-Lernen und eine gemeinsame Ausrich tung der EU-Politik sowie der Politik im Land der Hintergrund sind. Die beiden Seiten dürfen nicht – es gibt manche Grup pen, die das gern tun würden – gegeneinander ausgespielt wer den, sondern sie müssen miteinander lernen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen)

Der Fokus darf auch nicht ausschließlich auf die Unterstüt zung ökologischer Bewirtschaftung gerichtet werden, wäh rend auf der anderen Seite alles so belassen wird, wie es ist. Denn auch wenn die Stärkung des Ökolandbaus das erklärte Grundziel ist: Die Ausgewogenheit darf nicht leiden.

Denn wir alle wissen: Eine überproportionale Verschiebung in diesem Segment führt natürlich auch zur Frage nach der Verfügbarkeit von Flächen. Ökologisch wirtschaftende Be triebe haben 30 % mehr Flächenbedarf für die Produktion ge nau der gleichen Menge an Nahrungsmitteln wie konventio nell wirtschaftende Betriebe. Insofern müssen wir uns hier auch gewahr sein, welche Konkurrenzsituation die Landwirt schaft letztendlich vorfindet – mit Verkehrsflächen, mit Aus gleichsflächen, mit Siedlungsflächen. Deswegen ist es auch wichtig, dass wir, wenn wir über Landwirtschaft reden, diese Dinge im Blick haben.

Wichtig wird aber auch sein, den modernen ökologischen An sprüchen, den Möglichkeiten technischer Neuerungen, dem Bedürfnis nach Regionalität, nach mehr Biodiversität und nach der Qualität der Lebensmittel gerecht werden zu können. Dies wird damit einhergehen, dass wir auch die eine oder an dere gesellschaftliche Frage stellen und auch in der Öffent lichkeit diskutieren. Dazu gehört z. B. die Frage: Wie gehen wir mit der Forderung um, möglichst viele Flächen unter Schutz zu stellen und dies in Einklang zu bringen mit einem stärker werdenden Wunsch der Bevölkerung nach mehr regi onalen Produkten? Denn wie soll regional produziert werden, wenn immer weniger Flächen hierfür zur Verfügung stehen?

Auch die Vorteile der Digitalisierung in der Landwirtschaft müssen diskutiert werden. Ein Einsatz von neuer Technik kann dazu beitragen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu re duzieren, umweltschonender zu wirtschaften und die Vor- und Nachteile, die unterschiedliche landwirtschaftliche Produkti onsformen aufweisen, entsprechend zusammenzuführen, ab zuschmelzen – bis hin zu neuen Züchtungen. Im Weinbau gibt es dies mit den pilzresistenten Arten zum Teil schon.

Diesen Fragestellungen können wir uns aber nur dann wid men, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Die GAP muss dazu beitragen, diesen Rahmen zu setzen, damit wir die posi tiven Effekte des Ökolandbaus mit den Fortschritten des kon ventionellen Landbaus in der Zukunft verbinden können, da

mit wir den bereits beschrittenen Weg, den wir mit FAKT, mit AFP unterstützen, weiterführen können.

Eines ist auch klar – das darf nicht außer Acht gelassen wer den –: Die GAP-Politik ist auch eine Politik für den ländli chen Raum. Und der ländliche Raum ist für uns in BadenWürttemberg eben nicht nur Kulisse und Landschaft in der Vitrine, er ist Heimat für viele Menschen und Grundlage ei ner funktionierenden Landwirtschaft.

(Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Grünen)

Deswegen sind die wichtigen Weichen, die gestellt werden müssen, eine auskömmliche Finanzausstattung, der Abbau von Bürokratie, die Stärkung von Umwelt- und Klimaschutz, ein Verbinden von konventioneller und ökologischer Landwirt schaft, sodass die regionalen Gestaltungsspielräume genutzt und bewährte Strukturen auch erhalten werden können.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Stein.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal möchte ich heute, am 18. Juli 2018, darauf hinweisen, dass wir heute den Steu erzahlergedenktag haben. Dieser war noch nie so spät im Jahr.

Vor einem Jahr haben die Grünen im Bundestag eine sehr aus führliche Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine An frage zum Agrarstrukturwandel und zu den Zahlungen der ers ten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik bekommen. Die Ant wort der Bundesregierung ist nichts anderes als die Bankrott erklärung der Agrarpolitik der letzten 20, 30 Jahre und ein ver teilungspolitischer Skandal ersten Ranges.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Der Skandal in Zahlen: Im Jahr 2016 bekamen die größten Betriebe in Deutschland – 3 200 an der Zahl, 1 % aller Betrie be – 22 % der Zahlungen aus der ersten Säule, den flächenab hängigen Direktzahlungen. 1 % der Betriebe bekamen 22 % des Geldes. Finden Sie das gerecht? Glauben Sie, der Steuer zahler findet das gerecht, wenn er es denn wüsste? In Euro: Diese 3 200 Betriebe bekommen 669 Millionen € von insge samt 3 Milliarden €. Das sind pro Betrieb ca. 210 000 € allein aus dieser ersten Säule.

Die oberen 10 % der Betriebe – 32 000 an der Zahl – griffen 55 % des Geldes ab, 1,67 Milliarden € oder 52 000 € pro Be trieb. 10 % der Betriebe bekamen 55 % des Geldes. Finden Sie das gerecht, und glauben Sie, der Steuerzahler findet das gerecht, wenn er es denn wüsste? Genau deswegen stehe ich hier und sage das jetzt.

Wenn aus einer Steuersubvention, deren ursprüngliches poli tisches Ziel die Einkommensstützung der Landwirte war, die oberen 10 % der Betriebe, die diese Stütze am wenigsten nö tig haben, 55 % des Geldes kassieren, dann muss von einem verteilungspolitischen Skandal gesprochen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Das ist ungefähr so, wie wenn Beamte und leitende Angestell te mit mindestens 100 000 € Bruttoeinkommen im Jahr 55 % der Hartz-IV-Zahlungen noch obendrauf bekommen würden und für die wirklich Bedürftigen dann nur noch 45 % des Gel des übrig wären.

(Abg. Karl Rombach CDU: Von was schwätzen Sie denn?)

Von der Verteilung der ersten Säule rede ich gerade. – Herr Kollege von der CDU, Sie haben gerade eben gesagt: „Die Landwirtschaft in Baden-Württemberg ist gut aufgestellt.“ Die Bankrotterklärung dieser Agrarpolitik besteht darin, dass hier in Baden-Württemberg in den letzten Jahren 70 % der Bau ern in unserem Land aufgeben mussten.