Wir werden heute in Berlin darüber sprechen, wie Mustersam melklagen aussehen werden; auch das hat immer wieder ein mal mit Digitalisierung zu tun. Morgen werden wir vielleicht darüber reden, wie geistiges Eigentum besser geschützt wer den kann.
Eindeutig ist, Kolleginnen und Kollegen: Wir dürfen es fi nanz- und wirtschaftspolitisch nicht zulassen, dass im Zuge der Digitalisierung eine digitale Parallelwelt entsteht. Es ge hört sich einfach, dass der Staat dafür sorgt, dass wir mit der Wirtschaft in einer gemeinsamen Welt leben, meine Damen und Herren.
Der Einzelhandel ist heute der Hauptbetroffene. Der ehrliche Händler zahlt seine Miete in der Innenstadtlage. Wer hinge gen in einem Shoppingcenter, vielleicht am Rand der Stadt, sein Geschäft hat, wer Teil einer Kette ist, der kann seine Ge winne schönrechnen, indem er Patentabgaben geltend macht und damit keine oder weniger Steuern bezahlt.
Der Fahrradhändler ist derjenige, der den Kunden berät. Am Ende, nach dieser Beratung, geht der Kunde und kauft online ein. Das wollen wir alle nicht. Dieses Verhalten kann sicher lich nur begrenzt beeinflusst werden, weil der Kunde zunächst einmal autonom und autark ist, aber wir wollen das nicht. Wir wollen auf gesetzlicher Ebene so viel tun, wie möglich ist, um dies zu verhindern.
All dies ist auch wichtig für uns, weil wir mit Blick auf die andere Seite des Atlantiks keineswegs davon ausgehen kön nen, dass die Art von Wirtschafts- und Finanzpolitik, wie wir sie betreiben, dort gern gesehen wird. Deswegen ist es gut, wenn wir eine gemeinsame und konsistente Haltung haben. Ausnahmen davon können wir verschmerzen. Aber in diesem Haus ist es wichtig, dass man hier eine klare Linie zeigt – vie len Dank, Frau Ministerin.
Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für eine Aktuelle Debatte ist dieses Thema eigentlich ein bisschen trocken.
Dennoch ist es wichtig; das haben meine Vorredner ja schon gesagt. Deswegen möchte ich versuchen, noch einige Punkte herauszuarbeiten, damit ich mich nicht dauernd wiederholen muss.
Grundsätzlich unterstützt die FDP/DVP-Fraktion die Initiati ve der Finanzministerkonferenz, die Onlinehändler stärker in die Pflicht zu nehmen. Darüber besteht hier im Haus, glaube ich, ein grundsätzlicher Konsens.
Aber vielleicht einige Punkte: Worum geht es? Über welche Summen sprechen wir eigentlich? Das Volumen des weltwei ten Onlinehandels im Einzelhandel beträgt etwa 1,6 Billio nen € – bei einem weltweiten Handelsvolumen von 14,5 Bil lionen €. Das Handelsvolumen in Deutschland beträgt ca. 1,2 Billionen € und das Onlinevolumen 60 Milliarden € – damit wir einmal wissen, über welche Größenordnung wir uns hier unterhalten.
Die Umsatzsteuer, um die es hier geht, machte im Jahr 2016 mit 166 Milliarden € rund ein Viertel der Steuereinnahmen der Bundesrepublik Deutschland aus. Die Umsatzsteuer ist neben der Lohn- und Einkommensteuer die einträglichste Steuer für Bund und Länder, und – nebenbei gesagt – aus der Umsatzsteuer bekommen die Länder einen Anteil von 44 %. Ursprünglich als Konsumsteuer konzipiert, spielt die Umsatz steuer mittlerweile eine große und bedeutende Rolle in unse rem volkswirtschaftlichen Gefüge.
In diesem Zusammenhang, Frau Wolle, wenn Sie schon zitie ren und Zahlen anführen: Das, was Sie da gesagt haben, war nicht ganz korrekt. Natürlich, die 49,6 % stimmen. Da liegen wir an zweiter Stelle bei der Besteuerung in Europa. Aber jetzt müssen Sie ehrlicherweise sagen: Für eine vierköpfige Fami lie liegen wir bei etwa 34 oder 35 %, und da sind wir an sechs ter Stelle – nur damit Sie das auch wissen. Da müssen wir die Zahlen auch nennen.
Bei den Asiaten – das wurde schon gesagt – besteht das Pro blem, dass sie diese Umsatzsteuer nicht bezahlen. Worum geht es? Herr Hofelich sprach von 1 Milliarde €; ich glaube, es sind etwa 400 bis 500 Millionen €, und bei einem Gesamtsteuer aufkommen der Bundesrepublik Deutschland von etwa 700 Milliarden € sind das natürlich keine Peanuts. Auf BadenWürttemberg heruntergerechnet – das ist ja das, was uns hier interessiert –, sind es round about 60 Millionen €. Das sind, trotz allem, keine Peanuts.
Handelt es sich hierbei um eine Steuerlücke, die man ausnut zen kann? Nein. Es handelt sich nicht um eine Gesetzeslücke, sondern um Betrug. Das muss ganz klar gesagt werden.
Der Steuerbetrug ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass der Onlinehändler durch die Nutzung der Plattform, wie hier schon von verschiedener Seite betont wurde, Möglich keiten hat, sich sozusagen den Finanzbehörden zu entziehen. Das ist das Problem, um das es jetzt geht.
Für uns Freie Demokraten gilt: Wer hier in Deutschland Wa ren verkauft, muss auch Umsatzsteuer bezahlen.
Alles andere schadet dem fairen Wettbewerb. Trotzdem – da rauf müssen wir hinweisen – ist dieser Vorschlag nur eine Krü cke und beseitigt nicht das Grundproblem. Deshalb ist es wichtig, dass Europa mit den Chinesen bei diesem Thema zu einem Informationsaustausch und zu Verträgen kommt. Ich appelliere deswegen an die Regierung, sich im Bundesrat da für einzusetzen, dass dies so schnell wie möglich in die We ge geleitet wird. Denn das ist ein weiterer Schritt in Richtung Steuergerechtigkeit.
Um jedoch effektiver gegen Umsatzsteuervermeidung vorzu gehen, brauchen wir – Herr Hofelich hat das ja eindeutig be tont – auch ein europäisches Konzept.
Wir begrüßen deshalb, dass die Europäische Union an einer neuen Richtlinie arbeitet, die klar regelt, wie dem Umsatz steuerbetrug in Europa das Handwerk gelegt werden kann – aber, und das möchte ich betonen, bitte mit Augenmaß. Es darf in der Debatte nicht der Geist der Technologiefeinde mit schwingen nach dem Motto: „Wenn ich es nicht verbieten kann, kann ich es wenigstens besteuern.“ Denn nach den Un gewissheiten im weltweiten Handel, die uns in nächster Zu kunft wahrscheinlich bevorstehen, sollten wir uns nicht noch weiter eigene Handelshemmnisse aufbauen. Stattdessen soll ten wir engstirnigen Protektionismus mit größeren Freihan delsanstrengungen beantworten. Freihandelsabkommen wie CETA oder Mercosur sind die richtigen Signale.
Schön wäre es, wenn es auch hierfür mehr Unterstützung in diesem Haus gäbe und man die Debatten zum Freihandel nicht mit hysterischen Fake News belasten würde.
Auf eines möchte ich zum Schluss meiner Rede noch einmal hinweisen: Es geht bei dieser Initiative der Bundesländer nicht um die Einführung einer neuen – wie auch immer genannten – Digitalsteuer, wie wir sie letztens im EU-Ausschuss bespro chen haben, die dort kurzfristig eingeführt wird, sondern es geht darum, dass eine bestehende Steuer tatsächlich auch ein getrieben wird.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol legen! Ich freue mich, dass wir heute diese wichtige Debatte
hier im Landtag von Baden-Württemberg führen. Denn die Steuereinnahmen sind das Fundament unseres starken Ge meinwesens. Jeder muss und soll einen fairen Anteil leisten, um unser Gemeinwesen zu finanzieren. Es kann nicht sein, dass sich Einzelne aus dieser Verantwortung schleichen. Nie mand darf sich auf Kosten aller anderen seiner Steuerpflicht entziehen.
Das, meine Damen und Herren, ist eine zentrale Frage von Gerechtigkeit, und es ist eine Frage der fairen Wettbewerbs bedingungen. Deshalb gehen wir gegen fragwürdige Steuer gestaltungen vor. Wir gehen gegen Gewinnverlagerungen in ternationaler Konzerne vor. Wir bekämpfen entschlossen Steu erbetrug – egal, wo und durch wen er stattfindet.
Ein Bereich – es ist bereits angesprochen worden –, wo Steu erbetrug in großem Stil stattfindet, ist der Onlinehandel. Da mit muss Schluss sein, meine Damen und Herren.
Deshalb haben wir, die Finanzminister und -ministerinnen der Länder, auf der Jahreskonferenz Ende Mai auf eine Initiative von mir gemeinsam mit Hessen die Einführung einer Haf tungsregelung im Onlinehandel beschlossen. Das ist wahrlich ein wichtiger Meilenstein gegen den Mehrwertsteuerbetrug in diesem Bereich.
Meine Damen und Herren, das ist eine gute Nachricht für al le ehrlichen Händler. Es ist eine gute Nachricht für die öffent lichen Haushalte, und es ist eine gute Nachricht im Kampf für mehr Steuergerechtigkeit.
Der Onlinehandel wächst rasant. 2017 nahm er in Deutsch land um 11 % zu. Insgesamt kauften die Kundinnen und Kun den online Waren im Wert von 58,5 Milliarden €. Das ist ei ne gigantische Summe.
Ja, vom Sofa aus zu bestellen und bis zur Tür geliefert zu be kommen, das ist praktisch und bequem. Aber im Onlinehan del muss es eben auch gerecht und fair zugehen. Das ist lei der heute oft nicht der Fall. Viele, zu viele Händler begehen Mehrwertsteuerbetrug.
Worin besteht das Problem konkret? Viele Händler aus Dritt staaten – häufig aus China oder Hongkong – nutzen die virtu ellen Marktplätze, um ihre Waren in Europa zu verkaufen. Das sind häufig günstige Massenprodukte wie Druckerpatronen, Handy-Akkus, USB-Sticks oder Lichterketten. Viele dieser Händler sind in Deutschland steuerlich nicht registriert, be rechnen und zahlen keine Mehrwertsteuer, oder sie berechnen die Mehrwertsteuer zwar dem Kunden, führen sie aber nicht an das Finanzamt ab, sondern streichen sie als einen Extra profit selbst ein.
Die Folge sind massive Wettbewerbsnachteile für steuerehr liche heimische Unternehmen. Wir reden hier von Geschäf ten in Milliardenhöhe, die ehrlichen Anbietern verloren ge hen. Je nach Schätzung dürfte es sich um eine Summe zwi schen 1 und 5 Milliarden € handeln –
1 bis 5 Milliarden €, die denen entgehen, die zuverlässig und ehrlich wirtschaften. Das ist nicht fair, meine Damen und Her ren, und das geht gar nicht.
Bei den geringen Gewinnmargen, die es eben im Onlinehan del gibt, können gerade kleinere und mittlere heimische Händ ler nicht mithalten, wenn andere 19 % weniger verlangen.