Protocol of the Session on June 14, 2018

Die Einzelhänd ler in unseren Innenstädten, in unseren Quartieren, die auch dafür sorgen, dass wir attraktive Quartiere und Innenstädte ha ben, stehen durch den Onlinehandel sowieso unter Druck. Ge rade deshalb ist es besonders wichtig, hiergegen vorzugehen.

Frau Ministerin, lassen Sie ei ne Zwischenfrage des Herrn Abg. Dr. Schweickert zu?

Ja, bitte.

Frau Ministerin, vie len Dank für das Zulassen der Zwischenfrage.

Ich kann vielen Dingen, die Sie gesagt haben, zustimmen. Sie haben vorhin die Produkte aufgezählt. Jetzt haben wir aber in der Internetwelt auch Plattformen, bei denen es nicht um ein reales Produkt geht. Ich sage dann immer: Wenn es kein Pro dukt gibt, bist du das Produkt. Das ist das Thema „Daten, Wer te, Informationen“.

Wie sieht es denn da mit den Vorstellungen der Landesregie rung bezüglich der Besteuerung aus? Denn das ist ja zusätz lich zu den Milliardenwerten, die Sie genannt haben, noch on top.

Ja, das ist eben falls ein wichtiges Thema. Das steht auch im Zusammenhang mit BEPS. Das ist gerade schon angesprochen worden. Dazu würde ich gern später noch ein paar Sätze sagen.

Also, meine Damen und Herren: Wir haben aufgrund von Mehrwertsteuerbetrug Steuerausfälle – hohe dreistellige Mil lionenbeträge –, und auch das ist nicht gerecht. Das geht gar nicht.

Es ist schon angesprochen worden: Die EU arbeitet an einer einheitlichen europäischen Regelung, um solchen Mehrwert steuerbetrug im Onlinehandel zu unterbinden. Im Dezember 2017, also Ende letzten Jahres, ist eine entsprechende Vor schrift verabschiedet worden. Danach soll der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes zukünftig die Umsatzsteuer für die Lieferung an den Verbraucher schulden.

So weit, so gut und auch so sinnvoll, aber diese Vorschrift tritt eben erst 2021 in Kraft. Sollen wir so lange warten und Steu erausfälle in Millionenhöhe hinnehmen? Sollen wir für wei tere Jahre die Wettbewerbsverzerrung zulasten der Unterneh men in unserem Land akzeptieren? Das, meine Damen und Herren, kam für mich nicht in Frage.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Deswegen haben wir bereits im letzten Jahr, im Mai 2017, zu sammen mit meinem hessischen Kollegen das Thema auf die Tagesordnung der Jahresfinanzministerkonferenz gesetzt. Ziel war eben die Einführung einer Haftungsregel, um schnell und wirksam den Mehrwertsteuerbetrug im Onlinehandel einzu dämmen.

Es gab dann eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die sich ein Jahr lang intensiv mit diesem Thema beschäftigt hat und die jetzt vorliegende Haftungsregel erarbeitet hat. Lieber Kolle ge Hofelich, ich glaube zu wissen, dass es damals noch kei nen SPD-Bundesfinanzminister gegeben hat.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Also: Es war eine Initiative aus Baden-Württemberg zusam men mit Hessen und dann auch den anderen, und wir sind da gut vorangekommen.

Wir nehmen die Betreiber von Internetmarktplätzen in Haf tung, wenn bei ihnen tätige Händler die Umsatzsteuer nicht abführen. Das bedeutet nicht, dass wir es explizit auf die Markt platzbetreiber abgesehen hätten, aber sie sind der Schlüssel; denn sie haben die Verbindung zu den Händlern aus Drittlän dern, sie haben mit ihnen eine Geschäftsbeziehung. In Zukunft müssen sie sich von den Händlern einen Nachweis über de ren steuerliche Registrierung vorlegen lassen. Ist das gesche hen, dann sind die Marktplatzbetreiber grundsätzlich von der Haftung ausgenommen; das gilt auch dann, wenn die Steuer behörden sie auf nicht registrierte oder steuerunehrliche Händ ler aufmerksam machen und sie diese dann in einer festgeleg ten Frist vom virtuellen Marktplatz ausschließen.

Das Ziel ist also, dass sich auch im Drittland ansässige On linehändler in Deutschland steuerlich registrieren lassen und ordnungsgemäß ihre Umsatzsteuer bezahlen.

Damit es keine Ausweichbewegungen geben kann – keine Gründung von Dependancen hier und da –, müssen alle Händ ler, sowohl aus Drittstaaten als auch einheimische, ihre Steu erregistrierung vorlegen. Aber es ist ein schlankes Verfahren, das wir aufsetzen werden.

In Großbritannien gibt es schon länger eine solche Haftungs regelung. Großbritannien passt seine Haftungsregelung jetzt so an, dass auch Händler aus Großbritannien die steuerliche Registrierung brauchen. Eine solche Regelung haben wir jetzt vorgesehen. Wir haben also intensiv an dieser Reform gear beitet und haben uns auf der Finanzministerkonferenz einver nehmlich auf die Haftungsregel verständigt.

Unser Ziel ist es, dass diese bereits zum 1. Januar 2019 in Kraft tritt. Das ist mit dem Bundesfinanzministerium auch so abgestimmt. Wir wissen, dass im Koalitionsvertrag auf Bun desebene festgeschrieben ist, dass gegen diesen Onlinebetrug etwas unternommen werden muss. Deswegen gehen wir auch davon aus, dass das alles klappt und das Inkrafttreten bereits zum 1. Januar des kommenden Jahres erfolgen kann.

Besonders schön ist natürlich, dass das Gesetz schon wirkt, obwohl es noch gar nicht in Kraft ist.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr gut!)

Das Finanzamt Neukölln in Berlin ist im Rahmen der bundes weiten Arbeitsteilung für die vielen Anbieter aus China zu

ständig. Es haben schon einige gesagt: Es sind mehrere Tau send – 6 000, 7 000, 8 000 – Händler aus China. Im Mai 2017, als wir unsere Initiative gestartet haben, waren gerade einmal 432 dieser Händler in Neukölln registriert. Jetzt, ein Jahr spä ter, hat sich die Zahl bereits auf 1 537 registrierte Händler mehr als verdreifacht. Es geht also voran im Kampf gegen den Mehrwertsteuerbetrug im Onlinehandel.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, manche Vorredner haben es ange sprochen: Es ist natürlich nicht so, dass wir damit alle Prob leme gelöst hätten. Das ist gar keine Frage. Ein Problem, das wir damit nicht lösen, ist der Betrug beim Zoll, der zum Mehr wertsteuerbetrug oftmals noch hinzukommt. Bei der Einfuhr der Handelsware in die EU werden oft Einfuhrumsatzsteuer und Zoll hinterzogen. Da liegen Pro-forma-Rechnungen zu grunde, die Ware wird nur vage bezeichnet, und es werden häufig zu niedrige Wertangaben gemacht. Das ist natürlich ein Punkt, bei dem auch dringend etwas passieren muss. Hier ist der Bund mit seiner schlagkräftigen Zollverwaltung gefragt. Deshalb haben wir mit Beschluss der Finanzministerkonfe renz im November vergangenen Jahres den Bundesfinanzmi nister gebeten, verstärkt Maßnahmen gegen Zoll- und Einfuhr umsatzsteuerbetrug zu ergreifen. Auch das ist ein wichtiger Baustein.

Sie haben weitere Möglichkeiten genannt, die wir natürlich be trachten müssen: Besteuerung der digitalen Wirtschaft, Verhin derung doppelter Nichtbesteuerung, Verhinderung von Steuer verkürzungen, Verhinderung eines schädlichen Steuerwettbe werbs. Da gibt es viele zu nennen.

Es gibt eben BEPS, Base Erosion and Profit Shifting. Da geht es um Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung. Es gibt dazu eine Initiative der OECD. 62 Staaten haben sich ur sprünglich an diesem BEPS-Aktionsplan beteiligt; mittlerweile sind es über 100 Staaten – das gab es bisher noch nie –, die sich gegen Steuervermeidung starkmachen. Selbstverständ lich ist es so, dass sowohl die EU als auch Deutschland – da ist die Finanzministerkonferenz immer wieder dabei – Schritt für Schritt diese Regelungen – auch hier in Deutschland – um setzen.

Unser Ziel, meine Damen und Herren, ist: mehr Steuergerech tigkeit, faire und gleiche Bedingungen für alle. Da sind wir schon sehr weit gekommen.

Zum Schluss muss ich doch noch sagen, dass die Polemik der AfD gegen Europa

(Zuruf von der AfD: EU!)

wirklich blauäugig ist. Denn wir brauchen nicht weniger Eu ropa, sondern wir brauchen in Zukunft mehr Europa, meine Damen und Herren. Das wird uns stark machen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Dr. Friedrich Bullinger FDP/DVP)

Alles andere ist wirklich blauäugig und gegen unsere eigenen Interessen für ein friedliches Zusammenleben und für ein Zu sammenleben in Wohlstand.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf von der AfD)

Meine Damen und Herren, in der zweiten Runde erteile ich das Wort Frau Abg. Wolle von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Hofelich, wenn Sie die Hinweise auf die steuerliche Fehlallokation als pure Rabulistik bezeichnen, dann muss ich Ihnen sagen: Das hät ten Sie schon lange – Sie haben ja regiert bzw. mitregiert – ändern können.

Im Übrigen, wenn Sie etwas zum Thema Steuergerechtigkeit sagen, dann muss ich Ihnen sagen: Oskar Lafontaine hat die derivative Finanzpolitik ins Land geholt. Damit war die Mög lichkeit, dass die Finanzkrise 2008, 2009 voll auf Deutsch land durchgeschlagen hat, eröffnet. Da haben Sie gehörige Mitverantwortung.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Heiterkeit des Abg. Rüdiger Klos AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Wo leben Sie denn?)

Zum Thema EU sage ich Ihnen auch hier und jetzt: Sie hätten diese Schlupflöcher, die hier angesprochen wurden, schon lan ge schließen können. Das liegt in Ihrer Verantwortung, das ist Ihre Aufgabe. Sie sind schon lange genug in der Regierung und in der EU.

(Beifall bei der AfD – Abg. Reinhold Gall SPD: Tol ler Beitrag!)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Schweickert.

Frau Präsidentin, lie be Kolleginnen und Kollegen! Die Betreiber von Handels plattformen im Internet wie E-Bay oder Amazon ins Visier zu nehmen ist richtig, es ist aber nur eine Seite der Medaille. Aber auch der von Ihnen gewählte Titel zeigt, dass es nur eine Sei te ist, das Thema steuerlich zu betrachten.

Es geht auch um die Rahmenbedingungen, in denen der On linehandel bei uns stattfindet. Wir müssen dafür sorgen, dass das Zusammenwachsen des stationären Handels mit dem On linehandel gelingt, dass die Politik Rahmenbedingungen schafft, in denen Online- und Offlinehandel gleichberechtigt sind. Ich habe da so meine Zweifel, wenn ich manche Ansiedlung von Amazon sehe. Da geht es nicht nur um die Erhebung der Ge werbesteuer, sondern teilweise auch um eine unangemessene finanzielle Bevorteilung großer Logistikdienstleister. Da müs sen wir ran, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber das sind nicht die einzigen kranken Rahmenfaktoren. Wir brauchen auch gar nicht in Jubelarien auszubrechen. Mit Blick auf die Beratungen über die Datenschutz-Grundverord nung in der letzten Woche hier im Landtag bin ich schon ver

wundert, dass man jetzt die unfairen Rahmenbedingungen be klagt. Wir haben uns damals einer Zustimmung zu dem Ge setzentwurf verwehrt, weil Sie unserem Entschließungsantrag nicht zugestimmt hatten, in dem wir zum Ausdruck gebracht hatten, dass wir gerade für die kleineren Onlinehändler eine Ausstiegsklausel aus diesem Abmahnwesen brauchen. Diese werden drangsaliert. Unter dem Vorsatz des Datenschutzes werden hier große Multis ins Visier genommen, aber faktisch werden die Kleinen getroffen.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die großen Tanker bei den Onlinehändlern haben eigene Rechts abteilungen, wo sie solche Sachen locker regeln können. Das hat aber der kleine Onlinehändler nicht. Gerade diese kleinen Händler – auch aus Baden-Württemberg – brauchen wir, die se Innovationskraft brauchen wir. Daher ist es nicht richtig, dass diese kleinen Händler Opfer einer Abmahnindustrie wer den. Ich komme zu dem Ergebnis: Das, was früher die Mafia und ihre Schutzgelderpressung war, ist heute der Abmahnver ein, meine Damen und Herren.