Protocol of the Session on June 13, 2018

Wir haben übrigens durchaus im Blick, die Tarife in den Ver bünden des ländlichen Raums zu stützen und zu verbessern. Wenn es dort dieselbe Initiative zur Absenkung des Tarifs wie hier im Raum Stuttgart gibt, werden wir uns daran beteiligen.

Zur Größenordnung: Die Hälfte aller Fahrten im öffentlichen Verkehr des Landes finden im VVS-Verbund statt. Deswegen ist das nicht nur im Stadtbereich sehr relevant. Vielmehr reicht der Verkehrsverbund im Ballungsraum sehr weit nach außen.

Die andere Hälfte ist uns auch wichtig. Da gibt es aber dann 20 andere Verbünde. Die müssen dann jeweils auch eine Ini tiative starten, wie sie auch der VVS gestartet hat.

Es muss den Landkreisen – sie sind ja in der Regel die Träger – auch klar sein, dass auch sie einen Beitrag zur Absenkung leisten müssen. Denn klar ist: Wenn die Preise gesenkt wer den, entstehen Einnahmeausfälle, die kompensiert werden müssen. Wir haben beim VVS einen Einnahmeausfall von 42 Millionen € pro Jahr. Das Land zahlt gewissermaßen ein mal das Defizit, aber gestreckt auf sechs Jahre. Das heißt, im ersten Jahr zahlen wir 8 Millionen €, weil es kein vollständi ges Kalenderjahr ist, im Folgejahr sind es 10 Millionen €, dann wieder 10 Millionen € und dann gehen die Zahlungen schrittweise herunter auf null.

Es ist übrigens eine Finanzierung auf Zeit. Wir zahlen jetzt, weil wir die Not sehen, dass die Menschen umsteigen müs sen, weil wir jetzt wollen, dass ein gutes Angebot kommt. Auf Dauer müssen es die Aufgabenträger natürlich selbst stem men, auch wenn das Land da immer wieder behilflich sein wird.

Da ist also schon einiges mit bedacht. Ich habe mir selbst vor genommen: Wir werden das Land nicht benachteiligen. Wir haben ja die Mobilitätsgarantie im ganzen Land, bei der die Regel gilt: wenigstens ein Zug bzw. ein Bus pro Stunde an je dem Ort, an jeder Haltestelle.

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Haußmann.

Herr Minister, Mobili tätsgarantie ist ein gutes Stichwort. Einer der Gründe, hier mit zu fördern, war ja, dass man den Umstieg vom Auto auf die S-Bahn oder den VVS macht.

In dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat die Lan desregierung ja Folgendes behauptet – das steht in Absatz 105 des Urteils –:

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach den Er hebungen des örtlichen ÖPNV-Trägers VVS GmbH die Verkehrsmittel des Stuttgarter ÖPNV... in der morgend lichen Spitzenstunde zwischen 7:00 und 8:00 Uhr eine Auslastungsquote im Mittel von lediglich 55 % (bei Lang zügen mit drei Einheiten),...

Der Verband Region Stuttgart hat jetzt festgestellt, dass die S-Bahn in dieser Zeit zu über 100 % ausgelastet ist. Das hät te ich auch schon vor zwei oder drei Jahren sagen können; da zu hätte man keine Erhebung gebraucht.

Deswegen meine Frage: Was tut denn die Landesregierung dafür, den Umstieg tatsächlich auch möglich zu machen? Jetzt hat man einen Zuschuss gegeben, damit es billiger wird. Aber die Hauptherausforderung ist ja, tatsächlich den Umstieg mög lich zu machen. Die Auslastung beträgt in der Spitzenzeit über 100 %. Finanziert denn das Land jetzt auch die Beschaffung weiterer Züge, die notwendig wären, um permanent im Voll betrieb mit Langzügen zu fahren?

Vielen Dank, Herr Haußmann. – Für die S-Bahn ist ja der Verband Region Stuttgart verantwortlich und nicht das Land. Aber wir geben dem Verband Region Stuttgart das Geld, damit er mehr Züge fahren lassen kann. Wir haben den Verband Region Stuttgart besser ausgestattet, auch dank zusätzlicher Mittel aus dem Re gionalisierungsmitteltopf.

Der Verband Region Stuttgart wird sukzessive den Viertel stundentakt einführen. Er wird für längere Zeit – nicht nur zu Stoßzeiten – Langzüge auf allen Strecken, auf denen dies möglich ist, fahren lassen. Das heißt, die Kapazitäten der S-Bahn werden deutlich erhöht.

Wir haben auch schon oft darüber gesprochen, dass das Land bei seinen Ausschreibungen Metropolexpresszüge vorsieht, die von Tübingen, von Schwäbisch Hall, von Pforzheim, von Heilbronn und von Horb sternförmig auf Stuttgart zukommen. Diese fahren im Halbstundentakt. Das sind auch zusätzliche Züge.

Wir haben ungefähr 20 bis 30 % mehr Kapazitäten geschaf fen. Trotzdem arbeiten wir an weiteren Angeboten. Beispiels weise wird es im Bereich der Stadt Stuttgart zwei Schnellbus linien geben, die X 1 und die X 2 –

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions los])

von Bad Cannstatt nach Stuttgart-Mitte und dann, von Leon berg her kommend, einmal rund um den Cityring und wieder zurück. Zudem planen wir weitere Schnellbuslinien aus der Region heraus, also außerhalb des Stadtbahnsystems.

Insgesamt haben Sie recht: Der Tarif ist das eine; das Mehr angebot muss parallel kommen, sonst klappt es nicht. Und

dann müssen wir trotzdem sagen: Man muss auch die Verkeh re entzerren. Ein altes Anliegen von mir und ein Hauptprob lem ist, dass alle Schulen zum gleichen Zeitpunkt beginnen, obwohl es eigentlich Sinn machen würde, dass sie gestaffelt anfangen. Das würde im Ballungsraum schon viele Probleme lösen. So gibt es verschiedene andere Dinge, die man zur Ent zerrung des Verkehrs auch machen muss.

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Herrn Abg. Dr. Fiechtner.

Herr Minister, wie können Sie es rechtfertigen, dass das Land sehr viel Geld in den öffentlichen Personennahverkehr steckt, der ja letztlich auch von den Bürgern getragen wird, und auf der anderen Sei te die Pkw-Fahrer hier in der Stadt Stuttgart immer weiter be nachteiligt werden –

(Oh-Rufe von den Grünen und der SPD)

Ihr Parteikollege Kuhn –, wo die Parkkosten immer weiter steigen, wo Parkraum immer weiter verringert wird und da mit eine echte Wahlfreiheit der Bürger, die natürlich, wenn sie es könnten, ihren Pkw gern benutzen wollten, um in der Stadt einzukaufen, nicht mehr wirklich gegeben ist? Wie können Sie das rechtfertigen, wo doch die Luft in Stuttgart entgegen Ihren Annahmen immer besser wird? Alle Parameter, die Sie stets als Horrorszenario benutzen – sowohl bei Stickoxiden als auch beim Feinstaub –, sinken ja kontinuierlich, und oben drein ist in Stuttgart die Lebenserwartung am höchsten in der gesamten Bundesrepublik.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Vielen Dank, Herr Fiechtner. – Sie sind Arzt, aber offenbar kein Gesund heits- und Verkehrsexperte. Die Zahlen sind sehr eindeutig: Die Stadt Stuttgart ist die letzte deutsche Stadt, in der die Grenzwerte bei Feinstaub noch immer nicht eingehalten wer den – und dies nach 13 Jahren Gültigkeit dieser Grenzwerte. Wir werden alles tun, dass wir es in diesem Jahr schaffen, die Grenzwerte bei Feinstaub einzuhalten – übrigens dank der grünen Plakette, die dazu geführt hat, dass die Abgase gefil tert werden, dass durch die Filterung die Partikel herausge nommen werden. Auch durch neuere Flotten tritt zunehmend eine Besserung ein.

Ein zweites Problem haben viele Städte – nicht nur Stuttgart –, die viel Verkehr haben: Sie halten nämlich die Grenzwerte bei Stickoxiden, die auch schon seit acht Jahren gültig sind, nicht ein. Dazu müssen Maßnahmen erfolgen, damit die Au tos sauberer werden, und es müssen die Alternativen besser werden. Ihre Frage zeugt von einem etwas autofixierten Stadt bild.

(Lachen bei der AfD)

Früher ist man davon ausgegangen, dass man immer und über all mit dem Auto kostenlos hinkam. Das war sozusagen das Projekt der Fünfziger- und der Sechzigerjahre. Das ist ja im Großen und Ganzen der Horizont, aus dem die AfD stammt; insofern verstehe ich es wiederum. Aber in der Folgezeit ha ben sich Stadtpolitik und Stadtentwicklung sehr verändert, weil man erkennt, dass niemand mehr etwas davon hat, wenn zu viele mit dem Auto in die City reinfahren, weil alle im Stau

stehen und alle schlechte Luft haben. Also gibt es in den Städ ten Fußverkehr, Radverkehr und öffentlichen Verkehr im In teresse der Öffentlichkeit. Deswegen investiert die Öffentlich keit in diese Bereiche.

Und es wird zunehmend Schluss gemacht mit der Vorstellung, dass man den öffentlichen Raum für private Zwecke nutzen kann, nämlich zum Parken. Lange Zeit hat man ja gesagt: „Parken darfst du; wenn du aber auf demselben Platz eine Gaststätte betreibst, musst du Pacht zahlen.“ Das ist eine Selbstverständlichkeit, und das führt man jetzt auch beim Ver kehr ein, dass derjenige, der den öffentlichen Raum für sein Privateigentum nutzt, auch dafür etwas bezahlt. Auch das ist übrigens bundesweit in allen Städten flächendeckend so. Ge hen Sie einmal raus aus Baden-Württemberg, schauen Sie in andere Großstädte auf der Welt mit einer Parkraumbewirt schaftung. Im Vergleich dazu ist das, was wir verlangen, ein Nasenwasser. Aber es ist notwendig, damit eben klar ist: Wer ein Auto hat, muss für die Nutzung auch etwas ausgeben.

(Beifall bei den Grünen)

Vielen Dank. – Die nächste Frage kommt von Frau Abg. Zimmer.

Herr Minister, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen zu den ambitionierten Zielen, die mit der VVS-Tarifreform verbunden sind, und vor allem auch zu den Auswirkungen, die sie zur Schaffung einer gesunden Um welt in Stuttgart und zur Schaffung einer guten Aufenthalts qualität haben wird. Dazu wird die Absenkung des Tarifs si cherlich ein entscheidender Baustein sein, und das haben Sie genannt.

Hierzu habe ich eine spezielle Frage: Könnten Sie ein griffi ges Beispiel nennen, um wie viel günstiger die neue Regelung im Vergleich zu dem bisherigen Tarif sein wird?

(Abg. Martin Rivoir SPD: Was kostet das überhaupt?)

Vielen Dank. – Das ist natürlich je nach Relation sehr unterschiedlich. Wir haben ja Einzeltickets, wir haben Viererkarten, wir haben Mo nats- und Jahreskarten, und zwar auf bestimmten Relationen und in bestimmten Bereichen.

Wir haben das folgende Beispiel gewählt, weil wir in der Öf fentlichkeit natürlich auch immer entsprechend gefragt wer den: Von Ludwigsburg bis Stuttgart-Mitte sind es 14 km. Bis lang kostet ein Ticket 4,20 €, zukünftig sind es 2,90 € – also eine deutliche Verbilligung. Wenn man von Ludwigsburg aus zum Flughafen oder zur Messe fährt, so liegt der Preis zukünf tig ebenfalls bei 2,90 € – bislang sind es sogar 5,30 €; also ei ne noch größere Vergünstigung.

Wir haben allerdings auch Relationen, bei denen der Preis gleich bleibt; das gibt es auch. Bei keiner Relation aber wird es teurer.

Schauen Sie auch einmal die Preise für Monatstickets an: An genommen, jemand wohnt in Ludwigsburg und fährt zu sei ner Arbeitsstelle am Flughafen. Für eine Monatskarte zahlt er zukünftig statt 119 € nur noch 72 € – eine deutliche Vergüns tigung.

Ich glaube, das Argument, der ÖPNV sei zu teuer, ist damit widerlegt.

Danke schön. – Die nächste Frage kommt von Frau Abg. Hartmann-Müller.

Herr Minister, meine Frage zielt auf die Auswirkungen. Wie viele neue Kunden oder Fahrten erwarten Sie durch diese Reform im Stuttgarter Raum?

Perspektivisch ist das Ziel klar: Wir wollen eine Verdopplung. Diese wird na türlich nicht sofort eintreten; sie ist als Ziel für 2030 vorgese hen. Wir wünschen uns aber schon, dass wir mit dieser Tarif reform im kommenden Jahr mindestens 10 % plus x mehr Fahrgäste haben werden und dass sich die Zahlen danach noch weiter steigern.

Die Erfahrung lehrt, dass es schon dauert, bis sich Menschen umstellen. Viele Menschen haben ja noch ein Auto und nut zen den ÖPNV nur ab und zu. Wenn dies nun besonders güns tig und nützlich erscheint, dann sagen sie unter Umständen: „Gut, ein neues Auto kaufen wir nicht mehr, wir schaffen das Auto ab“, oder sie fahren doch sehr viel seltener Auto. Es geht nicht nur um das Angebot, sondern Menschen müssen sich auch umstellen,

(Abg. Stefan Herre AfD: Müssen?)

im Kopf und dann in ihren Verhaltensmustern. – Sie werden sich umstellen – auch der eine oder andere von Ihnen. Das wird sozusagen die Vernunft mit sich bringen.

Jetzt hat Herr Abg. Haußmann die Möglichkeit, seine Frage zu stellen. – Frau Abg. Lindlohr, alles klar. Ich habe Sie vermerkt. Es geht nach Fraktionsstär ke und nach Meldungen.

Sehr geehrter Herr Mi nister! Es gab ja in den Gesprächen beim Verband Region Stuttgart verschiedene Varianten. Auch die FDP-Fraktion im Regionalparlament hat einen sehr interessanten Lösungsvor schlag eingebracht. Allerdings waren zuvor vom Verband nur wenig Informationen zur Verfügung gestellt worden.

Auf welcher Grundlage hat denn die Landesregierung ent schieden, wie und in welcher Höhe man die finanzielle För derung vornimmt? Wurden denn die verschiedenen Varianten, die im Verband vorgelegt wurden, von der Landesregierung auch intensiv geprüft? Diese Lösung würde ja insbesondere in der Stadt Stuttgart im Vergleich zum Umfeld auch finanzi ell noch stärker greifen.

Deswegen nochmals die Frage: Auf welcher Grundlage ist die Entscheidung getroffen worden? Sind dabei auch andere Va rianten von der Landesregierung geprüft worden?