Protocol of the Session on April 12, 2018

Bei Ihnen geht es praktisch nicht um Religionsfreiheit, son dern um Sonderrechte für bestimmte ethnokulturelle Minder heiten. Das wollen wir nicht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann erhält Herr Kollege Stein das Wort für eine persönliche Erklärung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Mi nister, wenn Sie mir jetzt vorwerfen,...

Eine persönliche Erklä rung, bitte: Zurückweisung von Vorwürfen.

... ich würde die Aussage zum Schäch ten nur machen, weil ich gegen religiöse Minderheiten hetzen möchte,

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Doch! Genau so ist es!)

dann muss ich ganz klar sagen: Nein, das mache ich nicht.

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Herr Fiechtner findet das auch! – Weitere Zurufe)

Wir haben gestern über Kunst und ähnliche Freiheiten disku tiert. Wir haben in der Zwischenzeit den Tierschutz in eine sehr hohe verfassungsrechtliche Situation gebracht. Wenn ich mich hier dafür einsetze, dass die geltenden Gesetze in die sem Land eingehalten werden, dann verbitte ich mir solche Vorwürfe.

Danke schön.

(Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge deon [fraktionslos])

Meine Damen und Her ren, wie gesagt, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 3 der Ta gesordnung erledigt.

Wir treten in die Mittagspause ein und setzen die Sitzung um 15:00 Uhr fort.

(Unterbrechung der Sitzung: 13:57 Uhr)

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:59 Uhr)

Meine Damen und Her ren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist 15 Uhr. Wir tre ten wieder in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:

Fragestunde – Drucksache 16/3717

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 1 auf:

M ü n d l i c h e A n f r a g e d e s A b g. S t e f a n H e r r e A f D – P o l y g a m i e i n B a d e n W ü r t t e m b e r g

Bitte schön, Herr Abg. Herre.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Da fängt der Nach mittag schon gut an!)

Sehr geehrter Herr Präsident, wer te Kollegen Abgeordnete! Ich frage die Landesregierung:

a) Wie viele Migranten, die nach ausländischem Recht gültig

mit mehreren Ehefrauen verheiratet sind, leben seit 2012 in Baden-Württemberg?

b) Wie viele in Polygamie-Ehen verheiratete Frauen in Ba

den-Württemberg, die aus Sicht der Landesregierung ledig und alleinerziehend sind, erhalten Leistungen aus dem So zialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) in welcher Höhe?

Vielen Dank.

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Lucha das Wort. – Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrter Herr Abg. Herre, sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte zu Beginn fest halten, dass Polygamie kein bloßes Nebenthema ist, mit dem wir uns nur am Rand beschäftigen. Ein Blick in unser Grund gesetz reicht aus, um die Tragweite dessen zu erfassen, was hier infrage steht.

Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes lautet:

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

In Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes steht:

Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat för dert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechti gung von Frauen und Männern und wirkt auf die Besei tigung bestehender Nachteile hin.

Artikel 4 unseres Grundgesetzes betont die Unverletzlichkeit der Glaubens- und Gewissensfreiheit und unterstreicht die Ge währleistung einer ungestörten Religionsausübung.

Wenn es also um polygames Zusammenleben geht, sind die Antworten am Ende nicht immer einfach.

Meine Damen und Herren, dass wir differenziert und kompe tent argumentieren können, haben wir in vergleichbaren Kon texten ja schon gezeigt, z. B. bei unseren Beratungen zum Ge setzentwurf der FDP/DVP zur Gewährleistung offener Kom munikation und Identifizierbarkeit, einschließlich der öffent lichen Anhörung durch den Sozialausschuss am 13. März ver gangenen Jahres. Aufgrund der Neuregelungen auf Bundes ebene gab es aus Sicht der Landesregierung damals keinen Handlungsbedarf mehr.

Ähnlich verhält es sich beim Thema Kinderehen, bei dem das Bundesgesetz vom 22. Juli die erforderlichen Neuregelungen gebracht hat. Eheschließungen sind nur noch möglich, wenn beide Heiratswillige volljährig sind. Eine Ehe, die in einem Alter zwischen 16 und 18 Jahren geschlossen wird, wird – au ßer in ganz besonderen Härtefällen – durch richterliche Ent scheidung aufgehoben. Wenn einer der Ehegatten zum Zeit punkt der Heirat das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist die Ehe automatisch unwirksam. Dies gilt auch, wenn die Ehen nach ausländischem Recht wirksam sind.

Auch mit Blick auf das Thema Polygamie könnten in naher Zukunft dann vergleichbare Anpassungen sinnvoll sein. Denn Polygamie widerspricht nicht nur Recht und Gesetz in Deutschland, sondern auch unseren gleichstellungspolitischen Grundwerten und Zielen. Polygamie ist mit einem modernen, weltoffenen und auf Gleichberechtigung ausgerichteten Frau enbild nicht zu vereinbaren, und sie verletzt die Würde der Frauen sowie ihr Selbstbestimmungsrecht.

Die beiden Fragen des Abgeordneten – ich habe mir einfach erlaubt, hier noch ein bisschen in die Tiefe zu gehen –, um die es heute geht, lassen sich wie folgt beantworten:

Die erste Frage lautet:

Wie viele Migranten, die nach ausländischem Recht gül tig mit mehreren Ehefrauen verheiratet sind, leben seit 2012 in Baden-Württemberg?

Laut Statistischem Landesamt erfolgt die Fortschreibung des Bevölkerungsstands nach dem Familienstand. Da Polygamie in Deutschland nicht zulässig ist, hat der Gesetzgeber für die statistische Erfassung der Verheirateten keine Differenzierung vorgesehen. Entsprechende Angaben dazu sind somit gar nicht möglich.

Bei der zweiten Frage geht es um Leistungen aus dem Sozi algesetzbuch II. Es wird gefragt:

Wie viele in Polygamie-Ehen verheiratete Frauen in Ba den-Württemberg, die aus Sicht der Landesregierung le dig und alleinerziehend sind, erhalten Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch... II in welcher Höhe?

In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass laut Sozialge setzbuch II nur eine Ehegattin mit dem erwerbsfähigen Leis tungsberechtigten eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft bil den kann. Eine mögliche Zweit- oder Drittfrau kann somit nicht als Partnerin berücksichtigt werden. Zudem lässt eine Partnerschaft in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft kei ne weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zu. Das heißt al so, wer mit mehreren Frauen zusammenlebt, kann nur mit ei ner Frau rechtskräftig verheiratet sein und mit ihr eine Be darfsgemeinschaft bilden. Weitere Eheschließungen sind nach unserem Recht ungültig und bleiben deswegen rechtlich – auch sozialrechtlich – folgenlos.

Herr Abg. Herre, ist die Anfrage erledigt, oder gibt es Ihrerseits eine Zusatzfrage? –

(Abg. Stefan Herre AfD: Nein, danke!)

Gibt es Zusatzfragen von anderen Kolleginnen oder Kolle gen? – Das ist nicht der Fall. – Herr Minister, herzlichen Dank.

Damit ist die Beantwortung der Mündlichen Anfrage unter Ziffer 1 beendet.