Protocol of the Session on May 3, 2017

Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:

Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung – Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Baden-Würt temberg – Drucksache 16/1749

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultus, Jugend und Sport – Drucksache 16/1974

Berichterstatter: Abg. Daniel Born

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Allge meine Aussprache eine Redezeit von fünf Minuten je Frakti on festgelegt.

In der Allgemeinen Aussprache erteile ich Frau Kollegin Bo ser für die Fraktion GRÜNE das Wort.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kollegen, wir fahren in der Tagesordnung fort. – Bitte, Frau Kollegin Boser.

Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kolle gen, meine Damen und Herren! Über die zwei Punkte, über die wir heute mit der Schulgesetzänderung beschließen, ha ben wir uns an dieser Stelle bereits mehrfach ausgesprochen. Deswegen möchte ich mich jetzt nur auf ein paar kleinere Punkte beziehen und dadurch vielleicht auch die Zeit für die namentliche Abstimmung wieder hereinholen.

Die Weiterführung der Realschulen findet – wir haben damit bereits in der letzten Legislaturperiode mit der erstmaligen Einführung der Poolstunden für die Realschulen begonnen – mit dem Beschluss, dass die Realschulen zukünftig den Haupt schulabschluss anbieten können, eine weitere Fortsetzung. Wir setzen dies an dieser Stelle mit der heutigen Schulgesetzän derung fort.

Die Realschulen werden zukünftig für die Aufgabe, den Hauptschulabschluss anbieten zu können, mit weiteren Pool stunden unterstützt. Das halten wir für sehr wichtig, damit Schülerinnen und Schüler in den beiden Niveaus – dem grund legenden Niveau und dem mittleren Niveau – gut unterstützt werden können.

In der Anhörung und in der Aussprache geriet vor allem ein Punkt immer wieder in die Kritik, den wir uns grundsätzlich nochmals näher anschauen wollen, und zwar die Förderung der Schülerinnen und Schüler in der Orientierungsstufe.

Das neue Schulgesetz bietet den Realschulen zukünftig die Möglichkeit, die Schülerinnen und Schüler in der Orientie rungsstufe auf dem grundlegenden Niveau und auf dem mitt leren Niveau zu unterrichten und zu fördern. Allerdings wer den Schülerinnen und Schüler nur auf dem mittleren Niveau bewertet. Das – das kam auch in der Aussprache und in der Anhörung als Kritik auf – kann für die Schülerinnen und Schüler einen Nachteil bedeuten. Daher wollen wir, die Grü

nen, diesen Punkt in den nächsten Jahren auf jeden Fall noch einmal untersuchen und schauen, ob das Auswirkungen auf die Förderung der Schülerinnen und Schüler und auf die For derungen, die an sie gestellt werden, hat.

Wichtig ist für uns in diesem Zusammenhang, dass die Schü lerinnen und Schüler in diesen beiden Niveaus gut gefördert werden und dass die Schülerinnen und Schüler zukünftig nicht mehr abgeschult werden können. Das ist ganz wichtig, wenn man sieht, wie die Entwicklung der Haupt- und Werkrealschu len bei uns im Land aussieht.

Wir haben derzeit noch etwa 260 Haupt- und Werkrealschu len mit einer fünften Klasse. Das bedeutet, die Möglichkeit, bei uns in Baden-Württemberg den Hauptschulabschluss zu machen, wird an den Haupt- und Werkrealschulen immer ge ringer. Wir brauchen daher die Alternativen zum einen über die Gemeinschaftsschulen und zum anderen künftig über die Realschulen, an denen dann der Hauptschulabschluss gemacht werden kann, damit Schülerinnen und Schüler in Baden-Würt temberg auch in Zukunft den Hauptschulabschluss ablegen können.

Wichtig ist für uns dabei auch, dass die Lehrerinnen und Leh rer auf die Herausforderung, die diese neue Konzeption für sie darstellt, gut vorbereitet werden. Daher war es uns wich tig, dass ein Teil der Mittel in diesem Konzept für die Fortbil dung der Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung gestellt wird.

Gerade in der Debatte um die Qualität der Schulen in BadenWürttemberg zeigt sich immer wieder, dass die Fortbildungen essenziell sind, um die Qualität zu sichern. Daher ist es wich tig, dass wir gerade auch in diesem Bereich die Lehrerinnen und Lehrer gut vorbereiten, damit die Heterogenität gut be wältigt werden kann und damit am Ende beide Schülergrup pen – die schwächeren und die stärkeren – gut unterrichtet werden können. – Dies zu den Realschulen.

Der zweite Punkt, den wir heute beschließen werden, ist die zukünftige Vorlage der Grundschulempfehlung bei den wei terführenden Schulen. Wir Grünen tragen dies mit – wir ha ben dies im Koalitionsvertrag so beschlossen –, halten es aber für wichtig, dass nochmals betont wird, dass am Ende nach wie vor die Eltern die Entscheidung darüber treffen, an wel cher Schule die Schülerinnen und Schüler angemeldet wer den, dass die Grundschulempfehlung wichtig für die Beratung und wichtig für diese Entscheidung ist, aber am Ende nicht verbindlich etwas vorgibt, sondern eine Empfehlung darstellt, die die Eltern annehmen können oder von der sie auch abwei chen können.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU)

Wir sehen nach wie vor das Problem bei der Grundschulemp fehlung darin, dass ein Kreuz auf der Grundschulempfehlung keine Aussage darüber macht, welche Stärken und Schwächen ein Kind hat. Daher brauchen wir die Lernstandserhebung in Klasse 5 nach wie vor, um Schülerinnen und Schüler in ihren Fähigkeiten bewerten zu können. Es wird ein wichtiges Inst rument für die Lehrerinnen und Lehrer sein, zu schauen, wel che Stärken und Schwächen die einzelnen Kinder haben, aber auch welches Niveau eine Klasse hat. Daher ist für uns wich tig, dass die Lernstandserhebung als ein essenzielles Instru ment mit verwendet wird, um Schülerinnen und Schüler ein zuschätzen, und die Grundschulempfehlung da ein weiteres

Mittel darstellen kann, aber nicht das ausschlaggebende Ins trument sein kann, um Schülerinnen und Schüler zu bewer ten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden dieses Gesetz nachher beschließen. Es liegen Änderungsanträge der FDP/DVP dazu vor, die wir ablehnen werden.

Ein Satz, der mir noch wichtig ist, weil das nachher bestimmt wieder vom Kollegen Dr. Kern kommt: Die Grundschulemp fehlung hat es in Baden-Württemberg immer gegeben; sie wurde nie abgeschafft. Sie behaupten das immer wieder.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nein!)

Doch.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Nein! Unsinn!)

Sie haben auch in der letzten Aussprache behauptet, wir hät ten die Grundschulempfehlung Hals über Kopf abgeschafft.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Die Verbindlich keit!)

Da müssen Sie manchmal auf Ihre eigenen Sätze achten.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ach!)

Wir haben die Grundschulempfehlung nie abgeschafft. Sie war immer da. Sie war immer ein wichtiges Instrument für die Eltern in Baden-Württemberg, um eine verantwortungsvolle Entscheidung zu treffen. Sie wird es auch weiterhin geben. Zukünftig wird sie vorgelegt.

Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. Wir lehnen aber die Än derungsanträge der FDP/DVP ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Für die CDU-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Röhm.

Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Heute ist vom Kollegen Salomon schon einmal das Wort „Lieblingsgesetz“ gefallen. Das vor liegende Gesetz ist nicht mein Lieblingsgesetz – ich muss nach 20 Jahren dann irgendwann entscheiden, welches das werden wird –, aber es ist ein dringend notwendiges Gesetz, das wir heute in zweiter Lesung beraten und dann verabschie den werden.

Wir wollen einmal einen Blick zurückwerfen: Warum ist die ses Gesetz überhaupt notwendig geworden? Weil in der Hauptverantwortung der Sozialdemokraten unter Frau Kul tusministerin Warminski-Leitheußer – wer sie noch kennt – in einem ideologiebeseelten Hauruckverfahren die Verpflich tung zur Vorlage der Grundschulempfehlung abgeschafft wur de.

(Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: So ein Blödsinn! Das ist eine Forderung des Landeselternbeirats ge wesen! Machen Sie keine Geschichtsklitterung! Mei ne Herren!)

Es war im Nachhinein auch Minister Stoch, der in aller Klar heit gesagt hat, dass diese Grundschulempfehlung ausschließ lich ein Stück Papier ohne jegliche Aussagekraft sei. Insofern, Frau Boser, kann ich nicht sagen, dass sie immer Gültigkeit gehabt hätte. Sie haben das so gesehen, und das glaube ich auch. Aber von anderer Seite wurde es eben nicht immer so gesehen.

Für uns ist ganz wichtig, dass das, was die Grundschullehre rinnen und Grundschullehrer zu Papier bringen, was sie an Entwicklung beschreiben, was sie an Förderbedarf und For derungsbedarf festhalten, der weiterführenden Schule auch zur Kenntnis gebracht wird. Das ist unabdingbar notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Denn das Resultat, das herauskommt, wenn das nicht der Fall ist, haben wir ja gesehen: Das war die Vervielfachung der Sit zenbleiberquote, und das war natürlich auch der Frust, der bei den Schülerinnen und Schülern zurückgeblieben ist.

Ich glaube, jetzt haben wir einen vernünftigen Weg gefunden, der dazu führen wird, dass die Pflicht zur Vorlage der Grund schulempfehlung, verbunden mit der Lernstandserhebung in der Klasse 5, eine sehr gute Grundlage dafür ist, dass man an der richtigen Stelle weitermacht. Das ist für uns entscheidend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich komme zur Stärkung der Realschule. Wir haben alle we sentlichen Elemente beachtet. Wir haben eine Orientierungs stufe eingeführt. Das wichtige Niveau ist für uns das M-Ni veau. Das heißt noch lange nicht, dass Kinder, die bei diesem Niveau nicht Schritt halten können, nicht gefördert werden. Wir haben ja in der Logik der Sache ab Klasse 7 auch einen Weg für diese Kinder aufgezeichnet, wie sie in der Folge wei termachen können.

Übrigens ist das Prinzip der Durchlässigkeit – Leistung und Durchlässigkeit, das sind unsere beiden Leitgedanken – ge wahrt. Die Kinder können in den Klassen 7 und 8 zwischen den Bildungsgängen wechseln, und sie können vor allem – nach einem guten oder sehr guten Hauptschulabschluss – in vertrauter Umgebung – das ist für uns wichtig: in vertrauter, gewohnter Umgebung – den Bildungsgang wechseln und kön nen an ein und derselben Schule in Klasse 9 bzw. in Klasse 10 dort eingeschult werden und dann in vertrauter Umgebung ih ren Abschluss machen. Das ist eine tolle Geschichte.

Einen zweiten Gedanken will ich noch kurz ansprechen: Mit der Neufassung von § 7 des Schulgesetzes haben wir nun da für Sorge getragen, dass neben der Binnendifferenzierung auch die Leistungsdifferenzierung Eingang gefunden hat. So ist es möglich, dass Kinder ab Klasse 7 leistungsdifferenziert bzw. binnendifferenziert in den wesentlichen Fächern – Deutsch, Mathematik, Fremdsprachen und die wesentlichen Naturwissenschaften Biologie, Chemie, Physik – unterrichtet werden können.

Meine Damen und Herren, als Fazit können wir festhalten, dass das Gesetz, das nun im Entwurf vorliegt, eine echte Stär kung der Realschule darstellt. Unter dem Leitgedanken „Leis tung und Durchlässigkeit“ werden passgenaue und damit nach unserem Verständnis auch chancengerechte Bildungsgänge ermöglicht.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Für die AfD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Balzer.