Protocol of the Session on April 5, 2017

Herr Präsident, weil wir von vorges tern sind, überlassen wir den Damen gern den Vortritt.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Selbstverständlich steht die AfD-Fraktion in der Frage der Flugverkehrsbelas tung durch den Züricher Flughafen für die Interessen der süd badischen Region ein. Sie lehnt jedes Reglement ab, welches der „Stuttgarter Erklärung“ von 2009 und der Begrenzung auf jährlich 80 000 Anflüge über deutsches Gebiet widerspricht. Es darf keine zwischenstaatliche Einigung geben, welche die eigenen Bürger zugunsten der Wachstumsinteressen eines aus ländischen Verkehrsbetriebs weiter schädigt.

(Beifall bei der AfD)

Allerdings halten wir den Antrag Drucksache 16/172, über den wir heute im Plenum sprechen, doch eher für eine Wahl veranstaltung. Man möchte den Bürgern im südbadischen Raum aus dem Landtag heraus eine Geschlossenheit signali sieren und den Eindruck erwecken, dass man sich hier ener gisch für ihre Interessen einsetzt. Man appelliert, und man möchte tatsächlich – bezogen auf uns würde man sagen: po pulistisch – Botschaften nach außen bringen, um die Men schen in Südbaden noch rechtzeitig vor der Wahl zu beruhi gen.

Doch der eigentliche Adressat des Antrags, der zuständige Bundesminister Dobrindt – für die Genehmigung einer Ände rung der 220. DVO letzten Endes zuständig –, muss sich da von nicht beeindrucken lassen.

Ob der Züricher Flughafen nun am Ende seine Kapazitäten um 30 % erweitert – samt zusätzlichen Überflügen über Süd baden – oder ob Herr Dobrindt in der Laune ist, dem Ruf der Schwesterpartei CDU nachzukommen und der Schweiz nicht zu Willen zu sein: Wenn Dobrindt erwartungsgemäß das Schweizer Ansinnen – wohlgemerkt nach der Bundestagswahl – genehmigt, stehen Sie, meine Damen und Herren von der Landesregierung, immer noch gut da. Sie haben ja mit rituel len Appellen vom Dienst die Interessen der Südbadener mit Nachdruck verteidigt. Doch, meine Damen und Herren, für die Einwohner in den Landkreisen Waldshut und Konstanz sowie dem Schwarzwald-Baar-Kreis, die vom Luftwarteraum RILAX betroffen sind, sind Fluglärm und Abgasemissionen

keine Posse, sondern ein Schaden für Lebensqualität und Ge sundheit.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Wie kann eine Landesregierung nur so unterwürfig auftreten? Gerade Sie von den Grünen haben doch als Protestbewegung gegen die Frankfurter Startbahn West Ihre Laufbahn als poli tische Kraft begonnen. Die Damen werden das nicht erlebt ha ben. Dafür sind sie zu jung. Aber die Älteren haben sich dort womöglich an Bäume gekettet, Hüttendörfer gebaut und an Protestspaziergängen teilgenommen. Sie haben sich für ihre Interessen und die Interessen der Bürger in der Frankfurter Region eingesetzt.

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Sie haben die Frö sche vergessen, die wir noch über die Straße getra gen haben!)

Sie wollten doch Basisdemokraten par excellence sein. Sie wollten den Großteil Ihrer Diäten an die Partei abtreten und sich selbst mit einem Facharbeitergehalt bescheiden. Was wollten Sie denn nicht alles vor 30 Jahren? Was ist denn dar aus geworden, seit Sie in elf Landesregierungen präsent sind und tatsächlich im Bundesrat Einfluss für die Interessen der Bürger Baden-Württembergs ausüben können? Wo sind die fanatischen Fledermausfreunde, wenn es den eigenen Men schen schlecht ergeht?

(Lachen und Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Sabine Wölfle SPD: Was hat das mit dem Flug hafen zu tun?)

Wo sind die nimmermüden Symbolpolitiker und Klimaschüt zer, wenn Zürich bald 30 % mehr Flugpassagiere haben wird und sein Kerosin über dem Schwarzwald verbrennt? Wo ist jetzt der Ministerpräsident,

(Abg. Felix Schreiner CDU: Er sitzt doch da!)

der die Interessen Baden-Württembergs zuvorderst stellen wollte und einen Amtseid geschworen hat, er werde seine Kraft dem Wohl des Volkes widmen? Steht er an der Seite ebendieser Bürger und seiner einstigen Ideale?

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Jeden Tag! – Ge genruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Aufs Neue!)

Nein. Er hält rituelle staatstragende Reden, er setzt sich ein und appelliert. Jetzt wissen die Bürger im Südschwarzwald wenigstens, wo der Barthel den Most holt.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Karl-Wil helm Röhm CDU: Den Wein in diesem Fall!)

Für die FDP/DVP-Frakti on erteile ich das Wort Herrn Kollegen Haußmann.

(Abg. Thomas Marwein GRÜNE: Mach es besser, Jochen!)

Sehr geehrter Herr Prä sident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 8. November 2012 gab es die letzte Plenardebatte zum Staatsvertrag mit der Schweiz. Einstimmig haben die damals im Landtag vertrete nen Fraktionen diesen Staatsvertrag abgelehnt, und einstim

mig gab es auch am 25. November 2009 das Bekenntnis zur „Stuttgarter Erklärung“.

Inhaltlich hat sich, denke ich, bei den vier Fraktionen, die in der letzten Legislaturperiode im Landtag vertreten waren, da ran nichts geändert. Die 220. Durchführungsverordnung lässt mehr Flüge und mehr Belastung zu, als es die „Stuttgarter Er klärung“ vorgesehen hat. Statt 80 000 sind zwischen 122 000 und 128 000 Nordanflüge und ein deutlich höheres Stunden kontingent vorgesehen. Insofern kann ich an dieser Stelle für die FDP/DVP-Landtagsfraktion unterstreichen, dass es uns ein wichtiges Anliegen ist, auch für die betroffenen Landkrei se und für die betroffenen Menschen dieses Bekenntnis gern noch einmal abzugeben.

Der Flughafen Zürich hat einen „Sachplan Infrastruktur der Luftfahrt“ aufgelegt. Ziel ist ein neues Ostanflugkonzept. Der Fluglärmbeirat hat dieses Konzept jedoch abgelehnt. Denn da für müsste die 220. Durchführungsverordnung geändert wer den, und mit diesem Konzept würde sich eine deutlich höhe re Belastung im Flugbereich für Südbaden ergeben.

Von den Landkreisen Waldshut, Konstanz und dem Schwarz wald-Baar-Kreis wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, das Alternativen aufgezeigt hat. Es ist also nicht so, dass man die Themen nur ablehnen würde, sondern man hat durchaus auch Alternativen aufzeigt, mit denen, denke ich, auch vom Bund aus mit der Schweiz ins Gespräch gegangen werden kann. Das Gutachten zeigt auch, dass es grundsätzlich möglich ist, die „Stuttgarter Erklärung“ unter gewissen Randbedingungen um zusetzen.

Verkehrsminister Hermann hat am 17. Juni 2016 in einem Schreiben an die Mitglieder des Verkehrsausschusses darauf hingewiesen, dass aber Gefahr im Verzug sei, da das Bundes aufsichtsamt für Flugsicherung dem BMVI vorschlagen wol le, dem Schweizer Antrag aus flugbetrieblicher Sicht zuzu stimmen und stattzugeben.

Es gibt auch weitere Fragezeichen, die man, denke ich, ernst nehmen muss. So gab es eine Sitzung der Konsultativen Kon ferenz Flughafen Zürich am 3. November 2016. Die Ausfüh rungen der Bundesrätin Doris Leuthard in dieser Sitzung wer den im Protokoll folgendermaßen wiedergegeben:

Bundesrätin Doris Leuthard erklärt, dass der gekröpfte Nordanflug im Staatsvertrag eine Drohgebärde gewesen sei. Dies sei ein Trumpf, der nicht aus der Hand gegeben werden dürfe. Die Situation sei heute für die Schweiz bes ser, als wenn der Staatsvertrag in Kraft wäre.

Weiter heißt es:

Hinsichtlich Betriebsreglement 2014 stellt Bundesrätin Doris Leuthard in Aussicht, dass die Zustimmung von Deutschland bald zu erwarten sei.... Eben tags zuvor ha be der Bundespräsident Johann Schneider-Ammann das Thema mit Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgenom men, und es sei in Aussicht gestellt worden, dass bis En de Jahr eine Lösung zu erwarten sei.

Das ist natürlich ein Appell auch an Sie, lieber Kollege Schrei ner, der Sie ja voraussichtlich dem nächsten Bundestag ange hören werden,

(Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

dieses Thema jetzt nicht nur im Landtag zu vertreten, sondern dies dann auch im Bund aufzugreifen und darauf hinzuwir ken, dass die Interessen Südbadens gewahrt werden. Denn wir haben manchmal schon den Eindruck, dass die Geschlossen heit, die wir hier im Landtag zeigen – – Die Einbringung des Antrags, den wir gerade beraten – Sie haben dabei die Initia tive ergriffen –, liegt ja schon einige Zeit zurück, und Sie ha ben sich heute über dpa zu Wort gemeldet. Klar ist, dass die Sache Hand und Fuß haben muss und wir von Land und Bund mit einer Stimme sprechen müssen. Denn es hilft nichts, wenn Sie zwar ankündigen, sich um Einheitlichkeit zu kümmern, wir dies aber nicht auf die Bundesebene bringen.

Deswegen ist es wichtig, dass Sie diese Thematik dann auch im Bund mit der gleichen Intensität verfolgen, die Sie bislang hier an den Tag gelegt haben. Ich hoffe, dass Sie dabei auch Verkehrsminister Dobrindt mitnehmen können. Er hat jetzt vielleicht wieder etwas mehr Zeit, sich auch um andere Din ge zu kümmern.

Das Thema ist ernst, und deswegen wäre es meines Erachtens ein wichtiges Signal, wenn nun die im Landtag vertretenen Fraktionen Geschlossenheit zeigen. Sie haben die FDP/DVP dabei an Ihrer Seite.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP sowie der Abg. Felix Schreiner CDU und Dr. Heinrich Fiechtner AfD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Verkehrsminister Hermann.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Ein großer Hermann- Day heute!)

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Schweiz verbindet uns eine jahrhundertealte gute Nachbarschaft – und ein jahrzehntelanger Konflikt um den Fluglärm vom Flugha fen Zürich.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Nicht nur da!)

In den Siebzigerjahren hat die Schweiz – genauer gesagt der Flughafen Zürich – mit dem Bau der dritten Startbahn, die nach Norden gerichtet wurde, Fakten geschaffen, die uns seit dem beschäftigen; denn dies führt in Südbaden zu einer Be lästigung durch Fluglärm. Da die allermeisten Flugzeuge dort beim Landeanflug von Norden her kommen, hat die Schweiz mit dieser dritten Start- und Landebahn den Fluglärm de fac to nach Süddeutschland verlagert, exportiert. Dies hat einer meiner Vorredner schon gesagt. Das ist es, was für uns den Ärger verursacht, und deswegen gibt es hiergegen seit vielen, vielen Jahren einen parteiübergreifenden Widerstand, getra gen von zahlreichen Bürgerinitiativen, Landräten, Bürger meistern wie auch Landtagsabgeordneten. Wir haben uns auch hier immer wieder mit diesem Thema befasst, und tatsächlich ist dies ein Thema, über das wir hier im Landtag nicht strei ten, sondern bei dem wir einer Meinung sind.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Bis auf die AfD!)

Aber auch wenn wir uns immer wieder hiermit befassen, sind wir bei diesem Thema formal nicht zuständig. Wenn es um

Luftverkehr geht, liegt die formale Zuständigkeit beim Bund, bei der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat bereits vor geraumer Zeit die 220. Durchführungsverordnung erlassen. Dies war die erste Verordnung, durch die der Verkehr über haupt eingeschränkt wurde. Als diese Verordnung in Kraft trat, kam es zu Einschränkungen; diese haben den Betroffenen aber nicht ausgereicht. Inzwischen gibt es die „Stuttgarter Erklä rung“, die weitere Einschränkungen fordert und die erreichen will, dass der Fluglärm in dieser Region reduziert wird. Die sen Wunsch können wir vonseiten der Landesregierung nur bestätigen und nachvollziehen. Wir haben uns stets und im mer wieder dafür eingesetzt, dass der Fluglärm reduziert wird und nicht etwa noch weiter ansteigt.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der Abg. Sabine Wölfle SPD – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Aber eines muss auch klar sein: Wir können nur Appelle for mulieren; die Verantwortung trägt jedoch der Bund. Nicht wir erlassen eine Durchführungsverordnung, sondern der Bund. Dies war auch nicht Gegenstand im Bundesrat. Herr Gögel, vielleicht haben Sie es noch nicht gemerkt: Nicht alles ist im Bundesrat. Wir haben nur begrenzten Handlungsspielraum. Diesen nutzen wir aber, sowohl der Ministerpräsident als auch ich. Wir reden sowohl mit der Bundesregierung als auch mit Abgeordneten.

Man kann ja auch sagen: In den letzten Jahren waren unsere Bemühungen erfolgreich. Denn es ist verhindert worden, dass der Staatsvertrag zustande kommt. Man weiß auch, wie das verhindert worden ist. Er wäre im Bundestag nicht mehrheits fähig gewesen. Das lag daran, dass alle baden-württembergi schen Abgeordneten dagegen gestimmt hätten. Dies hätte aus gereicht, dass – –

(Abg. Felix Schreiner CDU: Vor allem die CDU-Lan desgruppe, bitte!)

Die CDU-Landesgruppe aus Baden-Württemberg, die Grü nen und die SPD-Abgeordneten: Alle waren dagegen – das muss man einfach sagen –, eine breite Allianz. Das hätte aus gereicht, um das Projekt zum Kippen zu bringen. Deswegen ist es auch nie durchgeführt worden.

Ich will noch einmal sagen: Wir haben uns ja auch immer be müht, eine gute nachbarschaftliche Beziehung zur Schweiz zu haben und ein bisschen zu vermitteln. Ich erinnere mich dar an, dass sich der Ministerpräsident dafür angeboten hat. Der Bund hat uns jedoch ziemlich hängen lassen. Der damalige Bundesminister Ramsauer hat sich nicht ein einziges Mal zu rückgemeldet und war überhaupt nicht zu Gesprächen bereit. Am Ende ist das Projekt dann doch gescheitert. Aus badenwürttembergischer Sicht können wir sagen: Gott sei Dank; denn dieser Staatsvertrag wäre für Südbaden und für ganz Ba den-Württemberg nicht gut gewesen.