Protocol of the Session on April 5, 2017

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abg. Rivoir das Wort.

Frau Präsidentin, meine Kollegin nen und Kollegen! Der Bundestag hat die Maut beschlossen. Auch die SPD hat im Rahmen des Koalitionsvertrags diesem umstrittenen Projekt zugestimmt – nicht aus Überzeugung, sondern deshalb, weil das Vorhaben einem anderen Koaliti onspartner, nämlich der CSU, besonders wichtig war. Es wur de ja schon mehrfach beschrieben, wie es in Koalitionen manchmal so ist. Im Gegenzug zur Pkw-Maut haben wir in Berlin eine Vielzahl anderer Projekte durchsetzen können, die zum Teil gegen die Überzeugung unserer anderen Koalitions partner waren. Ich denke beispielsweise an den Mindestlohn, an das Bundesteilhabegesetz, an das Frackingverbot, an die Frauenquote in Führungspositionen oder das ElterngeldPlus. Es ließe sich eine unendlich lange Liste aufzählen.

Meine Damen und Herren, das eine – das ist uns wichtig – ist die Berliner Bühne, auf der das alles gespielt hat. Das andere ist das, was hier in Baden-Württemberg vor sich geht. Die Maut kommt, und wir müssen uns jetzt schon überlegen, wel

che konkreten Auswirkungen diese Maut für Baden-Württem berg hat und was die Landesregierung mit ihrem Handeln ver sucht hat – oder eben nicht versucht hat –, um die Folgen für Baden-Württemberg abzumildern. Darum, und nur darum, geht es in der heutigen Debatte.

Meine Damen und Herren, ich muss jetzt einmal klar sagen: Aus Sicht der SPD-Fraktion war es ein schwerer Fehler, die se Maut im Bundesrat durchzuwinken, sie passieren zu lassen und eben nicht den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel an zurufen, die Verbesserungen, die überall in den Grenzregio nen, etwa in Südbaden, gefordert werden, durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD – Abg. Felix Schreiner CDU: Ungeheuerlich!)

Meine Damen und Herren, im August – –

(Unruhe)

Ganz, ganz ruhig bleiben. – Ich zitiere einmal den damali gen und heutigen Landesvorsitzenden der CDU Baden-Würt temberg aus dem August 2014. Da hat er gegenüber der „Bild am Sonntag“ Folgendes gesagt – ich lese es Ihnen kurz vor –:

Eine Maut, die den kleinen Grenzverkehr erschwert oder gar unterbindet, wäre zum Nachteil für diese Regionen – vor allem für die Familien- und Handwerksbetriebe dort, für den Einzelhandel, für die Gastronomie, für unseren starken Mittelstand.... Was Südbaden und dem Mittel stand schadet, schadet Baden-Württemberg, und das kön nen wir dann auch nicht mittragen.

Das sagte damals Thomas Strobl. – Herr Minister, mit dieser Aussage hatten Sie damals recht, und sie stimmt auch heute noch.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP sowie des Abg. Dr. Rainer Balzer AfD – Abg. And reas Stoch SPD: Ein Lob für Strobl! Das ist selten!)

Welche Konsequenzen haben Sie aus dieser richtigen Erkennt nis gezogen? Gar keine. Keine Konsequenzen haben Sie da raus gezogen.

(Minister Thomas Strobl: Doch!)

Sie haben es versäumt, im Bundesrat die Interessen des Lan des Baden-Württemberg durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Sie haben in den letzten Wochen immer wieder versucht, den Eindruck zu erwecken, dass Sie ein mutiger Kämpfer gegen die Maut im Interesse Baden-Württembergs wären; erreicht haben Sie in diesem vermeintlichen Kampf gar nichts. Nichts haben Sie erreicht. Sie wurden im Sturm der CSU davonge weht wie ein abgelöster Klebestreifen einer Mautvignette. Weg war es. Nichts!

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Ich sage an dieser Stelle noch einmal: Sie haben in der Län derkammer die Interessen Baden-Württembergs sträflich miss

achtet. Wegen dieser von Ihnen selbst dringend geforderten und notwendigen Ausnahme für die Grenzregionen am Rhein hätte unbedingt ein Vermittlungsverfahren im Bundesrat her beigeführt werden müssen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP)

Meine Damen und Herren, Sie hätten starke Verbündete ge habt. Die anderen Bundesländer, Schleswig-Holstein, Nord rhein-Westfalen, Saarland – die Grenzländer –, haben auch auf Nachbesserungen bei der Maut für die Grenzregionen für die vielen Pendler gedrungen. Sie haben beispielsweise maut freie Autobahnabschnitte im Grenzbereich vorgeschlagen. Durch Ihr Verhalten im Bundesrat haben Sie auch die Men schen in den dortigen Grenzregionen im Regen stehen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir fürchten nun zusammen mit den Menschen am Oberrhein und am Hochrhein, dass sich die Pkw-Maut nachteilig auf die sen kleinen Grenzverkehr auswirkt und eben zu den befürch teten, vom Innenminister noch vor zweieinhalb Jahren be schworenen Auswirkungen auf den Umsatz bei Handel und Gastronomie usw. in diesen Grenzregionen führt. Das ist nicht gut für Baden-Württemberg.

Wir, die SPD in Baden-Württemberg, hatten schon immer ei ne kritische Haltung zur „Dobrindt-Maut“. Im Landtag gab es im Oktober 2014 eine Debatte zu diesem Thema. Sie wurde hier bereits zitiert. Damals waren wir – übrigens auch mit dem Verkehrsminister, so wie er es heute ja auch sagt – einig, dass diese Ausländermaut – um etwas anderes geht es nicht – über haupt nichts für Baden-Württemberg und die Bundesrepublik bringt.

Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle schon noch einmal anmerken – da wir Anfang der Woche darüber etwas in der Zeitung lesen konnten –: Ich finde es schon ganz put zig – wenn es nicht so traurig wäre –, wie sich der Verkehrs minister und der Innenminister in der Frage des Abstimmungs verhaltens im Bundesrat gegenseitig ans Schienbein treten. Der Verkehrsminister versucht, die Interessen des Landes zu vertreten, und der Innenminister nennt dies ein „böses Foul“. Wo sind wir denn eigentlich?

Der Herr Innenminister ruft dann – in diesem Fall nicht nach der Mutti – nach Vater Kretschmann, der dem Verkehrsminis ter – der in diesem Fall das Richtige sagt – einen Rüffel ertei len soll. Wenn das normales Regierungsgeschäft ist, Herr Kat zenstein – – Ich sage Ihnen, das ist kein normales Regierungs geschäft, sondern in dieser Frage geht es bei Ihnen zu wie im Kindergarten.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der AfD so wie des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP – Zu ruf des Abg. Hermann Katzenstein GRÜNE)

Ich möchte abschließend noch einmal meinen Kollegen HansMartin Haller zitieren, der in der bereits genannten Debatte im Jahr 2014 an dieser Stelle sagte: Die „Dobrindt-Maut“ ist eine Milchmädchenrechnung. Sie ist ein bürokratisches Mons ter und bringt kein Geld in die Kassen für unseren Straßen bau.

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

Dem ist aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen, und die Zu kunft, meine Damen und Herren, wird uns recht geben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD und der FDP/DVP)

Für die FDP/DVP-Fraktion er teile ich das Wort Herrn Abg. Haußmann.

Sehr geehrte Frau Prä sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit vier Jahren er leben wir jetzt dieses politische Schaulaufen, resultierend aus einer CSU-Bierzeltidee,

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

die den Verkehrsminister schon zu einer Lebensaufgabe ver dammt hat, nämlich, diese „Dobrindt-Murksmaut“ umzuset zen. Es könnte ihm jetzt durchaus gelingen. Die Freien De mokraten haben diese Maut von Anfang an abgelehnt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Erstens ist sie untauglich für die Finanzierung von Verkehrs infrastrukturprojekten, weil die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen, zweitens ist sie kompliziert, intranspa rent, bürokratisch und sorgt für eine massive Datenüberwa chung der Autofahrer. Drittens ist diese Maut ein falsches Si gnal für Europa und für die europäische Integration, weil sie ganz einfach eine Ungleichbehandlung von deutschen und ausländischen Autofahrern darstellt.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Viertens ist deren Einführung noch immer nicht gesichert. Es wird ein EU-Vertragsverletzungsverfahren geben; wir wissen also nach wie vor nicht, ob diese „Murksmaut“ überhaupt um gesetzt werden kann.

Am 10. März hat Verkehrsminister Hermann ebenfalls erklärt, die Maut sei bürokratisch, sie habe keine Lenkungswirkung, und sie koste mehr, als sie einspiele. Minister Strobl war da von nicht sehr begeistert; der Kollege Rivoir hat darauf hin gewiesen. Wenn man die Maut so, wie der Verkehrsminister es getan hat, als „verqueres Konstrukt“ bezeichnet, ist dies ei gentlich noch sehr diplomatisch formuliert. Es ist inhaltlich, denke ich, absolut in Ordnung. Aber das Bild, das die Landes regierung in dieser Sache abgibt, zeugt tatsächlich von einer bemerkenswerten „Geschlossenheit“, meine sehr geehrten Da men und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Abg. Martin Rivoir SPD)

Die grün-schwarze Verkehrspolitik in Baden-Württemberg bietet wirklich ein chaotisches Bild, ein Bild der Uneinigkeit, der Unübersichtlichkeit

(Zuruf: Na, na, na!)

und der Wirtschaftsfeindlichkeit, und das ist für dieses Land nicht gut.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP)

Aber wir werden unter Tagesordnungspunkt 2 noch hierauf zu sprechen kommen; daher will ich nun gar nicht weiter da rauf eingehen.

Schauen wir einmal auf die Fakten. Es gibt jetzt eine neue In frastrukturabgabenbehörde – schon dieses Wort ist faszinie rend –,

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

also eine Behörde, die die Infrastrukturabgabe erhebt. Die Un gleichbehandlung sieht man schon daran – um dies aufzuklä ren, Herr Kollege Dörflinger und Herr Kollege Katzenstein –, dass die Maut auf Bundesstraßen nicht für ausländische Pkws gilt, wohl aber für inländische. Wenn Sie als Inländer vermei den wollen, eine Infrastrukturabgabe zahlen zu müssen, dann können Sie ein Fahrtenbuch führen, um nachzuweisen, dass Sie diese Straßen nicht benutzen. Dies ist eine faszinierende Lösung für das Gesamtkonstrukt, das hier vorgesehen ist.