Protocol of the Session on April 5, 2017

also eine Behörde, die die Infrastrukturabgabe erhebt. Die Un gleichbehandlung sieht man schon daran – um dies aufzuklä ren, Herr Kollege Dörflinger und Herr Kollege Katzenstein –, dass die Maut auf Bundesstraßen nicht für ausländische Pkws gilt, wohl aber für inländische. Wenn Sie als Inländer vermei den wollen, eine Infrastrukturabgabe zahlen zu müssen, dann können Sie ein Fahrtenbuch führen, um nachzuweisen, dass Sie diese Straßen nicht benutzen. Dies ist eine faszinierende Lösung für das Gesamtkonstrukt, das hier vorgesehen ist.

Herr Dörflinger, Sie sagten, es gebe eine nachhaltige Entlas tung, wenn man Neufahrzeuge, beispielsweise nach Euro6-Norm, einsetzt. Rechnen wir dies einmal durch: Nehmen wir ein Mercedes-Fahrzeug der B-Klasse, 160 CDI. Dort ha ben Sie eine Entlastung – also die Differenz zwischen Infra strukturabgabe und der Minderung der Kfz-Steuer – von 9,75 €. Beim VW Polo sind es 7,80 € und beim Fiat 500 8,45 €. – Ich vermute, dass man damit auch die Nachrüstprämien unter stützt, die die CDU fordert; denn sie ist ja nun mitverantwort lich für die Fahrverbote in Baden-Württemberg. Bei dieser Geschichte hat doch alles keinen Sinn.

(Beifall bei der FDP/DVP und der AfD sowie Abge ordneten der SPD – Zuruf von der AfD)

Minister Dobrindt rechnet mit 3,9 Milliarden € Gesamtein nahmen, davon 3,1 Milliarden € aus Einnahmen von deut schen Autofahrerinnen und Autofahrern. Das ist nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern es entstehen zusätzliche Aus gaben für den Staat – 830 Millionen € kommen durch auslän dische Pkws –, nämlich 210 Millionen € Infrastruktur- oder Bürokratiekosten. Der ADAC hat die Lenkungswirkung be reits sehr heftig angezweifelt.

Man rechnet mit 100 Millionen € Steuerentlastung durch die Kfz-Steuer. Wenn durch den Wechsel auf Neufahrzeuge die se Minimalerstattung in zunehmendem Umfang erfolgt, dann bleiben nach diesen Berechnungen nicht 2 Milliarden € pro Legislaturperiode – also 500 Millionen € pro Jahr –, wie es Herr Dobrindt angeführt hat, sondern es bleibt in den nächs ten Jahren allerhöchstens die Hälfte dieser Einnahmen übrig. Man muss also sagen, dass die Infrastrukturkosten dann in et wa so hoch sind wie das, was übrig bleibt. Das kann man mit normalem Menschenverstand nicht mehr nachvollziehen. Ich muss mich auch wundern, dass die SPD im Bundestag da zu gestimmt hat.

Es hilft nichts, Herr Rivoir, wenn Sie jetzt der Landesregie rung sagen, sie hätte sich im Bundesrat der Stimme enthalten sollen. Die SPD hier hat doch bei diesem Thema zugestimmt.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der CDU – Abg. Felix Schreiner CDU: So ist es! Pein lich!)

Offensichtlich hat man Thüringen – Herrn Ramelow – im Bundesrat dadurch gewonnen – das war dann überzeugend und beeindruckend –, dass Herr Dobrindt ihm eine Finanzie rungszusage für ein regionales Schienenprojekt in Ostthürin gen gemacht hat.

(Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das war echt pein lich!)

Da sieht man einmal, wie schlagkräftig und überzeugend die „Dobrindt-Maut“ im Bundesrat war. Das nenne ich eine Po litik, wie sie Deutschland nicht verdient hat, meine sehr ge ehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Bundeskanzlerin hat ja gesagt: „Meinetwegen, lieber Herr Seehofer, dann machst du halt diese ‚Murksmaut‘. Aber sie darf den deutschen Autofahrer nichts kosten.“

Ich prophezeie an dieser Stelle:

(Abg. Anton Baron AfD: Ich auch!)

Diese Maut wird dazu führen, dass in den nächsten zwei, drei Jahren niemand mehr durchblickt – die Verrechnung zwischen der Kfz-Steuer und der Infrastrukturabgabe –

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es!)

und wir dadurch eine schleichende Nutzerfinanzierung zulas ten der deutschen Autofahrer haben,

(Abg. Anton Baron AfD: So ist es! – Zuruf von der AfD: Mit Sicherheit!)

und dies bei Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe, wie wir sie derzeit haben. Das ist völlig unverantwortlich,

(Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

und genau das führt zu Politikverdrossenheit.

(Zuruf der Abg. Nicole Razavi CDU)

Dazu trägt insbesondere die CDU bei, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Das Problem sind doch im Augenblick gar nicht die finanzi ellen Ressourcen. Sie haben es selbst mitbekommen: Dobrindt kann seine Milliarden gar nicht an die Bundesländer vertei len, weil diese mit der Planung nicht hinterherkommen. Wir brauchen doch Planungskapazitäten, damit wir diese Infra strukturprojekte überhaupt umsetzen können. Es mangelt al so nicht an finanziellen Ressourcen für unsere Verkehrsinfra struktur. Es mangelt vielmehr an den Planungskapazitäten. Umso mehr ist diese Maut von Herrn Dobrindt ein Murks.

(Beifall bei der FDP/DVP)

Die Bürgerinnen und Bürger fühlen sich von der Großen Ko alition über den Tisch gezogen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD)

Für die Landesregierung er teile ich Herrn Minister Hermann das Wort.

Frau Präsiden tin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am letzten Frei tag hat sich der Bundesrat zum letzten Mal mit der Maut be fasst, und er hat darauf verzichtet – jedenfalls fand sich dafür keine Mehrheit –, Einspruch zu erheben. Damit ist die Maut – so wie von der Bundesregierung, von der Koalition vorge schlagen und im Bundestag beschlossen – Gesetz.

Wenn nun eine Fraktion hier im Landtag fünf Tage später die se Maut zum Thema einer Aktuellen Debatte macht – nach ei ner 25-jährigen Diskussion über Maut in Deutschland, nach einer vierjährigen Diskussion über diese Maut –, dann zeigen Sie von dieser Fraktion einmal mehr, dass Sie von gestern sind.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Zurufe von der AfD)

Herr Meuthen, Ihre Rede hat gezeigt, dass Sie von vorgestern sind.

Meine Damen und Herren, die Maut-Debatte ist eine lange Geschichte. Ich werde sie heute nicht endlos fortsetzen. Wir haben die Debatte auch hier im Landtag schon mehrfach ge führt. Das ist eigentlich ein Nachhutgefecht. Alle Argumente sind ausgetauscht.

Deswegen werde ich mich sehr zurückhalten und nur zum Ver lauf nochmals einige Punkte sagen.

(Abg. Rüdiger Klos AfD: Deshalb sind Sie sich auch so einig!)

Wir haben uns im Bundesrat lange damit befasst. Es war üb rigens auch nicht ganz klar, ob der Bundesrat überhaupt etwas zu sagen hat. Denn primär ist der Bundestag zuständig. Lie be SPD, daran wart ihr eben auch beteiligt – keinen schlan ken Fuß machen, sondern es war ein Koalitionsprojekt.

(Abg. Nicole Razavi CDU: So ist es! – Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

Wenn die SPD im Bundestag nicht zugestimmt hätte, wäre das Ganze schon gar nicht in den Bundesrat gekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Dann hätten wir auch keinen Mindestlohn!)

Es war bis zum Schluss umstritten, ob wir zu der Möglichkeit der Länder – die Betroffenheit in Grenzregionen – den Ver mittlungsausschuss anrufen. Es war bis in die Nacht vor der Abstimmung hinein unklar, ob es eine Mehrheit gibt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Kollege Lede Abal!

(Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Ja, ich weiß!)

Dann ist es gut.

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Felix Schreiner CDU)

Vielen Dank, Herr Lede Abal. – Es war am Ende in der Tat Thüringen, das dann für eine Mehrheit gesorgt hat – gegen eine Zusage, ge gen ein Geschenk. Aber es sind natürlich auch nicht alle SPDMinisterpräsidenten und -ministerpräsidentinnen gestanden – so, wie Herr Rivoir hier mutig die Position gehalten hat.

(Abg. Felix Schreiner CDU: Neun gibt es!)

Ich will daraus gar kein parteipolitisches Spiel machen. Wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie einräumen, dass es in allen Par teien schon seit Langem eine Diskussion über die Fragen gibt: Wie finanzieren wir Verkehrsinfrastruktur? Sind wir für eine Maut? Wie soll die Maut aussehen? Ich muss einfach sagen – ich war ja in mehreren Kommissionen –: Quer durch alle Par teien gibt es dazu unterschiedliche Meinungen. Denn einfach ist es nicht. Die Frage, wie wir Infrastruktur dauerhaft und verlässlich finanzieren und wie wir Nutzer einbeziehen, ist schon wichtig. Dazu hat Kollege Dörflinger das Richtige ge sagt.