Protocol of the Session on March 22, 2017

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig! Sehr rich tig! – Abg. Winfried Mack CDU: Das erwartet man von ihnen, wenn sie eine Anstellung auf Lebenszeit anstreben!)

Zu jobben war übrigens auch nicht möglich. Wer nämlich nicht so vorgeht, liebe Kolleginnen und Kollegen auch von der CDU, der säuft in seinem ersten Schuljahr mit vollem De putat gnadenlos ab. Wie sonst soll eine neue Lehrkraft sofort aus dem Stand heraus 25 Stunden oder mehr in einer Schule unterrichten? Nein, die Lehrkraft muss hier im Gegensatz zu anderen Beschäftigten zwingend in Vorleistung gehen.

Vor diesem Hintergrund wäre es nur recht und billig, wenn das Land eine entsprechende Entschädigung zahlen würde. Es ist Zeit, dies anzugehen. Die SPD hat daher noch zur Zeit ih rer Regierungsbeteiligung – auch im Bewusstsein über diese Gerechtigkeitslücke, auch aus unserer Regierungszeit heraus – in ihrem Wahlprogramm 2016 Folgendes formuliert:

In der aktuellen Lage benötigen wir jede Lehrkraft. Um den Lehrberuf attraktiver zu machen, wollen wir die Lehr kräfte, die durchgängig ein Schuljahr an unseren Schu len unterrichtet haben und für das folgende Schuljahr ei ne Anschlussbeschäftigung vorweisen können, auch über die Sommerferien beschäftigen. Der Nachwuchs an Lehr kräften liegt uns ebenfalls am Herzen. Deshalb wollen wir Lehramtsreferendare, die ihre Ausbildung erfolgreich vollendet haben und eine Beschäftigungszusage durch das Land Baden-Württemberg vorweisen können, auch über den Zeitraum der Sommerferien bezahlen.

Es ist leider anders gekommen. Mit der Neubesetzung im Kul tusministerium ist an die Stelle einer Sensibilität für dieses wichtige Thema im besseren Fall Unwissenheit und im üble ren Fall eine – ich muss es leider so nennen – gewisse Arro ganz getreten. Nicht anders zumindest haben Lehrkräfte auf die oben zitierte Äußerung der Kultusministerin reagiert.

Frau Ministerin, es geht an dieser Stelle nicht um Urlaub. Es geht um faire Arbeitsbedingungen und faire Löhne.

(Beifall bei der SPD)

Aktuell zeigt sich bundesweit aber auch bereits ein Mangel an Lehrerinnen und Lehrern. Die Konkurrenzsituation führt dazu, dass andere Bundesländer besondere Maßnahmen er greifen, um Lehrkräfte zu gewinnen. Eine dieser Maßnahmen ist die Bezahlung in den Sommerferien, unter Umständen ge regelt durch einen gesonderten Überbrückungsvertrag, um ein Abwandern von Lehrkräften in andere Bundesländer zu ver hindern. Wer gewillt ist, hierfür eine Lösung zu finden, der darf sich auch nicht hinter der Aussage verstecken, dies sei rechtlich nicht möglich. Das Gegenteil ist der Fall: Es ist nach unserer Auffassung rechtlich möglich, und die finanzielle Si tuation lässt dies heute auch zu.

Wir vermissen daher in der Antwort des Landes das Aufzei gen von alternativen rechtlichen Möglichkeiten zur Vergütung in den Sommerferien. Andere Bundesländer wie Hessen und Nordrhein-Westfalen zeigen, dass dies machbar ist. So be schäftigt NRW alle Vertretungslehrkräfte auch über die Som merferien, wenn diese spätestens zum 1. Februar eingestellt

wurden. Hessen verfährt so, wenn zuvor mindestens 39 Wo chen lang eine Beschäftigung bestand.

Frau Ministerin, ich wäre Ihnen darüber hinaus dankbar, wenn Sie mit Blick auf den letzten Absatz Ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag heute darlegen könnten, welcher weitere Maß nahmenkatalog denn für die Verbesserung des Übergangs in diesen Beruf für Lehrkräfte aufgelegt werden soll. Eine reine Fortbildungsreihe ist hier zu wenig. Welche flankierenden Maßnahmen wollen Sie direkt in den Schulen vorsehen?

Ein Letztes: Eines werden Sie von mir von dieser Stelle aus immer wieder hören: Ich bin der festen Überzeugung, dass die von Grünen und CDU beschlossene Streichung von über 1 000 Lehrerstellen ein großer Fehler ist und zwingend zurückge nommen werden muss.

(Beifall bei der SPD)

Mit Blick auf unsere heutige Debatte wäre es dann z. B. mög lich, die Anzahl der Krankheitsvertretungen deutlich aufzu stocken, um befristete Verträge zu vermeiden. Für einen not wendigerweise darüber hinausgehenden Puffer ist unseres Er achtens die Einführung einer Stichtagsregelung, wie sie etwa in Nordrhein-Westfalen besteht, sinnvoll. Wir erwarten heute von Ihnen, Frau Ministerin, eine rechtliche Darlegung dazu, weshalb in Baden-Württemberg etwas nicht möglich sein soll, was in Hessen und in Nordrhein-Westfalen machbar ist. Es ist Zeit für Veränderung.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Daniel Rottmann AfD)

Für die Fraktion GRÜNE er teile ich das Wort Frau Abg. Boser.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Je häufiger ich hier vorn Sie von der SPD höre, desto stärker habe ich das Gefühl, dass bei Ihnen eine gewis se „Regierungsdemenz“ auftritt. Ich muss an dieser Stelle Ih rem Gedächtnis noch einmal auf die Sprünge helfen: Sie hat ten in den letzten fünf Jahren die Möglichkeit,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Wir! Oder habt ihr nicht regiert? – Weitere Zurufe von der SPD)

genau da aktiv zu werden. Sie hatten das Kultusministerium; Sie hatten das Finanzministerium.

(Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen)

Wenn Sie auf die Erfolge im Hochschulbereich hinweisen, möchte ich auch da einen Hinweis geben, um Ihr Gedächtnis aufzufrischen: Es war eine grüne Wissenschaftsministerin, die diese Entfristungen vorgenommen hat.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Das hatte mit den ande ren Bereichen nichts zu tun! – Abg. Dr. Stefan Fulst- Blei SPD: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!)

Ich will dies einfach in einen gewissen Kontext setzen. Denn wenn man die Begründung dazu hört, wie das Kultusministe rium argumentiert hat,

(Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Da ist aber eine ganz schöne Zerrüttung eingetreten!)

stellt man fest: Die Begründung war dieselbe, die auch Mi nister Stoch in der letzten Legislaturperiode gebracht hat, nämlich, dass es – –

(Zurufe – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Liebe Kolleginnen und Kolle gen! – Frau Abg. Boser, fahren Sie bitte fort.

Danke, Frau Präsidentin. – Es wird deutlich, dass es rechtlich nicht so einfach ist, die Refe rendare über die Sommerferien hinweg zu beschäftigen; denn mit Stichtag Ende Juli endet ihr Referendariat,

(Abg. Andreas Stoch SPD: Es ist nicht einfach, aber möglich!)

und die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfolgt erst im September.

Ich möchte noch einen wichtigen Punkt herausstellen: 95 % der Lehrkräfte, die wir im vergangenen Jahr eingestellt haben – es waren 6 600 Einstellungen insgesamt –, wurden in das Beamtenverhältnis übernommen. Das Beamtenverhältnis ist immer noch eine attraktive berufliche Option, die wir den Leh rerinnen und Lehrern in Baden-Württemberg bieten.

(Beifall bei den Grünen)

Ich wäre wirklich froh, wenn wir endlich auch einmal nach außen darstellen würden, was das denn für die Lehrerinnen und Lehrer im Land bedeutet. Es bedeutet ein Anstellungsver hältnis auf Lebenszeit, es bedeutet eine Pension, die sie in der freien Wirtschaft nie erreichen. Sie haben ein gesichertes Ein kommen, und sie haben die Möglichkeit, sich in diesem Be ruf weiter zu qualifizieren. Es wäre wichtig, endlich einmal das Bild des Lehrers im Blick darauf, was faire Rahmenbe dingungen betrifft, nach außen zu verbessern. Denn wir ha ben tatsächlich das Problem, dass die Lehrerstellen, die wir ausschreiben, nicht vollständig besetzt werden können.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Aber das rechtfer tigt doch keine sechswöchige Arbeitslosigkeit!)

Da muss ich der Finanzministerin Edith Sitzmann sehr herz lich danken, weil sie es jetzt geschafft hat – das war in der Vergangenheit nicht möglich –, die Übertragung der Tarifei nigung im öffentlichen Dienst gemeinsam mit dem Beamten bund auf die Beamten im Land zu übertragen. Wir haben jetzt hier gemeinsam mit den Beamten eine Lösung gefunden, wie die Rahmenbedingungen – von denen sprechen Sie ja auch – verbessert werden können. Diese Landesregierung nimmt die Absenkung der Eingangsbesoldung zurück und erhöht damit die Attraktivität für die Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Ich will auch darauf hinweisen: Baden-Württemberg bezahlt seine Lehrerinnen und Lehrer deutschlandweit mit am besten. Wir haben hier mit die höchsten Einstiegsgehälter; das Depu tat ist vergleichbar mit dem in anderen Ländern. Es wäre wich tig, dass wir dies auch nach außen besser darstellen. Die Dis kussionen, die wir über Lehrerinnen und Lehrer in der Ver

gangenheit geführt haben, haben sich immer nur darum ge dreht, wie schlecht es den Lehrerinnen und Lehrern geht, dass sie beleidigt werden, dass es immer schwieriger wird, den Be ruf auszuüben. Da verwundert es nicht, dass sich laut OECD inzwischen gerade einmal 0,8 % der 15-Jährigen im Land vor stellen können, Lehrerin bzw. Lehrer zu werden. Das muss uns doch ins Bewusstsein rufen, dass wir da etwas verändern müssen und endlich einmal darstellen müssen, welche Mög lichkeiten und welche Chancen der Beruf des Lehrers hat.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

Auch da ist es nicht hilfreich, wenn ein ehemaliger Fraktions vorsitzender der SPD Lehrerinnen und Lehrer als Heulsusen bezeichnet.

(Vereinzelt Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig! Das ist un erhört!)

Das ist etwas, was man gerade in solchen Diskussionen na türlich befördert: dass man eben nicht die Möglichkeiten sieht, die der Lehrerberuf bietet, sondern dass der Lehrerberuf in ein schlechtes Licht gerückt wird. Dessen Attraktivität steigern wir damit keinesfalls.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD)

Deswegen ist für uns und die grün-schwarze Landesregierung völlig klar: Wir wollen den Beruf des Lehrers attraktiv gestal ten. Dazu helfen die Vereinbarungen mit dem Beamtenbund, dass wir die Besoldung anpassen, dass wir die Kürzung der Eingangsbesoldung zurücknehmen und dass wir uns auch Ge danken darüber machen, wie wir die Haupt- und Werkreal schullehrkräfte weiterqualifizieren. Denn genau da haben wir einen Ansatzpunkt, um Lehrerinnen und Lehrer, die bereits an den Schulen im Land arbeiten, so zu qualifizieren, dass sie eben auch Stellen übernehmen können, die momentan offen stehen.

Deswegen setzen wir auch auf das Weiterqualifizierungspro gramm, das jetzt im Kabinett von Frau Ministerin Eisenmann vorgestellt wurde, und unterstützen das Ministerium dabei, Lehrerinnen und Lehrer zu finden, die genau in diese Weiter qualifizierungsmaßnahmen hineingehen.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zurufe der Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei und Reinhold Gall SPD)

Zu den Vertretungslehrkräften möchte ich eines sagen: Ja, bei den Vertretungslehrkräften besteht Handlungsbedarf.

(Abg. Reinhold Gall SPD: Also!)

Wir sind absolut offen dafür, für die Vertretungslehrkräfte die feste Krankheitsreserve zu erhöhen. Aber auch da muss ich Sie noch einmal erinnern: Wir haben der SPD schon in der letzten Legislaturperiode diesen Vorschlag bei den Haushalts beratungen gemacht. Das wurde von der SPD abgelehnt. Auch da herrscht anscheinend wieder Regierungsdemenz.

Vielen Dank.