Protocol of the Session on March 22, 2017

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! „... Europa neu beleben“, wieder beleben – als Arzt denke ich an Reanimation, aber bei Euro pa denke ich an eine Neunzigjährige im Altenheim mit Herz stillstand. Da reanimiere ich nicht mehr. Da denke ich eher an die Leichenschau.

(Abg. Nicole Razavi CDU: Huh! – Unruhe)

Meine Damen und Herren, nach so viel schwülstiger Europa rhetorik muss ich schon einen Gegenakzent setzen.

(Abg. Nicole Razavi CDU: So etwas macht den Men schen wirklich Mut! – Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das ist Optimismus pur!)

Das Europa von Frau Merkel, von Herrn Juncker, von Martin Schulz SPD

(Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE)

ist ein trostloses, ein antidemokratisches, ja ein antieuropäi sches Unterfangen.

(Unruhe – Zuruf: So wie du! – Heiterkeit)

Garant für Demokratie und für Frieden – da lachen ja die Hüh ner. Demokratie: Ralf Dahrendorf – ich zitiere ihn nochmals; Herr Rülke, ich sage Ihnen, wenn Ralf Dahrendorf wüsste und sähe, was aus seiner FDP geworden ist, er würde sich im Grab umdrehen –

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP: So jemand wie Sie, da wäre Ralf Dahrendorf wirklich begeistert! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Herr Dahrendorf wür de Ihnen auch etwas zu erzählen haben!)

hat ganz klar gesagt: Die EU würde, wenn sie bei sich selbst den Antrag auf Aufnahme stellen würde, nicht aufgenommen werden können, weil sie zu viele Demokratiedefizite hat. – So viel zum Thema Demokratie.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Was den Frieden anbelangt: Frieden hatten wir so lange in Eu ropa, wie es die EU nicht gab. Es gab die EWG, es gab die EG, und als das Ganze dann transformiert wurde in eine po litische Union – die EU mit Maastricht –, da fingen die Krie ge an, meine Damen und Herren.

(Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD)

Da begann ein Aggressionskrieg, ein völkerrechtswidriger Krieg, in den die EU-Staaten unter amerikanischer Regie voll involviert waren. Da begann die Aggression gegen Serbien, da begann die Annexion des Kosovo – ich spreche nicht von

der Krim, sondern vom Kosovo. Das war die Initialzündung für Annexionen in Europa unter Mithilfe der EU.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

So viel zur Frie denspolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Meine Damen und Herren, diese EU ist eine alte Kiste, wür de man beim Auto sagen. Da lohnt nicht die Reparatur, son dern die fährt man auf den Schrottplatz. Wir brauchen einen Neuanfang,...

Herr Abg. Dr. Gedeon, Ihre Redezeit ist beendet. Kommen Sie bitte zum Schluss.

... einen Neuan fang, eine EU – –

(Glocke der Präsidentin)

Lassen Sie mich doch meinen – –

Ihre Redezeit ist beendet.

Einen Schluss satz, bitte.

Ihre Redezeit ist beendet!

(Vereinzelt Beifall – Zuruf: Mikro ausschalten!)

Ja. – Wir brau chen eine EU, in der Demokratie und Frieden lebendige Wirk lichkeit sind...

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abg. Dr. Gedeon!

... und nicht hoh le Phraseologie.

Vielen Dank.

Ich bitte die Technik, das Mi krofon abzuschalten!

(Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos] verlässt das Rednerpult. – Beifall bei Abgeordneten der AfD – Unruhe)

Meine Damen und Herren, jetzt liegen keine weiteren Wort meldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.

Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi nisteriums für Kultus, Jugend und Sport – Entlassung von Vertretungslehrern und Referendaren in den Sommerfe rien beenden – Drucksache 16/130

Meine Damen und Herren, das Präsidium hat folgende Rede zeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten je Fraktion.

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Fulst-Blei.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, Kolleginnen und Kollegen! Baden-Württemberg konnte in der vergangenen Legislaturperiode einige wesentliche Mark steine zur Umsetzung des Ziels „Gute Arbeit“ umsetzen. Wenn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten von guter Ar beit reden, dann wollen wir z. B. eine Entfristung befristeter Arbeitsverhältnisse, dann wollen wir eine auskömmliche Be zahlung, dann wollen wir Perspektiven für die Beschäftigten.

Hier hat das Land eine besondere Vorbildfunktion. Dies war der Hintergrund, warum die alte Landesregierung in den Jah ren 2011 bis 2016 allein im Hochschulbereich mehrere Tau send Beschäftigte des Landes fest auf unbefristete Verträge übernommen hat. Eine Baustelle ist allerdings bei Grünen und SPD offen geblieben:

(Abg. Tobias Wald CDU: Nur eine?)

das Problem der Entlassung von Vertretungslehrkräften und Referendaren in den Sommerferien. Das ist uns bewusst. Hier bedarf es einer Änderung.

Zur Erläuterung: Wer in Baden-Württemberg das Referenda riat ablegt und im Anschluss als Lehrkraft übernommen wird, wird vor den Sommerferien entlassen und erst nach den Som merferien wieder eingestellt, obwohl klar ist, dass er oder sie eine Festanstellung hat. Die Person steht damit übrigens dem Arbeitsmarkt natürlich nicht zur Verfügung und muss oft ir gendeinen Weg finden, sich in diesen Wochen finanziell über Wasser zu halten. Vergleichbares gilt für Vertretungslehrkräf te mit befristetem Vertrag.

(Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP)

In der Tat ist es bei allen rechtlichen Abwägungen und Be gründungen einem normalen Bürger oder einer Bürgerin auf der Straße kaum zu erklären, dass ein öffentlicher Arbeitge ber mit Beginn der Sommerferien Beschäftigte entlässt, um sie unmittelbar im Anschluss nach sechseinhalb Wochen wie der einzustellen. Dies gilt mit Blick auf die Vertretungslehr kräfte insbesondere dann, wenn ihre Einstellung nicht kurz fristig, sondern beispielsweise bereits länger als neun Mona te vor Beginn der Sommerferien erfolgte. Bei dieser Gruppe von Lehrkräften reden wir von einer Größenordnung von 688 allein im letzten Schuljahr. Hiervon hatten übrigens knapp 400 bereits im Schuljahr davor ein befristetes Beschäftigungsver hältnis.

Ähnlich schwierig – nicht nur aus Sicht der GEW – ist die Nichtbeschäftigung von ausgelernten und übernommenen Re ferendaren über die Sommerferien zu begründen. Wie wenig Ahnung die Kultusministerin vom tatsächlichen Alltag von Lehrerinnen und Lehrern insbesondere in jungen Jahren hat, zeigt ihre Aussage uns gegenüber, dass es wohl kaum ver ständlich sei – ich zitiere –, „Beschäftigung mit Urlaub zu be ginnen“. Frau Ministerin, haben Sie sich eigentlich einmal mit einem Junglehrer oder einer Junglehrerin unterhalten?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Täglich!)

Ich kann Ihnen sagen, was ich in meinen sogenannten Som merferien nach dem Referendariat gemacht habe: Unterrichts vorbereitung, Unterrichtsvorbereitung, Unterrichtsvorberei tung.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Richtig! Sehr rich tig! – Abg. Winfried Mack CDU: Das erwartet man von ihnen, wenn sie eine Anstellung auf Lebenszeit anstreben!)