Protocol of the Session on November 23, 2016

Der Umweltminister behauptet in der Stellungnahme zu dem Antrag, über den wir heute debattieren, zum 1 000-m-Abstand lapidar – ich zitiere –:

Die Aussage weicht nicht von den bisherigen Ausführun gen des Windenergieerlasses ab.

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: So sieht es aus!)

Also kein Kompromiss, sondern die seitherigen Regelungen gelten fort.

In seinem Rundschreiben an die kommunalen Planungsträger formuliert es Franz Untersteller so – ich zitiere –:

So kann ein Abstand von 1 000 m im konkreten Fall bei besonders hoher Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdig keit des betroffenen Wohngebiets – vor allem bei einem reinen Wohngebiet – in Betracht kommen...

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mich verwirrt dieses Schrei ben mehr, als dass es Klarheit schafft. Welche reinen Wohn gebiete sind denn schutzbedürftiger als andere? Das frage ich Sie. Will die Landesregierung, will der Umweltminister hier ernsthaft Wohngebiete erster und zweiter Klasse definieren? Ich bin einmal gespannt, ob der Umweltminister hier ganz konkrete Entscheidungskriterien benennen wird, um diese Un sicherheiten auszuräumen.

Verständlicher hingegen formuliert es Landwirtschaftsminis ter Hauk, der leider auch nicht da ist – ich zitiere aus der „Stuttgarter Zeitung“ –: Vor diesem Hintergrund habe die Lei tung des Landesbetriebs ForstBW festgelegt,

Waldstandorte in Landesbesitz, die näher als 1 000 m zur nächsten Wohnbebauung liegen, in Zukunft nicht mehr als Windkraftstandorte zu vermarkten.

Ein paar Tage später schiebt Minister Hauk nach, dass unbe schadet dieser Vorgabe in jedem Fall eine Einzelfallprüfung vorgenommen werden wird. Die Vorgabe als solche ruft er aber nicht zurück.

Ministerpräsident Kretschmann qualifiziert einen Mindestab stand von 700 m dann als „Richtgröße“ – noch ein neuer Be griff, der eher Widersprüche aufdeckt als Klarheit schafft. Ich meine, es bedarf in dieser Frage keiner Richtwertformulie rungskunst, sondern einer Richtlinienkompetenz mit klaren und verständlichen Formulierungen, um den Ausbau der Wind kraft in unserem Land voranzutreiben, anstatt ihn abzubrem sen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält Herr Abg. Dr. Gedeon.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Grundlage rot-grüner Energie politik ist nicht rational, sondern ist eine ideologische Verir rung. Vor 20 Jahren war es das sogenannte Ozonloch – Sie er innern sich. Davon redet heute niemand mehr.

(Unruhe)

Jetzt ist es das CO2, die Dekarbonisierung. Was in 20 Jahren Thema ist, wissen wir nicht. Auf jeden Fall muss von Zeit zu Zeit eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden, sonst hört nämlich niemand mehr hin.

Kein seriöser Wissenschaftler, meine Damen und Herren, kann aufgrund der Multikomplexität des Klimaphänomens auch nur

annähernd den Anteil der von Menschen gemachten, also der zivilisationsbedingten Wirkung auf das Klima quantifizieren.

(Zurufe von der SPD: Doch!)

Wer es trotzdem macht, ist kein Wissenschaftler, sondern ein moderner Kaffeesatzleser.

(Heiterkeit des Abg. Anton Baron AfD)

Das gilt umso mehr, als ja nicht einmal feststeht, ob wir eine Erderwärmung oder vielleicht nicht sogar eine Erdabkühlung bekommen. In diesem Sinn ist die ganze Panikmache um das Klima im Wesentlichen eine Ablenkung von den politischen Problemen und den großen, wirklichen Gefahren, die vom in ternationalen Finanzkapital oder vom politischen Islamismus ausgehen. Stattdessen schwadroniert man über die Interessen der Menschheit. Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren: Hüten Sie sich vor denen, die ständig das Wort „Mensch heit“ im Munde führen.

(Abg. Wolfgang Drexler SPD: Aha!)

In diesem Sinn also ist das ganze Gehabe mit der Klimakata strophe eine pseudoreligiöse apokalyptische Ersatzreligion und Panikmache,

(Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE)

die eine rationale Energiediskussion blockiert – und dies zum Schaden der Bürger und zum Schaden der ganzen Wirtschaft.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Untersteller.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kol legen! Nach so einer Rede warte ich darauf, dass wir irgend wann gesagt bekommen, die Erde sei eine Scheibe.

(Heiterkeit und Beifall bei den Grünen, der CDU und der SPD sowie Abgeordneten der FDP/DVP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mittlerweile ist es – wenn ich richtig gerechnet habe – 107 Jahre her, dass das kommu nale Überlandwerk Oberschwäbische Elektrizitätswerke, uns allen hier als OEW bekannt, gegründet wurde. 1909 waren große Teile Oberschwabens noch ohne Strom. Die OEW mach ten sich in den Folgejahren daran, die Region Oberschwaben zu elektrifizieren.

(Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU)

Neu und unbekannt, Herr Kollege, waren damals an vielen Orten elektrische Oberleitungen und Strommasten. Als diese errichtet wurden, liebe Kolleginnen und Kollegen, ging das – ich will es vorsichtig sagen – nicht ganz ohne Widerstand; die Leitungen veränderten schließlich das historisch gewachsene Landschaftsbild. Das ist in der Tat – das ist der einzige Punkt Ihrer Rede, Herr Kollege Glück, mit dem ich einverstanden bin – etwas sehr Wertvolles. Die Landschaft, die Natur, in der wir leben, ist Heimat für uns, etwas Vertrautes und – man kann auch sagen – etwas Liebgewonnenes.

Windräder, liebe Kolleginnen und Kollegen, stellen zweifels ohne einen Eingriff in die Landschaft dar. Das kann man über haupt nicht in Abrede stellen. Solche Eingriffe sind auch Ge genstand der Genehmigungsverfahren. Ich kann nachvollzie hen, dass sich Menschen damit schwertun und dass sich man che davon gestört fühlen. Ich kann durchaus nachvollziehen – das mag Sie wundern –, dass auch manche Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners Probleme damit haben.

(Abg. Karl Zimmermann CDU: Da haben Sie recht!)

Gleichwohl waren die Stromleitungen und die Strommasten in den Jahren nach 1909 die notwendige Voraussetzung, Herr Kollege Zimmermann, für die Elektrifizierung Oberschwa bens. Heute sind die Windenergieanlagen eine notwendige Vo raussetzung für die Energiewende. Heute sind die Windener gieanlagen mit eine notwendige Voraussetzung für einen er folgreichen Klimaschutz. Heute sind die Windenergieanlagen ferner mit eine notwendige Voraussetzung dafür, dass wir uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten dem Ziel der De karbonisierung nähern.

(Beifall bei den Grünen – Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner AfD: Wunsch der Deindustrialisierung! – Zuruf des Abg. Rüdiger Klos AfD)

Wir brauchen die Windenergie. Darauf haben sich die Regie rungsparteien im Koalitionsvertrag – Kollege Nemeth ist aus führlich darauf eingegangen – ausdrücklich bekannt.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner AfD: Deutschland schafft sich ab!)

Ich glaube, die meisten hier im Haus wollen eine erfolgreiche Energiewende. Auch die große Mehrheit der Bevölkerung im Land – das sagen zumindest alle Umfragen, die ich kenne – will die Energiewende.

(Abg. Anton Baron AfD: Was ist mit Europa?)

Wenn man die Energiewende will, bedeutet das, dass wir da zu auch – ich betone: auch – die Windenergie als kostengüns tigste Möglichkeit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Ener giequellen benötigen. Die Kosten für die Stromerzeugung aus neuen Windkraftanlagen liegen in Süddeutschland heute bei zwischen 6 und 7 Cent pro Kilowattstunde.

(Unruhe bei der AfD – Glocke des Präsidenten)

Damit sind diese Kosten niedriger als die Kosten für die Stromerzeugung mit konventionellen Anlagen.

(Beifall bei den Grünen sowie Abgeordneten der CDU und der SPD – Abg. Carola Wolle AfD: Wie sieht es mit der Netzsicherheit aus?)

Wir wollen – mittlerweile zeichnet sich ab, dass es einen Kon sens darüber geben wird – weg von der Kohle. Der G-7-Gip fel in Elmau im vergangenen Jahr hat sich dem Ziel der De karbonisierung explizit verpflichtet. Wir wollen und müssen das bis zur Mitte dieses Jahrhunderts vorantreiben, wenn wir dieses Ziel erreichen wollen.

Dafür brauchen wir, verehrte Kolleginnen und Kollegen, u. a. die Windkraft. Wir brauchen die Windkraft auch, wenn wir die im Dezember letzten Jahres auf der Weltklimakonferenz

in Paris beschlossenen Klimaziele erreichen wollen. Auch da für brauchen wir – im Stromsektor – die Windkraft.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Beschlossen habt ihr schon viel! – Abg. Anton Baron AfD: Deutschland ist das einzige Land, das sich daran hält!)