Protocol of the Session on November 23, 2016

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Beschlossen habt ihr schon viel! – Abg. Anton Baron AfD: Deutschland ist das einzige Land, das sich daran hält!)

Herr Kollege Glück, Sie sind Mitglied einer Partei, die von sich immer behauptet – das meine ich ernst –, eine Wirt schaftspartei zu sein, die Wirtschaft zu verstehen.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Auch!)

Sie tun das bis zum heutigen Tag. Sie haben über die Historie hinweg, denke ich, durchaus Ihre Verdienste.

(Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Bitte im Protokoll festhalten!)

Das meine ich sehr ernst, Herr Kern. – Aber wir in BadenWürttemberg, einem der wichtigsten Industrieländer in Euro pa, verbrauchen gegenwärtig 80 Milliarden kWh Strom pro Jahr. In Zukunft wird der Verbrauch trotz der zunehmenden Energieeffizienz weiter steigen. Warum? Es geht um die so genannte Sektorkopplung. Wir werden nämlich mehr Strom im Verkehrssektor und im Wärmesektor benötigen. Auf Bun desebene liegen mittlerweile Studien vor, die besagen: Zu den 600 TWh Strom, die wir in Deutschland jährlich verbrauchen, werden noch einmal etwa 200 TWh Strom durch die soge nannte Sektorkopplung hinzukommen. Und dann stellen Sie sich hier hin, Herr Kollege Glück, und sagen: „Windenergie brauchen wir nicht.“

(Zuruf: Recht hat er!)

80 Milliarden kWh Strom verbrauchen wir.

(Abg. Daniel Rottmann AfD: Die wollen Sie mit Windenergie produzieren? Viel Spaß!)

Wir erzeugen im Moment in Baden-Württemberg rund 60 Mil liarden kWh Strom. Sie haben den Ausstieg aus der Kernener gienutzung mit beschlossen. Die beiden Anlagen, die noch am Netz sind, machen etwa 20 TWh Strom aus. Also gehen von den 60 TWh erzeugten Stroms noch einmal 20 TWh weg.

(Abg. Andreas Glück FDP/DVP: Das ist ja alles grund lastfähig!)

Auch die Kohlekraftwerke werden in den nächsten Jahren Stück für Stück wegfallen. Sagen Sie nur einmal ein Wort da zu, wo Ihrer Meinung nach zukünftig der Strom herkommen soll.

(Lebhafter Beifall bei den Grünen und der SPD – Ver einzelt Beifall bei der CDU – Zuruf: Genau!)

Verstehen Sie: Das ist einfach unverantwortlich. Dass Sie vor diesem Hintergrund heute noch als Wirtschaftsversteher her umrennen – –

(Abg. Anton Baron AfD: So ein Quatsch!)

Man braucht nun einmal Strom. Nur zu sagen: „Er kommt aus der Steckdose“, ist ein bisschen wenig.

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der SPD – Zuruf von der AfD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden die Energiewen de nur bewältigen können, wenn die Akzeptanz bei den Bür gerinnen und Bürgern gegeben ist.

(Abg. Anton Baron AfD: Auf der Stromrechnung!)

Übrigens hatten das schon die OEW bei ihrer erwähnten Elek trifizierung in Oberschwaben im Blick. Wenn wir die Ener giewende wollen, dann können wir letztendlich die daraus re sultierenden Lasten nicht immer nur anderen auferlegen. Das will ich auch einmal sagen.

Landschaftsveränderungen gibt es immer bei der Energieer zeugung. Gehen Sie einmal mit mir nach Garzweiler in Nord rhein-Westfalen, gehen Sie mit mir in die Braunkohlegebiete in Ostdeutschland, in Sachsen, in Brandenburg, dann können Sie einmal sehen, wie Landschaftsveränderungen aussehen. Gehen Sie mit mir ins Saarland, wo ich ursprünglich herstam me, wo im Zusammenhang mit dem Steinkohlebergbau gan ze Dörfer abgesackt sind. Gehen Sie mit mir nach Kolumbi en, wo heute die Kohle abgebaut wird. Man tut gerade so, als ob an anderer Stelle in der Vergangenheit Energieerzeugung nicht mit Eingriffen in die Landschaft zu tun gehabt hätte.

(Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Andreas Ken ner und Reinhold Gall SPD)

Es gilt natürlich immer darauf zu achten, diese Eingriffe so gering wie möglich zu halten. Das gilt selbstverständlich auch beim Thema Windenergie. Wir müssen die Windenergie, auch wenn wir sie weiter ausbauen, behutsam ausbauen. Wir müs sen auch auf andere Belange Rücksicht nehmen, auf den Na turschutz, den Artenschutz, auch auf die Nähe zur Wohnbe bauung – um das einmal zu erwähnen.

(Abg. Winfried Mack CDU: So!)

Wir haben einen Windenergieerlass, in dem klar geregelt ist, wie das gemacht wird.

In der Vergangenheit haben etwa 65 % der Antragsteller bei reinen Wohngebieten – das ist nun einmal im Baurecht ein feststehender Begriff – bereits Abstände von 900 und 1 000 m gewählt. Das können sie auch mit unserem Windenergieer lass. Sie müssen es jeweils individuell begründen. Wir kön nen nicht einen höheren Abstand wählen. Eine ganze Reihe von Gerichtsentscheidungen zeigen, dass dies nicht möglich ist. Vielmehr sind die 700 m gewählt worden, weil damit die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen – Lärm, Infra schall, Schattenwurf – immer eingehalten werden. Das ist der Grund, warum es heißt: mindestens 700 m Abstand.

(Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. Paul Nemeth CDU – Abg. Anton Baron AfD: Da wird die Höhe nicht berücksichtigt!)

Meine Damen und Herren, es geht also, wie gesagt, darum, immer die örtlichen Gegebenheiten einzubeziehen. Das, glau be ich, machen wir mit der Regelung, die wir hier in BadenWürttemberg gefunden haben.

Wichtig ist meines Erachtens noch, dass wir Kommunen, dass wir die Betroffenen auch bei solchen Prozessen, bei solchen Diskussionen vor Ort unterstützen. Ein Beispiel dafür ist das Dienstleistungsangebot „Forum Energiedialog“. Damit wol

len wir den Bürgerinnen und Bürgern ebenso wie den Bürger meisterinnen und Bürgermeistern draußen im Land eine Hil festellung leisten. Nach allem, was ich so höre, wird dies auch sehr, sehr gern angenommen.

Vor diesem Hintergrund eröffnet aus meiner Sicht die Koali tionsvereinbarung zwischen Grünen und CDU so, wie wir sie getroffen haben – mit unserem neuen Koalitionspartner –, Herr Kollege Glück, der Windkraft auch weiterhin klare Per spektiven, aber auch in dem Sinn, dass natürlich auch ausrei chend Rücksicht auf andere Belange genommen wird.

In diesem Sinn sind das Ihnen bekannte Rundschreiben an die kommunalen Planungsträger und auch – das will ich an die ser Stelle durchaus auch sagen – die forstlichen Einzelfallprü fungen zu verstehen. Es geht uns um verantwortungsbewuss te Nutzungen und ortsangepasste Lösungen. Dabei ist auch klar: Pauschale Abstandsregelungen gibt es nicht. Auch jeder Pachtvertrag im Forst, im Staatsforst wird einzeln geprüft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so, wie es Skeptikerinnen und Skeptiker beim Ausbau der Windkraft gibt, so gibt es in der Bevölkerung auch viele Befürworterinnen und Befürwor ter. Die Einweihung des Windparks in Lauterstein

(Abg. Nicole Razavi CDU: Der schönste Wahlkreis im Land!)

mit seinen 16 Anlagen, gemeinsam mit dem Ministerpräsiden ten, war ein richtiges Volksfest. Das, was ich da erlebt habe, habe ich an anderen Stellen ebenfalls erlebt, beispielsweise kürzlich auch in Freudenberg, ganz oben im Nordwesten des Landes.

Meine Damen und Herren, die Zahl der Anlagen in BadenWürttemberg wächst.

(Abg. Anton Baron AfD: Die Stromrechnung auch!)

Wir hatten im letzten Jahr erstmals 53 Anlagen ans Netz be kommen, was in etwa einer Leistung von 145 MW entspricht. Das war eine Rekordzahl, wie wir sie zuvor in Baden-Würt temberg noch nie erreicht haben. Nachdem das laufende Jahr zu drei Vierteln vorbei war, verzeichneten wir knapp 100 An lagen, und ich kann jetzt schon sagen, dass wir in diesem Jahr insgesamt zwischen 110 und 120 Anlagen ans Netz bekom men werden, was in etwa einer Leistung von 300 MW ent sprechen wird.

Erfreulich ist – auch das will ich an dieser Stelle sagen –, dass die Zahl der Anträge und auch die Zahl der genehmigten An träge auch unter den Bedingungen des veränderten Förderre gimes – wir gehen ja zukünftig über auf Ausschreibungen statt fester Vergütungen, wie wir sie bislang im EEG hatten – hoch bleiben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Parteien sollen im bes ten Fall dem Interessenausgleich dienen, und sie sollen gesell schaftliche Debatten führen. Ich glaube, dass Grüne und CDU bei der Windkraft beides leisten. Wir werden den Sorgen von Bürgerinnen und Bürgern mit Blick auf die Veränderungen ih rer Umgebung ebenso gerecht, wie wir der Energiewende und dem Klimaschutz gerecht werden, die ebenfalls Anliegen vie ler Menschen sind und die zudem unser gemeinsames politi

sches Ziel darstellen. Mit diesem gemeinsamen Verständnis können wir den eingeschlagenen Weg weitergehen und so auch unsere langfristigen Klimaschutzziele erreichen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Elektrifizierung Ober schwabens hat sich als Segen für die Menschen in diesem wunderschönen Landstrich erwiesen und hat ihnen das Leben, wie wir alle wissen, erleichtert. Die Region hat sich so auf den Weg in die Moderne machen können, und an die Leitungen hat man sich im Laufe der Zeit, wenn man ehrlich ist, auch gewöhnt. An der Lieblichkeit dieses wunderschönen Land strichs hat sich auch durch diese Leitungen bis zum heutigen Tag nichts geändert.

Ich glaube, mit der Windkraft wird es ganz ähnlich gehen. Wir werden uns an die Anlagen gewöhnen, und wir werden für uns und unsere Kinder gewährleisten können, dass wir damit kli maneutralen Strom erzeugen. Vor dem Hintergrund der Ver änderungen, die der Klimawandel auch bei uns mit sich brin gen wird, werden wir darüber noch froh sein.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Grünen und der CDU)

In der zweiten Runde er teile ich das Wort noch einmal Herrn Kollegen Glück für die FDP/DVP-Fraktion.

Herr Präsident, werte Kol leginnen und Kollegen! Herr Kollege Nemeth, es ist schon faszinierend: Sie sind Mitglied einer Regierungskoalition, und selbst über solche Fragen wie die, ob beim Windkraftausbau ein 10-%-Ziel bis zum Jahr 2020 gilt, herrscht offensichtlich keine Einigkeit. Sie sagen auf der einen Seite, das Ganze wä re vom Bund einkassiert worden; deswegen spielten die 10 % keine Rolle. Der Minister schreibt in seiner Stellungnahme zu Frage 1 des Antrags, weiterhin gelte das 10-%-Ziel zur Wind energienutzung.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das war noch im Über gang!)

Das Zweite ist: Sie sagen, dass es beim Thema Abstandsrege lung einen Kompromiss gegeben habe, dass man dies doch vor Ort am besten bestimmen könne. Lesen Sie den Antrag durch, insbesondere die Stellungnahme zu Frage 5. Diese Ih re Aussage, die Sie im Wahlprogramm hatten, weicht nicht von den bisherigen Ausführungen des Windenergieerlasses ab. Es ist alles so geblieben, wie es war.

(Abg. Paul Nemeth CDU: Das stimmt nicht! Falsch! Haben Sie es noch immer nicht verstanden? – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD – Gegenruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Der Kollege Nemeth sagt immer das Richtige!)

Sie müssen sich doch darüber einig werden. Der Minister sagt doch etwas ganz anderes als Sie. Ich kann Ihnen nur sagen: Lesen Sie diesen Antrag. Die Stellungnahme wird Sie scho ckieren, denn dann werden Sie merken, wie Sie über den Tisch gezogen worden sind, meine sehr geehrten Damen und Her ren von der CDU.