Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde es gut und richtig, dass heute, ein gutes halbes Jahr nach der Konstituierung dieses Land tags, das Thema Windenergie und damit auch das Thema Energiewende mit auf der Tagesordnung stehen. Denn viele Themen, die wir in den letzten Wochen hier behandelt haben, sind ohne ausreichenden und bezahlbaren Strom nur Seifen blasen, welche früher oder später platzen müssen.
Bei der Windkraft geht es letztendlich um gravierende und weitreichende Entwicklungen, welche hier anzusprechen sind. Über Jahrhunderte, eigentlich Jahrtausende, war das Leben der Menschheit geprägt durch den Mangel an Energie. Erst mit der Erfindung der Dampfmaschine, dem Generator, also mit der Nutzung der Elektrizität, waren Wohlstand sowie tech nischer, medizinischer und sozialer Fortschritt nicht nur für eine kleine Elite, sondern für alle Bevölkerungsschichten möglich.
Mit der heutigen einseitigen Fokussierung auf erneuerbare Energien, insbesondere auf die Windenergie, stellt die grünschwarze Landesregierung diesen Fortschritt infrage und er hebt den Energiemangel – auf Neudeutsch nennt man das dann Energieeinsparung – zum Ziel ihrer Politik.
Es liegt doch für einen Industriestandort wie Deutschland auf der Hand, dass die vorzugsweise Nutzung von erneuerbaren Energien deren permanente Verfügbarkeit voraussetzt. Da die se aber aus natürlichen Gründen weder bei der Sonne noch beim Wind immer gegeben ist, gilt hier ganz besonders ein Satz aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten vom 1. Juni, den ich mit Genehmigung des Herrn Präsiden ten wörtlich zitieren möchte:
Damit die Energiewende ein Erfolg wird, sind neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze kosten günstige und effiziente Speichermöglichkeiten für Strom notwendig.
Dieser Satz hat weitreichende Konsequenzen. In dieser Re gierungserklärung findet sich aber kein Wort darüber, wann und wo diese Speicherkapazitäten jemals auftauchen werden.
Im Gegenteil: Alle angebotenen Auswege über Power-to-Gas, Power-to-Heat und sonstiges Power-to-irgendwas, was man heute so anbietet, sind in höchstem Maß problematisch, weil alle, wenn man sie großtechnisch anwendet, viel zu teuer sind.
Mit ihrem Windenergieerlass verpflichtet die Regierung von Baden-Württemberg alle Ministerien und deren nachgeordne te Dienststellen dazu, der Windenergienutzung angemessenen Raum zu verschaffen. Letztlich möchten die Grünen auch zu künftig den Bau Hunderter Windräder in Baden-Württemberg fördern, welche, um ihre Grundlastfähigkeit zu erreichen, ei ner ergänzenden Speichertechnologie bedürfen, die aber weit und breit noch nicht zu sehen ist.
Folglich stellt sich damit auch noch nicht so sehr die Frage, ob und wann in Baden-Württemberg 10, 20 oder 30 % Wind stromanteil erreicht werden kann. Vielmehr stellt sich die Fra ge, wie viel Zappelstrom unser Stromnetz eigentlich verträgt, ohne zu kollabieren.
Wenn schon heute für die Errichtung von Windrädern Aus nahmegenehmigungen beantragt werden müssen, um Bestim mungen des Landschafts- und Artenschutzes umgehen zu kön nen, zeigt dies doch nur, wie nahe wir bereits an der Grenze des Zumutbaren und Sinnvollen angelangt sind. In SchleswigHolstein und Mecklenburg-Vorpommern z. B. sind diese Gren zen – davon gehe ich aus – längst überschritten.
Ein zusätzliches Problemfeld der Windenergie ist das deut sche Stromübertragungsnetz. Die Gefahr von Netzausfällen steigt stetig.
Aus der großen Vision der verbrauchsnah erzeugten Energie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist ein mas sives Engpassproblem geworden. Die Abhilfe wird Milliar den verschlingen.
Zwangsläufig auf den Prüfstand müssen die planwirtschaftli chen Elemente der Förderung der erneuerbaren Energien, die zu einer eklatanten Wettbewerbsverzerrung auf dem Energie markt geführt haben. Feste Einspeisevergütung über 20 Jah re, Einspeisevorrang, Zahlungsverpflichtungen für nicht ab genommene Leistung und Ähnliches sind in vergleichbaren Ländern, die ebenfalls auf erneuerbare Energien gesetzt ha ben, weit anders geregelt worden. So kommt es hier in Deutsch land aber zu einer starken Benachteiligung der Erzeuger fos siler Energien, welche beim Fehlen von Wind und Sonne ein springen müssen, ihre Leistung aber nur im Fall der Inan spruchnahme vergütet bekommen.
Die Folgen dieser Ungleichbehandlung am Markt sind das Fehlen von Mitteln für Investitionen, der Verschleiß der Kraft werksinfrastruktur und damit mittelfristig verbunden die Ge fahr von Kapazitäts- und Netzausfällen.
Die fehlende Planbarkeit des volatilen Wind- und Sonnen stroms, verbunden mit der Tatsache, dass die Stromkosten für kleine und mittlere Strombezieher in den letzten zwölf Jahren in Deutschland um gut 100 % gestiegen sind, hat schon eini ge Industriebetriebe veranlasst, ihre Produktionsstätten ins Ausland zu verlagern bzw. gleich im Ausland zu investieren.
Noch ein Letztes: Der Ausbau von Windkraftanlagen ist mas siv unsozial. Denn er erfolgt nicht nach marktwirtschaftlichen Gesetzen, sondern über eine Energieumlage. De facto ist dies nichts anderes als eine indirekte Steuer,
Wenn die schlecht bezahlte alleinerziehende Altenpflegerin ihre Waschmaschine laufen lässt, finanziert sie die garantier ten Gewinne einer blühenden Ökoindustrie,
die auf dem freien Markt ihr Produkt niemals zu solch hohen Preisen absetzen könnte. Das ist nicht marktwirtschaftlich, das ist nicht sozial, das ist schlicht zutiefst ungerecht und viel leicht auch manchmal ein bisschen unanständig.
Lieber Kollege, auch wenn es Ihre erste Plenarrede ist, sollten Sie langsam, aber sicher zum Ende kommen.
Ja. – Wir plädieren stattdessen für einen gesunden Energiemix, verbunden mit ei nem mehrjährigen Moratorium im Energiesektor, um die in
zwischen aufgetretenen Fehlentwicklungen zu korrigieren und das System zu stabilisieren. Hierfür ist der Windenergieerlass in keiner Weise hilfreich.
Lieber Herr Präsident, liebe Kol leginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der FDP/DVP, lieber Kollege Nemeth, hat mir nicht die Stimme genommen, zumindest noch nicht, und auch nicht meine Meinung zur Windenergie ins Schwanken gebracht. Ich denke, der Antrag der FDP/DVP gibt allen Fraktionen die Chance, ihre Meinung zur Windkraft darzulegen.
Er hätte der FDP/DVP auch die Chance gegeben, sich an ih ren windkraftfreundlichen ehemaligen Wirtschaftsminister Ernst Pfister zu erinnern.
Der Antrag der FDP/DVP gibt auch der Regierung die Chan ce, Widersprüche beim Mindest- oder Vorsorgeabstand klar zustellen oder eben offen und ehrlich zuzugeben, dass der Um welt- und Energieminister einerseits und der Landwirtschafts minister andererseits zwar am selben Strang ziehen – am Strang des Kompromisses vielleicht, Herr Nemeth –, aber wohl doch in unterschiedliche Richtungen, wie mir scheint.
Wir Sozialdemokraten bekennen uns ohne Wenn und Aber zur Energiewende, zum Klimaschutz, zum Atomausstieg und zum notwendigen Ausbau der Windenergie in unserem Land.
Vielleicht gehen insoweit 70 bis 80 % der Kolleginnen und Kollegen im Parlament mit. Ich hoffe es zumindest.
Mit der Formulierung, Vorsorgeabstände von 1 000 m festle gen zu können, haben Grüne und Schwarze bei Windkraftgeg nern die Hoffnung geschürt, dass der geltende Mindestabstand von 700 m doch nicht mehr wirklich zählt.
Der Umweltminister behauptet in der Stellungnahme zu dem Antrag, über den wir heute debattieren, zum 1 000-m-Abstand lapidar – ich zitiere –: