Protocol of the Session on July 22, 2020

Aber noch einmal die konkrete Frage: Planen Sie bisher ein Alkoholverbot auf den Weihnachtsmärkten?

Wir haben bisher in der Gastro nomie kein Alkoholverbot geplant, und wir sind jetzt gerade in den Diskussionen. Sobald wir entschieden haben, Herr Abg. Born, werden Sie zeitnah informiert.

Ich kann Ihnen nur sagen: Ich finde es sehr kreativ und inno vativ – das ist auch bei Messen so: die neuen Formate kom men jetzt unabhängig davon, welche Regelungen wir jetzt ge troffen haben –, dass Kommunen sagen: Wir gehen in solche neuen Formate, weil dadurch mehr Sicherheit auch bei den Besucherinnen und Besuchern geschaffen wird. Diesen krea tiven, innovativen Weg gehen jetzt viele Kommunen – auch große Städte, auch im benachbarten Bundesland, auch die Stadt München, die ja mit „Sommer in der Stadt“ an verschie denen Stellen jetzt auch Ereignisse stattfinden lässt. Das be trifft ja dann auch viele Künstler, weit über die Schausteller hinaus. Also, solche Wege kann ich nur unterstützen. Die fin de ich großartig.

(Zuruf des Abg. Daniel Born SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Damit ist die Bearbeitung dieses Themas für heute erledigt. Wir haben unsere Zeit genau ausgeschöpft. Vielen Dank.

Ich rufe das zweite Thema auf, gemeldet von der Fraktion der AfD:

N a c h t r a g s h a u s h a l t d e r L a n d e s r e g i e r u n g

Ich erteile das Wort, sobald das Redepult frei ist, Herrn Abg. Dr. Podeswa.

Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehr te Damen und Herren Minister! Der Präsident des Landes rechnungshofs, Herr Benz, hat anlässlich der Pressekonferenz zur Vorstellung der Denkschrift 2020 in dieser Woche eine Binsenweisheit ausgeführt. Ich darf das „Binsenweisheit“ nen nen, weil Herr Präsident Benz es selbst so bezeichnet hat. Die se Binsenweisheit lautet:

Vor der Aufnahme neuer Kredite sollten Einsparungen und Umschichtungsmöglichkeiten im Haushalt geprüft werden.

Vor diesem Hintergrund, dass auch der Landesrechnungshof eine strikte Ausgabendisziplin in der Haushaltspolitik ange mahnt hat, nachdem dies jetzt auch der Bund der Steuerzah ler tut und wir Monate zuvor dies von diesem Ort aus ange mahnt haben, frage ich die Landesregierung, welche Maßnah men sie ergriffen hat, welche sie zu ergreifen plant und ob sie die geplanten Einsparungen möglicherweise schon heute quan tifizieren kann. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt in diesem Zusammenhang ist: Die Ausga bereste 2018 – sie sind nach allen Informationen, die mir vor liegen, 2019 nicht niedriger geworden – belaufen sich auf 5,6 Milliarden €. Sie sind mit mehr als 10 % des Gesamthaushalts Ausdruck einer – ich nenne es so – großzügigen Etatisierung. Man kann natürlich auch auf dem Standpunkt stehen, sie sind damit Ausdruck einer in hohem Grad unsoliden Haushaltspo litik, wenn über 10 % der Gelder übrig bleiben. Wie plant die Landesregierung mit diesen Ausgaberesten umzugehen? Ist geplant, sie abzuschmelzen und, wenn ja, in welcher Höhe?

Der hier offensichtlich im Raum stehende weiße Elefant ist natürlich die Frage: Welche Höhe der Neuverschuldung plant die Landesregierung für 2020? Wir lesen in den Zeitungen ganz aktuell – nur daher bekommen wir Informationen, unge achtet aller Diskussionen über die Beteiligung des Parlaments –, dass Sie richtigerweise die Städte und Gemeinden mit 2,88 Milliarden € unterstützen wollen. Woher nehmen Sie dieses Geld? Wie hoch ist die geplante Neuverschuldung nach heu tigem Planungsstand? Schließlich: Wann beabsichtigen Sie den ohne jeglichen Zweifel notwendigen Nachtragshaushalt einzubringen, und welche Schwerpunkte wird dieser Nach tragshaushalt haben?

Vielen Dank.

(Beifall)

Für die Landesregierung erteile ich das Wort Frau Ministerin Sitzmann.

Frau Landtags präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich sehr, dass sich die AfD-Fraktion bereits intensiv – so hoffe ich – mit der Denkschrift des Landesrechnungshofs befasst hat.

(Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: In der Tat, Frau Mi nisterin!)

Das ist immer eine wichtige, gute und spannende Lektüre.

Ich habe leider gerade die Pressemitteilung auf meinem Platz liegen lassen, aber wie dem auch sei. Wir können sagen, dass der Landesrechnungshof ausdrücklich die Haushalts- und Fi nanzpolitik der Landesregierung in dieser noch nie da gewe senen Krisensituation positiv begleitet.

Selbstverständlich sind die Schulden, die wir heute aufneh men – oder auch schon aufgenommen haben –, eine Zukunfts belastung. Die Kreditermächtigung für die Landesregierung in Höhe von 5 Milliarden €, die der Landtag im März be schlossen hat, ist unter Feststellung der Naturkatastrophe be schlossen worden; zugleich ist sie mit einem Tilgungsplan ver sehen, und dieser Tilgungsplan beinhaltet, dass ab dem Jahr 2024 in zehn Raten jeweils 500 Millionen € jährlich getilgt werden müssen. Allein das ist natürlich schon eine Belastung, die sich von Mitte oder Ende der kommenden Legislaturperi ode über weitere Legislaturperioden hinweg erstrecken wird.

Sie haben gefragt, wann die Landesregierung einen Nachtrag plant. Stand heute – ich betone: Stand heute – haben wir ei nen Nachtrag – wenn er notwendig wird – nach der außeror dentlichen Steuerschätzung, die vom 8. bis 10. September stattfindet, vorgesehen.

Sie wissen, dass in der Regel die Steuerschätzungen jeweils im Mai und dann im Herbst stattfinden. Aufgrund der ausge sprochen volatilen Situation, sowohl was den Verlauf der In fektionskrankheit Corona betrifft, als auch was die wirtschaft lichen Konsequenzen betrifft, ist die Entscheidung gefallen, im September noch einmal eine Wirtschafts- und Konjunktur prognose zu erstellen und auf der Grundlage dieser Prognose eine weitere, außerordentliche Steuerschätzung zu machen.

Was diese Steuerschätzung dann im Einzelnen bringt und was auch die Wirtschaftsprognose bringt, können wir heute noch nicht sagen. Wir können damit auch nicht sagen, welche Kre dite wir nach der Konjunkturkomponente aufnehmen können. Stand heute bzw. Stand Mai-Steuerschätzung beträgt diese Summe 7,2 Milliarden € – 4,5 Milliarden € im Jahr 2020 und 2,7 Milliarden € im Jahr 2021. Auf der anderen Seite stehen die prognostizierten Steuermindereinnahmen – laut Mai-Steu erschätzung 6,8 Milliarden € für 2020 und 2021.

Sie wissen, wenn wir einen Nachtrag aufstellen – immer wenn wir einen Haushalt aufstellen –, muss dieser ausgeglichen sein. Würden sich diese Zahlen der Mai-Steuerschätzung im September bestätigen, würde das bedeuten, dass wir nach Aus gleich der Steuermindereinnahmen von den Krediten nach der Konjunkturkomponente lediglich 400 Millionen € für weite re Ausgaben übrig hätten.

Der Nachtrag, sollten wir einen solchen benötigen, wird nach der Steuerschätzung im September auf den Weg gebracht wer den. Wenn es um inhaltliche Schwerpunkte geht, kann ich Ih nen Folgendes sagen. Sie haben es ja auch der Zeitung ent

nommen, dass wir mit den kommunalen Landesverbänden ei ne Einigung erzielt haben, wie wir die Kommunen unterstüt zen wollen. Einer der Schwerpunkte der Kreditaufnahme wird sicherlich die Finanzierung dieses Zukunftsprogramms für die Kommunen sein. Ein wesentlicher Baustein ist die Kompen sation des Gewerbesteuerrückgangs. Der Bund hat ein Pro gramm mit einer hälftigen Finanzierung zwischen Bund und Ländern angekündigt. Für Baden-Württemberg ist die Auftei lung Stand heute leider nicht halbe-halbe, sondern der Bund trägt 840 Millionen €, und das Land wird 1,04 Milliarden € tragen müssen. – Das ist sicherlich ein Schwerpunkt.

Ein weiterer Schwerpunkt ergibt sich daraus, dass wir den Kommunen zugesagt haben, die Verluste im kommunalen Fi nanzausgleich – dabei geht es um den Vergleich zwischen der Herbst-Steuerschätzung 2019 und der Mai-Steuerschätzung 2020 – auszugleichen. Bislang haben wir für die Abschlags zahlungen die Steuerschätzung von November 2019 zugrun de gelegt und nicht die von Mai 2020. Diese höheren Zuwei sungen werden wir über das Jahr fortführen. Das ist nicht nur eine Liquiditätshilfe, sondern ein einmaliger Zuschuss. Da sind wir auch bei einem Betrag von etwas über 1 Milliarde €.

Ich denke, weitere Schwerpunkte werden wir im Herbst ver handeln. Was müssen wir dabei beachten? Wir sollten natür lich die finanziellen Möglichkeiten beachten, die sich aus der Steuerschätzung ergeben. Wir sollten beobachten, wie sich die umfangreichen Unterstützungs-, Hilfs- und Soforthilfepro gramme des Landes konjunkturell auswirken. Es geht also um folgende Fragen: Sind wir mit den zusätzlichen Kreditpro grammen in der Lage, viele Unternehmen im Land wirksam zu unterstützen? Wie wirkt sich das Konjunkturprogramm des Bundes aus, das bislang nur in Teilen beschlossen ist? Wie viel hilft den Unternehmen der ganze Instrumentenkasten der steuerlichen Erleichterungen? All das wird zu beachten sein. Dann, denke ich, sollten wir in Bezug auf die Schwerpunkte überlegen, wo wir gezielt in eine gute Zukunft Baden-Würt tembergs investieren müssen bzw. sollen. Das wird im Herbst zu entscheiden sein.

Wenn wir Anträge von den einzelnen Ressorts auf Mittelent nahme aus der Rücklage für Haushaltsrisiken bekommen, dann wird selbstverständlich auch immer überprüft, ob diese Entnahme aus der Rücklage überhaupt notwendig ist oder ob die Ressorts nicht in der Lage wären, das mit nicht verausgab ten Mitteln zu finanzieren. Deshalb achten wir sehr darauf, dass mögliche Minderausgaben, die die Ressorts an der einen oder anderen Stelle aufgrund der Coronapandemie und ihrer Folgen möglicherweise haben, da einbezogen werden.

In Bezug auf die Einsparungen durch Konsolidierungsmaß nahmen, die Sie angesprochen haben, hat der Rechnungshof ausdrücklich betont, es gehe nicht darum, jetzt zu sparen, son dern es gehe darum, Gestaltungsspielräume für die Zukunft zu erhalten. Es ist eine schwierige Aufgabe, diese Gratwan derung hinzubekommen. Wir, die Koalition, werden sicher lich im Herbst die entsprechenden Beratungen führen müs sen. Allerdings wäre es nicht sinnvoll, in wichtigen Zukunfts bereichen des Landes jetzt Einsparungen vorzunehmen, die dann negative Auswirkungen haben könnten.

Tatsächlich ist es so, dass sich die Ausgabereste stetig nach oben entwickelt haben; das ist richtig. Allerdings verhandelt das Finanzministerium intensiv mit den einzelnen Fachres

sorts, welche Ausgabereste gebunden und welche nicht ge bunden sind. Wir werden natürlich auch den entsprechenden Beitrag in der Denkschrift und den Vorschlag einer Effizienz rendite von 10 % intensiv überprüfen.

Auch wir sehen, dass die Entwicklung der Ausgabereste so, wie sie sich in den letzten Jahren dargestellt hat, optimierungs fähig ist. Allerdings hat das nichts mit einer unsoliden Haus haltspolitik zu tun. Wir haben wesentliche Beträge des Lan des durch Solidarpakte gebunden. Wir haben Verpflichtungen gegenüber den Kirchen, wir haben einen Solidarpakt Sport, wir haben einen Hochschulfinanzierungsvertrag. Sie alle ha ben einen beträchtlichen Umfang. Würden wir da Eingriffe vornehmen, würden wir die Verträge, die wir geschlossen ha ben, um Planungssicherheit zu gewährleisten, gefährden.

Ich denke, damit habe ich die wesentlichen Punkte angespro chen.

(Beifall)

Vielen Dank. – Ich habe wei tere Wortmeldungen, zum einen von Herrn Abg. Hofelich. – Bitte.

Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen, deren Inhalte Sie an anderer Stelle dan kenswerterweise auch schon so skizziert haben.

Zwei Fragen drängen sich noch auf. Es ist klar, dass es bei den Ausgaberesten gebundene Positionen gibt. Darauf haben Sie hingewiesen. Klare Frage an Sie: Haben Sie sich bei dem, was an Spielräumen vorhanden ist, eigentlich ein politisches Ziel gesetzt, wie viel Sie von diesen doch exorbitant hohen Aus gaberesten politisch in die Finanzierung einbringen wollen? Gibt es von Ihnen dazu ein Ziel? Sie beschreiben gerade nur den Prozess. Das wäre interessant zu wissen. Da das auch die vorletzte Sitzung vor der Sommerpause ist, wäre es auch ein Signal, wenn Sie das jetzt sagen würden.

Das Zweite ist: Sie haben davon gesprochen, dass Sie selbst verständlich immer prüfen, dass nicht verausgabte Mittel zur Gegenfinanzierung coronabedingter Maßnahmen eingesetzt werden. Es ist klar, dass man das vonseiten des Finanzminis teriums tut.

Die wirkliche Frage ist aber, ob in diesem für die Jahre 2020/2021 beschlossenen Doppelhaushalt Vorhaben eingesetzt wurden, über die im Kabinett jetzt politisch zu diskutieren ist. Es geht nicht darum, ob ein Ressort etwas nicht verausgabt hat, son dern es geht darum, ob ein Ressort etwas nicht durchführt. Werden solche Themen bei Ihnen im Kabinett diskutiert, und, wenn ja, können Sie uns dazu bereits Nachrichten überbrin gen?

Denn eines ist klar: Es gibt Aufgaben, die jetzt, weil andere Aufgaben vorn gestanden sind, schlichtweg von der Kapazi tät her nicht erfüllt werden können. Schon daher müssten ei gentlich Ressorts sagen: Das ist nicht zu schaffen, was wir uns im Haushalt vorgenommen haben. Das geht nur mit einer po litischen Diskussion, die im Übrigen auch vom Ministerprä sidenten angeführt werden muss.

Herr Kollege Ho felich, wir werden sicherlich im Kabinett den Nachtragshaus halt behandeln, wenn der Entwurf auf dem Tisch liegt. Aus ei

gener langjähriger Erfahrung wissen Sie, dass Kabinettsvor lagen in der Regel dann auf die Tagesordnung des Kabinetts kommen, wenn sie vorabgestimmt sind und die Ressorts un tereinander einig geworden sind.

(Zuruf: So war das früher!)

Im Kabinett führen wir in der Regel keine sehr langen Dis kussionen zu einzelnen Kabinettsvorlagen. Vielmehr finden diese Diskussionen im Vorfeld statt.

Sie haben nach Maßnahmen gefragt, deren Durchführung co ronabedingt vielleicht nicht möglich war. Wir werden das na türlich noch mal prüfen und abfragen, aber ich glaube, dass da so viel nicht zusammenkommen wird. Sicherlich werden wir Minderausgaben bei den Reisekosten haben. Wir werden auch Minderausgaben bei der Durchführung von Veranstal tungen haben. Andererseits wurden aber auch oftmals Veran staltungen, die als Präsenzveranstaltungen geplant waren, dann in Form von Videokonferenzen oder Telefonkonferen zen durchgeführt. Wenn es größere Veranstaltungen waren, ist die Neukonzeption, wie diese jetzt durchgeführt werden kön nen, durchaus ein zusätzlicher Aufwand.

An der einen oder anderen Stelle gibt es also vielleicht Ein sparungen. Auf der anderen Seite sind viele Veranstaltungen, die nicht stattgefunden haben, nicht ersatzlos gestrichen wor den. Vielmehr ist in der Regel geplant, sie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn es das Infektionsgeschehen wieder zulässt, durchzuführen.

Wir werden es abfragen, aber ich glaube, ehrlich gesagt, nicht, dass wir da auf so relevante Summen kommen, um z. B. den Schwerpunkt, die Kommunen in dieser schwierigen Phase gut zu unterstützen, gegenfinanzieren zu können.

Was die Ausgabereste betrifft, wird letztlich dann auch der Überschuss des Vorjahrs in Verrechnung mit den Einnahme resten festgestellt. Das werden wir demnächst sehen. Wir ha ben aber auch bereits in den Doppelhaushalt 2020/2021 zu er wartende Überschüsse aus Vorjahren eingebracht. Der Über schuss des letzten Jahres, den wir in Kürze valide benennen können, wird nicht übermäßig groß sein. Der Rechnungshof schlägt eine Effizienzrendite bei den Ausgaberesten von 10 % vor. Das werde ich sehr genau und sehr wohlwollend prüfen.

Allerdings ist Folgendes zu beachten. Nehmen Sie das Bei spiel Breitbandausbau: Es gibt einen Förderbescheid für Land kreis A oder Zweckverband B, aber die Mittel können nicht abfließen. Oder nehmen Sie die Baubranche: Beim Hochbau, aber auch beim Tiefbau war es in der Vergangenheit ein Pro blem, dass sie massiv überlastet waren. In diesem Fall kön nen diese Mittel nicht abfließen. Sie sind verbucht, sie sind gebunden, können aber dem Haushalt nicht wieder zugeführt werden.