Erlauben Sie mir noch eine letzte Bemerkung zu den Themen, um die es am Rande geht. Ich kann jetzt das Thema Digitali sierung – ein weites Handlungsfeld, das uns sicher erhalten bleibt – nicht vertiefen. Ich würde jedoch gern zu dem Stich wort Medizinerprüfung deutlich klarstellen: Es gibt keine Dif ferenz zwischen dem Gesundheitsminister und mir. Wir sind in enger Abstimmung gewesen.
Dass die M2-Prüfung nicht abgesagt und durch Teilleistungen ersetzt wurde, hat Minister Lucha nicht zu verantworten. Des wegen bitte ich Sie um ein bisschen Sorgfalt. Das hat Bundes minister Spahn so entschieden. Dort war die Grundsatzent scheidung zu treffen.
Dann ging es nur noch um die Frage, welche Spielräume ge nutzt werden. Da haben sich der Gesundheitsminister BadenWürttembergs sowie der Gesundheitsminister von Bayern, üb rigens in Abstimmung mit unseren medizinischen Fakultäten, angesichts des konkreten Infektionsgeschehens in unseren Bundesländern entschieden, zu sagen: Wir können diese Prü fungen unter diesen Bedingungen zu diesem Zeitpunkt nicht durchführen.
Ja, das ist eine andere Antwort bei Baden-Württemberg und Bayern gewesen als in Schleswig-Holstein. Es könnte sein, dass das etwas mit dem Infektionsgeschehen zu tun hat. Es ist eine Zumutung für die Studierenden. Es war richtig hart, aber ich glaube, es war auch geboten. Wir hatten überhaupt keine Differenz. Ich glaube vielmehr, wir haben bei der Umsetzung der beschränkten Spielräume, die wir hatten, das Richtige ge tan. Wir kämpfen nach wie vor dafür, dass die M2-Prüfung, die nachgeholt wird, zu adäquaten, den konkreten Gegeben heiten angepassten Bedingungen stattfinden kann.
Ich finde es bemerkenswert: Wir bekamen zu M2 sehr viele Rückmeldungen, haben auch tatkräftig versucht, den Scha den, die Belastung zu begrenzen. Bis heute bekommen wir viele Rückmeldungen kritischer Art zum Thema Lehramt. Nicht weniger Rückmeldungen gibt es im Bereich Jura. An sonsten gibt es auch ein paar Rückmeldungen, aber das Gros der Kritik, der fehlenden Antworten und der Unsicherheiten ist in den Bereichen – ich sage es jetzt auf den Punkt gebracht –, in denen wir Staatsexamen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an alle, die Hochschulpoli tik machen: I am sorry, die Wissenschaftsministerin ist für Staatsexamensprüfungen nicht zuständig. Deswegen richten Sie bitte, damit die Lösungen schneller gefunden werden, Ih re Kritik an die zuständigen Ministerien. Denn für die Prob leme im Zusammenhang mit dem Staatsexamen Jura ist der Justizminister zuständig, beim Lehramt ist es die Kultusmi nisterin und bei der Medizinerprüfung ist es der Gesundheits minister.
Es könnte auch sein, dass es ein systematisches Problem gibt, dass man in einer solchen Krisensituation, in der man ange sichts von Problemen, die man vorher nicht auf dem Plan hat te, womöglich sehr agil Anpassungen vornehmen muss, da, wo infolge von Bologna – Bachelor und Master – die Zustän digkeit für solche Fragen bei den Hochschulen liegt, dann schneller agieren kann. Dann kann man seine Studienprü fungsordnung schneller anpassen und kann vielleicht leichter mit den Studierenden kommunizieren.
Es ist aufwendiger, eine M2- oder M3-Prüfung in der Medi zin anzupassen, wo der Bundesminister mitredet und dann in der zweiten Stufe der Landesminister auch noch etwas sagen kann. In den anderen Bereichen ist es ähnlich kompliziert. Das bringt auch eine Verlangsamung ins System.
Die Schwierigkeiten hatten häufig auch etwas damit zu tun, dass die Studierenden einfach nicht wussten, wie es weiter geht. Die zuständigen Fachminister konnten auch nicht ein fach schalten und walten, wie sie wollten, sondern sind in ein komplexes, starres Regelwerk eingebunden. Deswegen kam es auch zu Verdruss und Verzögerungen.
Vertiefen wir das nicht weiter, aber ich glaube, Agilität ist ei ne Stärke in unüberschaubaren Situationen, und Bologna – Bachelor und Master – ist sicher ein System, das Verantwor tung nach unten in die Hochschulen verlagert und sich an die sen Stellen dann auch als handlungsfähiger erweist als starre Regelungen, die bundeseinheitlich einen Rahmen vorgeben.
Ich möchte aber noch einmal zurückkommen auf das eigent liche Gesetz, um das es heute geht. Ich bin den Regierungs fraktionen dankbar, dass wir so schnell, so pragmatisch, so sinnvoll und so sachgerecht Lösungen gefunden haben. Ich freue mich auf eine schnelle Verabschiedung und kündige schon einmal an: Das wird nicht das letzte coronabedingte Problem im Zusammenhang mit Hochschulen gewesen sein, das wir miteinander lösen müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Dann ha ben wir die Aussprache beendet.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/8151 zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kunst zu überweisen. – Sie sind damit einver standen. Dann ist es so beschlossen.
Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP/ DVP – Gesetz zur parlamentarischen Kontrolle der Frei heitsbeschränkungen infolge der Covid-19-Pandemie – Drucksache 16/8152
Das Präsidium hat hierzu folgende Redezeiten festgelegt: für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minuten pro Fraktion.
Frau Präsidentin, liebe Kol leginnen und Kollegen! Seit annähernd vier Monaten erleben wir infolge der Covid-19-Pandemie die schwerwiegendsten Einschränkungen der Grundrechte in der Geschichte der Bun desrepublik. Auch wenn mittlerweile zahlreiche dieser Ein schränkungen gelockert oder aufgehoben wurden, steht außer Frage, dass bis zur Normalität noch viel Zeit vergehen wird. Dabei geht es nicht darum, dass die Bürgerinnen und Bürger den Eindruck haben, für jede weitere Lockerung der Landes regierung Dank für die Wiedererteilung von Freiheiten zu schulden, sollte doch nicht die Aufhebung der Beschränkun gen, sondern sollten die Beschränkungen selbst hinterfragt werden müssen und einer Rechtfertigung bedürfen.
Vielfach zeigt sich, dass die Einschränkungen und Beschrän kungen, die Auflagen nicht stimmig, oftmals in sich wider sprüchlich und vielfach – durch zwischenzeitlich zahlreiche verwaltungsgerichtliche Urteile bestätigt – schlichtweg rechts widrig sind. So leuchtete es von vornherein nicht ein, warum ein größeres Ladengeschäft über 800 m2 ein größeres Anste ckungsrisiko bergen sollte als ein kleines, warum die Men schen zu Recht im Biergarten oder bei privaten Feiern zusam menkommen dürfen, aber nicht eine geführte Wanderung im Stadtwald erleben dürfen, warum die Menschen erfreulicher weise wieder einkaufen, aber keine Gottesdienste besuchen dürfen oder warum bei einer Hochzeit mit bis zu 99 Gästen das Brautpaar den Eröffnungswalzer tanzen, die Gäste jedoch das Tanzbein nicht schwingen dürfen. Vielfach hätte die Ein holung einer Antwort auf eine Rückfrage bei den Praktikern vor Ort oder eben auch aus dem Parlament geholfen, diese Kuriositäten, dieses Chaos und die Verwirrung zu verhindern.
Was jetzt vielfach vielleicht als Bagatelle, als Lappalie darge stellt wird – ich bitte Sie, sich zu erinnern –, bedeutet für an dere ihre Existenz. Diese mitunter groben handwerklichen Schnitzer lassen sich nicht einfach mit dem Verweis auf eine möglicherweise zu Beginn der Pandemie berechtigte Eilbe dürftigkeit erklären. Zwischenzeitlich liegen Wochen zwi schen den einzelnen Verordnungen, und doch wurden zahlrei che, selbst die krassesten Missstände weder kassiert noch zu mindest geheilt.
Gleichzeitig erleben wir – mittlerweile weniger bei öffentli chen Demonstrationen, aber nach wie vor stark in den sozia len Medien –, dass auch mangels hinreichender Transparenz der Entscheidungen oder schlichtweg wegen schlechter Kom munikation Verschwörungstheorien Platz greifen.
Hier ist das Parlament insgesamt, der Landtag von BadenWürttemberg gefordert, bei künftigen Entscheidungen noch stärker darauf zu achten, dass mit Transparenz und mit Au genmaß agiert wird und nicht weiter unverhältnismäßige oder gar rechtswidrige Eingriffe in die Freiheitsrechte stattfinden. Während vom Ministerpräsidenten bis hin zu den Fraktions vorsitzenden wohlfeil dem Parlamentarismus das Wort gere det wird, Pandemiegesetze angekündigt und dann doch nicht vorgelegt werden, hat die FDP/DVP-Fraktion geliefert.
Die Kolleginnen und Kollegen von der SPD haben zwischen zeitlich nachgelegt, wenngleich nicht weitgehend genug. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtig muss uns allen die Stoßrichtung unseres Gesetzentwurfs sein. Diese Stoßrichtung
unseres Gesetzentwurfs ist es, zukünftige und noch bestehen de Freiheitsbeschränkungen im Zusammenhang mit Covid-19 unter den Zustimmungsvorbehalt des Parlaments zu stellen.
Dieser Gesetzentwurf ist so simpel wie überzeugend. Der Ge setzentwurf steht in Einklang mit unserem Grundgesetz. Schließ lich wird mit Artikel 80 des Grundgesetzes die Stärkung der Handlungsmöglichkeiten der Landesparlamente als Sinn und Zweck formuliert. In dieser Konsequenz führt hierzu auch der AnwaltsVerband Baden-Württemberg in seiner Stellungnah me zu Recht aus, dass Artikel 80 Absatz 4 des Grundgesetzes verordnungsersetzende Gesetze erlaube, das heißt, dass der Landtag in dem durch die Ermächtigungsgrundlage vorgege benen Rahmen die gesamte Regelungsmaterie an sich ziehen könne und daher die Normierung des Zustimmungsvorbehalts als Minus gegenüber einer Vollregelung zulässig sei.
Ja, dieses Gesetz ist längst überfällig, da angesichts der im mensen Einschränkungen und der voraussichtlichen Dauer das Parlament als höchstes Verfassungsorgan stärker einge bunden werden muss.
Mit diesem Gesetzentwurf stellen wir sicher, dass der Land tag einen substanziellen Beitrag bei Fragen der konkreten Maßnahmen, bei der Anwendung der relevanten Kriterien in angewandten Bewertungsgrundlagen sowie insbesondere hin sichtlich der Bewertung der Verhältnismäßigkeit und mithin für die Qualität und Rechtssicherheit der Verordnungen leis ten kann, dass die demokratische Legitimation der Maßnah men erhöht wird und gleichwohl die notwendige Flexibilität und Schnelligkeit gewahrt bleibt und schließlich dass der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten und geprägten We sentlichkeitstheorie Rechnung getragen wird, wonach der par lamentarische Gesetzgeber verpflichtet ist, in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Regelungen selbst zu treffen. Das heißt, das Parlament kann und darf Fragen we sentlicher Grundrechtseingriffe nicht einfach an die Verwal tung übertragen.
Der Landtag kann infolge des Gesetzentwurfs entweder selbst über das Für und Wider der einzelnen Maßnahmen beraten oder dies aus prozessökonomischen Erwägungen heraus z. B. an einen Sonderausschuss gemäß § 18 Absatz 3 der Geschäfts ordnung des Landtags von Baden-Württemberg übertragen. Dieser ist durch die Möglichkeit der Präsenz-, Video- oder Hybridsitzungen flexibel und könnte mit einer Ladungsfrist von zwölf Stunden effektiv und schnell agieren.
Sollte gleichwohl aufgrund der Dringlichkeit, beispielsweise bei Gefahr im Verzug, ein unverzügliches Handeln notwen dig werden, steht der Landesregierung die Möglichkeit offen, mit einer Eilentscheidung zu reagieren. Diese müsste dann binnen sieben Tagen nach der Verkündung noch durch das Par lament bzw. durch den Sonderausschuss bestätigt werden, an dernfalls tritt die Verordnung mit sofortiger Wirkung wieder außer Kraft.
Bestehende Beschränkungen zu lockern oder aufzuheben be darf indes nicht der Zustimmung des Landtags, denn nicht die Lockerung, sondern die Fortdauer der Beschränkungen muss begründet werden.
Mit der Herstellung der Öffentlichkeit und der Videoübertra gung schaffen wir zudem Transparenz, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen und Verschwörungstheorien im Keim zu begegnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, „zulässig“, „von der verfas sungsrechtlich normierten Organisationsautonomie des Land tags gedeckt“, „sinnvoll“ und „notwendig“ – das sind nur we nige der ausnahmslos positiven Reaktionen aus der Anhörung. Ja, selbstverständlich werden wir mit einem Änderungsantrag die Anregung des AnwaltsVerbands aufgreifen, das vom Bun desverfassungsgericht geforderte Zitiergebot zu berücksich tigen.
Insgesamt sprechen also gewichtige Gründe für, jedoch kei ner gegen den vorliegenden Gesetzentwurf. Liebe Kollegin nen und Kollegen, jetzt können Sie also beweisen, dass das Hohelied auf den Parlamentarismus nicht nur in Sonntagsre den, sondern auch hier im Landtag von Baden-Württemberg gespielt wird.
Selbstverständlich sind wir bei Detailfragen diskussions- und durchaus auch kompromissbereit. Wichtig ist für uns der Grund satz, dass künftige Freiheitsbeschränkungen nicht am Parla ment vorbei erfolgen dürfen. In diesem Sinn freue ich mich auf gute, angeregte Diskussionen und Beratungen hier und im Ständigen Ausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsi dentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Machen wir uns nichts vor: Wir leben in einer Situation, die es in der Geschich te dieser Bundesrepublik bislang nicht gegeben hat. Die Co ronapandemie ist ein derart tiefer Eingriff; dafür gibt es kei ne Blaupause, dafür gibt es kein Vorbild. Da kann man nicht irgendwo nachschlagen, was man hätte tun können oder was man hätte anders machen können. Über Nacht musste gehan delt werden.
Jetzt sagt man so leicht, Herr Kollege Weinmann, drei Mona te später: „Das und das hätte man doch möglicherweise an ders machen können.“ Selbstverständlich! Diese Regierung wird ihre Verordnungsgebung auch kritisch hinterfragen. Das hat sie zu jedem Zeitpunkt gemacht, und sie korrigiert diese auch. Wir werden in den nächsten 14 Tagen noch weitere Kor rekturen und Anpassungen erleben; das ist überhaupt kein Thema.
Aber vergegenwärtigen wir uns noch einmal die Besonderheit der Situation vor drei Monaten: Über Nacht brach die Pande mie aus, und es musste unverzüglich gehandelt werden. Die Regierung war und ist – das ist verfassungsrechtlich von nie mandem auch nur ansatzweise infrage gestellt worden; die Gerichte haben dies mit Blick auf § 32 des Infektionsschutz gesetzes des Bundes auch klar entschieden – zu dieser Ver ordnungsgebung berechtigt. Es gab aus unserer Sicht zu die sem Zeitpunkt sowie auch für die ganze Zeit der Entwicklung der Pandemie keine Alternative. Der Landtag hätte das nicht leisten können. Machen wir uns da nichts vor!