Protocol of the Session on April 29, 2020

Stellen Sie sich mal die Frage, wie viele Einzelhändler eine Verkaufsfläche von über 800 m2 haben. Das sind etwa 10 %. Es passt nicht zu Ihrer Argumentation, zu sagen: „Wir wollen verhindern, dass die Innenstädte wieder volllaufen“, wenn Sie 10 % ausschließen. Im Gegenteil, es ist doch sehr viel nahe liegender, zu sagen: Wir orientieren das Ganze an der Quad ratmeterzahl eines Ladens, legen fest, dass die Abstandsrege lungen und die Hygienevorschriften einzuhalten sind, und rechnen das dann vielleicht auf die maximale Zahl der Kun den um. Das ist etwas, was die Bürger verstehen,

(Beifall)

und das ist vielleicht auch etwas, was Gerichte verstehen. Ich habe gelesen, es ärgern sich manche über die Richter, weil die

Richter Recht sprechen, Herr Ministerpräsident. Nein, sie soll ten sich eher über das ärgern, was Sie auf diesen Konferen zen mit der Kanzlerin und Ihren Ministerpräsidentenkollegen ausbaldowert haben.

Jetzt ist die Rede von der Zeit nach der Krise. Was uns nach wie vor fehlt, ist eine Definition dessen, wann nach Ihrer Vor stellung die Krise beendet ist. Da ist dann von Sonderkonjunk turprogrammen die Rede. Wir brauchen, wir wünschen uns einen klaren Fahrplan: Wann bekommen die Leute unter wel chen Bedingungen ihre Bürgerrechte zurück? Wie wollen Sie die Wirtschaft wieder in Schwung bringen? Und vor allem: Haben Sie einen Pandemieplan für die Zukunft? Oder fahren wir da auch wieder auf Sicht?

Es gab ja mal einen Pandemieplan des Bundes, der vor etwa zehn Jahren erstellt wurde. Wenn man sich den mal anschaut, stellt man fest: Das ist beängstigend nah an dem, was wir er leben. Dieser Plan ist dann in der Schublade verschwunden. Ich hoffe nicht, dass das nach dieser Pandemie auch so pas siert.

Was wir brauchen, sind sicher konjunkturstärkende Maßnah men. Ein Konjunkturpaket aus steuerlichen Erleichterungen sollte man nicht vernachlässigen. Sicher kommen auch Zu schüsse und Anreize infrage. Wir sollten aber auch über Bü rokratieabbau, über Investitionen in die Infrastruktur und In novationen reden.

Diese Krise hat deutlich gezeigt: Die Digitalisierung des Schul wesens funktioniert nicht so, wie wir uns das eigentlich wün schen würden.

(Beifall)

Wenn der Landeselternbeirat feststellt: „20 % der Lehrer sind abgetaucht“, und die Kultusministerin erklärt: „Ja, es waren nicht alle an Bord“, dann besteht da Handlungsbedarf.

Klar ist natürlich, dass Bildung, was die Teilhabe betrifft, zu einem weniger gerechten Gut wird, wenn diejenigen benach teiligt sind, die digital schlechter ausgerüstet sind, wenn die jenigen benachteiligt sind, die in den Funklöchern wohnen. Das steigert die Ungleichheit in der Gesellschaft und beim Zu gang zu Bildungschancen. Deshalb brauchen wir nach dieser Krise Investitionen in die Infrastruktur, insbesondere auch in die digitale Infrastruktur.

Sie reden heute Nachmittag mit der anderen Hälfte des Klubs der Umsichtigen um Herrn Söder. Herr Weil ist dabei, und es geht dann um die Automobilwirtschaft. Wir haben ja schon gehört, wie sich Herr Söder Konjunkturprogramme vorstellt: „Da hauen wir auf die 6 000 € Subvention für batterieelektri sche Fahrzeuge plump einfach noch mal 4 000 € drauf. Dann haben wir drei Ziele erreicht: Wir haben die Konjunktur wie der in Schwung gebracht, die Automobilwirtschaft gerettet, und der Klimawandel ist auch gebremst.“ Wenn es so einfach wäre!

Herr Dudenhöffer, Automobilexperte, im Übrigen ein Anhän ger der batterieelektrischen Mobilität, sagt: Ein solches Pro gramm macht keinen Sinn, weil einfach die batterieelektri sche Mobilität einen noch zu geringen – ich sage: einen zu ge ringen; aber das Ergebnis ist das Gleiche – Anteil am Gesamt markt hat. Also verpufft das. Also macht es keinen Sinn, zu sagen: Wir machen jetzt eine zusätzliche Subvention für die

batterieelektrische Mobilität, und damit tun wir dann was für die Automobilwirtschaft und für die Wirtschaft insgesamt.

Wohlgemerkt, ich sage nicht: Das Ganze soll sich nicht an Kli mazielen orientieren. Aber wenn Sie schon mit diesen Herren darüber diskutieren, wie wir möglicherweise ein Konjunktur paket für die Automobilwirtschaft zum einen umweltfreund lich gestalten können und zum anderen so gestalten können, dass es auch in der Breite der Automobilwirtschaft ankommt, dann orientieren Sie sich nicht an Antriebssystemen, sondern an der CO2-Bilanz – aber bitte an einer ehrlichen CO2-Bilanz und nicht einfach an einer CO2-Bilanz, die sagt: Die batterie elektrische Mobilität hat eine CO2-Bilanz von null, weil das Ding keinen Auspuff hat.

Man muss vielmehr so, wie die Firma Bosch das fordert, die CO2-Bilanz der batterieelektrischen Mobilität im gesamten Lebenszyklus betrachten. Da muss man über synthetische Kraftstoffe reden, über Wasserstoff und, ja, auch über den um weltfreundlichen Diesel, etwa der Euronorm 6d. Welche Aus wirkungen der offensichtlich auf die Stickstoffbilanz in Stutt gart hat, haben wir in den letzten Wochen gesehen.

Bei dieser Gelegenheit: Fahrverbote in Stuttgart mit dieser Begründung, das sollte sich aufgrund der Erfahrungen der Co ronakrise endgültig erledigt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Abschließend, weil es so schön war, Herr Gögel, noch ein Wort zu Ihnen und zur AfD: Wir haben ja schon gesehen, wie Sie im Zusammenhang mit der Nullrunde agieren. Zuerst ha ben Sie dpa gesagt: „Das sehen wir gar nicht ein; wir bekom men ja sowieso nächstes Jahr den Abschlag.“ Wenn Sie dann den Eindruck haben, dass die Nullrunde kommt und Sie so wieso bluten müssen, dann reichen Sie scheinheilig einen Ge setzentwurf mit einem Abschlag ein.

Aber was Sie sich am heutigen Tag geleistet haben, Herr Gö gel, das bricht wirklich alle Rekorde.

Herr Abg. Dr. Rülke, Herr Abg. Rottmann würde gern eine Zwischenfrage stellen.

Nein. – Ich darf jetzt einmal einen Satz aus der heutigen Debatte zitieren: Diese Pandemie

... rechtfertigt... keinesfalls die Einschränkung der Grundrechte...

Wissen Sie, wer diesen Satz gesagt hat?

(Abg. Bernd Gögel AfD: Ich habe ihn heute Morgen gesagt!)

Jawohl! Richtig! Diesen Satz haben Sie gesagt.

Jetzt zitiere ich einen zweiten Satz:

Wenn Sie die Pandemie eindämmen wollen, müssen Sie die Menschen zwangsweise separieren und deshalb auch eine Ausgangssperre verhängen.

Herr Gögel, wer hat diesen Satz gesagt?

(Zuruf)

Bernd Gögel am 19. März in der letzten Landtagsdebatte zu diesem Thema.

(Vereinzelt Heiterkeit – Beifall)

Meine Damen und Herren, so viel zur Wahrhaftigkeit der AfD.

(Beifall)

Herr Gögel, vielleicht kennen Sie den Roman „Der Herbst des Patriarchen“ von Gabriel Garcia Marquez? Wenn Sie ihn nicht kennen, ist es auch nicht so schlimm. Aber vielleicht schrei ben Sie bald selbst ein Buch: „Die Demenz des Populisten“. Das würde treffen.

(Beifall – Zu- und Gegenrufe)

Ich kann schon einmal sa gen: Ich habe noch zwei Wortmeldungen von fraktionslosen Abgeordneten. Ich gehe alphabetisch vor. Demnach würde zu erst Herr Abg. Dr. Gedeon drankommen und dann Herr Abg. Pfeiffer, jeweils für fünf Minuten. Auch der Herr Ministerprä sident hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Er erhält an schließend das Wort.

Herr Abg. Dr. Gedeon, wenn Sie sich schon einmal auf den Weg machen wollen.

(Zurufe, u. a.: Das war doch auf eine Minute redu ziert!)

Das waren die Sonderrederechte. Aber in der Debatte sind es fünf Minuten Redezeit.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss sagen: Einiges war ziem lich gut, was Herr Stoch da gesagt hat und was auch Herr Rül ke gesagt hat.

(Zurufe)

Was Frau Aras am Anfang gesagt hat, war nicht so gut. Das Parlament in den Urlaub zu schicken ist einfach nicht Parla mentarismus, sondern das ist Ermächtigung der Exekutive. Man kann nicht sagen: „Wir lassen zwei Sitzungen des Ple nums ausfallen“, und das dann mit der Aussage begründen, es gebe keinen Beratungsbedarf. Das ist Wahnsinn! In einer Zeit, in der die Exekutive, die Regierung, Maßnahmen trifft, wie sie noch nie getroffen worden sind, zu sagen, es gebe keinen Beratungsbedarf im Parlament – eine solche Begründung, Frau Aras, geht einfach nicht.

Die Gesellschaft hat sich fundamental geändert, meine Da men und Herren. „Darf man Ostern mit Verwandten feiern?“ Das war die Überschrift nicht in irgendeiner Satirezeitung, sondern im SÜDKURIER. „Darf man Ostern mit Verwand ten feiern?“ Wie weit muss ein Volk gekommen sein, das in der Zeitung nachliest, ob man Ostern mit Verwandten feiern darf oder nicht? Was hat sich denn da getan?

Stellen Sie sich vor, eine solche Frage wäre vor einem Jahr oder einem halben Jahr oder einem Vierteljahr gestellt wor den. Undenkbar! Also, hier hat sich das Land verändert.

Dann eine weitere Schlagzeile: „Müssen Fußballer bei Geis terspielen Gesichtsmasken tragen?“ Das ist ein Wahn! Man könnte locker sagen, das sei Kabarett; aber es ist ein Wahn.

Inzwischen fahren die Leute auch schon mit Masken Fahrrad. Das ist reiner Unsinn.

Meine Damen und Herren, das Problem ist nicht das Virus, ist nicht die Epidemie, sondern das Problem ist die Politik gegen das Virus und die Epidemie.

(Vereinzelt Beifall)

90 % dieses ganzen Coronaszenarios sind ein Phantom, 10 % sind reale Gefährdungen bei der ganzen Sache.

Dieser Wahn nimmt immer stärker kultische Formen an. Co rona wird immer mehr unser Götze einer neuen Gesundheits religion, ein Götze, dem man alles zu opfern bereit ist: Wirt schaft, Wohlstand, Freiheit, Religion. Man verfolgt sehenden Auges, wie die Wirtschaft in den Abgrund gefahren wird. Das ist sicher. Man sieht zu, wie das Grundgesetz eine Kern schmelze erlebt. Eine Ausgangssperre, meine Damen und Her ren, ist eine Maßnahme im Bürgerkrieg, aber nicht bei der Seuchenbekämpfung. Es gibt eine Kernschmelze, die über haupt nicht registriert wird. Und Ostern fällt einfach aus, wird verramscht im säkularen Alltag der Coronareligion.