Protocol of the Session on March 19, 2020

Ich habe das gestern mit der Seite des Landtags von BadenWürttemberg verglichen. Schauen Sie sich mal alle das Bay erische Landesportal an; dann werden Sie sehen, wo BadenWürttemberg im Moment im Hinblick auf die Auskunftsfä higkeit den Menschen gegenüber steht. Die Menschen wer den nicht jeden von uns einzeln anrufen oder anschreiben. Sie möchten eine einfache Möglichkeit haben, Aufklärung und Hilfe zu bekommen.

(Beifall)

Die Versorgung der Bevölkerung muss sichergestellt werden. Es reicht nicht, zu sagen: Die Lebensmittelgeschäfte bleiben offen. Jetzt beginnt das Frühjahr, und die Bauern müssen die Saat ausbringen. Die Hilfskräfte fehlen. Das heißt, die Arbeits agenturen sollten jetzt für Hilfskräfte sorgen. Vielleicht muss Hilfe beim Bund, auch von der Bundeswehr, angefordert wer den. Sie müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um jetzt den Landwirten bei der Aussaat zu helfen. Denn wenn sie nicht aussäen, dann werden sie im Herbst nicht ernten. Dann sind die Vorräte, die sie in den Speichern haben, weg, und es kommt nichts nach.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die hätten aber gern Saisonarbeiter!)

Die Saisonarbeiter stehen in Polen an den Grenzen.

(Zurufe: Jetzt!)

Sofortige Hilfe ist absolut notwendig.

(Vereinzelt Beifall – Zurufe, u. a. Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: So ein Witz! – Abg. Andreas Stoch SPD: Jetzt geht Ihre Rede gerade nicht auf! Kann das sein? – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Vorher nachdenken! – Vereinzelt Heiterkeit)

Sie bringen mich nicht von diesem Pfad und von den Vor stellungen, die die AfD von Hilfe, Maßnahmen und Planun gen hat, ab.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist ein komplexer Dreisatz! – Unruhe)

Meine Damen und Herren!

Die Versorgung ist nicht sicherge stellt, und die Sicherheit der Bevölkerung ist nicht gewähr leistet. Wenn Sie heute einen Supermarkt noch unbeschadet betreten und auch wieder verlassen können,

(Zurufe)

so wird das nächste Woche vielleicht schon nicht mehr der Fall sein. Sie müssen versuchen, mit dem Handel Gespräche darüber zu führen, ob nicht Security-Unternehmen eingesetzt werden – im Einzelhandel im Lebensmittel- und Konsumgü terbereich, der für die Versorgung notwendig ist. Diese Bran chen sind im Moment Profiteure dieser Krise und haben ge wiss auch die Mittel, für die Sicherheit der Kunden zu sorgen.

Die Hilfe der Bundeswehr muss angefordert werden. Das wer den Sie nicht erst dann machen können, wenn es im Bundes land Baden-Württemberg zu Ausschreitungen oder Unruhen kommt. Vielmehr sollten Sie schon vorsorglich Hilfsmaßnah men anfordern. Sie müssen möglicherweise bei der Sicher stellung von Lieferketten von Unternehmen helfen, wenn es um die Nachbestückung der Märkte geht, und sie müssen viel leicht sogar beim Nachbestücken der Läden helfen. Das wer den Sie in den nächsten Tagen noch erleben.

Panikkäufe können Sie nicht mit Reden verhindern. Die Men schen wissen, was sie – aus ihrer Sicht – zu tun haben, und decken sich für einen längeren Zeitraum mit Lebensmitteln und erstaunlicherweise auch mit Toilettenpapier ein.

Diese Dinge sind grundsätzlich notwendig. Die müssen Sie umsetzen, und die müssen Sie rechtzeitig nicht nur planen, sondern am Tag X tatsächlich auch mit einsetzen.

Hören Sie auf, wie die Kanzlerin Maßnahmen zur Einschrän kung der Bewegungsfreiheit der Menschen weiter hinauszu zögern. Wenn Sie die Pandemie eindämmen wollen, müssen Sie die Menschen zwangsweise separieren und deshalb auch eine Ausgangssperre verhängen. Die AfD wird Sie in diesen Bemühungen selbstverständlich unterstützen.

(Beifall – Das Redepult wird desinfiziert. – Zurufe, u. a.: Bitte richtig! – Vereinzelt Heiterkeit und Bei fall – Zuruf: Das Mikrofon auch reinigen!)

Meine Damen und Herren, ich glaube, Witze sind hier nicht angebracht. Danke.

Für die Fraktion der FDP/DVP erteile ich Herrn Fraktionsvor sitzenden Dr. Rülke das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ohne Zweifel eine außerordentlich schwierige, ernste Lage für unser Land und natürlich ganz besonders für alle Mitbürgerinnen und Mitbür ger.

Es ist klar, dass die politischen Institutionen, das Parlament und die Regierung, deutlich machen müssen: Wir tun alles, um diese Lage so zu gestalten, dass die Menschen in diesem Land, aber auch die Wirtschaft möglichst unbeschadet durch diese Krise kommen können. Ich glaube, das muss unsere ge meinsame Aufgabe sein. Wir, die FDP/DVP-Fraktion, unter stellen, dass alle dieselbe Zielsetzung haben.

Wir schließen uns selbstverständlich dem Dank an alle, die in dieser Krise ihre Position einnehmen, an. Das gilt für die Ver käuferin im Supermarkt, für den Pfleger im Altenheim; das sagen auch wir. Wir müssen unseren Beitrag leisten und da bei ein angemessenes, ein ausgewogenes Mittel finden, um auf der einen Seite möglichst viel für den Gesundheitsschutz zu tun und auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass das Land, dass die Menschen weiterhin versorgt werden. Wir müs sen ihnen auch Mut zusprechen und deutlich machen, dass wir gemeinsam aus dieser Krise herauskommen.

Was heißt das jetzt konkret? Es gibt zwei konkrete Zielsetzun gen, die Sie, Herr Ministerpräsident, auch umrissen haben. Auf der einen Seite gilt es – das ist klar; das ist hauptsächlich die Aufgabe der Regierung, weil das auf Verordnungswegen läuft –, die entsprechenden Rechtsverordnungen zu erlassen, die den Gesundheitsschutz sicherstellen. Das sind jetzt keine Dinge, die im Parlament zu diskutieren sind.

Auf der anderen Seite muss man sich aber auch die Frage stel len – das ist das zweite wesentliche Ziel –: Wie können wir diese Maßnahmen so gestalten, dass unser wirtschaftlicher Wohlstand möglichst erhalten bleibt und dass es nach der Kri se wirtschaftlich wieder bergauf gehen kann?

Denn eines ist klar: Wir werden durch diese Krise absehbar einen wirtschaftlichen Einbruch erleben, der noch heftiger, noch härter sein wird als in der Finanzkrise vor gut zehn Jah ren. Die Ausgewogenheit dieser Maßnahmen ist also notwen dig.

Wir, die FDP/DVP-Fraktion, tragen die Maßnahmen, die Sie auf dem Verordnungsweg in den letzten Wochen ergriffen ha ben, mit. Wir gehören auch nicht zu jenen, die – wie es etwa die Vertreter des Flügels rechts von mir tun –

(Unruhe)

nun sagen: „Das hätte man alles früher wissen können; das hätte man alles vorher machen müssen; man hätte vielleicht schon Ende 2019 die Grenzen schließen müssen.“ Das ist al les Unfug.

(Zurufe von der AfD)

Denn wir brauchen eine ausgewogene Reaktion, die auch im mer im Blick hat: Was bedeutet das jetzt für die Wirtschaft und für den Wohlstand unseres Landes?

(Beifall)

Deshalb kritisieren wir ausdrücklich nicht das Handeln der Landesregierung auf dem Verordnungsweg, und wir kritisie ren auch nicht, dass vielleicht die eine Verordnung dann von einer anderen gleich überholt wird – in einer dynamischen La ge. Wenn man ausgewogen agieren will, ist das notwendig. Wir möchten Sie aber dennoch dazu aufrufen, die Verordnun gen weiter zu aktualisieren. Es kann ja sein, dass man das ei ne oder andere bislang nicht berücksichtigt. In der aktuellen Situation passt es beispielsweise nicht zusammen, dass man sagt: Die Friseure dürfen offen bleiben, aber die Optiker nicht. Das passt nicht zusammen. In solchen Fällen macht es, glau be ich, Sinn, die Dinge nachzujustieren.

Natürlich müssen wir auch aus der Krise lernen. Wir müssen uns anschließend die Frage stellen: Was ist nicht gut gelau fen? Was muss man daraus vielleicht für das nächste Mal ler nen? Aber ich glaube, es ist jetzt nicht die Stunde, sozusagen beckmesserisch zu schauen, was schiefgelaufen ist und wo man die Regierung vielleicht kritisieren kann.

Aufgabe des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber ist es an dieser Stelle ganz klar, darüber zu diskutieren: Wo sind in grö ßerem Umfang finanzielle Mittel zur Krisenbekämpfung not wendig? Es ist klar, dass wir alles tun müssen, um etwa dem Sozialminister zu ermöglichen, Schutzmasken, Beatmungs geräte und dergleichen Dinge mehr zu ordern. Selbstverständ lich müssen diese finanziellen Mittel auf möglichst raschem Weg zur Verfügung gestellt werden.

Wenn wir jetzt darüber hinaus diskutieren: „Was kann man für die Wirtschaft tun?“, so war es, glaube ich, richtig, die be stehenden Krisenreaktionsinstrumente möglichst rasch nach zuschärfen und zur Verfügung zu stellen. Sie haben sich im Übrigen auch bewährt – in der Finanzkrise 2007 bis 2009. Ich will nur daran erinnern, dass das Instrument der Landesbürg schaften nach meiner Kenntnis etwa 25 bis 30 Mal gezogen wurde und dass keine dieser Bürgschaften dann ausgefallen ist. Es wurde also richtig und zielgerichtet angewandt.

Aber in der jetzigen Lage ist es natürlich notwendig, auch noch zu weiteren Maßnahmen zu kommen – Stichwort Di rekthilfen. Wir begrüßen ausdrücklich, wenn die aktuell schon feststehenden Rücklagen in einer Größenordnung von etwa 850 Millionen € hier geöffnet werden, und möchten darum bitten, dass man die absehbaren künftigen Rücklagen für das nicht abgeschlossene Haushaltsjahr – die Finanzministerin ha be ich so verstanden, dass sie mit etwa 700 Millionen € rech net – jetzt auch für diesen Bereich öffnet. Es sollte nicht etwa gesagt werden: „Jetzt machen wir neue Schulden; wir lockern die Schuldenbremse“ – und die nicht ausgegebenen Haushalts reste werden dann wieder gebunkert. Das sollte, glaube ich, schon sichergestellt werden.

Darüber hinaus – Stichwort Schuldenbremse –: Sie wissen, Herr Ministerpräsident, meiner Fraktion ist die Schuldenbrem se immer wichtig gewesen. Deshalb hatten wir auch das An liegen, gemeinsam mit Grünen, CDU und SPD eine Lösung hinzubekommen, um die Schuldenbremse in die Landesver fassung zu implementieren. Aber klar ist: In dieser Situation zeigt sich – und das sieht die Landeshaushaltsordnung auch vor, wie im Übrigen auch das auf den Weg gebrachte Instru mentarium zur Verfassungsänderung –: Notzeiten können ei ne Regierung und ein Parlament dazu bringen, zu sagen: Wir

stellen jetzt eine Naturkatastrophe oder eine wie auch immer geartete Sondersituation fest, um diese Schuldenbremse zu lo ckern, um eben jetzt im konkreten Fall nach der Landeshaus haltsordnung besondere Maßnahmen zu ergreifen.

Es ist für unsere Fraktion völlig klar, meine Damen und Her ren, dass diese Lage jetzt eingetreten ist. Deshalb ist für uns auch klar, dass nicht die Schuldenbremse, nicht das Prinzip der schwarzen Null das Gebot der Stunde sind. Dazu werden wir nach der Krise wieder zurückkehren müssen. In der jetzi gen Situation ist es notwendig, die Möglichkeit für Direkthil fen zu schaffen – auch Direkthilfen, die deutlich über das hi nausgehen, was wir an Haushaltsresten haben; sprich ein Mil liardenprogramm – als rasche Hilfe für die Wirtschaft.

(Beifall)

Dazu sind wir bereit, Herr Ministerpräsident. Wir hätten uns allerdings von Ihnen am heutigen Tag eine Art Hausnummer gewünscht. Denn jetzt beginnt ja ein Überbietungswettbe werb. Frau Eisenmann ist zu hören mit 5 Milliarden €. Das hat die SPD gesehen und sagt: „Wir bieten 10.“ Ich könnte jetzt 15 Milliarden € bieten. Aber ich glaube, das ist nicht das Gebot der Stunde, sondern es macht Sinn, dass die Regierung einen Vorschlag macht. Deshalb verzichte ich ausdrücklich darauf, jetzt über irgendwelche Größenordnungen zu reden. Ich erwarte aber, dass die Regierung einen ausgewogenen Vor schlag macht.

Wie gesagt: Ich hätte mir gewünscht, dass Sie das jetzt schon machen, damit nun nicht dieser Überbietungswettbewerb be ginnt, der nicht zielführend ist. Vielleicht ist er mit dem Wunsch verbunden, irgendwo in den Medien zu erscheinen – man bie tet am meisten. Das macht an dieser Stelle aber keinen Sinn, und deshalb verzichtet die FDP/DVP-Fraktion darauf. Ich kann Ihnen aber zusichern, Herr Ministerpräsident: Wenn Sie einen Vorschlag machen, der in diese Richtung geht – wir ha ben ja vorgestern lange telefoniert –, dann wird die FDP/DVPFraktion diesen mittragen und nicht sagen: Das ist zu wenig.

Klar ist, in welche Richtung es gehen muss. Baden-Württem berg ist ein Land, das ganz besonders vom Mittelstand geprägt ist. Wir haben gerade bei den kleinen und mittleren Betrieben viele, die ungeheuer stark betroffen sind und denen man im Grunde sogar so etwas wie ein Berufsverbot – aus der Not der Lage heraus – erteilt. Wenn ich einem Händler sage: „Du musst jetzt dein Geschäft schließen aufgrund der Coronakri se“, so ist das nachvollziehbar, was die Zielsetzung angeht. Es geht darum, die Verbreitung des Virus aufzuhalten und zu einer Verlangsamung des Epidemiegeschehens zu kommen. Denn klar ist: Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung ist oberstes Prinzip. Aber das bedeutet für diesen Händler mög licherweise den Absturz ins wirtschaftliche Nichts – der dann auch für seine Beschäftigten eintritt.

Wir haben viele solcher Fälle im Land Baden-Württemberg – in der Gastronomie, im Tourismusgewerbe, bei den Schaustel lern, beim Messebau; den Handel habe ich bereits genannt. Viele andere aus diesen Bereichen sind ebenfalls betroffen, die nicht die Chance haben, Rücklagen zu bilden, die ihr Ge schäft möglicherweise schließen müssen, während die Mie ten doch weiterlaufen. Wir sehen also all diese Punkte, die zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen – für den Einzelnen, aber auch für den Wirtschaftsprozess insgesamt.

Deshalb ist es an dieser Stelle richtig, sozusagen vom ord nungspolitischen Purismus abzuweichen und zu sagen: Wir machen diese Direkthilfen – auf die Gefahr hin, dass es Mit nahmeeffekte gibt, auf die Gefahr hin, dass sie zu verlorenen Zuschüssen werden. Wir werden jedenfalls in dieser Situati on nicht die ansonsten üblichen Prüfverfahren – Hausbank, L-Bank etc. – anwenden können – die Zeit haben wir schlicht nicht –, sondern es ist notwendig, ein beschleunigtes und un bürokratisches Antragsverfahren hinzubekommen.

(Beifall)

Natürlich kann der Landtag von Baden-Württemberg auf der Homepage darüber informieren. Ich würde mir aber vor allem wünschen, dass dies das federführend zuständige Wirtschafts ministerium tut und möglichst rasch die Verbände und die Un ternehmen darüber informiert, welches Antragsverfahren vor gesehen ist. Nach Möglichkeit sollte unbürokratisch ein An trag im Umfang von einer Seite ausgedruckt und innerhalb von wenigen Minuten ausgefüllt werden können, damit das Geld schnell fließt. Im Idealfall weiß jeder Kleinunternehmer, jeder Mittelständler in Baden-Württemberg dies schon zu dem Zeitpunkt, an dem das Geld bereitsteht, um abzufließen.

Wir brauchen eine rasche Kommunikation und ein unbürokra tisches Verfahren. Im Grunde müsste es so sein, dass unmit telbar mit dem Beschluss des Landtags von Baden-Württem berg die Summe X für Direkthilfen zur Verfügung steht und die Betroffenen damit beginnen können, die Anträge zu for mulieren und einzureichen.